VwGH 03.03.2022, Ra 2022/08/0023
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
RS 1 | Nichtstattgebung - Zuerkennung von Arbeitslosengeld - Mag auch die Konkretisierungspflicht in einer Amtsrevision nicht so weit gehen wie jene für eine "private" Partei, die zur Geltendmachung ihrer überwiegenden Interessen ihre Vermögenslage weitgehend offenzulegen hat, ist doch auch von einer Amtspartei eine konkrete Gefahr der späteren Uneinbringlichkeit aufgrund des angefochtenen Bescheides zu leistender Zahlungen darzulegen (vgl. ). Eine allgemein gehaltene, durch keine konkreten Umstände in Bezug auf die finanziellen Verhältnisse der mitbeteiligten Partei untermauerte Antragsbegründung reicht zur Darlegung einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen nicht aus (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des Arbeitsmarktservice Innsbruck in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 5, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. I419 2246342-1/10E, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: B, geboren 1988) erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde der mitbeteiligten Partei gegen einen Bescheid der revisionswerbenden Partei, mit dem diese einen Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld abgewiesen hatte, Folge und sprach aus, die mitbeteiligte Partei habe Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem „im gesetzlichen Ausmaß“.
2 Die revisionswerbende Partei verband ihre Amtsrevision mit dem Antrag, ihr gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Es erscheine „unbillig“, der mitbeteiligten Partei das Arbeitslosengeld auszuzahlen. Die mitbeteiligte Partei übe, soweit für die revisionswerbende Partei ersichtlich, seit August 2021 keine arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung aus und verfüge daher auch über kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit, sodass bei Auszahlung des Arbeitslosengeldes an die mitbeteiligte Partei „im Fall einer etwaigen Rückforderung die Einbringlichkeit schwierig“ wäre.
3 Gemäß § 30 Abs. 2 erster Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof ab Vorlage der Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
4 Ungeachtet der offenbar nicht auf Amtsrevisionen zugeschnittenen Formulierung des § 30 Abs. 2 VwGG ist die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung auch bei einer Amtsrevision zulässig. Als „unverhältnismäßiger Nachteil für den Revisionswerber“ ist hier jedoch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung des angefochtenen Erkenntnisses in die Wirklichkeit zu verstehen. In diesem Zusammenhang obliegt es der eine Amtsrevision erhebenden Partei, bereits im Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jene Umstände im Einzelnen darzutun, aus denen sich ein solcher „unverhältnismäßiger Nachteil“ ergibt (vgl. , mwN). Diese Anforderungen an die Konkretisierungspflicht des Antragstellers sind streng (vgl. etwa , mwN).
5 Mag auch die Konkretisierungspflicht in einer Amtsrevision nicht so weit gehen wie jene für eine „private“ Partei, die zur Geltendmachung ihrer überwiegenden Interessen ihre Vermögenslage weitgehend offenzulegen hat, ist doch auch von einer Amtspartei eine konkrete Gefahr der späteren Uneinbringlichkeit aufgrund des angefochtenen Bescheides zu leistender Zahlungen darzulegen (vgl. ). Eine allgemein gehaltene, durch keine konkreten Umstände in Bezug auf die finanziellen Verhältnisse der mitbeteiligten Partei untermauerte Antragsbegründung reicht zur Darlegung einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen nicht aus (vgl. ).
6 Die Begründung des vorliegenden Antrages genügt der Konkretisierungspflicht nicht. So wird etwa nicht einmal dargelegt (und ist aus dem angefochtenen Erkenntnis, demzufolge die mitbeteiligte Partei Anspruch auf Arbeitslosengeld ab dem „im gesetzlichen Ausmaß“ habe, auch nicht ersichtlich), in welcher Höhe das Arbeitslosengeld an die mitbeteiligte Partei auszuzahlen wäre, sodass das Ausmaß der möglichen Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen von vornherein nicht erkennbar ist.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice Innsbruck in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , I419 2246342-1/10E, betreffend Zuerkennung von Arbeitslosengeld (mitbeteiligte Partei: B S in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom gab die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) dem Antrag des Mitbeteiligten vom auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. Der Mitbeteiligte sei „laufend“ als ordentlicher Studierender an der Universität Innsbruck inskribiert und gelte daher gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nicht als arbeitslos.
