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VwGH 09.06.2022, Ra 2022/10/0013

VwGH 09.06.2022, Ra 2022/10/0013

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AVG §71
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33
VwGVG 2014 §33 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs3 idF 2021/I/109
RS 1
Das VwG ist zu Recht von der Übertragbarkeit der bisherigen Rechtsprechung des VwGH zu § 71 Abs. 2 AVG auf die in § 33 Abs. 3 VwGVG 2014 normierte Frist ("binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses") ausgegangen (vgl. B , Ra 2014/03/0037). Von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels ist daher bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen, zu dem die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste, was im Fall eines berufsmäßigen Parteienvertreters die Einrichtung einer entsprechenden Kanzleiorganisation ua durch die Verpflichtung der Kanzleiangestellten zur Information über nicht erfolgte Postaufgaben erfordert (vgl. E , 2010/06/0006; B , 98/19/0219).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/07/0113 B RS 1 (hier ohne den letzten Halbsatz)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision des L W in R, vertreten durch Dr. Alois Zehetner, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ybbsstraße 66/II/1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-M-20/005-2021, betreffend Wiedereinsetzung in Angelegenheit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffend den Strafvollzug in einer forstrechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Scheibbs), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem bekämpften Beschluss vom , LVwG-M-20/005-2021, wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) den Antrag des Revisionswerbers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend das Verfahren LVwG-M-20/002-2021 zurück. Begründend führte es im Wesentlichen aus, der Vertreter des Revisionswerbers sei bereits am telefonisch darüber informiert worden, dass gemäß einer Anfrage an die IT-Abteilung des Landes Niederösterreich drei Faxe des Revisionswerbers vom (Verfahrenshilfeanträge) nicht bei der belangten Behörde eingelangt seien. Weiters sei der Vertreter am selben Tag per E-Mail über die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gefahrtragung einer Faxübermittlung in Kenntnis gesetzt worden. Damit habe der Rechtsvertreter ab diesem Zeitpunkt gewusst, dass das Verwaltungsgericht die Ansicht vertrete, dass die drei Faxe als nicht eingelangt zu werten seien. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom (also einen Monat nach Kenntnis) erweise sich jedenfalls als verspätet, da § 33 VwGVG lediglich eine Frist von 14 Tagen für die Antragstellung vorsehe. Darüber hinaus sei der Antrag auf Wiedereinsetzung auch wegen fehlender Versäumung einer Frist oder mündlichen Verhandlung als unzulässig zurückzuweisen, da in dem Antrag allenfalls Revisionsgründe geltend gemacht worden seien; es sei nicht erkennbar, welche Frist oder Handlung als versäumt bekämpft werden sollte.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu deren Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht wird, der Rechtsvertreter habe zwar am  mitgeteilt erhalten, dass das Einlangen der drei Verfahrenshilfeanträge mittels Fax am Empfangsgerät der belangten Behörde bzw. in der IT-Abteilung des Landes Niederösterreich nicht nachweisbar sei, die nunmehr im angefochtenen Beschluss in die Tatsachenfeststellung übernommene „Vermutung“, „die 3 Verfahrenshilfeanträge vom , übermittelt per Telefax, seien am Postweg verloren gegangen“, sei dem Revisionswerber in dieser Form jedoch erstmals mit Zustellung des bekämpften Beschlusses vom , sohin am , mitgeteilt worden. Erst ab habe der Revisionswerber Kenntnis vom „gerichtlich atypischen Geschehensablauf“ erhalten. Einzelne Beweisergebnisse könnten die offizielle Feststellung des „atypischen Geschehensablaufs“ nicht ersetzen. Infolge dessen könne nur dessen beschlussmäßige Feststellung fristauslösend sein. Ein fristauslösendes Ereignis sei immer erst mit Zustellung eines Beschlusses anzusetzen, zumal für den Revisionswerber erst ab ausreichend Klarheit und Sicherheit bestanden habe, welche Erwägungen des erkennenden Richters in die Tatsachenfeststellungen sowie in die rechtliche Beurteilung des bekämpften Beschlusses eingegangen seien. Es sei daher vom Verwaltungsgerichtshof zu klären, dass ausschließlich die Zustellung des bekämpften Beschlusses entscheidungswesentlich und als fristauslösend im Sinn des „§ 71 Abs. 2 AVG“ zu qualifizieren sei.

6 Der erkennende Richter hätte in jedem Fall die mündliche Verhandlung „nur zu eröffnen“ gehabt, da der Revisionswerber einen Sachverständigen der Informationstechnologie beantragt habe. Dies sei jedoch völlig ignoriert worden.

7 Weiters sei eine Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darin gelegen, dass der Revisionswerber als separierter Erbe nicht für die forstpolizeilichen Aufträge der belangten Behörde passiv legitimiert gewesen sei. Es fehle eine Judikatur bzw. sei die bestehende dazu uneinheitlich bzw. weiche das angefochtene Erkenntnis unbegründet von der bisherigen Judikatur „bei Klärung der Rechtsfrage davon ab, ob ein separierter, aber eingeantworteter Erbe Waldeigentümer im Sinn des § 175 ForstG“ sei.

8 Schließlich sei die Rechtsfrage zu klären, ob den „OK-Vermerken“ (zu ergänzen wohl: auf den Fax-Sendeprotokollen) im Sinn eines Anscheinsbeweises die Qualität eines Zugangsnachweises beim Empfänger zukomme.

9 Gemäß § 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

10 Gemäß § 33 Abs. 3 VwGVG in der vom Verwaltungsgericht anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 109/2021 ist in den Fällen des Abs. 1 der Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen, und zwar bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde und ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass auf § 33 VwGVG die zu § 71 AVG ergangene hg. Judikatur übertragen werden kann (vgl. etwa ; , Ra 2019/06/0036, jeweils mwN).

