VwGH 21.10.2022, Ra 2022/09/0043
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | AVG §59 Abs1 LDG 1984 §29 Abs1 LDG 1984 §29 Abs2 LDG 1984 §30 Abs1 LDG 1984 §31 Abs1 LDG 1984 §70 LDG 1984 §71 LDG 1984 §95 Abs2 VwGVG 2014 §17 |
RS 1 | Der Ausspruch über Schuld und Strafe in einer Disziplinarsache ist trennbar. Hinsichtlich nicht bekämpfter Teile eines als Disziplinarerkenntnisses bezeichneten Bescheides tritt Teilrechtskraft ein. Wird allein der Ausspruch über die Strafe bekämpft, so erwächst der Schuldspruch in Rechtskraft (Hinweis E , 86/09/0178 sowie E , 81/09/0103). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 95/09/0324 E RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Die Gewährleistung des Präsenzunterrichtes an Schulen unter den Rahmenbedingungen der COVID-19-Pandemie stellt vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich verankerten Bildungsauftrags der Schule gemäß Art. 14 Abs. 5a B-VG ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse dar (vgl. ; ). Die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung gemäß § 4a Abs. 2 COVID-SchulV 2020/21 ist nicht als außer Verhältnis zum Gewicht der damit verfolgten Zielsetzungen der Gewährleistung des Präsenzunterrichtes stehend zu beurteilen (vgl. ; ). Der VwGH schließt sich der Einschätzung des VfGH insoweit an, als die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts im Allgemeinen und insbesondere auch für die von der Lehrerin unterrichteten geistig oder hochgradig behinderten Schülerinnen und Schüler im Besonderen ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse darstellt. Handlungen die diesem Ziel zuwiderliefen sind daher durchaus bereits für sich als schwerwiegend zu bewerten. Es steht auch nicht dem einzelnen Beamten zu, entgegen bestehender gesetzlicher Regelungen oder entgegen ausdrücklicher mündlicher oder schriftlicher Weisungen nach eigenem Gutdünken etwa über die Zweckmäßigkeit in der Verwaltung zu befinden. Vielmehr sind dienstliche Weisungen grundsätzlich bindend und können nicht aus eigener Beurteilung als ungerechtfertigt oder unzumutbar zurückgewiesen werden. Dabei kommt es auch nicht darauf an, aus welchen persönlichen oder sachlichen Gründen die Befolgung der Weisung unterlassen wird, etwa aus dem Grunde einer durchaus sachlich gemeinten Kritik an der Zweckmäßigkeit (vgl. ). |
Normen | |
RS 3 | Bei den Disziplinarverfahren der Beamten handelt es sich um keine Verwaltungsstrafsache (). Es kommt daher nicht zur Anwendung des Kumulationsprinzips nach § 22 Abs. 2 erster Satz VStG, sondern ist die Strafe - gemäß § 71 Abs. 2 LDG 1984) - nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind. Im Disziplinarrecht ist für die Beurteilung als fortgesetztes Delikt daher in erster Linie auf die gleichartigen Einzelhandlungen, die von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst und im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentreten, abzustellen (vgl. ; ). Wenn das VwG das (nahezu) tägliche Verstoßen gegen die inhaltlich gleichen Weisungen (§ 30 Abs. 1 LDG 1984) bzw. die Verordnungsbestimmung (§ 4a Abs. 2 COVID-19- SchulV 2020/21) als fortgesetztes Delikt, und damit jeweils als eine fortgesetzte, über einen längeren Zeitraum begangene Dienstpflichtverletzung wertete, kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Vielfache Weisungsverstöße sind als schwerste Dienstpflichtverletzung zu werten. In diesem Fall ist bei der Strafbemessung auch zu berücksichtigen, dass die Tat über einen längeren Zeitraum hinweg begangen wurde. |
Normen | COVID-19-SchulV 2020/21 AnlA COVID-19-SchulV 2020/21 §35 COVID-19-SchulV 2020/21 §4a LDG 1984 §29 Abs1 LDG 1984 §29 Abs2 LDG 1984 §30 Abs1 LDG 1984 §70 LDG 1984 §71 Abs1 LDG 1984 §71 Abs2 SchOG 1962 §2 SchUG 1986 §17 Abs1 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 4 | Die Bildung und die Entwicklung der Anlagen der Schülerinnen und Schüler stellen bedeutende Rechtsgüter dar. Der Vorwurf lautet dahingehend, dass die Lehrerin die Schüler aufforderte, entgegen den Bestimmungen der COVID-19-SchulV 2020/21 keinen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und ihnen Angst vor dem Tragen des Mund-Nasen-Schutzes machte. Zum anderen verbreitete sie nicht dem Lehrplan entsprechende Unterrichtsinhalte ("Verschwörungstheorien"). Der Aufruf, sich an allgemeine Normen wie Verordnungen nicht zu halten, entspricht dem Auftrag des § 17 Abs. 1 SchUG 1986 iVm. § 2 SchOG 1962 zweifellos nicht. Auch das Verbreiten von Angst unter den Schülern gehört nicht zur Aufgabe der Schule oder der Lehrerin. Ein Verstoß gegen diese Pflichten kann auch nicht damit abgetan werden, dass die Lehrerin den Schülern eine "andere Sicht" auf die Pandemie vermitteln wollte. Hiezu gehört nämlich weder der Aufruf, sich an generelle Normen nicht zu halten, noch die Verbreitung von Angst unter den Schülerinnen und Schülern. Vor allem gehört das Verbreiten von völlig aus der Luft gegriffenen (nach dem Schuldspruch:) Verschwörungstheorien, wie etwa, dass eine Viruserkrankung durch Mobilfunkmasten übertragen werde, nicht zum Bildungsauftrag der Schule und kann auch nicht als eine "andere Meinung zu Corona-Maßnahmen" oder als "andere Sicht der Dinge" relativiert oder gar zur Begründung einer Notstandssituation herangezogen werden. Ob unwissenschaftliche Ansichten von weiteren Menschen geteilt werden, hat keine Auswirkung auf die Schwere dieser Pflichtverletzung. Zudem enthält bereits der Vorwurf der Verbreitung von "Verschwörungstheorien", dass von der Lehrerin nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechende Inhalte vermittelt werden. Eine Verkennung des Bildungsauftrags oder die Anwendung bedenklicher Methoden der Unterrichts- und Erziehungsarbeit kann auch nicht als wenig bedeutsam abgetan werden, kann ein minderjähriger schulpflichtiger Schüler doch der geistigen Einflussnahme durch den Lehrer in der Regel nicht ausweichen (vgl. , VwSlg. 16.224A/2003; ). Zudem stellt das einseitige Verbreiten absurder Ansichten durchaus eine schwere Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch die Lehrerin dar, müssen doch gerade auch die Eltern der unterrichteten Schülerinnen und Schüler auf eine lehrplanmäßige Bildung vertrauen dürfen (vgl. ). |