2 Die dagegen vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
3 In der Begründung der Beschwerdevorentscheidung stellte das AMS zum Sachverhalt insbesondere fest, der Mitbeteiligte habe an der Universität Innsbruck von bis zum das Bachelorstudium Wirtschaftswissenschaften und in der Zeit von bis das Masterstudium „Organization Studies“ absolviert. In der Zeit von bis habe er Weiterbildungsgeld bezogen.
4 Seit sei der Mitbeteiligte an der Universität Innsbruck für das Doktoratsstudium „Doctor of Philosophy, Management, Dissertationsgebiet Betriebswirtschaft“ zugelassen. Von bis sei der Mitbeteiligte bei der J GmbH arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen.
5 Zur rechtlichen Würdigung hielt das AMS fest, Arbeitslosigkeit liege gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG während jener Zeiten nicht vor, in denen der Antragsteller in einer Schule oder in einem Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule - ausgebildet werde. Dies sei für den Mitbeteiligten wegen seines Doktoratsstudiums, für das er seit dem zugelassen sei, der Fall. Auch die Ausnahmebestimmung des § 12 Abs. 4 AlVG komme nicht zur Anwendung, weil der Mitbeteiligte innerhalb der Rahmenfrist von 2 Jahren nur die 208 Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bei der J GmbH nachweisen könne und damit die „große Anwartschaft“ im Sinne des § 14 Abs. 1 AlVG nicht erfülle.
6 Nach Stellung eines Vorlageantrages durch den Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und erkannte dem Mitbeteiligten ab dem Arbeitslosengeld zu. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
7 In der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses wies das Bundesverwaltungsgericht zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hin, wonach die Ausbildung in einer Schule oder in einem schulähnlich geregelten Lehrgang kraft Gesetzes die unwiderlegliche Vermutung begründe, dass der Betreffende so lange nicht an einer neuen Beschäftigung, sondern an der Erreichung seines Ausbildungszieles interessiert (und daher nicht arbeitslos) sei, wie er in der Schule oder dem Lehrgang ausgebildet werde. Soweit sich die Vermutung nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG auf den Besuch einer Hochschule beziehe, gelte sie nach dem Wortlaut des Gesetzes nur für „ordentliche Hörer“. Für diese komme es weder auf das Vorliegen einer Anwesenheitspflicht, noch darauf an, ob ein derartiges, zum Erwerb eines akademischen Grades führendes Studium berufsbegleitend angeboten werde (Hinweis auf , mwN).
8 Nach § 12 Abs. 4 erster Satz AlVG gelte abweichend von § 12 Abs. 3 lit. f AlVG während einer Ausbildung (insbesondere) als arbeitslos, wer die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 erster Satz AlVG mit der Maßgabe erfülle, dass diese ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 AlVG erfüllt werden und für die erstmalige Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung gelten. Gemäß § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG genüge jedoch bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14 AlVG. Nach § 14 Abs. 2 AlVG sei die Anwartschaft bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei; es genüge aber auch, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz AlVG erfülle, nach welchem insgesamt 52 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung im Inland in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches reichten. In diesem Fall könne die Rahmenfrist um sämtliche Rahmenfristerstreckungszeiten des § 15 AlVG, also auch Ausbildungszeiten, erstreckt werden (Hinweis auf ). Gemäß § 14 Abs. 7 AlVG gelte die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld nach einem Bezug von (insbesondere) Weiterbildungsgeld als weitere Inanspruchnahme im Sinne des § 14 Abs. 2 AlVG.
