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VwGH 12.10.2023, Ra 2022/09/0037

VwGH 12.10.2023, Ra 2022/09/0037

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssatz


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Normen
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
VwGG §42 Abs2 Z1
RS 1
Grundsätzlich ist das gesamte, zivilrechtlich eine Einheit darstellende Objekt unter Schutz zu stellen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ist eine Einschränkung der Feststellung auf einen abgegrenzten Teil eines solchen Gegenstandes zulässig. Eine Teilunterschutzstellung kommt grundsätzlich nur dort in Frage, wo mit Sicherheit auszuschließen ist, daß jede wie immer geartete Veränderung an dem von der Unterschutzstellung nicht erfaßten Teil Bestand und Erscheinung des geschützten Teiles unter den im § 1 DSchG angeführten Gesichtspunkten bedrohen kann (Hinweis E , 92/09/0201).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 92/09/0363 E RS 4

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die außerordentliche Revision der Kongregation der A in B, vertreten durch die Kuhn Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Elisabethstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W176 2239871-1/20E, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Das Bundesdenkmalamt stellte mit Bescheid vom fest, dass die Erhaltung der an einer näher angeführten Adresse befindlichen Kapelle des Marienheims einschließlich des vorgelagerten Verbindungsganges gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im öffentlichen Interesse gelegen sei.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der revisionswerbenden Partei gab das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) - nach Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens und Durchführung einer mündlichen Verhandlung - nicht statt. Es sprach weiters aus, dass die Revision nicht zulässig ist.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass dem gegenständlichen Objekt - einer am Stil des Brutalismus orientiert errichteten Heimkapelle - vor dem Hintergrund der auf Basis des eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen künstlerische Bedeutung zukomme. Für den Bautypus der Heimkapelle im 20. Jahrhundert habe der österreichische Architekturbestand nur äußerst wenige Bespiele von Denkmalbedeutung aufzuweisen. Das Objekt sei auch nicht in einem derart schlechten Zustand, dass seine Erhaltung nicht im öffentlichen Interesse gelegen wäre. Der Umstand, dass die Kapelle über keine eigene Haustechnik verfüge, sei nicht von Relevanz, als vom aktuellen Erhaltungszustand auszugehen sei. Im Hinblick auf die Position des gegenständlichen Objektes im österreichischen Denkmalbestand müsse angenommen werden, dass der von § 1 Abs. 2 DMSG geforderte Seltenheitswert gegeben sei. Seine Erhaltung liege im öffentlichen Interesse.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

5 Die revisionswerbende Partei macht zur Zulässigkeit ihrer Revision unter anderem Begründungsmängel geltend. Trotz der Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, wonach der Kapelle samt Verbindungsgang eine Denkmalbedeutung nur im Zusammenhang mit dem Marienheim zukomme, habe das Verwaltungsgericht deren Schutzwürdigkeit nach dem DMSG bejaht. Die Revision erweist sich als zulässig; sie ist im Ergebnis auch begründet.

6 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines Denkmals gemäß den §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz hinsichtlich des ganzen Gegenstandes zu treffen, der die geforderte (künstlerische oder geschichtliche oder kulturelle) Bedeutung hat und sich zivilrechtlich als eine Einheit darstellt. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ist eine Einschränkung der Feststellung auf einen abgegrenzten Teil eines solchen Gegenstandes zulässig (vgl. , und die dort angeführte Vorjudikatur; , Ro 2015/09/0010, mwN). So ist eine Teilunterschutzstellung nur in jenen besonders gelagerten Ausnahmefällen zulässig, wenn gleichzeitig mit Sicherheit auszuschließen ist, dass jede wie immer geartete Veränderung an dem von der Unterschutzstellung nicht erfassten Teil des Gegenstands Bestand und Erscheinung des geschützten Teils unter den in § 1 DMSG angeführten Gesichtspunkten bedrohen kann (vgl. , mwN; , 1891/75, zur Unterschutzstellung all jener weiteren Teile, deren Bestand Voraussetzung für den weiteren Bestand der Teile ist, an deren Erhaltung wegen der nach § 1 DMSG qualifizierten Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht).

7 Das Verwaltungsgericht verweist in seinen beweiswürdigenden Erwägungen ausdrücklich auf die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen, wonach der besondere Erhaltungswert der Heimkapelle samt Verbindungsgang nur aus ihrem Zusammenhang mit dem vorhandenen Heim resultiere. Vor diesem Hintergrund ist aber die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Unterschutzstellung (bloß) der Kapelle samt Verbindungsgang rechtlich nicht schlüssig nachvollziehbar, würde dies doch auf eine unzulässige Teilunterschutzstellung hinauslaufen, welche den Zielsetzungen des DMSG widerspräche.

8 In Verkennung der Rechtslage hat es das Verwaltungsgericht unterlassen, nähere Feststellungen zu treffen, die eine abschließende Beurteilung ermöglichen, ob der Kapelle samt Verbindungsgang für sich genommen und somit auch bei Abriss des Heimes noch eine ausreichende Erhaltungswürdigkeit zukommt.

9 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

10 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
DMSG 1923 §1
DMSG 1923 §3
VwGG §42 Abs2 Z1
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022090037.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAF-45948