VwGH 18.07.2023, Ra 2022/10/0093
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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RS 1 | § 28 Abs 4 VwGVG 2014 sieht auch für den Fall der Ermessensübung durch die Verwaltungsbehörde lediglich dann eine bloße Aufhebung des angefochtenen Bescheides samt Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde zur Erlassung eines neuen Bescheides vor, wenn die Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs 2 VwGVG 2014 nicht vorliegen, bzw wenn die Beschwerde vom Verwaltungsgericht nicht ohnehin zurückzuweisen oder abzuweisen ist, wobei auch die Abweisung offensichtlich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Beschwerdesache verlangt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2014/03/0063 E VwSlg 18886 A/2014 RS 25 |
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RS 2 | § 11 Abs. 3 SchPflG 1985 räumt der Schulbehörde ein Ermessen ein, weshalb die Behörde eine darauf gestützte Entscheidung unter Offenlegung der für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit zu begründen hat, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes (vgl. Art. 133 Abs. 3 B-VG) erforderlich ist (vgl. , 0024). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/10/0201 E RS 2 |
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RS 3 | Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/14/0153 E RS 9 |
Normen | AVG §58 Abs2 AVG §60 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2 VwGVG 2014 §28 Abs3 VwGVG 2014 §28 Abs4 VwGVG 2014 §29 Abs1 |
RS 4 | Das VwG hat seiner Verpflichtung zur nachvollziehbaren Begründung des Nichtvorliegens seiner meritorischen Entscheidungszuständigkeit nicht entsprochen, wenn sich dem Beschluss iSd § 28 Abs. 3 VwGVG 2014 keine Begründung dazu entnehmen lässt, warum das VwG davon ausgegangen ist, dass die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bzw. die Nachholung der fehlenden Feststellungen durch das VwG selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/10/0101 E RS 2 (hier Beschluss iSd. § 28 Abs. 4 VwGVG 2014) |
Normen | SchPflG 1985 §11 Abs1 SchPflG 1985 §11 Abs2 SchPflG 1985 §11 Abs4 SchPflG 1985 §5 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 5 | Da die Regelung des § 42 Abs. 6 letzter Satz SchUG 1986 - wie die Regelungen des § 42 SchUG 1986 zu Externistenprüfungen generell - auf die Prüfung iSd § 11 Abs. 4 SchPflG 1985 anzuwenden ist, darf diese zum Nachweis des zureichenden Erfolges des für ein bestimmtes Schuljahr angezeigten Unterrichtes normierte Prüfung gar nicht vor Schulschluss dieses Schuljahres abgelegt werden. Dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat, ergibt sich auch aus § 11 Abs. 4 SchPflG 1985, wonach für den Fall, dass der zureichende Erfolg dieses Unterrichts für eine Schulstufe nicht nachgewiesen wird, die Erfüllung der Schulpflicht iSd § 5 legcit. anzuordnen ist, und somit der weitere Besuch einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht bzw. die Teilnahme am häuslichen Unterricht nicht mehr in Betracht kommt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2020/10/0007 E RS 2 (hier ohne den ersten Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision der Bildungsdirektion für Steiermark gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W227 2253324-1/6E, W227 2253625-1/3E, betreffend Aufhebung und Zurückverweisung i.A. Teilnahme an häuslichem Unterricht (mitbeteiligte Parteien: 1. mj. M L und 2. mj. L L, beide in F und vertreten durch die Erziehungsberechtigte L L in F), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheiden der Bildungsdirektion für Steiermark - der nunmehrigen Amtsrevisionswerberin - jeweils vom wurde der mit Schreiben vom für das Schuljahr 2021/2022 angezeigte häusliche Unterricht der im April 2008 bzw. Jänner 2007 geborenen Mitbeteiligten gemäß § 11 Abs. 3 iVm § 5 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) untersagt, die Erfüllung der Schulpflicht im Schuljahr 2021/2022 an einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung angeordnet und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
2 Begründend führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass der Anzeige der Teilnahme an häuslichem Unterricht keine weiteren Unterlagen angeschlossen gewesen seien. Die Behörde sei verpflichtet, eine „Grobprüfung“ des angezeigten häuslichen Unterrichts vorzunehmen, um festzustellen, ob die Gleichwertigkeit [mit dem Unterricht an einer in § 5 SchPflG genannten Schule] gegeben sei. Daher seien die Mitbeteiligten mit Schreiben der Behörde vom aufgefordert worden, binnen zwei Wochen „das Jahreszeugnis der zuletzt besuchten Schulstufe vorzulegen und das beiliegende Formular ausgefüllt zu retournieren“. Es sei darauf hingewiesen worden, dass es sich um Informationen handle, die nur der Partei zugänglich seien, und diese daher die Verpflichtung zur Mitwirkung am Ermittlungsverfahren treffe. Dieses Schreiben sei am zugestellt worden, es sei jedoch seitens der Mitbeteiligten keine Reaktion erfolgt. Eine Grobprüfung habe nicht durchgeführt werden können, da „keinerlei Daten, Angaben oder Hinweise“ zur Verfügung gestellt worden seien, die allenfalls darauf hätten schließen lassen können, dass die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts mit jenem in einer öffentlichen Schule mit großer Wahrscheinlichkeit gegeben gewesen sei.
