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VwGH 14.01.2022, Ra 2022/08/0009

VwGH 14.01.2022, Ra 2022/08/0009

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
ASVG §67 Abs10
VwGG §30 Abs2
RS 1
Nichtstattgebung - Beitragsnachverrechnung nach dem ASVG - Im Fall der Auferlegung von Geldleistungen ist es notwendig, die im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie Vermögensverhältnisse (unter Einschluss der Schulden nach Art und Ausmaß) konkret - tunlichst ziffernmäßig - anzugeben; weiters sind Angaben dazu erforderlich, welcher Vermögensschaden durch welche Maßnahme droht und inwiefern dieser Schaden im Hinblick auf die sonstigen Vermögensumstände der beschwerdeführenden Partei unverhältnismäßig ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. AW 2010/08/0003).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/08/0119 B RS 1 (hier Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG)

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag des E, vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer-Preininger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 29/3, der gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W164 2224162-2/3E, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

1 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof einer Revision auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegen stehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

2 Um die vom Gesetzgeber bei einer Entscheidung über die aufschiebende Wirkung geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den hg. Beschluss eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 10.381/A) erforderlich, dass der Antragsteller konkret darlegt, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der von ihm behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergibt. Im Fall der Auferlegung von Geldleistungen ist es notwendig, die im Zeitpunkt der Antragstellung bezogenen Einkünfte sowie Vermögensverhältnisse (unter Einschluss der Schulden nach Art und Ausmaß) konkret - tunlichst ziffernmäßig - anzugeben; weiters sind Angaben dazu erforderlich, welcher Vermögensschaden durch welche Maßnahme droht und inwiefern dieser Schaden im Hinblick auf die sonstigen Vermögensumstände der beschwerdeführenden Partei unverhältnismäßig ist (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , AW 2010/08/0003).

3 Der vorliegende - begründungslos gestellte - Antrag genügt den dargestellten Anforderungen nicht.

4 Dem Antrag war daher nicht Folge zu geben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Beschluss

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des E B in D, vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer-Preininger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 29/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W164 2224162-2/3E, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom sprach die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) aus, dass der Revisionswerber als ehemaliger Geschäftsführer der L GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm. § 83 ASVG für die von dieser Gesellschaft zu entrichten gewesenen Beiträge aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Juni 2017 bis August 2017 in Höhe von € 65.570,24 zuzüglich Verzugszinsen hafte.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis ab. Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die L GmbH liquidiert und wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden sei, sodass der strittige Betrag uneinbringlich sei. Der Revisionswerber sei im relevanten Beurteilungszeitraum (Juni 2017 bis August 2017) handelsrechtlicher Geschäftsführer der L GmbH gewesen und gehöre somit zum Kreis der nach § 67 Abs. 10 ASVG haftenden Personen. Die nicht rechtzeitige Entrichtung der Beitragsverbindlichkeiten sei für deren spätere Uneinbringlichkeit kausal gewesen. Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG hätten Vertreter(innen) juristischer Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

3 Unter Hinweis auf die zu § 67 Abs. 10 ASVG ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes führte das Bundesverwaltungsgericht weiters aus, dass die Haftung nach dieser Bestimmung eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung sei, die den Geschäftsführer deshalb treffe, weil er seine gegenüber dem Sozialversicherungsträger bestehende gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft verletzt habe, wobei leichte Fahrlässigkeit genüge. Eine gemäß § 67 Abs. 10 ASVG relevante Pflichtverletzung könne unter anderem auch darin bestehen, dass der Haftende die Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandle als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bediene, jene aber unberichtigt lasse bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trage. Der Vertreter sei nur dann exkulpiert, wenn er nachweise, im Beurteilungszeitraum entweder über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung die Versicherungsbeiträge ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger nicht oder nur zum Teil entrichtet zu haben, die Beiträge also nicht in Benachteiligung der Sozialversicherung in einem geringeren Ausmaß entrichtet zu haben als die Forderungen der anderen Gläubiger. Es sei Sache des als Verantwortlicher herangezogenen Vertreters der juristischen Person, jene Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote dafür zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert gewesen sei, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls seine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Dabei habe er nicht nur allgemein darzutun, dass er dem Benachteiligungsverbot Rechnung getragen habe, sondern die im Beurteilungszeitraum fälligen unberichtigten Beitragsschulden und die fälligen offenen Gesamtverbindlichkeiten sowie die darauf jeweils geleisteten Zahlungen darzulegen. Die ÖGK habe dem zur Haftung herangezogenen Geschäftsführer einer GmbH im Haftungsverfahren Gelegenheit zu geben, bezogen auf den strittigen Zeitraum darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen, welche Verbindlichkeiten der GmbH aushafteten, welche Mittel ihr an sich zur Verfügung gestanden seien und welche Zahlungen für sie jeweils geleistet worden seien. Der Revisionswerber habe im vorliegenden Fall als Geschäftsführer der Primärschuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Primärschuldnerin, nämlich im Zeitraum Juni 2017 bis August 2017, Zahlungen über offene Beitragsschulden geleistet. Die Beitragsschulden seien mit diesen Zahlungen jedoch nur teilweise gedeckt gewesen. Es sei daher zu prüfen, ob der Revisionswerber, solange für die Primärschuldnerin noch Zahlungen getätigt werden konnten, Beitragsschulden schlechter behandelt habe als sonstige Verbindlichkeiten.