9 Der Mitbeteiligte habe für das Jahr 2017 Weiterbildungsgeld bezogen. Demnach sei die Anwartschaft fallbezogen (auch) erfüllt, wenn der Mitbeteiligte in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Wenn das AMS in der Beschwerdevorentscheidung davon ausgehe, dass die Anwartschaft nur bei arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung in der Dauer von mindestens 52 Wochen während einer Rahmenfrist von 24 Monaten erfüllt sei, sei dies nicht die einzige Möglichkeit, weil (gemeint: wegen des Bezuges von Weiterbildungsgeld) nicht von einer erstmaligen Inanspruchnahme auszugehen sei. Der Mitbeteiligte sei in den zwölf Monaten vor Geltendmachung seines Anspruchs 208 Tage vollversichert beschäftigt gewesen, also 29 Wochen und 5 Tage. Daher könne dahinstehen, welche Zeiten einer Ausbildung zur Verlängerung der Rahmenfrist nach § 15 Abs. 1 Z 4 AlVG in Frage kämen.
10 In der Folge bejahte das Bundesverwaltungsgericht auch die Verfügbarkeit im Sinne des § 7 Abs. 3 Z 1 AlVG.
11 Das Arbeitslosengeld sei daher zuzusprechen gewesen, allerdings - wegen des Bezuges einer Ersatzleistung für Urlaubsentgelt (Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung) in der Dauer von acht Tagen - erst ab dem .
12 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des AMS, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete, erwogen hat:
13 Das AMS bringt zur Zulässigkeit der Revision insbesondere vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Falle des Vorbezuges von Weiterbildungsgeld eine wiederholte Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld während einer Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG anzunehmen sei, sodass nur die „kleine Anwartschaft“ erfüllt werden müsste. Nach der Rechtsansicht des AMS sei diese Frage zu verneinen.
14 Die Revision ist aus den genannten Gründen zulässig und - im Ergebnis - berechtigt.
15 Die maßgeblichen Bestimmungen des AlVG lauten auszugsweise:
„Arbeitslosigkeit
§ 12. (1) [...]
[...]
(3) Als arbeitslos [...] gilt insbesondere nicht:
a) [...]
f) wer in einer Schule oder einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht;
[...]
(4) Abweichend von Abs. 3 lit. f gilt während einer Ausbildung als arbeitslos, wer eine die Gesamtdauer von drei Monaten innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten nicht überschreitende Ausbildung macht oder die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 erster Satz mit der Maßgabe erfüllt, dass diese ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 erfüllt werden und für die erstmalige Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes während der Ausbildung gelten. Bei wiederholter Inanspruchnahme während einer Ausbildung genügt die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14.
[...]
Anwartschaft
§ 14. (1) Bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
(2) Bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes ist die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.
[...]
(7) Wird nach einem Bezug von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld Arbeitslosengeld in Anspruch genommen, so gilt dies als weitere Inanspruchnahme im Sinne des Abs. 2.
[...]
§ 15. (1) Die Rahmenfrist (§ 14 Abs. 1 bis 3) verlängert sich um höchstens fünf Jahre um Zeiträume, in denen der Arbeitslose im Inland
1. [...]
4. Umschulungsgeld bezogen hat oder sich einer Ausbildung oder einer beruflichen Maßnahme der Rehabilitation aus der gesetzlichen Sozialversicherung unterzogen hat, durch die er überwiegend in Anspruch genommen wurde; [...]
[...]