3 Gegen diese Bescheide wurde mit Schriftsatz vom Beschwerde erhoben, in der im Wesentlichen vorgebracht wurde, die Mitbeteiligten seien der gesetzlichen Verpflichtung zur Anzeige der Teilnahme an häuslichem Unterricht gemäß § 11 Abs. 3 SchPflG „vollständig nachgekommen“. Eine „Grobprüfung“ sei im Gesetz nirgends vorgesehen, eine Verpflichtung zur Mitwirkung an einer solchen „Grobprüfung“ bestehe nicht. § 11 Abs. 3 SchPflG sehe eine Untersagung des häuslichen Unterrichts ausschließlich für den Fall vor, dass mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei, dass die in § 11 Abs. 1 oder 2 leg. cit. geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichts nicht gegeben sei. Die Behörde habe nicht dargelegt, aufgrund „welcher Evidenz mit großer Wahrscheinlichkeit“ anzunehmen sei, dass eine Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts nicht gegeben sei.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom wurde der Beschwerde der Mitbeteiligten Folge gegeben, die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde zurückverwiesen. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Amtsrevisionswerberin habe zur Prüfung der Gleichwertigkeit des angezeigten häuslichen Unterrichts die Mitbeteiligten „lediglich“ ersucht, das Jahreszeugnis vom vergangenen Schuljahr zu übersenden. Das Bundesverwaltungsgericht habe bereits mehrfach (sinngemäß) ausgesprochen, dass dies ein ungeeigneter Ermittlungsschritt [zur Beurteilung der Gleichwertigkeit] sei (Verweis auf näher genannte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach „aus dem Schulpflichtgesetz nicht ersichtlich ist, inwiefern die Vorlage eines Jahreszeugnisses von Bedeutung für die Beurteilung der Gleichwertigkeit des Unterrichts an einer Privatschule [bzw. des häuslichen Unterrichts] sein kann“). Die Amtsrevisionswerberin habe somit (noch) keine geeigneten Ermittlungen gesetzt, welche konkreten Umstände für und welche gegen die Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts sprächen. Folglich sei die Entscheidung mit einem Ermessensfehler behaftet, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit an die Amtsrevisionswerberin zurückzuverweisen gewesen sei.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Bildungsdirektion für Steiermark.
7 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.
8 Die Mitbeteiligten erstatteten keine Revisionsbeantwortungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Das Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. Nr. 76/1985 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 232/2021 (SchPflG), lautet auszugsweise:
„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht
§ 11. ...
(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen die Polytechnische Schule - mindestens gleichwertig ist.
...
(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils vor Beginn des Schuljahres anzuzeigen. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.
...“
10 § 11 des SchPflG in der am in Kraft getretenen Fassung der genannten Novelle BGBl. I Nr. 232/2021 lautet auszugsweise:
„Besuch von Privatschulen ohne Öffentlichkeitsrecht und häuslicher Unterricht
§ 11. ...
(2) Die allgemeine Schulpflicht kann ferner durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 genannten Schule - ausgenommen die Polytechnische Schule - mindestens gleichwertig ist.
...