Normen | LDG 1984 §30 Abs1 LDG 1984 §70 LDG 1984 §71 Abs1 LDG 1984 §95 Abs2 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
RS 5 | Eine verspätete Weisungsbefolgung vermag an sich bereits nicht zu exkulpieren (vgl. ). |
Normen | LDG 1984 §11 LDG 1984 §12 LDG 1984 §13c LDG 1984 §29 Abs1 LDG 1984 §29 Abs2 LDG 1984 §30 Abs1 LDG 1984 §70 LDG 1984 §71 LDG 1984 §95 Abs2 |
RS 6 | Auf eine allfällig bereits mögliche Ruhestandsversetzung des Beamten ist im Disziplinarverfahren nicht Rücksicht zu nehmen (vgl.; , 2001/09/0014). |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2022/09/0044
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die außerordentlichen Revisionen 1. der Disziplinarkommission für die Wiener Landeslehrer und Landeslehrerinnen und 2. der Disziplinaranwältin der Disziplinarkommission für die Wiener Landeslehrer und Landeslehrerinnen, gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-171/092/14378/2021-9, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe nach dem Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz 1984 (mitbeteiligte Partei: A B in C; weitere Partei: Wiener Landesregierung),
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen (hinsichtlich der Bestätigung des Schuldspruchs) werden die Revisionen zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Disziplinarerkenntnis vom erkannte die Disziplinarkommission für die Wiener Landeslehrer und Landeslehrerinnen (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde, nun erstrevisionswerbende Partei) die 1958 geborene und als Landeslehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien stehende Mitbeteiligte schuldig,
A. im Zeitraum Mai 2020 bis Dezember 2020 wiederholt mündliche und schriftliche Weisungen nicht befolgt zu haben und sich beharrlich über Weisungen der Schulleitung als unmittelbare Dienstvorgesetzte und über Weisungen der Bildungsdirektion für Wien hinweggesetzt zu haben,
B. wiederholt entgegen der Bestimmungen der C-SchVO 2020/21 sowie entgegen mündlicher und schriftlicher Weisung, insbesondere entgegen der Weisungen vom , , , , , , , , , , , und das Tragen einer den Mund-Nasen-Bereich abdeckenden enganliegenden mechanischen Schutzvorrichtung (Mund-Nasen-Schutz) verweigert zu haben,
C. wiederholt entgegen der Bestimmungen der C-SchVO 2020/21, insbesondere am , , , , , , , , , , und den Dienst ohne den vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz, somit nicht ordnungsgemäß angetreten zu haben,
D. minderjährige Schülerinnen und Schüler dazu aufgefordert zu haben, entgegen der Bestimmungen der C-SchVO 2020/21 keinen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und den Schülerinnen und Schülern Angst vor dem Tragen des Mund-Nasen-Schutzes gemacht zu haben,
E. im Zeitraum Mai 2020 bis Dezember 2020 nicht den Rechtsvorschriften, insbesondere nicht dem Lehrplan entsprechende Unterrichtsinhalte („Verschwörungstheorien“) verbreitet zu haben und durch dieses Verhalten gegen Weisungen der Schulleitung verstoßen zu haben. Sie habe dabei folgende Handlungen gesetzt:
a. Kommentierung eines im Klassenzimmer gezeigten Berichts im Fernsehsender ORF im November 2020 zu aktuellen Zahlen an Covid-19 Erkrankter sowie Verstorbener mit den Worten: „Das ist alles nur Angstmache. Die Zahlen stimmen nicht, sind gefälscht von der Regierung. Corona ist nicht mehr als eine Grippe. Wir dürften nicht alles glauben was uns gesagt wird.“
b. Behauptung, dass jene Bilder von Särgen, die im März 2020 aus Italien in den Medien zu sehen waren, in Wahrheit Bilder eines Schiffunglücks (und nicht die Folgen der Covid-19-Pandemie) wären.
c. Zeichnungen von Tafelbildern mit folgendem Inhalt:
„In Österreich sind 550 Menschen mit Corona in drei Monaten gestorben. 14.328 Menschen sind wieder gesund :).“
Darunter zeigt das gezeichnete Tafelbild einen Dialog zwischen einem Kind und einem Hund:
Kind: „Die beste Waffe im Krieg gegen Corona ist der gesunde Menschenverstand.“
Hund: „Ihr seid verloren! Die meisten von euch sind unbewaffnet.“
Ein mit datiertes Tafelbild zeigt im Comic-Stil eine erwachsene Person, die einer anderen Person mit beiden Händen die Augen aufreißt. Daneben ist folgender Text zu lesen:
„Die beiden großen Befreiungsbewegungen der Geschichte:
16. Jahrhundert: Befreiung vom Analphabetentum!
21. Jahrhundert: Befreiung der Menschen von der Unwissenheit im Bezug auf ihren Körper und die zellulären Ursachen von Gesundheit und Krankheit.“
d. Aufhängen von Plakaten folgenden Inhalts im Klassenzimmer:
„0,0005 % der österreichischen Bevölkerung sind an Corona gestorben! Um diese Menschen zu schützen müssen Produkte aus der Pharmaindustrie um Milliarden Euro für acht Millionen Menschen gekauft werden.“
„Ich habe gemerkt, dass Einsamkeit krank macht, aber die Regierung sagt, dass ich viel allein sein soll.
Ich habe gemerkt, dass Vitamine gut für meine Gesundheit sind, aber die Regierung sagt, dass ich mich impfen lassen soll.
Ich habe gemerkt, dass Umarmungen und Küsse mich glücklich machen, aber die Regierung sagt, dass ich Abstand halten soll.
Ich habe gemerkt, dass sich Menschen bedanken, wenn ich ihnen die Angst nehme, aber die Regierung sagt, dass wir Angst schüren müssen.
Ich habe gemerkt, dass ein Lächeln von wildfremden Menschen mich fröhlich stimmt, aber die Regierung sagt, dass wir uns alle hinter Masken verstecken sollen.
Ich habe gemerkt, dass miteinander blödeln sehr viel Spaß macht, aber die Regierung sagt, wir wollen uns gegenseitig kritisch beobachten.
Ich habe gemerkt, dass ich mich schlecht fühle, wenn ich etwas mache, das anderen schadet, also lass ich es lieber, aber die Regierung sagt, dass wir eine Belohnung bekommen, wenn wir es tun.