Weiterbildungsgeld
§ 26. (1) Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, gebührt für die vereinbarte Dauer ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in der Höhe von 14,53 Euro täglich, bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:
[...]“
16 Der in § 12 Abs. 3 lit. f AlVG genannten Personengruppe gebührt grundsätzlich kein Arbeitslosengeld, es sei denn, es besteht eine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG. Der Grund für diese Regelung ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darin zu erblicken, dass der Gesetzgeber - ungeachtet subjektiver Umstände und Erklärungen des Arbeitslosen, insbesondere seiner Arbeitswilligkeit - von der Vermutung der Unvereinbarkeit der Ausbildung mit einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung und damit auch von der Vermutung des Fehlens der Verfügbarkeit für eine Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice bzw. des Fehlens der Möglichkeit eines Bemühens um eine neue zumutbare Beschäftigung ausgeht. Dadurch soll verhindert werden, dass das Arbeitslosengeld - systemwidrig - zur Finanzierung einer solchen Ausbildung herangezogen wird, statt dazu zu dienen, nach Maßgabe der Bestimmungen des AlVG den Entgeltausfall nach Verlust der arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung bis zur Wiedererlangung einer neuen abzugelten. Das bedeutet, dass in diesen Fällen von Gesetzes wegen unwiderleglich vermutet wird, dass die betreffende Person so lange einer Vermittlung durch das Arbeitsmarktservice nicht zur Verfügung steht, als sie in der Schule oder dem geregelten Lehrgang ausgebildet wird bzw. sich der praktischen Ausbildung unterzieht. Die allfällig bestehende Arbeitswilligkeit kann die Anspruchswerberin oder der Anspruchswerber daher nicht durch die bloße Erklärung, arbeitswillig zu sein, sondern nur durch die Beendigung der Ausbildung wirksam dokumentieren. Dabei schließt nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG schon die Zulassung als ordentliche Hörerin oder ordentlicher Hörer an einer Universität die Arbeitslosigkeit aus, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Umfang das Studium, zu dem die Zulassung erfolgt ist, auch tatsächlich betrieben wird. Maßgebend ist die Ausbildung, so wie sie nach den jeweiligen Ausbildungsvorschriften üblicherweise erfolgt, nicht die konkret-individuelle Art, in welcher die auszubildende Person an der Ausbildung teilnimmt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Zulassung zum Studium an einer Universität in der Regel zu einer überwiegenden Inanspruchnahme der Studierenden durch die Ausbildung führt. Die rechtliche Konsequenz der Zuordnung einer Ausbildung zu § 12 Abs. 3 lit. f AlVG besteht somit darin, dass die betreffende Person nicht als arbeitslos iSd § 12 Abs. 1 und 2 AlVG gilt und daher - ungeachtet des Vorliegens der übrigen, nach § 7 AlVG erforderlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld, u.a. auch der Arbeitswilligkeit iSd § 9 bis § 11 AlVG - keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat (vgl. , mwN).
17 Der Mitbeteiligte, der am die Zuerkennung von Arbeitslosengeld begehrt hat, war seit zu einem Doktoratsstudium an einer Universität als ordentlicher Hörer zugelassen. Unstrittig ist, dass er deshalb der in § 12 Abs. 3 lit. f AlVG genannten Personengruppe angehörte und grundsätzlich - sollte keine Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 AlVG greifen - nicht als arbeitslos galt. Ebenfalls unstrittig ist, dass für den Mitbeteiligten die Voraussetzungen der Ausnahme gemäß § 12 Abs. 4 erster Satz AlVG nicht gegeben waren, weil er die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 erster Satz AlVG („große Anwartschaft“) ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 AlVG nicht erfüllte, zumal er innerhalb der Rahmenfrist von 24 Monaten nur 208 Tage (und damit weniger als 52 Wochen) arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
18 Strittig ist, ob angesichts des Umstandes, dass der Mitbeteiligte - während seines von bis betriebenen und auch abgeschlossenen Masterstudiums an einer Universität - von bis Weiterbildungsgeld bezogen hatte, von einer „wiederholte[n] Inanspruchnahme“ im Sinne des § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG auszugehen war, sodass „die Erfüllung der Voraussetzungen des § 14 [AlVG]“, insbesondere der Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 erster Satz AlVG (28 Wochen arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung innerhalb der letzten zwölf Monate), genügen würde.