(3) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben die Teilnahme ihres Kindes an einem im Abs. 1 oder 2 genannten Unterricht der Bildungsdirektion jeweils bis zum Ende des vorhergehenden Unterrichtsjahres anzuzeigen. Bei der Anzeige der Teilnahme am häuslichen Unterricht gemäß Abs. 2 sind Vor- und Familienname, Geburtsdatum und Anschrift jener Person bekannt zu geben, welche das Kind voraussichtlich führend unterrichten wird. Die Bildungsdirektion kann die Teilnahme an einem solchen Unterricht untersagen, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die im Abs. 1 oder 2 geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist oder wenn gemäß Abs. 2a eine öffentliche Schule oder eine mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Schule mit gesetzlich geregelter Schulartbezeichnung zu besuchen ist.“
11 Die vorliegende Amtsrevision macht in ihrer Zulässigkeitsbegründung (unter anderem) geltend, das Verwaltungsgericht übersehe den Umstand, dass die Wiederholung einer Schulstufe im häuslichen Unterricht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf ) unzulässig sei. Das Verwaltungsgericht weiche von dieser Rechtsprechung ab, da allein durch die Vorlage des Jahreszeugnisses der zuletzt besuchten Schulstufe nachgewiesen werden könne, ob die Schulstufe erfolgreich abgeschlossen worden sei. Es seien nach dieser Rechtsprechung Ermittlungsschritte [hinsichtlich der Frage der Gleichwertigkeit] nicht mehr nötig, wenn der angezeigte [häusliche] Unterricht von vornherein unzulässig sei.
12 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet:
13 Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung auf § 28 Abs. 4 VwGVG gestützt. Diese Bestimmung sieht auch für den Fall der Ermessensübung durch die Verwaltungsbehörde lediglich dann eine bloße Aufhebung des angefochtenen Bescheides samt Zurückverweisung der Angelegenheit an die Verwaltungsbehörde zur Erlassung eines neuen Bescheides vor, wenn die Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG nicht vorliegen bzw. wenn die Beschwerde vom Verwaltungsgericht nicht ohnehin zurückzuweisen oder abzuweisen ist, wobei auch die Abweisung offensichtlich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Beschwerdesache verlangt (vgl. , VwSlg. 18.886 A, sowie - darauf verweisend - etwa ; , Ra 2019/04/0026). Die Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst besteht nicht nur dann, wenn der maßgebliche Sachverhalt (schon) feststeht (§ 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG), sondern auch dann, wenn dessen Feststellung durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG). Was die Befugnis der Verwaltungsgerichte zur Aufhebung und Zurückverweisung anlangt, unterscheiden Art. 130 B-VG und § 28 VwGVG insoweit nicht zwischen Ermessens- und sonstigen Entscheidungen: Hier wie dort hängt die Zulässigkeit einer Zurückverweisung ausschließlich davon ab, ob die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG gegeben sind (vgl. ).
14 Davon ausgehend ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es nicht zutrifft, dass - wie das Verwaltungsgericht ausführt - die Behörde zur Prüfung der Gleichwertigkeit des angezeigten häuslichen Unterrichts die Mitbeteiligten „lediglich“ um Übersendung des Jahreszeugnisses des vergangenen Schuljahres ersucht habe. Vielmehr hat die Behörde im Schreiben vom auch um die Ausfüllung eines übermittelten Formulars ersucht, das nach Ausweis der vorgelegten Akten (u.a.) Fragen zur Person des Unterrichtenden, zu dessen „zeitlichen Ressourcen“, dessen beruflicher Tätigkeit, zum Lehrplan und zur zeitlichen und örtlichen Durchführung des Unterrichts enthalten hat. Die Mitbeteiligten sind allerdings diesem Ersuchen um Mitwirkung nicht nachgekommen und nehmen in der Beschwerde den Standpunkt ein, zu einer Mitwirkung nicht verpflichtet zu sein.
15 Dies trifft jedoch nicht zu:
16 Nach § 11 Abs. 3 SchPflG (sowohl in der Fassung vor als auch in jener nach der Novelle BGBl. I Nr. 232/2021) kann die Behörde die Teilnahme am häuslichen Unterricht (u.a.) dann untersagen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit (Fassung vor der soeben genannten Novelle) bzw. überwiegender Wahrscheinlichkeit (Fassung nach der genannten Novelle) anzunehmen ist, dass die in Abs. 2 leg. cit. geforderte Gleichwertigkeit des Unterrichtes nicht gegeben ist. Nach der (durch die Novelle BGBl. I Nr. 232/2021unverändert belassenen) Bestimmung des § 11 Abs. 2 SchPflG kann die allgemeine Schulpflicht durch die Teilnahme an häuslichem Unterricht erfüllt werden, sofern der Unterricht jenem an einer im § 5 leg. cit. genannten Schule - ausgenommen die Polytechnische Schule - mindestens gleichwertig ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes räumt § 11 Abs. 3 SchPflG der Schulbehörde ein Ermessen ein, weshalb die Behörde eine darauf gestützte Entscheidung unter Offenlegung der für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit zu begründen hat, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes (vgl. Art. 133 Abs. 3 B-VG) erforderlich ist (vgl., mit Verweis auf , 0024).