12 Der Revisionswerber vertritt die Auffassung, fristauslösendes Ereignis iSd. § 33 Abs. 3 VwGVG sei erst die Zustellung des Beschlusses, aus dem sich die Verspätung des Rechtsmittels ergibt, nicht aber bereits die dem Beschluss vorangegangene Mitteilung eines entsprechenden Beweisergebnisses.

13 Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass von einer Kenntnis der Verspätung eines Rechtsmittels bereits auszugehen ist, sobald die Partei bzw. deren Vertreter die Verspätung bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennen konnte und musste (vgl. die bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2020] §§71, 72, Rz 102, dargestellte hg. Judikatur). Eine Abweichung des Verwaltungsgerichtes von dieser Judikatur wurde in der Revision weder ausdrücklich vorgebracht, noch wurde der Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, der Vertreter des Revisionswerbers habe durch Verständigung per Telefon und E-Mail ab von dem Umstand, dass die (fristwahrenden) Faxe nicht eingelangt seien und von der Gefahrtragung bei Faxübermittlungen gewusst, Stichhaltiges entgegengesetzt.

14 Da somit Rechtsprechung zu dem vorgebrachten Thema vorliegt und eine Abweichung davon nicht aufgezeigt wurde, liegt diesbezüglich keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

15 In der unter Hinweis auf Judikatur und Literatur aus Deutschland gestellten Frage, ob den „OK-Vermerken“ auf den Fax-Sendeprotokollen im Sinn eines Anscheinsbeweises die Qualität eines Zugangsnachweises beim Empfänger zukomme, kann schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gesehen werden, weil dazu ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, wonach ein Sendebericht mit dem Vermerk „OK“ nicht zwingend den Schluss zulässt, dass eine Schriftsatzkopie tatsächlich beim Adressaten eingelangt ist; das Übermittlungsrisiko hat der Einschreiter zu tragen (vgl. etwa ; , 2009/05/0118; , Ra 2020/08/0196). Eine davon abweichende Beurteilung durch das Verwaltungsgericht wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen nicht aufgezeigt.

16 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens zur mündlichen Verhandlung ist anhand dessen fehlender Substantiierung nicht erkennbar, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zu beantworten hätte und inwiefern das Schicksal der Revision davon abhinge.

17 Das weitere Vorbringen zur Frage, ob der eingeantwortete Erbe bei Nachlassseparation Adressat eines forstpolizeilichen Auftrages sein darf, bewegt sich außerhalb des Verfahrensgegenstandes, sodass sich daraus keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung ergeben kann.

18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofrätin Dr. Leonhartsberger sowie den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über das vom datierende Anbringen des L W in R, betreffend 1. das mit hg. Beschluss vom , Ra 2022/10/0013-10, erledigte Verfahren betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrags in Angelegenheit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffend den Strafvollzug in einer forstrechtlichen Angelegenheit, sowie 2. das mit hg. Beschluss vom , Ra 2022/10/0013-11, erledigte Verfahren über einen Verfahrenshilfeantrag in der unter Pkt. 1. genannten Angelegenheit, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2022/10/0013-10, wurde die Revision des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-M-20/005-2021, betreffend Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrags in Angelegenheit einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt betreffend den Strafvollzug in einer forstrechtlichen Angelegenheit zurückgewiesen.

2 Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2022/10/0013-11, wurde ein - obiges Revisionsverfahren betreffender - Antrag auf Verfahrenshilfe zurückgewiesen.

3 Ausdrücklich gegen diese Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes richtet sich das vorliegende Anbringen vom , das zwar mit „Anträge auf Wiedereinsetzungen in die vorigen Stände gem. § 46 VwGG, zu Einbringungen von Anträge auf Wiederaufnahmen der Verfahren, gem. § 45 Abs. 1 Z 1 und Z 4 VwGG bzw. auf Wiederaufnahmen der Verfahren gem. § 45 Abs. 1 Z 1 und Z 4 VwGG. bzw. Außerordentliche Revisionen. bzw. auf Zuerkennungen der aufschiebenden Wirkungen.“ betitelt ist, inhaltlich jedoch ausschließlich die genannten Beschlüsse als rechtsverweigernd, rechtswidrig und unzulässig darstellt und aus dem „Anspruch auf Rechtsschutz“ deren Revidierung fordert.

4 Dieses Anbringen stellt sich daher als Rechtsmittel gegen die Beschlüsse vom , Ra 2022/10/0013-10, und vom , Ra 2022/10/0013-11, dar. Ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs sieht das Gesetz allerdings nicht vor (vgl. etwa ; , Ra 2021/10/0088; , Ra 2019/10/0165).

5 Die gegenständlichen Anträge waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unzulässig zurückzuweisen.

6 Abschließend wird der Einschreiter darauf hingewiesen, dass in Hinkunft allfällige vergleichbare Eingaben prinzipiell als rechtsmissbräuchlich eingebracht qualifiziert und ohne weitere Bearbeitung und ohne weitere Verständigung des Einschreiters zu den Akten genommen werden. Gegenüber dem Einschreiter ist nämlich klargestellt, dass für Eingaben wie die vorliegende kein gesetzlicher Raum besteht. Außerdem wird der Einschreiter darauf aufmerksam gemacht, dass vom Verwaltungsgerichtshof Mutwillensstrafen verhängt werden können, womit er rechtsmissbräuchlichen Behelligungen entgegentreten kann (vgl. wiederum VwGH Ra 2021/10/0088, mwN).

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §71
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §33
VwGVG 2014 §33 Abs1
VwGVG 2014 §33 Abs3 idF 2021/I/109
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022100013.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-45957