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VwGH 01.06.2023, Ra 2022/07/0186

VwGH 01.06.2023, Ra 2022/07/0186

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
VStG §22
VwGVG 2014 §38
RS 1
Beim Dauerdelikt sind tatbildgemäße Einzelhandlungen so lange als Einheit und damit nur als eine Verwaltungsübertretung anzusehen und dementsprechend auch nur mit einer Strafe zu belegen, als der Täter nicht nach außen erkennbar seine deliktische Tätigkeit aufgegeben hat (vgl. ).
Normen
VStG §22 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 2
Im Allgemeinen erfasst die verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung eines Beschuldigten wegen eines solchen Delikts das gesamte vor der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz gelegene strafbare Verhalten, soweit dieses nicht bereits Gegenstand einer früheren Bestrafung war oder die Strafbehörde annahm, dass die Strafbarkeit des Verhaltens zu einem früheren Zeitpunkt geendet hätte (vgl. E , 2006/10/0027).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2006/10/0250 E RS 3
Normen
VStG §22 Abs1
VStG §44a Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 3
In dem Umstand, dass einem Beschuldigten in einem Straferkenntnis nicht der gesamte allenfalls in Betracht kommende Tatzeitraum zur Last gelegt wurde, kann keine Rechtsverletzung erblickt werden (vgl. ).
Normen
VStG §22
VStG §44a Z1
VwGVG 2014 §38
RS 4
Sowohl ein tatsächlich früherer Beginn als auch eine tatsächlich spätere Beendigung des dem Betreffenden mit dem behördlichen Straferkenntnis angelasteten strafbaren Verhaltens kann nicht dazu führen, dass der Betreffende wegen desselben Dauerdeliktes noch einmal bestraft werden könnte. Durch die behördliche Bescheiderlassung ist das darin umschriebene Dauerdelikt bis zu diesem Zeitpunkt verfolgt; einer neuerlichen Verfolgung wegen desselben Dauerdelikts für die Zeit bis zur Erlassung des behördlichen Straferkenntnisses könnte somit - vorausgesetzt, dass es sich hinsichtlich aller anderen Sachverhaltselemente um dasselbe strafbare Verhalten vor oder nach dem dem Betreffenden bescheidmäßig vorgeworfenen Tatzeitraum handelt - mit Erfolg diese bereits vorgenommene verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung entgegengehalten werden (vgl. ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/10/0164 B RS 1
Normen
AVG §66 Abs4
VStG §22
VStG §24
VStG §44a Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
RS 5
Aus der Anführung eines Tatzeitraumes im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ergibt sich unabhängig von der mit der Bestrafung verbundenen weiteren (Erfassungs-)Wirkung, dass Abspruchsgegenstand, und somit auch "Sache" iSd. (nunmehr) § 50 VwGVG 2014, ausschließlich die Tatbegehung in diesem Zeitraum ist (vgl. , und , 96/04/0080; ). Die Ausdehnung des Tatzeitraums durch das VwG ist keine (grundsätzlich zulässige) Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung, sondern eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens iSd. § 50 VwGVG 2014, wozu das VwG nicht berechtigt ist (vgl. ; , Ra 2020/02/0252). Dem VwG ist es somit verwehrt, den Tatvorwurf und damit die Bestrafung über den von der Behörde ausdrücklich festgelegten Tatzeitraum hinaus auszudehnen, dies unabhängig davon, ob diese - gemessen an ihren Sachverhaltsfeststellungen - allenfalls ein zu frühes Tatzeitende angenommen hat.
Normen
VStG §22
VStG §31 Abs1
VStG §31 Abs2
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 6
§ 31 Abs. 1 VStG stellt im Fall eines Dauerdelikts - also insbesondere bei Pönalisierung des Aufrechterhaltens eines rechtswidrigen Zustandes - auf jenen Zeitpunkt ab, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. Die Verjährung eines Dauerdelikts kann nicht eingetreten sein, wenn der rechtswidrige Zustand bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung noch aufrecht war (vgl. ). Wenn also in einem verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis das Ende des verfolgten Tatzeitraums eines Dauerdelikts mit einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt festgelegt wird, das strafbare Verhalten jedoch tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt geendet hat, so beginnt der Lauf der Verjährungsfristen nach § 31 Abs. 1 und 2 VStG erst mit diesem späteren Zeitpunkt. Dauert das strafbare Verhalten weiter an, so haben sie noch nicht zu laufen begonnen, sodass eine Verjährung nicht eingetreten sein kann.
Normen
AWG 2002 §81 Abs1
VerpackV 1996 §3 Abs4
VerpackV 2014 §10 Abs2
VStG §31
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 7
Zur Verpflichtung der Meldung der in Verkehr gesetzten Masse an Verpackungen spätestens drei Monate nach Ablauf jedes Kalenderjahres für das vorangegangene Kalenderjahr besteht bereits Judikatur des VwGH zu § 3 Abs. 4 VerpackV 1996. Demnach folgt aus § 81 Abs. 1 zweiter Satz AWG 2002, dass eine Meldung auch nach dem Ablauf der 3-Monats-Frist möglich (und erwünscht) ist. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt diesfalls erst mit dem Erbringen der nachträglichen Meldung (vgl. ; ). Diese Rechtsprechung kann auf die insoweit vergleichbare Verpflichtung nach § 10 Abs. 2 VerpackV 2014 übertragen werden.
Normen
VerpackV 2014 §10 Abs5 Z2
VStG §31
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 8
Geklärt ist in der Judikatur der Verjährungsbeginn für die Verpflichtung zur Führung des "Nachweises über die Rücknahme" nach § 10 Abs. 5 Z 2 VerpackV 2014: Beim Unterlassen des Führens von Nachweisen handelt es sich um ein Unterlassungsdelikt, weshalb das strafbare Verhalten so lange fortbesteht, so lange die Nachweise nicht vorhanden sind (vgl. ; ).
Normen
AVG §56
VerpackV 2014 §10 Abs2
VerpackV 2014 §10 Abs5 Z2
VStG §24
VStG §31
VStG §5 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 9
Wenn ein Verpflichteter mangels entsprechender Vorkehrungen nicht in der Lage war, nach Ablauf des Zeitraumes, für den die Nachweise zu führen waren, diese zu erbringen, befreit ihn dies nicht von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit, denn es wäre an ihm gelegen, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für die Erbringung des Nachweises rechtzeitig geschaffen wurden (vgl. ; ).
