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VwGH 06.09.2023, Ra 2022/08/0010

VwGH 06.09.2023, Ra 2022/08/0010

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
§ 26 Abs. 1 AlVG 1977 knüpft den Anspruch auf Weiterbildungsgeld jedenfalls an die Inanspruchnahme einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG 1993 oder einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG 1993. Das Weiterbildungsgeld gebührt für die vereinbarte Dauer der Bildungskarenz oder der Freistellung. § 11 Abs. 1 AVRAG 1993 sieht insoweit eine Übereinkunft der Parteien des Arbeitsvertrages über eine "Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes" für eine bestimmte Dauer vor. Kern der zwischen den Parteien abzuschließenden Vereinbarung ist somit die Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages, somit der Arbeitspflicht und der Entgeltpflicht. Das ist dahingehend einzuschränken, als sich aus § 26 Abs. 3 AlVG 1977 ergibt, dass ein Dienstverhältnis, soweit der Entgeltanspruch die Grenze der Geringfügigkeit im Sinn von § 12 Abs. 6 lit. a, b, c, d, e oder g AlVG 1977 nicht übersteigt, für das Weiterbildungsgeld nicht schädlich ist. Beim Weiterbildungsgeld ist kein sachlich gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung der Art zu sehen, dass auf dessen Bezug bei der Begründung eines geringfügigen Dienstverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber Anspruch bestünde, beim selben Arbeitgeber jedoch nicht (vgl. ). Es bedarf somit im Ergebnis einer Übereinkunft über die Reduzierung der Arbeitspflicht zumindest in einem solchen Ausmaß, dass das Arbeitsentgelt die Grenze der Geringfügigkeit nicht überschreitet. Von einer sonstigen Vereinbarung der Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages, wie sie im Rahmen der Privatautonomie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit abgeschlossen werden kann, unterscheidet sich eine Bildungskarenz nach § 11 AVRAG 1993 im Übrigen durch die weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen. Ohne die Erfüllung dieser Bedingungen liegt keine Bildungskarenz nach § 11 AVRAG 1993 vor und treten daher die an deren Vorliegen geknüpften Rechtswirkungen - insbesondere die Möglichkeit zum Bezug von Weiterbildungsgeld nach § 26 AlVG 1977 - nicht ein.
Normen
RS 2
Gehen die Parteien des Arbeitsvertrages von ihrer nach § 11 AVRAG 1993 abgeschlossenen Vereinbarung ab und wird somit in der Folge eine Bildungskarenz im Sinn des § 26 Abs. 1 AlVG 1977 nicht mehr in Anspruch genommen, fällt eine Voraussetzung des Anspruches auf Weiterbildungsgeld weg und ist die Leistung daher ab diesem Zeitpunkt nach § 24 Abs. 1 AlVG 1977 einzustellen. Ein solches Abgehen von der Bildungskarenz liegt jedenfalls dann vor, wenn die Arbeitsvertragsparteien übereinkommen, die Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages zu beenden; ausreichend ist insoweit, dass aufgrund der vereinbarten erneuten Aufnahme bzw. Ausdehnung der Erwerbstätigkeit die in § 26 Abs. 3 AlVG 1977 genannte Grenze der Geringfügigkeit überschritten wird.
Normen
RS 3
Nach der Bestimmung des § 26 Abs. 4 AlVG 1977 steht zwar eine während der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz erfolgte einseitige Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber - insbesondere durch eine Kündigung - der Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht entgegen, dies ändert aber nichts daran, dass die übrigen Voraussetzungen des Weiterbildungsgeldes weiterhin vorliegen müssen (vgl. AB 1304 BlgNR 20. GP 1).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Jugendliche II in 1120 Wien, Lehrbachgasse 18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W262 2243971-1/13E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Weiterbildungsgeld (mitbeteiligte Partei: A M in W, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 12/3),

Spruch

I. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Widerruf des Weiterbildungsgeldes der Mitbeteiligten für bis  und die Verpflichtung der Mitbeteiligten zur Rückzahlung des in diesem Zeitraum unberechtigt Empfangenen von € 2.904,72 wendet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Im Übrigen (ersatzlose Behebung des Widerrufs des Weiterbildungsgeldes für Dezember 2020 und der Verpflichtung zur Rückzahlung des in diesem Monat empfangenen Weiterbildungsgeldes) wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Begründung

1 Die Mitbeteiligte vereinbarte mit ihrer Arbeitgeberin, der S GmbH, ab dem für ein Jahr eine Bildungskarenz. Aufgrund ihres Antrages bezog sie in den Monaten März bis Dezember 2020 Weiterbildungsgeld. Bei Geltendmachung des Weiterbildungsgeldes gab sie an, weiter geringfügig bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt zu bleiben. Im Jänner 2021 erfolgte eine Einstellung des (laufenden) Bezuges durch das AMS.