Ich habe gemerkt, dass ich ein unangenehmes Gefühl bekomme, wenn ich das Wort ‚Verordnung‘ höre, aber die Regierung sagt, dass wir uns an die ‚neue Ordnung‘ gewöhnen müssen.“
e. Im Klassenzimmer getätigte Aussagen:
„Wenn man die Maske länger als 10 Minuten trägt, kann man einen Gehirnschaden erleiden, weil man dadurch zu viel CO2 einatmet. Die WHO hat schon im Jänner einen Brief an alle Mitgliedsstaaten geschickt, in dem steht, dass Masken keinen Schutz vor Viren bieten. Das Coronavirus wird durch die 5G-Funkmasten übertragen.“
„Ich gehe zu den Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen.“
F. Im Zeitraum Oktober 2020 bis inklusive Dezember 2020 ohne Genehmigung und entgegen der Weisung der Schulleitung nachfolgende Flyer im Schulgebäude verteilt und aufgelegt zu haben:
a. Am verteilter zweiseitiger Flyer „Ärzte für Aufklärung“ (Selbstbeschreibung auf dem Flyer: „‚Ärzte für Aufklärung‘ hat mehr als 2.000 Unterstützer. Wir kritisieren die Corona-Maßnahmen der Regierung als überzogen mit fatalen Folgen.“)
b. Flyer „Maske bei Kindern“
c. Flyer mit folgendem Text:
„Wenn jeder der 8,9 Millionen Österreicher einen Zentimeter darstellen würde, dann ergäbe das einen Strecke von 89 Kilometern Länge.
Davon wurden bisher ca. 18,6 Kilometer auf Covid-19 getestet.
589 Meter sind positiv Getestete (inklusive falsch-positiv).
458 Meter werden bereits als wieder genesen betrachtet.
8,7 Meter sind leider an Covid-19 verstorben.
6,5 Meter sind derzeit in Spitalsbehandlung.
Und nur 1 Meter wird aktuell intensiv behandelt.
1 Meter von 89 Kilometern.
Das ist so, als würde man einen Autobahnabschnitt von 89 Kilometern Länge (das ist z.B. die ganze Südautobahn A2 bis zur Steirischen Grenze oder die Westautobahn A1 zwischen Wien und Melk) voll sperren, um 1 Meter Fahrbahn zu reparieren.
Zahlen des Bundesministeriums für Soziales am .“
G. Sich in der Gestaltung des Unterrichts vom Lehrplan distanziert und durch nachfolgend angeführte Äußerungen ihre privaten Meinungen einseitig in die Lehrtätigkeit habe einfließen lassen und dadurch gegen die Weisung der Schulleitung, derartige Äußerungen mit verschwörungstheoretischem Inhalt zu unterlassen, verstoßen zu haben:
a. „Es gibt keinen menschenverursachten Klimawandel.“
b. „5G - davon bekommen wir Kopfweh.“
c. „Masken sind unnötig und helfen nichts.“
d. „Wir tun alles was die Regierung sagt und wehren uns nicht.“
e. „Trump soll Präsident der USA sein. Er hat ganz viele Kinder gerettet.“
H. Im Rahmen eines mit ihr geführten und auf der Plattform „Media Rebell“ unter dem Usernamen „Das Recht auf Wahrheit“ und dem Titel „Lehrerin bricht ihr Schweigen“ veröffentlichten Interviews zum Schulbetrieb während Corona sowie dem sie betreffenden dienstrechtlichen Verfahren ein Verhalten gesetzt und Äußerungen getätigt zu haben, die in hohem Maße geeignet seien, das Ansehen des Lehrpersonals nachhaltig zu beschädigen und das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen.
2 Die Mitbeteiligte habe dadurch gegen die Verpflichtung, die ihr als Landeslehrerin obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen (§ 29 Abs. 1 Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz [LDG 1984]) verstoßen, sie habe Handlungen gesetzt, die geeignet seien, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen (§ 29 Abs. 2 LDG 1984), sie habe die Dienstpflichten gegenüber ihren Vorgesetzten verletzt (§ 30 LDG 1984), sie habe insbesondere wiederholt gegen mündliche und schriftliche Weisungen verstoßen (§ 30 Abs. 1 LDG 1984) und ihre lehramtlichen Pflichten verletzt (§ 31 Abs. 1 LDG 1984 iVm § 17 Abs. 1 Schulunterrichtsgesetz [SchUG] iVm § 2 Schulorganisationsgesetz [SchOG]), weshalb über die Mitbeteiligte gemäß § 95 Abs. 2 iVm §§ 70 und 71 LDG 1984 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt wurde.
3 Der gegen dieses Disziplinarerkenntnis gerichteten Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit statt, als es gemäß § 95 Abs. 2 iVm §§ 70 und 71 LDG 1984 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von zwei Monatsbezügen verhängte. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte begründend dazu fest, die Mitbeteiligte stehe seit dem in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien. Ihre Definitivstellung sei mit erfolgt. Seit dem unterrichte sie als Integrationslehrerin (zumeist geistig, teils hochgradig) behinderte Kinder an einer näher bezeichneten allgemeinen Sonderschule. An einer weiteren Schule werde sie mitverwendet. Über eine schulfeste Stelle verfüge sie nicht.
5 Die Mitbeteiligte sei der Überzeugung, insbesondere behinderte Kinder effektiv nur ohne Maske unterrichten zu können, denn nur so sei die Interaktion zwischen Schülerinnen und Lehrer möglich, weil diese bei kleinen und (geistig) behinderten Kindern im Wesentlichen auch auf der Mimik basiere. Zudem werde das Verstehen des Gehörten erheblich erleichtert, wenn diese Kinder die Artikulation des Lehrers optisch wahrnehmen könnten.
6 Darüber hinaus bezweifle sie die Richtigkeit der den verordneten Corona-Maßnahmen zu Grunde liegende Datenbasis und damit auch die Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Maßnahmen selbst. Sie sei der Auffassung, sie müsse ihren Schülerinnen auch ihre Meinung zu den Corona-Maßnahmen vermitteln, damit diese erfahren würden, dass es neben jener des „Mainstreams“ auch eine andere - ihrer Überzeugung nach: richtige - Sicht der Dinge gebe. Die Mitbeteiligte sei disziplinarrechtlich unbescholten. Bis zu Beginn des Jahres 2020 habe sie ihren Dienst ohne Beanstandungen verrichtet und ein gutes persönliches Verhältnis mit Kolleginnen, Eltern und Schülern gehabt.