Normen
AVG §56
AWG 2002 §13g Abs2
AWG 2002 §13i
AWG 2002 §29
AWG 2002 §30
AWG 2002 §32 Abs2
VerpackV 2014 §18
VerpackV 2014 §8 Abs1
VStG §24
VStG §32
VwGVG 2014 §38
RS 10
Betreffend die Verpflichtung zur Teilnahme an einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem nach § 8 Abs. 1 (allenfalls iVm § 18) VerpackV 2014 in Konkretisierung von § 13g Abs. 2 bzw. § 13i AWG 2002 ist festzuhalten, dass es sich bei Sammel- und Verwertungssystemen um Einrichtungen handelt, die in den §§ 29 ff AWG 2002 näher geregelt und jeweils durch die zuständige Bundesministerin genehmigt sind, wobei die Teilnahme als einem solchen System ("Systemteilnahme") jedenfalls den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages erfordert (vgl. den Kontrahierungszwang für haushaltsnahe Sammel- und Verwertungssysteme nach § 32 Abs. 2 AWG 2002 und die Festlegung einer Frist für den Abschluss eines Vertrages über die Teilnahme in § 8 Abs. 1 VerpackV 2014). Betreffend den Zeitpunkt für die Erfüllung dieser Pflicht bestimmt § 8 Abs. 1 zweiter Satz VerpackV 2014 zunächst, dass der Primärverpflichtete binnen zwei Monaten, nachdem er Haushaltsverpackungen (bzw. Einweggeschirr -und besteck) erstmalig in Verkehr gesetzt hat, einen Vertrag über die Teilnahme abzuschließen hat. Für die Frage, ob es sich bei der Nichtteilnahme um ein Dauerdelikt handelt (und wann dessen Begehung endet) ist daher zu klären, ob die Teilnahme an einem Sammel- und Verwertungssystem auch für bereits vergangene Zeiträume (also nachträglich) möglich und geboten ist.
Normen
AVG §56
AWG 2002 §13g Abs2
AWG 2002 §13g Abs6
VerpackV 2014 §8 Abs1
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 11
Aus § 13g Abs. 6 AWG 2002 ergibt sich, dass eine nachträgliche Systemteilnahme zumindest nach einer Bestrafung grundsätzlich möglich (und verpflichtend) ist. Aus den Gesetzesmaterialien (2408 BlgNR 24. GP 7) ist abzuleiten, dass damit eine lückenlose Systemteilnahme sichergestellt und "Trittbrettfahrermassen" hintangehalten werden sollen. Diesbezüglich ist es nachvollziehbar, dass davon auszugehen ist, dass Haushaltsverpackungen bzw. Einweggeschirr von den Letztverbrauchern - unabhängig von der konkreten Systemteilnahme des betreffenden Primärverpflichteten - in die Haushaltssammlung für Verpackungen eingebracht werden. Die Zahlung der Teilnahmegebühr soll dabei einen Ausgleich zu den Kosten der Haushaltssammlung darstellen. Entrichtet der Verpflichtete keine Teilnahmegebühr, so werden diese Kosten der Sammlung und Verwertung von den korrekt teilnehmenden Unternehmen getragen, was eine Wettbewerbsverzerrung bewirkt. Aus diesen von den Gesetzesmaterialien gestützten Erwägungen ergibt sich, dass eine nachträgliche Systemteilnahme nicht nur möglich, sondern auch jederzeit erwünscht und geboten ist. Dies gilt auch ungeachtet dessen, dass § 13g Abs. 6 AWG 2002 an sich nur die nachträgliche Systemteilnahme nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens regelt und für diesen Fall eine zusätzliche Meldepflicht normiert.
Normen
AVG §56
AWG 2002 §13g Abs2
AWG 2002 §13g Abs6
VerpackV 1996 §3 Abs9
VerpackV 2014 §10 Abs7
VerpackV 2014 §8 Abs1
VStG §24
VStG §31 Abs1
VStG §31 Abs2
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwRallg
RS 12
Die nachträgliche Systemteilnahme nach § 13g Abs. 2 AWG 2002 und § 8 Abs. 1 VerpackV 2014 unterscheidet sich von der Komplementärlizensierung nach § 10 Abs. 7 VerpackV 2014, wonach Primärverpflichtete binnen drei Monaten nach Ablauf jedes Kalenderjahres rückwirkend gesamthaft an einem dafür genehmigten Sammel- und Verwertungssystem teilzunehmen haben, soweit sie Rücknahmeverpflichtungen nach Abs. 5 Z 2 (die für gewerbliche Verpackungen alternativ zur Teilnahme an einem dafür genehmigten Sammel- und Verwertungssystem bestehen) nicht erfüllen. Zu einer derartigen Regelung (§ 3 Abs. 9 VerpackV 1996) hat der VwGH ausgesprochen, dass sie keine Auswirkung auf Verjährungsfristen hat, weil sie keine Verlängerung der Möglichkeit der Setzung der primär gebotenen Maßnahmen darstellt, sondern eine weitere Verpflichtung, die für den Fall der Nichterbringung der vorgeschriebenen Nachweise schlagend wird (vgl. ). Demgegenüber ergibt sich aus der in § 13g Abs. 6 AWG 2002 nachträglichen Systemteilnahme aber die Möglichkeit einer rückwirkenden Erfüllung der (primären) Teilnahmeverpflichtung. Somit ist das Delikt des Unterlassens der Teilnahme an einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für einen konkreten Zeitraum so lange nicht beendet, als keine (allenfalls nachträgliche) Teilnahme erfolgt, und die Verjährungsfristen nach § 31 Abs. 1 und 2 VStG beginnen erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-003/004/7072/2022-2, betreffend Übertretungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH & Co KG in W, und 2. R W, vertreten durch Dr. Dominik Schärmer, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Dr. Neumann-Gasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang - also soweit es sich auf die Spruchpunkte 1.), 2.), 3.) und 4.b) des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom bezieht - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 1.1. Die (damalige) Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus führte unter Zuhilfenahme externer Prüfer am 23. August, 27. August und bei der Erstmitbeteiligten eine Kontrolle nach § 75 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) auf Einhaltung der Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung 2014 (im Folgenden: VerpackV 2014) für das Kalenderjahr 2017 durch. Mit Schreiben vom ersuchte sie den Landeshauptmann von Wien, den Prüfbericht an die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens gegen den gemäß § 9 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch die Erstmitbeteiligte Verantwortlichen zu übermitteln.