2 Mit Bescheid vom widerrief die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien Jugendliche II (in der Folge: AMS) gemäß § 24 Abs. 2 iVm. § 26 Abs. 7 AlVG das Weiterbildungsgeld für den Zeitraum bis und verpflichtete die Mitbeteiligte gemäß § 25 Abs. 1 iVm. § 26 Abs. 7 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt Empfangenen von € 3.894,24. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Die Mitbeteiligte sei ab wieder in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis bei der S GmbH gestanden, wovon das AMS erst im Jänner 2021 durch eine Meldung des Dachverbands der Sozialversicherungsträger erfahren habe.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten teilweise Folge und sprach aus, das Weiterbildungsgeld werde gemäß § 24 Abs. 2 iVm. § 26 Abs. 7 AlVG für den Zeitraum bis widerrufen und die Mitbeteiligte gemäß § 25 Abs. 1 iVm. § 26 Abs. 7 AlVG zur Rückzahlung des unberechtigt Empfangenen von € 2.904,72 verpflichtet. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

4 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, die Mitbeteiligte sei während des Bezugs von Weiterbildungsgeld zunächst ab bei der S GmbH in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Von bis sei die Mitbeteiligte bei der S GmbH wieder vollversichert beschäftigt gewesen. Die Aufnahme der vollversicherten Beschäftigung habe sie dem AMS nicht gemeldet. Das Dienstverhältnis zur S GmbH habe - aufgrund der Schließung der Filiale, in der die Mitbeteiligte tätig gewesen sei - mit Ende November 2020 durch Dienstgeberkündigung geendet. Von September bis Dezember 2020 habe die Mitbeteiligte € 3.894,24 und von September bis November 2020 € 2.904,72 an Weiterbildungsgeld bezogen.

5 Eine vollversicherte Beschäftigung stehe dem Bezug des Weiterbildungsgeldes entgegen. Es sei davon auszugehen, dass der Mitbeteiligten ihre Verpflichtung bewusst gewesen sei, die erneute Aufnahme einer vollversicherten Beschäftigung zu melden, zumal darauf auch im Antragsformular hingewiesen worden sei. Ein zumindest bedingter Vorsatz seit daher zu bejahen. Für die Zeit des aufrechten Bestehens der vollversicherten Beschäftigung von September bis November 2020 stehe der Mitbeteiligten daher kein Weiterbildungsgeld zu. Auch sei der Bezug gemäß § 25 Abs. 1 AlVG für diesen Zeitraum zurückzufordern. Nach dem Ende des Dienstverhältnisses ab sei der Mitbeteiligten aber wieder Weiterbildungsgeld zugestanden. Die Dienstgeberkündigung während der Bildungskarenz stehe dem gemäß § 26 Abs. 4 AlVG nämlich nicht entgegen.

6 In Abänderung der Beschwerdevorentscheidung sei die Leistung für Dezember 2020 daher nicht zu widerrufen und der Bezug nicht zurückzufordern gewesen. Insoweit sei der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf ), wonach die Aufnahme einer vollversicherten Beschäftigung zu dem Arbeitgeber, zu dem ein karenziertes Dienstverhältnis bestehe, nicht bloß zu einem Ruhen, sondern zu einer „Beendigung der Bildungskarenz“ führe, nach dem Normzweck der mittlerweile geänderten Anspruchsvoraussetzungen der Leistung, mit denen der Ausbildungsaspekt in den Vordergrund gestellt worden sei, nicht mehr zu folgen.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision. Im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren hat die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9 Zur Zulässigkeit der Revision wird vom AMS zusammengefasst geltend gemacht, entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts habe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , 99/03/0357, weiterhin Relevanz. Es sei keine maßgebliche Änderung der Rechtslage eingetreten. Im Übrigen sei durch die Aufnahme einer vollversicherten Beschäftigung auch schlüssig von der Vereinbarung einer Bildungskarenz abgegangen worden.