19 Hinter dieser Begünstigung steht offenbar die Überlegung, dass es genügen soll, einmal die Voraussetzungen für die Ausnahme nach § 12 Abs. 4 erster Satz AlVG in Form der großen Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten erfüllt zu haben. Damit ist nämlich bereits gewährleistet, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld während einer länger dauernden Ausbildung „nur im Falle längerer arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigungen und nicht bereits durch die Aneinanderreihung von Ferialbeschäftigungen“ erworben wird (vgl. dazu den AB 361 BlgNR 23. GP, 2). Eine zwischenzeitige Beschäftigung, die etwa zum Erwerb einer nur „kleinen“ neuen Anwartschaft (iSd § 14 Abs. 2 erster Satz AlVG) führt, soll die Fortsetzung der Ausbildung während der (neuerlichen) Arbeitslosigkeit nicht verhindern.
20 Gemessen an diesem Gesetzeszweck kann es aber keinen Unterschied machen, ob während der Ausbildung zuvor schon Arbeitslosengeld oder Weiterbildungsgeld bezogen wurde, sofern dem Bezug von Weiterbildungsgeld eine große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten zugrunde lag. Ist diese Voraussetzung erfüllt, dann ist der spätere Bezug von Arbeitslosengeld als „wiederholte Inanspruchnahme“ im Sinn des § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG anzusehen, auch wenn der Gesetzeswortlaut nur vom Regelfall mehrerer Inanspruchnahmen von Arbeitslosengeld ausgeht. Es wäre sachlich nicht zu rechtfertigen, dass eine Ausbildung, die während des Bezugs von Arbeitslosengeld stattgefunden hat, fortgesetzt werden darf, nicht aber eine solche, die während des Bezugs von Weiterbildungsgeld im Rahmen einer Bildungskarenz stattgefunden hat, obwohl auch dabei die große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten erfüllt war. Dass es sich, wie das AMS in der Revision betont, beim Arbeitslosengeld um eine Leistung bei Arbeitslosigkeit handelt und beim Weiterbildungsgeld im Gegensatz dazu um eine arbeitsmarktpolitische Leistung bei aufrechtem Dienstverhältnis, ist kein hinreichender Grund für die vom AMS unterstellte Differenzierung bei den Voraussetzungen für die Fortsetzung der Ausbildung. Da allerdings bei der Gewährung von Weiterbildungsgeld weder das Vorliegen von Arbeitslosigkeit noch die Anwartschaft in der besonderen Ausgestaltung des § 12 Abs. 4 erster Satz AlVG eine Rolle spielt, ist bei der Beurteilung, ob eine „wiederholte Inanspruchnahme“ im Sinn des § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG vorliegt, eigens zu prüfen, ob bei der Inanspruchnahme des Weiterbildungsgeldes die große Anwartschaft ohne Rahmenfristerstreckung durch Ausbildungszeiten erfüllt war.
21 Da das Bundesverwaltungsgericht ohne diese Prüfung bloß aufgrund des Umstandes, dass der Mitbeteiligte bereits einmal Weiterbildungsgeld bezog, von einer „wiederholten Inanspruchnahme“ im Sinne des § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG ausging, hat es somit die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war.
22 Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesverwaltungsgericht einerseits zu ermitteln haben, ob der Mitbeteiligte bei der früheren Inanspruchnahme von Weiterbildungsgeld die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld in der speziellen Ausgestaltung des § 12 Abs. 4 erster Satz AlVG, also insbesondere ohne Rahmenfristerstreckung durch die Heranziehung von Ausbildungszeiten gemäß § 15 Abs. 1 Z 4 AlVG, erfüllt hat.
23 Gegebenenfalls wird das Bundesverwaltungsgericht mit den Parteien außerdem die Frage zu erörtern haben, ob es sich bei dem Masterstudium, während dessen der Mitbeteiligte Weiterbildungsgeld bezog, einerseits und dem Doktoratsstudium, während dessen der Mitbeteiligte den hier in Rede stehenden Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gestellt hat, andererseits noch um dieselbe Ausbildung handelt (vgl. , wonach die Ausnahme des § 12 Abs. 4 zweiter Satz AlVG bei wiederholter Inanspruchnahme nur dann gilt, wenn es sich nach wie vor um dieselbe Ausbildung handelt - arg.: „während einer Ausbildung“).
Wien, am
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080023.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-45924