2 Die belangte Behörde leitete daraufhin mit Aufforderung zur Rechtfertigung gemäß § 40 Abs. 2 VStG vom gegen den Zweitmitbeteiligten das ordentliche Verfahren ein. In der Folge holte sie mehrfach Stellungnahmen der (mittlerweile) Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie sowie des Zweitmitbeteiligten zum wechselseitigen Vorbringen ein.

3 1.2. Am erließ sie schließlich ein Straferkenntnis gegen den Zweitmitbeteiligten als handelsrechtlichen Geschäftsführer der Komplementärin der Erstmitbeteiligten und somit gemäß § 9 Abs. 1 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen, wobei im Spruch in der Rubrik „Datum/Zeit“ zunächst „ -  (Dauerdelikt)“ angegeben ist.

Dabei legte sie dem Zweitmitbeteiligten (zusammengefasst und vereinfacht dargestellt) zur Last, dafür verantwortlich zu sein, dass die Erstmitbeteiligte

1.) als Verpflichtete im Sinne des § 18 VerpackV 2014 in der Zeit von bis unterlassen habe, hinsichtlich des von ihr in Verkehr gesetzten - der Art und Menge nach näher dargestellten - Einweggeschirrs gemäß § 18 iVm § 8 Abs. 1 VerpackV 2014 an einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für Haushaltsverpackungen teilzunehmen (Verstoß gegen § 79 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 iVm §§ 18 und 8 Abs. 1 VerpackV 2014);