10 Vorauszuschicken ist zunächst, dass das AMS mit seinem Bescheid vom  und seiner Beschwerdevorentscheidung vom das Weiterbildungsgeld für die Monate September bis Dezember 2020 widerrufen und die Mitbeteiligte insoweit zur Rückzahlung des Bezuges verpflichtet hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Widerruf und eine Rückforderung lediglich für September bis November 2020 ausgesprochen. Dies ist in Zusammenhalt mit der Begründung so zu verstehen, dass der Widerruf und die Rückforderung des Bezuges für Dezember 2020 ersatzlos behoben wurde. Insoweit ist das Bundesverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Aussprüche des Widerrufs und der Rückforderung des Weiterbildungsgeldes hinsichtlich der einzelnen Bezugszeiträume - einerseits September bis November 2020 und andererseits Dezember 2020 - trennbar sind.

11 Hingewiesen sei im Weiteren darauf, dass das AMS und diesem folgend auch das Bundesverwaltungsgericht nicht angenommen haben, dass sich die ab erfolgte Zuerkennung des Weiterbildungsgeldes als (ursprünglich) gesetzlich nicht begründet herausgestellt habe. Vielmehr wurde davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Weiterbildungsgeld im Lauf des Bezugs - nämlich ab wegen der Aufnahme einer vollversicherten Beschäftigung durch die Mitbeteiligte - weggefallen sind. Inhaltlich liegt damit aber kein Widerruf (§ 24 Abs. 2 iVm. § 26 Abs. 7 AlVG), sondern eine Einstellung des Weiterbildungsgeldes (§ 24 Abs. 1 iVm. § 26 Abs. 7 AlVG) vor.

Zu I. (teilweise Zurückweisung der Revision):

12 Die Revision wendet sich nach ihrem nicht zweifelhaften Wortlaut gegen das angefochtene Erkenntnis in seiner Gesamtheit und begehrt dessen Aufhebung. Hinsichtlich der Bestätigung des Widerrufs und der Rückforderung der Leistung für September bis November 2020 durch das Bundesverwaltungsgericht wurde jedoch kein Vorbringen erstattet. Die Revision geht erkennbar vielmehr selbst davon aus, dass jedenfalls in diesem Zeitraum - wie vom Bundesverwaltungsgericht angenommen - aufgrund der Vollversicherung der Mitbeteiligten gemäß § 26 Abs. 3 AlVG kein Weiterbildungsgeld gebührt habe und der Widerruf (richtig: die Einstellung) des Bezugs und die Rückforderung der Leistung - auch der Höhe nach - daher zu Recht erfolgt sei.

13 Insoweit werden daher in der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG hinsichtlich des Widerrufs und der Rückforderung des Weiterbildungsgeldes für September bis November 2020 mit Beschluss zurückzuweisen.

Zu II. (teilweise Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses):

14 Im Übrigen ist die Revision - entgegen dem nur formelhaft begründeten gegenteiligen Ausspruch des Bundesverwaltungsgerichts - zulässig und im Ergebnis berechtigt.

15 § 11 Abs. 1 AVRAG hat in der mit BGBl. I Nr. 104/2007 geschaffenen Fassung folgenden Wortlaut:

„§ 11. (1) Arbeitnehmer und Arbeitgeber können eine Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes für die Dauer von mindestens zwei Monaten bis zu einem Jahr vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis ununterbrochen sechs Monate gedauert hat. Eine neuerliche Bildungskarenz kann frühestens nach dem Ablauf von vier Jahren ab dem Antritt der letzten Bildungskarenz (Rahmenfrist) vereinbart werden. Die Bildungskarenz kann auch in Teilen vereinbart werden, wobei die Dauer eines Teils mindestens zwei Monate zu betragen hat und die Gesamtdauer der einzelnen Teile innerhalb der Rahmenfrist, die mit Antritt des ersten Teils der Bildungskarenz zu laufen beginnt, ein Jahr nicht überschreiten darf. [...]“

16 § 24 Abs. 1 (in der Fassung seit BGBl. I Nr. 71/2003), § 26 (in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2016) und § 46 Abs. 5 AlVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 100/2018) lauten auszugsweise:

„§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf gemäß Abs. 2 und eine spätere Rückforderung gemäß § 25 werden dadurch nicht ausgeschlossen.