7 Anschließend stellte das Verwaltungsgericht die vorgeworfenen Handlungen fest und führte zum letzten Punkt aus, dass die Mitbeteiligte sich im Rahmen eines mit ihr geführten und auf der Plattform „Media Rebell“ unter dem Usernamen „Das Recht auf Wahrheit“ sowie dem Titel „Lehrerin bricht ihr Schweigen“ veröffentlichten Interview zum Schulbetrieb „während Corona“ und dem sie betreffenden dienstlichen Verfahren geäußert und auch erwähnt habe, „Lücken in der Verordnung zu nutzen“.
8 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht nach Darlegung der Rechtslage fallbezogen aus, dass die Mitbeteiligte, durch ihre Weigerung im Schulbereich einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wiederholt Weisungen missachtet habe. Sie habe durch die an Schüler gerichtete Aufforderung, keinen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und durch das Antreten ihres Dienstes ohne Mund-Nasen-Schutz gegen Vorschriften der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 verstoßen. Durch die Nichtbefolgung der Weisungen habe sie ihre in § 30 Abs. 1 LDG 1984 festgeschriebene Pflicht zur Befolgung von Weisungen und - was die Verletzung der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 angehe - ihre in § 29 Abs. 1 LDG 1984 und § 31 Abs. 1 LDG 1984 grundgelegte Pflicht missachtet, ihre Unterrichtsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung zu besorgen bzw. ihre sich aus der lehramtlichen Stellung ergebenden Obliegenheiten einzuhalten.
9 Allerdings seien die jeweiligen (gleichartigen) Einzelhandlungen von einem „Gesamtvorsatz“ getragen gewesen. Sie seien auch gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet (Schutz vor einer COVID-19-Infizierung), sodass von fortgesetzten Delikten (in Idealkonkurrenz) auszugehen sei. Im Verfahren seien keine Umstände hervorgekommen, warum es der Mitbeteiligten nicht möglich gewesen wäre, ihrer Pflicht in Bezug auf den Mund-Nasen-Schutz nachzukommen. Es liege auch (bei objektiver Betrachtung) kein entschuldigender Notstand vor, weil die von der Mitbeteiligten verursachte Rechtsgutverletzung (unverhältnismäßig) schwerer wiege als die (vermeintlich) durch die Notstandstat abgewendete. Die Mitbeteiligte habe damit im Sinn des § 69 LDG 1984 schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzt.
10 Zwar sei nicht jede Abweichung vom Lehrplan für sich genommen als Dienstpflichtverletzung zu werten, allerdings habe die Mitbeteiligte durch ihre einseitige und ablehnende Thematisierung der Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 gegenüber den Schülerinnen, durch das einseitige Kommentieren von Medienberichten, das Verteilen von Flyern am Schulstandort sowie durch Tafelbilder und im Klassenzimmer aufgehängte selbstgebastelte Plakate, insgesamt somit durch ihre unausgewogene Vermittlung von Inhalten (nämlich unter Ausblendung jener Inhalte, die nicht ihrer Überzeugung entsprochen hätten) nicht im Sinn des § 29 Abs. 1 LDG 1984 ihre Unterrichts- und Erziehungsaufgaben unparteiisch besorgt, sondern ihre Privatmeinung zu vermitteln versucht. Diese Dienstpflichtverletzung lasse sich auch nicht durch die der Mitbeteiligten in Art. 10 EMRK verfassungsgesetzlich zuerkannte Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigen, weil der in § 29 Abs. 1 LDG 1984 vorgesehene Eingriff in diese Freiheit im öffentlichen Interesse geboten und verhältnismäßig sei, könnten sich doch schulpflichtige minderjährige Schülerinnen in der Regel nicht der geistigen Einflussnahme durch eine Lehrperson entziehen.
11 Anders verhalte es sich jedoch in Bezug auf das auf der Plattform „Media Rebell“ veröffentlichte Interview zum Schulbetrieb während Corona sowie zu dem sie betreffenden dienstrechtlichen Verfahren. Hiefür sei die Disziplinierung - aus vom Verwaltungsgericht näher dargelegten Gründen - nicht notwendig.
12 Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht fallbezogen aus, dass die durch die genannte Dienstpflicht geschützten Rechtsgüter das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Bildung der Schülerinnen und Entwicklung der Anlagen der Schülerinnen seien. Die Mitbeteiligte habe durch ihr einseitiges Vermitteln ihrer Privatmeinung das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung ihrer dienstlichen Aufgaben beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung falle jedoch - so führte das Verwaltungsgericht weiter aus - nicht unbedingt schwer aus. Die Mitbeteiligte habe weder einzelne Schüler bevorzugt noch andere unsachlich benachteiligt oder bei der Benotung der von den Schülerinnen erbrachten Leistungen unsachliche Kriterien angewandt. Dies wären gewichtige Eingriffe in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben der Mitbeteiligten. Sie habe sich eines in der Öffentlichkeit breit diskutierten Themas angenommen, nämlich der COVID-19-Pandemie und hiezu einseitig und beharrlich ihre persönliche Meinung geäußert. Damit habe sie freilich ihre Unterrichts- und Erziehungsaufgaben nicht unparteiisch besorgt und das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben - aber nicht überaus stark - beeinträchtigt. Denn - dies sei notorisch - ihre Auffassung werde auch von unzähligen anderen Menschen geteilt, möge sie auch eine Mindermeinung sein (die belangte Disziplinarkommission spreche - abwertend - von „Verschwörungstheorien“).
13 Das nach Auffassung des Verwaltungsgerichts bedeutendste, durch die Dienstpflichten geschützte Rechtsgut sei die Bildung der Schülerinnen und die Entwicklung der Anlagen der Schülerinnen. Dies scheine jedoch durch die Verhaltensweisen der Mitbeteiligten nicht beeinträchtigt worden zu sein. Dass die Anlagen der Schülerinnen durch die Aussagen und Verhaltensweisen der Mitbeteiligten in ihrer Entwicklung behindert worden wären, sei nicht zu ersehen. Aber auch die Bildung der Schülerinnen erscheine von den Maßnahmen der Mitbeteiligten nicht tangiert. Dass sie den Lehrstoff der Unterrichtsgegenstände nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechend vermittelt habe, sei ihr weder vorgeworfen noch festgestellt worden.