2.) als Verpflichtete im Sinne des § 13g Abs. 2 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 2 VerpackV 2014 unterlassen habe, in der Zeit von bis  hinsichtlich der von ihr in Verkehr gesetzten - der Art und Menge nach näher dargestellten - Haushaltsverpackungen gemäß § 13g Abs. 2 und 3 AWG 2002 iVm § 8 Abs. 1 VerpackV 2014 an einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für Haushaltsverpackungen teilzunehmen (Verstoß gegen § 79 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 iVm § 13g Abs. 2 leg. cit. und § 8 Abs. 1 VerpackV 2014);

3.) als Verpflichtete im Sinne des § 13g Abs. 1 Z 2 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 2 VerpackV 2014 unterlassen habe, in der Zeit von bis hinsichtlich der von ihr in Verkehr gesetzten - der Art und Menge nach näher dargestellten - gewerblichen Verpackungen der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus die bis spätestens zu erstattende Meldung entsprechend Anhang 3 zur VerpackV 2014 über die im Kalenderjahr 2017 in Verkehr gebrachte Menge an gewerblichen Verpackungen zu erstatten (Verstoß gegen § 79 Abs. 3 Z 1 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 2 VerpackV 2014);

4.) als Verpflichtete im Sinne des § 13g Abs. 1 Z 2 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 1 VerpackV 2014 für eine der Art und Menge nach näher dargestellte Verpackungsmenge (entsprechend den in Spruchpunkt 3. genannten gewerblichen Verpackungen)

a) in der Zeit von bis unterlassen habe, Maßnahmen für die Rücknahme dieser in Verkehr gesetzten Verpackungen gemäß § 10 Abs. 5 Z 1 VerpackV 2014 zu treffen (Verstoß gegen § 79 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 1 und 5 Z 1 VerpackV 2014);

b) in der Zeit von bis zumindest 23. August, 27. August und (Zeitpunkte der Prüfung) unterlassen habe, den Nachweis über die Rücknahme (mit den in Anhang 3 der VerpackV 2014 festgelegten Angaben) für den Zeitraum von bis gemäß § 10 Abs. 5 Z 2 VerpackV 2014 zu führen (Verstoß gegen § 79 Abs. 3 Z 1 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 1 und 5 Z 2 VerpackV 2014);

c) in der Zeit von bis unterlassen habe, geeignete Maßnahmen zur Information der Letztverbraucher über die Rückgabe sowie die entsprechenden Rückgabemöglichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 Z 3 VerpackV 2014 zu treffen (Verstoß gegen § 79 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 1 und 5 Z 3 VerpackV 2014);

5.) als Verpflichtete im Sinne des § 13g Abs. 1 Z 2 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 1 VerpackV 2014 für eine der Art und Menge nach näher dargestellte Verpackungsmenge (entsprechend den in Spruchpunkt 3. genannten gewerblichen Verpackungen) in der Zeit von bis gemäß § 10 Abs. 7 VerpackV 2014 rückwirkend an einem dafür zugelassenen Sammel- und Verwertungssystem für gewerbliche Verpackungen teilzunehmen (Verstoß gegen § 79 Abs. 2 Z 1 AWG 2002 iVm § 10 Abs. 1 und 7 VerpackV 2014).

Die belangte Behörde verhängte über den Zweitmitbeteiligten dafür mehrere Geldstrafen, verpflichtete ihn zur Leistung eines Beitrags zu den Kosten des Strafverfahrens und sprach aus, dass die Erstmitbeteiligte für die verhängten Geldstrafen, Verfahrenskosten und sonstige in Geld bemessenen Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand hafte.

4 Aus der Begründung des Straferkenntnisses ist für das Revisionsverfahren von Interesse, dass die belangte Behörde davon ausging, dass der Zweitmitbeteiligte eine „mittlerweile stattfindende“ Lizenznahme bei einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für Verpackungen im Zuge des Verfahrens nicht habe nachweisen können. Weiters sei durch die Erstmitbeteiligte bislang keine Registrierung im eRAS-Stammdatenregister erfolgt, durch welches die Verpflichtung zur Meldung nach der VerpackV 2014 erfüllt hätte werden können. Eine Meldung gemäß Anhang 3 der VerpackV 2014 über das Kalenderjahr 2017 sei bislang nicht erfolgt. Bei den gegenständlichen Verwaltungsübertretungen handle es sich um Dauerdelikte, bei welchen die Verjährungsfrist erst mit dem Datum der nachgeholten Meldung zu laufen beginne.

5 1.3. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Zweitmitbeteiligte Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in der er im Wesentlichen die Erfüllung des objektiven Tatbestandes und sein Verschulden bestritt sowie unzureichende Sachverhaltsfeststellungen (insbesondere zum Vorliegen von Haushaltsverpackungen und zu den Verpackungsmengen) geltend machte.