§ 26. (1) Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, gebührt für die vereinbarte Dauer ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in der Höhe von 14,53 Euro täglich, bei Erfüllung der nachstehenden Voraussetzungen:

1. Bei einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG muss die Teilnahme an einer im Wesentlichen der Dauer der Bildungskarenz entsprechenden Weiterbildungsmaßnahme nachgewiesen werden. Das Ausmaß der Weiterbildungsmaßnahme muss mindestens 20 Wochenstunden, bei Personen mit Betreuungsverpflichtungen für Kinder bis zum vollendeten siebenten Lebensjahr, für die keine längere Betreuungsmöglichkeit besteht, mindestens 16 Wochenstunden betragen. [...]

2. [...]

3. Innerhalb einer Rahmenfrist von vier Jahren kann, unabhängig davon ob eine Bildungskarenz oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgelts vorliegt, insgesamt längstens ein Jahr Weiterbildungsgeld bezogen werden. Wenn die Weiterbildungsmaßnahme in Teilen stattfindet, kann das Weiterbildungsgeld innerhalb einer Rahmenfrist von vier Jahren fortbezogen werden. [...]

4. und 5. [...]

(2) [...]

(3) Bei Vorliegen einer Beschäftigung oder einer selbständigen Erwerbstätigkeit gebührt kein Weiterbildungsgeld, es sei denn, daß § 12 Abs. 6 lit. a, b, c, d, e oder g (Geringfügigkeit) zutrifft. [...]

(4) Die Lösung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber während der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz steht der Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht entgegen.

(5) und (6) [...]

(7) § 16 (Ruhen des Anspruches) mit Ausnahme des Abs. 1 lit. g (Auslandsaufenthalt), § 17 (Beginn des Anspruches), § 19 Abs. 1 erster Satz (Fortbezug), § 22 (Ausschluss bei Anspruch auf Alterspension), § 24 (Berichtigung), § 25 Abs. 1, Abs. 3 mit der Maßgabe, dass die Ersatzpflicht auch bei leichter Fahrlässigkeit eintritt, und Abs. 4 bis 7 (Rückforderung) sowie Artikel III (Verfahren) mit Ausnahme des § 49 (Kontrollmeldungen), sind mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Arbeitslosengeldes das Weiterbildungsgeld tritt, anzuwenden. [...]

(8) [...]

§ 46. [...]

(5) Wird der Bezug von Arbeitslosengeld unterbrochen oder ruht der Anspruch (§ 16), wobei der regionalen Geschäftsstelle das Ende des Unterbrechungs- oder Ruhenszeitraumes im Vorhinein nicht bekannt ist, so ist der Anspruch auf das Arbeitslosengeld oder auf den Fortbezug neuerlich geltend zu machen. [...]“

17 Ob im Sinn des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/03/0357, der zeitweilige Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung jedenfalls dazu führt, dass keine Möglichkeit eines späteren Fortbezugs des Weiterbildungsgeldes gegeben ist, kann vorliegend dahingestellt bleiben (vgl. aber zu § 46 Abs. 5 AlVG , mwH). § 26 Abs. 1 AlVG knüpft den Anspruch auf Weiterbildungsgeld nämlich jedenfalls an die Inanspruchnahme einer Bildungskarenz gemäß § 11 AVRAG oder - wie hier nicht gegenständlich - einer Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG. Das Weiterbildungsgeld gebührt für die vereinbarte Dauer der Bildungskarenz oder der Freistellung.

18 § 11 Abs. 1 AVRAG sieht insoweit eine Übereinkunft der Parteien des Arbeitsvertrages über eine „Bildungskarenz gegen Entfall des Arbeitsentgeltes“ für eine bestimmte Dauer vor. Kern der zwischen den Parteien abzuschließenden Vereinbarung ist somit die Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages, somit der Arbeitspflicht und der Entgeltpflicht (vgl. Binder/Burger/Mair, AVRAG3 [2016] § 11 Rz 6). Das ist dahingehend einzuschränken, als sich aus § 26 Abs. 3 AlVG ergibt, dass ein Dienstverhältnis, soweit der Entgeltanspruch die Grenze der Geringfügigkeit im Sinn von § 12 Abs. 6 lit. a, b, c, d, e oder g AlVG nicht übersteigt, für das Weiterbildungsgeld nicht schädlich ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat insoweit festgehalten, dass beim Weiterbildungsgeld kein sachlich gerechtfertigter Grund für eine Differenzierung der Art zu sehen ist, dass auf dessen Bezug bei der Begründung eines geringfügigen Dienstverhältnisses bei einem anderen Arbeitgeber Anspruch bestünde, beim selben Arbeitgeber jedoch nicht (vgl. ). Es bedarf somit im Ergebnis einer Übereinkunft über die Reduzierung der Arbeitspflicht zumindest in einem solchen Ausmaß, dass das Arbeitsentgelt die Grenze der Geringfügigkeit nicht überschreitet.