4 Die ÖGK habe dem Revisionswerber die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Vorwurf der mangelnden Gläubigergleichbehandlung eingeräumt und ihn aufgefordert, bekannt zu geben und nachzuweisen, 1.) wie hoch die Gesamtverbindlichkeiten jeweils am , am und am und 2.) wie hoch die Zahlungen von Juni 2017 bis (Insolvenzeröffnung) für die fälligen Verbindlichkeiten gewesen seien.

5 Dieser Aufforderung sei der Revisionswerber nicht in geeigneter Weise nachgekommen und habe auch im Beschwerdeverfahren keine geeigneten Nachweise vorgelegt.

6 Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Bundesverwaltungsgericht sei von (nicht näher genannter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es den Akt des Insolvenzgerichts nicht herangezogen habe.

12 Zum einen ist aber nicht ersichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Heranziehung des Insolvenzakts verpflichtet gewesen wäre. Zum anderen setzt die Zulässigkeit der Revision aufgrund einer behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens - neben einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel - voraus, dass auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang - im Sinn seiner Eignung, bei einem mängelfreien Verfahren zu einer anderen, für die revisionswerbende Partei günstigeren Sachverhaltsgrundlage zu führen - konkret dargetan wird (vgl. etwa , mwN). Nach dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision hätte das Bundesverwaltungsgericht im Fall der unterbliebenen Einsichtnahme in den Insolvenzakt feststellen können, dass der Revisionswerber im Insolvenzverfahren explizit als Gründe für die „plötzliche Insolvenz“ geltend gemacht habe, dass „eine große Anzahl von Arbeitern“ der L GmbH „wegen Rauschgifthandels binnen kurzer Zeit abgeschoben“ worden seien und daher die Gesellschaft „schlagartig mangels genügender Arbeiter deren Aufträge nicht abarbeiten und in weiterer Folge fakturieren“ habe können. Der „Arbeiterengpass“ habe zu Zahlungsproblemen und kurze Zeit später zu einem Konkursantrag geführt.

13 Inwieweit die Ermittlung der in der Zulässigkeitsbegründung angeführten, das Thema der Ursachen der Zahlungsunfähigkeit betreffenden Umstände (oder auch die in den Revisionsgründen erwähnte Kenntnis der in der Insolvenz angemeldeten Forderungen sowie das Ergebnis des Verteilungsentwurfs) bei der - für die Geschäftsführerhaftung entscheidenden - Frage der Gleichbehandlung der Gläubiger im Zeitraum bis zur Insolvenzeröffnung von Relevanz sein soll, ist nicht zu sehen. Auch mit dem in den Revisionsgründen erstatteten Vorbringen, dass die Einsicht in den Konkursakt ergeben hätte, dass „auch die anderen Gläubiger vor Konkurseröffnung nur aliquot bedient“ worden seien, lässt die Revision nicht erkennen, wie der Konkursakt jene Tatsachen erweisen können hätte, die der Revisionswerber zum Beweis der Gläubigergleichbehandlung aufzeigen müsste (vgl. auch ), nämlich welche Verbindlichkeiten der GmbH aushafteten, welche Mittel ihr an sich zur Verfügung gestanden seien und welche Zahlungen für sie jeweils geleistet worden seien.

14 Soweit im Zulässigkeitsvorbringen darauf verwiesen wird, dass dem Revisionswerber Unterlagen nicht mehr zugänglich gewesen seien, weil diese vom alleinigen Gesellschafter „ohne Vorwarnung einfach entwendet bzw. gestohlen“ worden seien, ist dazu festzuhalten, dass diesem Vorbringen einerseits (soweit behauptet wird, der Betreffende habe sich „unbekannt wohin in das Ausland abgesetzt“) das Neuerungsverbot entgegensteht und andererseits damit nicht dargelegt wird, dass bereits im Verwaltungsverfahren oder im Beschwerdeverfahren Tatsachen aufgezeigt worden wären, die geeignet wären, den Revisionswerber zu exkulpieren (etwa, dass ihm auch kein prozessuales Mittel offen gestanden wäre, den Zugang zu diesen Unterlagen zu erzwingen vgl. , mwN).

15 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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ASVG §67 Abs10
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080009.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-45918