6 1.4. Mit dem angefochtenen (irrig im Form eines Beschlusses gefassten) Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht das bekämpfte Straferkenntnis gemäß § 50 VwGVG behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 iVm § 31 Abs. 1 und 2 VStG wegen Strafbarkeitsverjährung eingestellt. Weiters sprach es aus, dass eine Revision dagegen nicht zulässig sei.

7 In seinen Entscheidungsgründen führte das Verwaltungsgericht aus, dass die belangte Behörde dem Zweitmitbeteiligten Verwaltungsübertretungen in Form von Dauerdelikten in einem Tatzeitraum von bis zur Last gelegt und diese in den einzelnen Spruchpunkten konkretisiert habe, wobei die Tatzeiträume jeweils frühestens am begonnen und bis längstens angedauert hätten. Das Straferkenntnis stamme vom , sodass unabhängig vom Beschwerdevorbringen der Eintritt der Strafbarkeitsverjährung zu prüfen sei.

8 Diese sei nur hinsichtlich des erhobenen Tatvorwurfes zu prüfen, wobei dieser in zeitlicher Beziehung durch die im Straferkenntnis genannte Tatzeit individualisiert werde. Tathandlungen, die einem Beschuldigten nicht zum Vorwurf gemacht worden seien, hätten bei der Prüfung der Verjährungsfrage außer Betracht zu bleiben. Mit Rücksicht auf die im Straferkenntnis genannten Tatzeiträume sei die dreijährige Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG (auch unter Berücksichtigung der Nichteinrechnung gemäß § 2 Abs. 1 Z 3 Verwaltungsrechtliches COVID-19-Begleitgesetz) bereits vor seiner Erlassung verstrichen gewesen und daher der Strafaufhebungsgrund der Strafbarkeitsverjährung eingetreten.

9 1.5. Gegen dieses Erkenntnis -und zwar ausdrücklich nur, soweit es sich auf die Spruchpunkte 1.), 2.), 3.) und 4.b) des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom bezieht - richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der dazu gemäß § 87c Abs. 3 AWG 2002 berechtigten Bundesministerin wegen Rechtswidrigkeit. Sie begründet deren Zulässigkeit damit, dass das Verwaltungsgericht von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Beginn der Verjährungsfrist bei Dauerdelikten (Hinweis auf ) abgewichen sei. Die Einstellung des Strafverfahrens zu den Tatvorwürfen nach Spruchpunkten 4.a), 4.c) und 5.) des behördlichen Straferkenntnisses blieb hingegen ausdrücklich unangefochten.

10 1.6. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde mitgeteilt, auf ein gesondertes Vorbringen im Rahmen einer Revisionsbeantwortung zu verzichten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 2.1. Die Revision ist aus dem von ihr genannten Grund zulässig und im Ergebnis auch begründet.

12 2.2. § 31 Abs. 1 und 2 VStG lauten:

Verjährung

§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.

(2) Die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung erlischt durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt. In die Verjährungsfrist werden nicht eingerechnet:

1. die Zeit, während deren nach einer gesetzlichen Vorschrift die Verfolgung nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden kann;

2. die Zeit, während deren wegen der Tat gegen den Täter ein Strafverfahren bei der Staatsanwaltschaft, beim Gericht oder bei einer anderen Verwaltungsbehörde geführt wird;

3. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

4. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.“

13 Die relevanten Bestimmungen des AWG 2002 in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 193/2013 lauteten bis :

Pflichten für Primärverpflichtete von Verpackungen

§ 13g. (1) Als Primärverpflichtete für Verpackungen gelten folgende Personen, die unabhängig von der Vertriebsmethode, einschließlich des Fernabsatzes im Sinne des § 5a KSchG, Verpackungen in Österreich erwerbsmäßig in Verkehr setzen:

...

2. Abpacker mit Sitz oder Niederlassung im örtlichen Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes hinsichtlich der von ihnen erstmals eingesetzten Verpackungen, die keine Serviceverpackungen sind,

...

(2) Primärverpflichtete gemäß Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5 haben hinsichtlich der von ihnen in Verkehr gesetzten Haushaltsverpackungen gemäß § 13h an einem gemäß den §§ 29ff genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für Haushaltsverpackungen teilzunehmen.

...

(4) Sofern ein Primärverpflichteter für Verpackungen nicht oder nicht ausreichend an einem Sammel- und Verwertungssystem teilgenommen und dies zu einer rechtskräftigen Bestrafung geführt hat, hat der Primärverpflichtete nachträglich an einem Sammel- und Verwertungssystem teilzunehmen und dies dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachzuweisen.

...

Pflichten für Hersteller und Importeure von Einweggeschirr und -besteck

§ 13i. Hersteller, Importeure und Eigenimporteure im Sinne des § 13g Abs. 1 von Einweggeschirr und -besteck haben nach Maßgabe einer Verordnung gemäß § 14 Abs. 1 hinsichtlich des von ihnen in Verkehr gebrachten Einweggeschirrs und -bestecks an einem nach den §§ 29ff genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für Haushaltsverpackungen teilzunehmen.