19 Von einer sonstigen Vereinbarung der Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages, wie sie im Rahmen der Privatautonomie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer jederzeit abgeschlossen werden kann, unterscheidet sich eine Bildungskarenz nach § 11 AVRAG im Übrigen durch die weiteren in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen. Ohne die Erfüllung dieser Bedingungen liegt keine Bildungskarenz nach § 11 AVRAG vor und treten daher die an deren Vorliegen geknüpften Rechtswirkungen - insbesondere die Möglichkeit zum Bezug von Weiterbildungsgeld nach § 26 AlVG - nicht ein (vgl. idS Pfeil in ZellKomm³, § 11 AVRAG Rz 1). Danach ist in der Vereinbarung insbesondere eine bestimmte Dauer der Bildungskarenz von mindestens zwei Monaten bis zu einem Jahr (allenfalls nach § 11 Abs. 1 dritter Satz AVRAG auch in Teilen) festzulegen. Die neuerliche Vereinbarung einer Bildungskarenz nach § 11 AVRAG ist erst wieder nach Ablauf von vier Jahren ab dem Antritt der letzten Bildungskarenz (Rahmenfrist) möglich.

20 Gehen die Parteien des Arbeitsvertrages von ihrer nach § 11 AVRAG abgeschlossenen Vereinbarung ab und wird somit in der Folge eine Bildungskarenz im Sinn des § 26 Abs. 1 AlVG nicht mehr in Anspruch genommen, fällt eine Voraussetzung des Anspruches weg und ist die Leistung daher ab diesem Zeitpunkt nach § 24 Abs. 1 AlVG einzustellen. Ein solches Abgehen von der Bildungskarenz liegt nach dem dargestellten Wesen der Vereinbarung jedenfalls dann vor, wenn die Arbeitsvertragsparteien übereinkommen, die Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages zu beenden; ausreichend ist insoweit, dass aufgrund der vereinbarten erneuten Aufnahme bzw. Ausdehnung der Erwerbstätigkeit die in § 26 Abs. 3 AlVG genannte Grenze der Geringfügigkeit überschritten wird.

21 Im vorliegenden Fall haben die Mitbeteiligten und ihre Arbeitgeberin zunächst eine Bildungskarenz nach § 11 AVRAG - somit insbesondere den Entfall der beiderseitigen (die Grenze der Geringfügigkeit überschreitenden) Hauptleistungspflichten des Arbeitsvertrages für eine mit einem Jahr bestimmte Dauer - vereinbart. Das Bundesverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung im Weiteren zugrunde gelegt, dass die Mitbeteiligte und ihre Arbeitgeberin ab  wieder ein vollversichertes Dienstverhältnis begründet haben, das nach den Feststellungen erst durch Dienstgeberkündigung geendet hat. Davon ausgehend sind die Parteien des Arbeitsvertrages im dargestellten Sinn aber von der vereinbarten Bildungskarenz abgegangen, sodass ab  - mangels weiterer Inanspruchnahme einer Bildungskarenz - die Voraussetzungen des Weiterbildungsgeldes nicht mehr vorlagen und dieses daher (schon deshalb) für seine weitere Dauer einzustellen war.

22 Soweit das Bundesverwaltungsgericht auf § 26 Abs. 4 AlVG verweist, ist dazu festzuhalten, dass nach dieser Bestimmung zwar eine während der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz erfolgte einseitige Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Arbeitgeber - insbesondere durch eine Kündigung - der Gewährung von Weiterbildungsgeld nicht entgegensteht, dies aber nichts daran ändert, dass die übrigen Voraussetzungen des Weiterbildungsgeldes weiterhin vorliegen müssen (vgl. AB 1304 BlgNR 20. GP 1). Die Bestimmung ändert daher nichts daran, dass das einvernehmliche Abgehen von einer Bildungskarenz infolge Vereinbarung der erneuten Aufnahme einer vollversicherten Beschäftigung und damit das Fehlen der Inanspruchnahme einer Bildungskarenz im Sinn von § 26 Abs. 1 AlVG zum Wegfall einer Voraussetzung des Weiterbildungsgeldes und damit zur Einstellung der Leistung nach § 24 Abs. 1 iVm. § 26 Abs. 7 AlVG führt.

23 Da das Bundesverwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis im genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

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Normen
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022080010.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-45919