17 Entgegen der Ansicht der Mitbeteiligten in ihrer Beschwerde hat die Behörde daher zu prüfen, ob mit der im Gesetz genannten Wahrscheinlichkeit von einer (mindestens) Gleichwertigkeit des in Aussicht genommenen häuslichen Unterrichts auszugehen ist. Mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert aber die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen (vgl. , mwN).
18 Da Letzteres aber insbesondere in Ansehung der in Aussicht genommenen Ausgestaltung des häuslichen Unterrichts zutrifft, waren die Mitbeteiligten zur Mitwirkung verpflichtet. Welche weiteren Ermittlungsschritte die Behörde angesichts der ausdrücklichen Weigerung der Mitbeteiligten, am Verfahren mitzuwirken, diesbezüglich hätte setzen sollen, wird vom Verwaltungsgericht nicht ausgeführt. Es ist somit schon von daher nicht ersichtlich, dass im Revisionsfall die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 4 VwGVG vorgelegen wären.
19 Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Verwaltungsgericht seiner Verpflichtung zur nachvollziehbaren Begründung des Nichtvorliegens seiner meritorischen Entscheidungszuständigkeit nicht entsprochen hat, wenn sich - wie im vorliegenden Fall- dem Beschluss (hier: iSd § 28 Abs. 4 VwGVG) keine Begründung dazu entnehmen lässt, warum das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens durch das Verwaltungsgericht selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre (vgl. , mwN).
20 Davon abgesehen hat der Verwaltungsgerichtshof im von der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis vom , Ro 2020/10/0007, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, bereits darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber die Wiederholung einer Schulstufe im Rahmen der Teilnahme am Unterricht an einer Privatschule ohne Öffentlichkeitsrecht oder an häuslichem Unterricht nicht vorgesehen hat. Die Behörde hat in ihrem Schreiben vom an die Mitbeteiligten ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für den Besuch der nächsthöheren Schulstufe ein erfolgreicher Abschluss der zuletzt besuchten Schulstufe sei, sodass eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Teilnahme am häuslichen Unterricht die Vorlage eines entsprechenden Jahreszeugnisses verlange. Die Mitbeteiligten haben allerdings auch ein Jahreszeugnis über die zuletzt besuchte Schulstufe nicht vorgelegt und - wie ausgeführt - in der Beschwerde den Standpunkt eingenommen, zu einer Mitwirkung nicht verpflichtet zu sein.
21 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt nicht erkennbar, dass im Revisionsfall weitere Ermittlungen zur Frage der Gleichwertigkeit des häuslichen Unterrichts erforderlich gewesen wären, zumal mangels Mitwirkung der Mitbeteiligten schon nicht davon ausgegangen werden konnte, dass wegen des erfolgreichen Abschlusses der zuletzt besuchten Schulstufe die Teilnahme am häuslichen Unterricht überhaupt in Betracht kam. Dass sich die Behörde im Revisionsfall von Amts wegen Kenntnis über die Frage des erfolgreichen Abschlusses der zuletzt besuchten Schulstufe hätte verschaffen können, wurde von den Mitbeteiligten - die sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt haben - nicht behauptet.
22 Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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Normen | AVG §37 AVG §39 Abs2 AVG §45 Abs2 AVG §58 Abs2 AVG §60 B-VG Art133 Abs3 SchPflG 1985 §11 Abs1 SchPflG 1985 §11 Abs2 SchPflG 1985 §11 Abs3 SchPflG 1985 §11 Abs4 SchPflG 1985 §5 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §28 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §28 Abs2 Z2 VwGVG 2014 §28 Abs3 VwGVG 2014 §28 Abs4 VwGVG 2014 §29 Abs1 VwRallg |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Ermessen VwRallg8 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht Verfahrensbestimmungen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022100093.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-45962