14 Insbesondere die Nichtbefolgung der Weisungen, die in Konkretisierung der COVID-19-Schulverordnung 2020/21, deren Beachtung gemäß § 31 Abs. 1 LDG 1984 zu den Dienstpflichten zähle, ergangen seien, beeinträchtige unzweifelhaft die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Das aus der Nichtbefolgung der Weisungen resultierende Verbot, in der Klasse zu unterrichten, und - in weiterer Folge - die Suspendierung zeitigten - vom Ergebnis her - dieselbe Wirkung auf den Dienstbetrieb wie ein Krankenstand, könne doch in beiden Fällen der Dienstgeber nicht auf die Arbeitskraft seines Dienstnehmers zurückgreifen. Freilich gefährde das durch die Nichtbefolgung der Weisungen bewirkte Untergraben der Autorität des Dienstgebers die Funktionsfähigkeit des Schulbetriebs. Diese Dienstpflichtverletzungen seien aber nicht schlechterdings zum Verlust der Funktionsfähigkeit des Dienstbetriebs geronnen.
15 Als Verschuldensgrad sei Vorsatz anzunehmen. Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligten die Verletzung von Dienstpflichten durch ihr Verhalten bewusst gewesen sei. Die Mitbeteiligte sei allerdings der Meinung gewesen, hinsichtlich der Weigerung, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, liege ein entschuldigender Sachverhalt und damit (juristisch qualifiziert) ein Putativnotstand im Sinn des § 10 Abs. 2 Satz 2 StGB vor. Sie sei überzeugt gewesen, für ihre Schülerinnen bewirke das Tragen einer Maske einen bedeutenden Nachteil bei der Möglichkeit, aus dem Unterricht einen Ertrag zu erzielen, weil die Interaktion zwischen Lehrer und Schülerinnen erheblich beeinträchtigt sei. Sie sei somit von einer Notstandssituation ausgegangen und habe als Mittel, um aus dieser Notstandssituation herauszukommen, die Missachtung der Pflicht zum Tragen des Mund-Nasen-Schutzes eingesetzt. Da allerdings nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die durch ihre Notstandshandlung verursachte Rechtsgutverletzung (unverhältnismäßig) schwerer wiege als die durch die Notstandshandlung abgewendete, liege kein entschuldigender Notstand vor. Da sie jedoch irrtümlich der Meinung gewesen sei, es läge ein entschuldigender Notstand vor, sei als Schuldform Fahrlässigkeit anzunehmen, weil ihr auch der Irrtum fahrlässig unterlaufen sei. Das Gleiche gelte für ihren nicht dem Lehrplan entsprechenden Unterricht und das Verteilen von Flyern. Hier sei sie der Überzeugung gewesen, § 2 Abs. 1 SchOG gebiete, die Schülerinnen müssten erfahren, dass es neben jener des Mainstreams auch eine andere - nach ihrer Auffassung richtige - Sicht der Dinge zu den Corona-Maßnahmen gebe. Damit habe sie freilich andere - schwerer wiegende - Dienstpflichten missachtet. Auf Grund dieser Erwägungen beurteile das Verwaltungsgericht die Schwere der Dienstpflichtverletzungen der Mitbeteiligten nicht derart, dass das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Dienstgeber so grundlegend zerstört sei, dass sie für eine Weiterbeschäftigung in ihrer bisherigen Verwendung untragbar geworden sei. Da nämlich die maßgeblichen Standespflichtverletzungen der Mitbeteiligten in ihrer Einstellung zu den verordneten Corona-Maßnahmen, die sie durch inkriminiertes Verhalten auch zum Ausdruck gebracht habe, gründeten, gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass sie sich - bei Wegfall der verordneten Corona-Maßnahmen - wieder (wie bisher) dienstpflichtkonform verhalten und den Unterricht in der Klasse unbeanstandet verrichten werde. Es bestehe somit keine Sorge, dass sie ab diesem Zeitpunkt ihre dienstlichen Aufgaben nicht wieder sachlich wahrnehmen würde, möge auch - auf persönlicher Ebene - die Beziehung zwischen der Mitbeteiligten und der Schulleitung belastet sein.
16 Auch wenn die Mitbeteiligte mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen habe, sei über sie gemäß § 71 Abs. 2 LDG 1984 nur eine Strafe zu verhängen, wobei diese nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen sei. Die Verletzung der allgemeinen Dienstpflicht des § 30 Abs. 1 LDG 1984 zur Befolgung von Weisungen wiege schwerer als die anderen Dienstpflichtverletzungen. Weisungen seien oftmals neben der zeitlich erst später eingreifenden spezialpräventiven Wirkung der Disziplinierung das einzige Mittel, Dienstpflichten in Bezug auf eine Person zu konkretisieren und dadurch Verletzungen dieser Dienstpflichten abzustellen zu suchen. Versage auch diese letzte Maßnahme, sei die Funktionsfähigkeit des Dienstbetriebes gefährdet. Die anderen Dienstpflichtverletzungen seien letztlich Verletzungen lehramtlicher Pflichten, denen aus den ausgeführten Gründen nicht derart hohes Gewicht beizumessen sei. Bei der Strafbemessung sei nach § 71 Abs. 1 Satz 2 LDG 1984 darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich sei, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Landeslehrer entgegen zu wirken. Spezialpräventive Gründe ließen in casu keine strengere Strafe als notwendig erscheinen, weil die Mitbeteiligte glaubhaft angegeben habe, vorzeitig in den Ruhestand zu treten und dafür auch die Voraussetzungen bereits vorlägen. Wenn auch Beamte des Ruhestands noch Pflichten träfen, so sei dennoch davon auszugehen, dass die Mitbeteiligte die ihr angelasteten Dienstpflichten nicht mehr verletzen werde. Auch die Generalprävention zwinge nicht zur Verhängung einer höheren Disziplinarstrafe. Die Disziplinarstrafe von zwei Monatsbezügen erscheine Abschreckung genug, um der Begehung dieser Dienstpflichtverletzungen durch Kolleginnen der Mitbeteiligten entgegen zu wirken.
17 Erschwerend berücksichtigte das Verwaltungsgericht, dass die Mitbeteiligte mehrere Pflichten verletzt habe, wobei sich auf Grund der angenommenen fortgesetzten Delikte die Anzahl der Dienstpflichtverletzungen gegenüber der von der belangten Disziplinarkommission angenommenen verringert habe. Nicht erschwerend sei hingegen die mangelnde Einsichtigkeit und die ebenfalls von der belangten Behörde angenommene gesundheitliche Gefährdung der Schülerinnen, Kolleginnen und der Schulleiterin sowie weiterer am Schulstandort tätiger Personen durch das Verhalten der Mitbeteiligten.