...

Verjährung

§ 81. (1) Die Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 1 VStG beträgt ein Jahr. Bei Verpflichtungen, über die Meldungen zu erstatten sind, beginnt die Frist mit Einlangen der jeweiligen Meldung bei der zuständigen Behörde.

...“

14 Die VerpackV 2014 lautete in ihrer hier maßgeblichen Stammfassung BGBl. II Nr. 184/2014 bis auszugsweise:

2. Abschnitt - Pflichten für Haushaltsverpackungen

Systemteilnahme

§ 8. (1) Primärverpflichtete für Verpackungen gemäß § 13g Abs. 1 Z 1 bis 3 und 5 AWG 2002 haben hinsichtlich der von ihnen in Verkehr gesetzten Haushaltsverpackungen gemäß § 13g Abs. 2 und 3 AWG 2002 an einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für Haushaltsverpackungen teilzunehmen. Ein Primärverpflichteter hat binnen zwei Monaten, nachdem er Haushaltsverpackungen erstmalig in Verkehr gesetzt hat, einen Vertrag über die Teilnahme abzuschließen.

...

3. Abschnitt - Pflichten für gewerbliche Verpackungen

Pflichten der Hersteller, Importeure, Abpacker und Vertreiber von gewerblichen Verpackungen.

§ 10. ...

(2) Primärverpflichtete gemäß § 13g Abs. 1 Z 1 bis 3 AWG 2002 haben spätestens drei Monate nach Ablauf jedes Kalenderjahres für das vorangegangene Kalenderjahr die in Verkehr gesetzte Masse an gewerblichen Verpackungen (gegliedert nach Packstoffen) dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft entsprechend Anhang 3 zu melden. Die diesbezüglichen Aufzeichnungen sind dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft jederzeit auf Verlangen vorzulegen.

...

(5) Hinsichtlich jener gewerblichen Verpackungen, für welche weder eine Ausnahme von der Rücknahmepflicht hinsichtlich bestimmter Verpackungen gemäß Abs. 1 oder den §§ 6 oder 7 vorliegt, noch nachweislich eine Teilnahme an einem dafür genehmigten Sammel- und Verwertungssystem erfolgt, haben die Primärverpflichteten gemäß § 13g Abs. 1 Z 1 bis 3 AWG 2002 und alle nachfolgenden Vertriebsstufen nachweislich

1. Maßnahmen für die Rücknahme der von ihnen in Verkehr gesetzten gewerblichen Verpackungen zu treffen,

2. sämtliche im Kalenderjahr von ihnen in Verkehr gesetzten gewerblichen Verpackungen, die nicht gemäß § 3 Z 9 nachweislich wiederverwendet werden, zurückzunehmen und nach Maßgabe des § 14 zu verwerten; dieser Rücknahme ist auch entsprochen, wenn ein nachfolgender Verpflichteter diese Verpackungen nach Maßgabe des § 14 verwertet und dies dem Primärverpflichteten schriftlich mitgeteilt wird; der Nachweis über die Rücknahme ist gegliedert nach Packstoffen (§ 3 Z 8) jährlich zu führen und ist gemäß § 22 elektronisch über das Register gemäß § 22 AWG 2002 dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft unter Einhaltung der im Anhang 3 festgelegten Angaben zu melden,

3. durch geeignete Maßnahmen, wie insbesondere durch einen Vermerk auf der gewerblichen Verpackung, sicherzustellen, dass die Letztverbraucher der gewerblichen Verpackungen über die Rückgabe sowie die entsprechenden Rückgabemöglichkeiten informiert werden.

...

(7) Soweit die Primärverpflichteten gemäß § 13g Abs. 1 Z 1 bis 3 AWG 2002 die Rücknahmeverpflichtungen des Abs. 5 Z 2 nicht zu 100% erfüllt haben, haben sie hinsichtlich der Differenzmasse zwischen dem tatsächlich erreichten Rücklauf und 100% der in Verkehr gesetzten gewerblichen Verpackungsmasse binnen drei Monaten nach Ablauf jedes Kalenderjahres rückwirkend gesamthaft an einem dafür genehmigten Sammel- und Verwertungssystem teilzunehmen.

...

