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VwGH 07.08.2023, Ra 2022/08/0138

VwGH 07.08.2023, Ra 2022/08/0138

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
ABGB §1151
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
RS 1
Hinsichtlich der Abgrenzung des Dienstvertrages (der Beschäftigung nach § 4 Abs. 2 ASVG) vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits entspricht es der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass allen drei Vertragstypen die freiwillige Verpflichtung zur Arbeit, die Entgeltlichkeit sowie eine gewisse Dauer gemeinsam ist.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2022/08/0130 B RS 1
Normen
ABGB §1151
ABGB §1167
RS 2
Für den Werkvertrag ist die Gewährleistungsverpflichtung essenziell, die am Maßstab des Erfolges der Tätigkeit gemessen werden kann (vgl. , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2018/08/0028 E RS 2

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ra 2022/08/0139

Ra 2022/08/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revisionen der C GmbH in W, vertreten durch Mag. Monika Keki-Angermann, Rechtsanwältin in 1090 Wien, Ferstelgasse 1/Top 2, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom , W228 2228247-1/18E, W228 2228248-1/20E und W228 2228249-1/22E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Parteien: 1. L L in W, 2. I A in W, 3. G V in W, 4. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, und 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, 6. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen stellte das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung von Bescheiden der Wiener Gebietskrankenkasse vom  - fest, dass die Erstmitbeteiligte, der Zweitmitbeteiligte und der Drittmitbeteiligte aufgrund ihrer Tätigkeit für die revisionswerbende Partei in näher genannten Zeiträumen in den Jahren 2009 bis 2011 der Kranken-, Pensions- und Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen seien. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht jeweils für nicht zulässig.

2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, die Erstmitbeteiligte, der Zweitmitbeteiligte und der Drittmitbeteiligte seien für die revisionswerbende Partei in den gegenständlichen Zeiträumen als Reinigungskräfte tätig gewesen. Vom Geschäftsführer der revisionswerbenden Partei seien ihnen die zu verrichtenden Arbeiten sowie die Arbeitsorte (Büroräumlichkeiten, etc.) und die jeweilige Zeit ihrer Tätigkeit vorgegeben worden. Für einzelne zu reinigende Objekte seien ihnen Schlüssel übergeben worden, damit sie dort ihre Tätigkeit allein hätten verrichten können. Die für die Arbeit benötigten Materialien (etwa Reinigungsmittel) seien ihnen zur Verfügung gestellt worden, wobei der Geschäftsführer der revisionswerbenden Partei ihnen bei Beginn der Tätigkeit auch erläutert habe, wie diese zu verwenden seien. Der Geschäftsführer habe ihre Arbeit auch kontrolliert. Verhinderungen seien der revisionswerbenden Partei gemeldet worden. Für ihre Tätigkeit seien von der Erstmitbeteiligten, dem Zweitmitbeteiligten und dem Drittmitbeteiligten Honorarnoten gelegt worden, wobei am Ende des Monats die geleisteten Arbeitsstunden abgegolten worden seien; beim Drittmitbeteiligten sei teilweise auch eine Entlohnung aufgrund vereinbarter „Pauschalen“ erfolgt. Ein Abzug vom Honorar aufgrund von Beanstandungen hinsichtlich der Qualität der Arbeiten (Gewährleistung) sei nie erfolgt. Die entlohnten Arbeiten seien von der Erstmitbeteiligten, dem Zweitmitbeteiligten und dem Drittmitbeteiligten persönlich verrichtet worden. Während ihrer Tätigkeit seien sie Inhaber von Gewerbeberechtigungen für „Hausbetreuung“ gewesen.

3 In rechtlicher Hinsicht seien - entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Partei - nicht etwa einzelne Werkverträge zur Reinigung bestimmter Objekte, sondern Dienstverträge vorgelegen. Im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs seien nämlich nicht einzelne gewährleistungstaugliche Werke geschuldet, sondern Dienstleistungen erbracht worden. Die Erstmitbeteiligte, der Zweitmitbeteiligte und der Drittmitbeteiligte seien an Arbeitszeiten und Arbeitsorte gebunden sowie persönlichen Weisungen und Kontrollen unterworfen gewesen. Zudem sei - trotz der von einer Betriebsstätte dislozierten Tätigkeit - letztlich auch eine Einbindung in die betriebliche Organisation der revisionswerbenden Partei vorgelegen, wobei einfache manuelle Tätigkeiten verrichtet worden seien, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum erlaubt hätten. Insgesamt sei im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs daher das Vorliegen von Beschäftigung nach § 4 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ASVG zu bejahen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit wenden sich die Revisionen gegen Annahme, es seien keine Werkverträge, sondern Dienstverträge vorgelegen. Die durchgeführten Reinigungen von Gebäuden bzw. Büros seien im Sinn der Judikatur gewährleistungstaugliche Werke. Der Erfolg der Tätigkeit habe insoweit anhand einschlägiger Normen - den Ö-NORMEN für Gebäudereiniger - kontrolliert werden können. Die revisionswerbende Partei habe die ihnen von Kunden erteilten Reinigungsaufträge - wie es für Subunternehmer üblich sei - letztlich an selbständige Reinigungskräfte weitergegeben. Auch treffe es nicht zu, dass die Merkmale persönlicher Abhängigkeit überwogen hätten.

8 Hinsichtlich der Abgrenzung des Dienstvertrages (der Beschäftigung nach § 4 Abs. 2 ASVG) vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass allen drei Vertragstypen die freiwillige Verpflichtung zur Arbeit, die Entgeltlichkeit sowie eine gewisse Dauer gemeinsam ist. Zur Unterscheidung zwischen einem Dienstvertrag und einem Werkvertrag kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet. In diesem Fall liegt ein Dienstvertrag vor. Wird die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernommen, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, liegt ein Werkvertrag vor. Dagegen kommt es beim Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Dienstnehmers zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit, an. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für den Werkvertrag ist die Gewährleistungsverpflichtung essenziell, die am Maßstab des Erfolges der Tätigkeit gemessen werden kann (vgl. etwa , mwN).

9 Nach der Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts wurden von der Erstmitbeteiligten, dem Zweitmitbeteiligten und dem Drittmitbeteiligten nicht genau umrissene, gewährleistungstaugliche Leistungen (Werke) geschuldet, sondern habe es sich bei den von ihnen persönlich erbrachten Reinigungsarbeiten um die Verrichtung von Dienstleistungen für die revisionswerbende Partei als Dienstgeberin gehandelt. Diese fallbezogene Beurteilung steht im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. in diesem Sinn zu Reinigungskräften etwa auch ; , Ra 2017/08/0016).

10 Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist im Übrigen die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung aller für bzw. gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände. Wurde diese Gesamtabwägung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Abwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa , mwN).

11 Das Bundesverwaltungsgericht hat bei seiner Abwägung ausgehend von den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs entwickelten Grundsätzen das Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen nach § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 ASVG bejaht. Eine Unvertretbarkeit dieser Beurteilung vermögen die Revisionen nicht aufzuzeigen.

12 In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ABGB §1151
ABGB §1167
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022080138.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-45943