18 Strafmindernd berücksichtigte das Verwaltungsgericht, dass die Mitbeteiligte einen bisher ordentlichen Lebenswandel geführt habe. Es sei auch der Milderungsgrund der Tatbegehung aus achtenswerten Beweggründen in Anschlag zu bringen. Fielen darunter nämlich auch Handlungen, die aus beruflicher Überzeugung gesetzt würden. Die Mitbeteiligte sei ja der Überzeugung gewesen, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes würde die Übermittlung des Lehrstoffs an ihre Schülerinnen erschweren. Das gleiche Motiv - deshalb aber nicht doppelt zu werten - finde sich im strafmildernden Aspekt, wenn der Täter die Tat unter Umständen begangen habe, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekämen. Der Putativnotstand falle unter diesen Milderungsgrund. Die Mitbeteiligte habe vermeint, durch ihr Handeln ihren lehramtlichen Pflichten gegenüber ihren Schülerinnen besser nachkommen zu können.
19 Zusammenfassend führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe nicht bloß in der Anzahl, sondern auch in ihrem Gewicht überwögen, sodass sich § 71 Abs. 1 Satz 3 LDG 1984 insgesamt (leicht) strafsenkend auswirke. Es sei daher eine Disziplinarstrafe der Geldstrafe in Höhe von zwei Monatsbezügen schuld- und tatangemessen.
20 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG.
21 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die außerordentlichen Revisionen der belangten Behörde (erstrevisionswerbende Partei) und der Disziplinaranwältin (zweitrevisionswerbende Partei) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Eine Revisionsbeantwortung wurde in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Revisionen erwogen:
22 Weist die angefochtene Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Solche trennbare Absprüche liegen auch dann vor, wenn die Spruchpunkte eines (vom Verwaltungsgericht etwa bestätigten) Bescheids als trennbar anzusehen sind (vgl. etwa ; , Ra 2022/09/0022, je mwN; sowie unter vielen , zur Trennbarkeit des Ausspruchs über die Schuld von jenem über die Strafe).
23 Der Ausspruch über Schuld und Strafe in einer Disziplinarsache ist trennbar. Hinsichtlich nicht bekämpfter Teile eines Disziplinarerkenntnisses tritt Teilrechtskraft ein. Wird allein der Ausspruch über die Strafe bekämpft, so erwächst der Schuldspruch in Rechtskraft (siehe dazu , mwN; ebenso ).
24 Indem das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall der Beschwerde nur im Strafausspruch Folge gab, übernahm es hinsichtlich des Schuldspruchs den Spruch des behördlichen Disziplinarerkenntnisses (siehe für viele etwa ; vgl. auch , u.a., für den Fall einer [gänzlichen] Abweisung einer Beschwerde).
25 Die erstrevisionswerbende Partei sieht die Zulässigkeit ihrer - auf die (gänzliche) Abweisung der Beschwerde abzielenden - Revision zusammengefasst darin gelegen, dass das Verwaltungsgericht, das seiner Entscheidung die im behördlichen Disziplinarerkenntnis festgestellten Tathandlungen zugrunde gelegt habe, bei der Beurteilung der Schwere der Dienstpflichtverletzungen, der (Strafbemessungs-)Schuld sowie der besonderen Milderungs- und Erschwerungsgründe von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei.
26 Auch die zweitrevisionswerbende Partei sieht die Zulässigkeit ihrer - ebenfalls auf eine (gänzliche) Abweisung der Beschwerde gerichteten - Revision im Wesentlichen im Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Strafbemessung in einem Fall wie dem vorliegenden sowie im Abweichen des Verwaltungsgerichts bei der Strafbemessung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall.
27 Das Zulässigkeitsvorbringen in beiden Revisionen wirft - auch wenn in beiden Revisionen die Anfechtung des Erkenntnisses zur Gänze erklärt wird - ausschließlich in Bezug auf die Strafbemessung relevante grundsätzliche Rechtsfragen auf, von deren Lösung eine Entscheidung über die Revisionen abhängt. Im Umfang der Bekämpfung auch des Schuldspruchs waren die Revisionen daher zurückzuweisen.
28 Die Strafbemessung unterliegt als Ermessensentscheidung nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Das Verwaltungsgericht ist verpflichtet, in der Begründung seines Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 1 zweiter Satz VwGVG die für die Überprüfung der Ermessensübung maßgeblichen Gründe insoweit offen zu legen als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfung der Ermessensentscheidung auf ihre Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes durch den Verwaltungsgerichtshof erforderlich sein kann (vgl. etwa ; , Ra 2017/09/0017; , Ra 2016/09/0120).
29 Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nur dann vor, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgte bzw. eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn eines Missbrauchs oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorliegt.
30 Eine solche relevante Fehlbeurteilung und Ermessensüberschreitung aufgrund unrichtiger Rechtsanwendung wird in den Revisionen hinsichtlich der Strafbemessung - wie im Folgenden dargestellt wird - aufgezeigt, womit sich die Revisionen insoweit als zulässig erweisen. Sie sind in diesem Umfang auch berechtigt:
31 Soweit die revisionswerbenden Parteien zunächst allgemein fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Gewichtung von Dienstpflichtverletzungen einer Landeslehrperson durch die Nichteinhaltung der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Allgemeinen und im Besonderen für die Sonderstellung des Schulbereichs, insbesondere betreffend die Einhaltung der Maskenpflicht sowie das Unterlassen verschwörungstheoretischer und Corona-skeptischer Äußerungen im Unterricht und die damit einhergehende Strafbemessung als Revisionsgrund sehen und dabei insbesondere Rechtsprechung zur Frage vermissen, ob der Ausspruch einer Entlassung im Rahmen eines Disziplinarverfahrens auf Grund wiederholtem Missachten der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 sowie zahlreicher Verstöße gegen erteilte Weisungen gerechtfertigt sei, wird mit diesem Vorbringen eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht aufgezeigt.
32 Diesem Vorbringen ist vorweg zu antworten, dass der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem (der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu Grunde liegenden) vergleichbaren Sachverhalt (zu einer bestimmten Rechtsnorm) fehlt, noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründet. Genügte nämlich für die Zulässigkeit einer Revision bereits das Fehlen einer höchstgerichtlichen Entscheidung zu einem vergleichbaren Sachverhalt, wäre der Verwaltungsgerichtshof in vielen Fällen zur Entscheidung berufen, obgleich in Wahrheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern nur die Einzelfallgerechtigkeit berührende Wertungsfragen aufgeworfen werden (vgl. , mwN).
33 Zudem kann die Strafausmessung auch für die hier vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen mit der bereits vorhandenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorgenommen werden.
34 Wie ausgeführt hat das Verwaltungsgericht jedoch - wie von den revisionswerbenden Parteien zutreffend aufgezeigt - seine Strafbemessung in sich widersprüchlich und mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in Einklang stehend begründet, sodass die Ausmessung der Strafe mit Rechtswidrigkeit belastet wurde.