5. Abschnitt - Einweggeschirr und -besteck

Rücknahmepflicht für Einweggeschirr und -besteck

§ 18. Hersteller und Importeure von Einweggeschirr und -besteck haben für dieses die Bestimmungen über Haushaltsverpackungen einzuhalten.“

15 2.3. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Frage des Verjährungsbeginns ausschließlich anhand der von der belangten Behörde zur Last gelegten Tatzeiträume zu prüfen sei. Die Revisionswerberin bringt dagegen im Wesentlichen vor, dass der Verjährungsbeginn sich unabhängig vom konkret verfolgten Tatzeitraum nach § 31 Abs. 1 VStG bestimme und es sich bei den von der Revision umfassten Delikten um Dauerdelikte handle, deren Begehung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes noch nicht abgeschlossen gewesen sei, sodass die betreffenden Verjährungsfristen (insbesondere für die Strafbarkeitsverjährung nach § 31 Abs. 2 VStG) noch nicht zu laufen begonnen hätten.

16 2.4. Dazu ist zunächst auf die Funktion des Tatzeitraums für die Verfolgung von Dauerdelikten und die zeitliche „Erfassungswirkung“ des behördlichen Straferkenntnisses einzugehen:

17 Beim Dauerdelikt sind tatbildgemäße Einzelhandlungen so lange als Einheit und damit nur als eine Verwaltungsübertretung anzusehen und dementsprechend auch nur mit einer Strafe zu belegen, als der Täter nicht nach außen erkennbar seine deliktische Tätigkeit aufgegeben hat (vgl. , mwN).

18 Im Allgemeinen erfasst die verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung eines Beschuldigten wegen eines Dauerdeliktes das gesamte vor der Erlassung des Straferkenntnisses erster Instanz gelegene strafbare Verhalten, soweit dieses nicht bereits Gegenstand einer früheren Bestrafung war oder die Strafbehörde annahm, dass die Strafbarkeit des Verhaltens zu einem früheren Zeitpunkt geendet hätte (vgl. ).

19 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei einem Dauerdelikt zur Feststellung der Identität der Tat erforderlich, Anfang und Ende des strafbaren Verhaltens im Spruch anzuführen (vgl. , mwN).

20 In dem Umstand, dass einem Beschuldigten in einem Straferkenntnis nicht der gesamte allenfalls in Betracht kommende Tatzeitraum zur Last gelegt wurde, kann keine Rechtsverletzung erblickt werden (vgl. , mwN). Sowohl ein tatsächlich früherer Beginn als auch eine tatsächlich spätere Beendigung des dem Betreffenden mit dem behördlichen Straferkenntnis angelasteten strafbaren Verhaltens kann nicht dazu führen, dass der Betreffende wegen desselben Dauerdeliktes noch einmal bestraft werden könnte. Durch die behördliche Bescheiderlassung ist das darin umschriebene Dauerdelikt bis zu diesem Zeitpunkt verfolgt; einer neuerlichen Verfolgung wegen desselben Dauerdelikts für die Zeit bis zur Erlassung des behördlichen Straferkenntnisses könnte somit - vorausgesetzt, dass es sich hinsichtlich aller anderen Sachverhaltselemente um dasselbe strafbare Verhalten vor oder nach dem dem Betreffenden bescheidmäßig vorgeworfenen Tatzeitraum handelt - mit Erfolg diese bereits vorgenommene verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung entgegengehalten werden (vgl. , und , Ra 2020/10/0165, je mwN).

21 Aus der Anführung eines Tatzeitraumes im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ergibt sich unabhängig von der mit der Bestrafung verbundenen weiteren (Erfassungs-)Wirkung, dass Abspruchsgegenstand, und somit auch „Sache“ im Sinne des (nunmehr) § 50 VwGVG, ausschließlich die Tatbegehung in diesem Zeitraum ist (vgl. , und , 96/04/0080, mwN; zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu § 66 Abs. 4 AVG auf das Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten ). Die Ausdehnung des Tatzeitraums durch das Verwaltungsgericht ist keine (grundsätzlich zulässige) Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung, sondern eine unzulässige Erweiterung des Tatvorwurfs und der Sache des Verfahrens im Sinn des § 50 VwGVG, wozu das Verwaltungsgericht nicht berechtigt ist (vgl. erneut , und , Ra 2020/02/0252, mwN).

22 Dem Verwaltungsgericht war es somit verwehrt, den Tatvorwurf und damit die Bestrafung über den von der Behörde ausdrücklich festgelegten Tatzeitraum hinaus auszudehnen, dies unabhängig davon, ob diese - gemessen an ihren Sachverhaltsfeststellungen - allenfalls ein zu frühes Tatzeitende angenommen hat.

23 Davon zu unterscheiden ist jedoch der Beginn der Verjährungsfristen für die verfolgte Tat. § 31 Abs. 1 VStG stellt dafür im Fall eines Dauerdelikts - also insbesondere bei Pönalisierung des Aufrechterhaltens eines rechtswidrigen Zustandes - auf jenen Zeitpunkt ab, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits ausgesprochen, dass die Verjährung eines Dauerdelikts nicht eingetreten sein kann, wenn der rechtswidrige Zustand bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung noch aufrecht war (vgl. ).