35 Zunächst ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht den gesamten Schuldspruch des behördlichen Straferkenntnisses bestätigte und im Rahmen der mündlichen Verkündung seines Erkenntnisses auch ausdrücklich festhielt, dass „der Schuldspruch zu bestätigen“ gewesen sei. Bei der Strafbemessung sind daher sämtliche Spruchpunkte (A bis H) als Dienstpflichtverletzungen zu berücksichtigen.
36 Nach § 71 Abs. 1 LDG 1984 ist Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Landeslehrer entgegenzuwirken. Hat der Landeslehrer durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind (§ 71 Abs. 2 LDG 1984).
37 Noch gefolgt werden kann dem Verwaltungsgericht dahingehend, wenn es die vielfachen Weisungsverstöße als schwerste Dienstpflichtverletzung wertete. So hat der Landeslehrer nach § 30 Abs. 1 LDG 1984 die Weisungen seiner Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen.
38 Wie nun in den Revisionen zutreffend aufgezeigt wird, hatte die - zunächst die Revisionswerberin selbst treffende - Verpflichtung zum Tragen einer Maske im Schulhaus den Zweck der Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 im Schulwesen bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts.
39 In diesem Zusammenhang hat bereits der Verfassungsgerichtshof festgehalten, dass die Gewährleistung des Präsenzunterrichtes an Schulen unter den Rahmenbedingungen der COVID-19-Pandemie vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich verankerten Bildungsauftrags der Schule gemäß Art. 14 Abs. 5a B-VG ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse darstellt (siehe , unter Hinweis auf , u.a.). Die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung gemäß § 4a Abs. 2 C-SchVO 2020/21 wurde dabei auch als nicht außer Verhältnis zum Gewicht der damit verfolgten Zielsetzungen der Gewährleistung des Präsenzunterrichtes stehend beurteilt (siehe auch dazu ; vgl. auch , zur Zulässigkeit einer Kündigung eines Diplomkrankenpflegers in einem Alten- und Pflegeheim infolge seiner beharrlichen Weigerung sich den im Sinn des § 10 Abs. 4 COVID-19-NotMV angeordneten Tests zu unterziehen).
40 Es ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb der Mitbeteiligten selbst ein weisungskonformes Verhalten durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht möglich oder zumutbar gewesen wäre. Ein solcher wird auch im angefochtenen Erkenntnis nicht dargestellt. Zudem schließt sich der Verwaltungsgerichtshof der Einschätzung des Verfassungsgerichtshofes insoweit an, als die Aufrechterhaltung des Präsenzunterrichts im Allgemeinen und insbesondere auch für die von der Mitbeteiligten unterrichteten geistig oder hochgradig behinderten Schülerinnen und Schüler im Besonderen ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse darstellte. Handlungen die diesem Ziel zuwiderliefen sind daher durchaus bereits für sich als schwerwiegend zu bewerten.
41 Es steht auch nicht dem einzelnen Beamten zu, entgegen bestehender gesetzlicher Regelungen oder entgegen ausdrücklicher mündlicher oder schriftlicher Weisungen nach eigenem Gutdünken etwa über die Zweckmäßigkeit in der Verwaltung zu befinden. Vielmehr sind dienstliche Weisungen grundsätzlich bindend und können nicht aus eigener Beurteilung als ungerechtfertigt oder unzumutbar zurückgewiesen werden. Dabei kommt es auch nicht darauf an, aus welchen persönlichen oder sachlichen Gründen die Befolgung der Weisung unterlassen wird, etwa aus dem Grunde einer durchaus sachlich gemeinten Kritik an der Zweckmäßigkeit (vgl. zum Ganzen , zum BDG 1979).
42 Dass das Widersetzen gegen die Weisungen und die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Schulhaus durch die Mitbeteiligte vorsätzlich erfolgte, kann nicht zweifelhaft sein (siehe etwa auch ). In diesem Zusammenhang kommt der Mitbeteiligten auch weder ein rechtfertigender noch ein entschuldigender Notstand zugute (siehe zur Verwendung dieser Begriffe im Disziplinarrecht ausführlich ). Für die Schülerinnen in Volks- und Sonderschulen galt nach § 35 C-SchVO 2020/21 die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ohnedies nur außerhalb der Klassen- und Gruppenräume.
43 Nicht gefolgt werden kann den revisionswerbenden Parteien dahingehend, dass die Annahme von fortgesetzten Delikten hinsichtlich der wiederholten Weisungsverstöße (Spruchpunkt B) und der Übertretung der Bestimmungen der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 (Spruchpunkt C) durch das Verwaltungsgericht rechtswidrig wäre.
44 Die revisionswerbenden Parteien übersehen in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den Disziplinarverfahren der Beamten um keine Verwaltungsstrafsache handelt (). Es kommt daher nicht zur Anwendung des Kumulationsprinzips nach § 22 Abs. 2 erster Satz VStG, sondern ist die Strafe - wie ausgeführt (hier: gemäß § 71 Abs. 2 LDG 1984) - nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind. Im Disziplinarrecht ist für die Beurteilung als fortgesetztes Delikt daher in erster Linie auf die gleichartigen Einzelhandlungen, die von einem einheitlichen Willensentschluss umfasst und im Rahmen eines erkennbaren zeitlichen Zusammenhangs zu einer Einheit zusammentreten, abzustellen (vgl. , zum Ärztegesetz 1998; sowie auch dazu , zur Dienstordnung 1994).
45 Wenn das Verwaltungsgericht das (nahezu) tägliche Verstoßen gegen die inhaltlich gleichen Weisungen bzw. die Verordnungsbestimmung als fortgesetztes Delikt, und damit jeweils als eine fortgesetzte, über einen längeren Zeitraum begangene Dienstpflichtverletzung wertete, kann dies im Hinblick auf die dargelegte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als rechtswidrig erkannt werden. In diesem Fall ist jedoch bei der Strafbemessung auch zu berücksichtigen, dass die Tat über einen längeren Zeitraum hinweg begangen wurde.
46 Aber auch die weiteren Dienstpflichtverletzungen können - entgegen mancher Ausführungen des Verwaltungsgerichts - keineswegs als wesentlich weniger schwerwiegend beurteilt werden.
47 Noch zuzustimmen ist dem Verwaltungsgericht, dass die Bildung und die Entwicklung der Anlagen der Schülerinnen und Schüler bedeutende Rechtsgüter darstellen. Der Mitbeteiligten wurde in diesem Zusammenhang auch nicht vorgeworfen, dass sie Schülerinnen unsachlich benotet oder nicht gleichbehandelt hätte. Vielmehr lautete der Vorwurf dahingehend, dass sie die Schüler aufforderte, entgegen den Bestimmungen der COVID-19-Schulverordnung 2020/21 keinen Mund-Nasen-Schutz zu tragen und ihnen Angst vor dem Tragen des Mund-Nasen-Schutzes machte. Zum anderen verbreitete sie nicht dem Lehrplan entsprechende Unterrichtsinhalte („Verschwörungstheorien“).
48 Nach § 17 Abs. 1 SchUG hat der Lehrer in eigenständiger und verantwortlicher Unterrichts- und Erziehungsarbeit die Aufgabe der österreichischen Schule (§ 2 SchOG) zu erfüllen. Nach der letztgenannten Bestimmung hat die österreichische Schule die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Die jungen Menschen sollen dabei unter anderem zu gesunden und gesundheitsbewussten, pflichttreuen und verantwortungsbewussten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden.
49 Der Aufruf, sich an allgemeine Normen wie Verordnungen nicht zu halten, entspricht diesem Auftrag zweifellos nicht. Auch das Verbreiten von Angst unter den Schülern gehört nicht zur Aufgabe der Schule oder der Mitbeteiligten als Lehrerin.
50 Ein Verstoß gegen diese Pflichten kann auch nicht damit abgetan werden, dass die Mitbeteiligte den Schülern eine „andere Sicht“ auf die Pandemie vermitteln wollte, wie das Verwaltungsgericht sinngemäß argumentiert. Hiezu gehört nämlich weder der Aufruf, sich an generelle Normen nicht zu halten, noch die Verbreitung von Angst unter den Schülerinnen und Schülern.
51 Vor allem gehört das Verbreiten von völlig aus der Luft gegriffenen (nach dem Schuldspruch:) Verschwörungstheorien, wie etwa, dass eine Viruserkrankung durch Mobilfunkmasten übertragen werde, nicht zum Bildungsauftrag der Schule und kann auch nicht als eine „andere Meinung zu Corona-Maßnahmen“ oder als „andere Sicht der Dinge“ relativiert oder gar zur Begründung einer Notstandssituation herangezogen werden. Ob unwissenschaftliche Ansichten von weiteren Menschen geteilt werden, hat keine Auswirkung auf die Schwere dieser Pflichtverletzung. Zudem enthält bereits der Vorwurf der Verbreitung von „Verschwörungstheorien“ - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis -, dass von der Mitbeteiligten nicht dem Stand der Wissenschaft entsprechende Inhalte vermittelt werden.
52 Eine Verkennung des Bildungsauftrags oder die Anwendung bedenklicher Methoden der Unterrichts- und Erziehungsarbeit kann auch nicht als wenig bedeutsam abgetan werden, kann ein minderjähriger schulpflichtiger Schüler doch der geistigen Einflussnahme durch den Lehrer in der Regel nicht ausweichen (vgl. , VwSlg. 16.224A/2003, mwN; siehe insoweit übertragbar auch , zur wesentlichen Pflicht der Befolgung von für die Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Schulbetriebs notwendigen Vorgaben durch eine Vertragslehrerin). Zudem stellt das einseitige Verbreiten absurder Ansichten durchaus eine schwere Erschütterung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben durch die Mitbeteiligte dar, müssen doch gerade auch die Eltern der unterrichteten Schülerinnen und Schüler auf eine lehrplanmäßige Bildung vertrauen dürfen (siehe auch dazu die Ausführungen zu einem insoweit vergleichbaren Fall in ).
53 Der vom Verwaltungsgericht angenommene Milderungsgrund der Begehung der Dienstpflichtverletzungen aus achtenswerten Gründen ist daher ebenso wenig gegeben, wie die Annahme eines Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrundes auch nur naheliegt.
54 Aber auch die Annahme einer positiven Zukunftsprognose ist verfehlt. So kann zu Gunsten der Mitbeteiligten nicht in Anschlag gebracht werden, wenn sie nach einem Ende der Pandemie und einer Aufhebung der Maßnahmen sich wieder an Weisungen oder die Vorgaben, unter denen ein Unterricht stattzufinden hat, halten würde. Nicht nur vermag eine verspätete Weisungsbefolgung an sich bereits nicht zu exkulpieren (vgl. ), sondern ist aus dieser Annahme des Verwaltungsgerichts gerade kein Sinneswandel der Mitbeteiligten abzuleiten, der ihr zugutegehalten werden könnte. Abgesehen davon, dass diese Annahme des Verwaltungsgerichts zudem nicht von dazu getroffenen konkreten Tatsachenfeststellungen gestützt wird, erscheint sie auch für sich bereits fraglich. Das Bestreiten eines menschenverursachten Klimawandels oder die Behauptung, dass eine bestimmte Mobilfunktechnologie Kopfschmerzen verursache (siehe Schuldspruch Punkt G), ist nicht auf die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie beschränkt.
55 Auch auf eine allfällig bereits mögliche Ruhestandsversetzung des Beamten ist im Disziplinarverfahren nicht Rücksicht zu nehmen (vgl. hiezu ; , 2001/09/0014).
56 Abgesehen davon, dass somit keineswegs von einem Überwiegen der Milderungsgründe ausgegangen werden konnte, bedeutete die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von zwei Monatsbezügen gegenüber der von der Disziplinarbehörde verhängten Entlassung auch nicht die vom Verwaltungsgericht begründete bloß „leichte“ Strafsenkung.
57 Indem das Verwaltungsgericht das Ausgeführte bei seiner Strafbemessung verkannte, belastete es sein Erkenntnis insoweit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Im fortzusetzenden Verfahren wird daher die Strafe unter Berücksichtigung dieser Leitlinien an Hand sämtlicher vom Verwaltungsgericht im Schuldteil bestätigter Spruchpunkte des behördlichen Disziplinarerkenntnisses neu auszumessen sein.
58 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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Normen | AVG §59 Abs1 B-VG Art14 Abs5a B-VG Art20 Abs1 COVID-19-SchulV 2020/21 AnlA COVID-19-SchulV 2020/21 §35 COVID-19-SchulV 2020/21 §4a COVID-19-SchulV 2020/21 §4a Abs2 LDG 1984 §11 LDG 1984 §12 LDG 1984 §13c LDG 1984 §29 Abs1 LDG 1984 §29 Abs2 LDG 1984 §30 Abs1 LDG 1984 §31 Abs1 LDG 1984 §70 LDG 1984 §71 LDG 1984 §71 Abs1 LDG 1984 §71 Abs2 LDG 1984 §95 Abs2 SchOG 1962 §2 SchUG 1986 §17 Abs1 VStG §22 Abs2 impl VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwRallg |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4 Trennbarkeit gesonderter Abspruch |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090043.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
BAAAF-45950