24 Wenn also in einem verwaltungsbehördlichen Straferkenntnis das Ende des verfolgten Tatzeitraums eines Dauerdelikts mit einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt festgelegt wird, das strafbare Verhalten jedoch tatsächlich erst zu einem späteren Zeitpunkt geendet hat, so beginnt der Lauf der Verjährungsfristen nach § 31 Abs. 1 und 2 VStG erst mit diesem späteren Zeitpunkt. Dauert das strafbare Verhalten weiter an, so haben sie noch nicht zu laufen begonnen, sodass eine Verjährung nicht eingetreten sein kann.

25 2.5.1. Die Verjährung beginnt bei Unterlassungsdelikten solange nicht, als die Verpflichtung zum Handeln besteht und die Handlung noch nachgeholt werden kann (vgl. , und , Ro 2019/22/0002, je mwN).

26 Dem Zweitmitbeteiligten wird im vorliegenden Verfahren die Nichterfüllung einer Reihe von Verpflichtungen vorgeworden, die von der Erstmitbeteiligten im bzw. für das Kalenderjahr 2017 zu erfüllen gewesen und (nach den Feststellungen im behördlichen Straferkenntnis) bis zuletzt nicht erfüllt worden seien. Es ist daher für die von der Revision umfassten Delikte im Einzelnen zu klären, ob es sich jeweils um Verpflichtungen handelt, die auch nach Ablauf des Kalenderjahrs, auf das sie sich beziehen, und allenfalls dafür vorgesehener Fristen noch erfüllt werden können und müssen.

27 2.5.2. Zur Verpflichtung der Meldung der in Verkehr gesetzten Masse an Verpackungen spätestens drei Monate nach Ablauf jedes Kalenderjahres für das vorangegangene Kalenderjahr (Spruchpunkt 3. des behördlichen Straferkenntnisses) besteht bereits Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 3 Abs. 4 VerpackVO 1996. Demnach folgt aus § 81 Abs. 1 zweiter Satz AWG 2002, dass eine Meldung auch nach dem Ablauf der 3-Monats-Frist möglich (und erwünscht) ist. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt diesfalls erst mit dem Erbringen der nachträglichen Meldung (vgl. , unter Hinweis auf ). Diese Rechtsprechung kann auf die insoweit vergleichbare Verpflichtung nach § 10 Abs. 2 VerpackV 2014 übertragen werden.

28 2.5.3. Geklärt ist in der Judikatur weiters bereits der Verjährungsbeginn für die Verpflichtung zur Führung des „Nachweises über die Rücknahme“ nach § 10 Abs. 5 Z 2 VerpackV 2014 (Spruchpunkt 4.b. des behördlichen Straferkenntnisses): Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich beim Unterlassen des Führens von Nachweisen um ein Unterlassungsdelikt, weshalb das strafbare Verhalten so lange fortbesteht, so lange die Nachweise nicht vorhanden sind (vgl. zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 3 Abs. 6 Z 2 VerpackVO 1996 , mwN, sowie ).

29 Im bisherigen Verfahren wurde nicht erörtert, ob oder bis zu welchem Zeitpunkt der Erstmitbeteiligten die nachträgliche Beschaffung solcher Nachweise noch möglich war oder ist. Zu beachten sein wird insofern aber auch, dass dann, wenn ein Verpflichteter mangels entsprechender Vorkehrungen nicht in der Lage war, nach Ablauf des Zeitraumes, für den die Nachweise zu führen waren, diese zu erbringen, ihn dies nicht von seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit befreit, denn es wäre an ihm gelegen, dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für die Erbringung des Nachweises rechtzeitig geschaffen wurden (vgl. erneut , unter Hinweis auf , mwN).

30 2.5.4. Betreffend die Verpflichtung zur Teilnahme an einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem nach § 8 Abs. 1 (allenfalls iVm § 18) VerpackV 2014 in Konkretisierung von § 13g Abs. 2 bzw. § 13i AWG 2002 (Spruchpunkte 1. und 2. des behördlichen Straferkenntnisses) ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei Sammel- und Verwertungssystemen um Einrichtungen handelt, die in den §§ 29 ff AWG 2002 näher geregelt und jeweils durch die zuständige Bundesministerin genehmigt sind, wobei die Teilnahme als einem solchen System („Systemteilnahme“) jedenfalls den Abschluss eines zivilrechtlichen Vertrages erfordert (vgl. den Kontrahierungszwang für haushaltsnahe Sammel- und Verwertungssysteme nach § 32 Abs. 2 AWG 2002 und die Festlegung einer Frist für den Abschluss eines Vertrages über die Teilnahme in § 8 Abs. 1 VerpackV 2014).

31 Betreffend den Zeitpunkt für die Erfüllung dieser Pflicht bestimmt § 8 Abs. 1 zweiter Satz VerpackV 2014 zunächst, dass der Primärverpflichtete binnen zwei Monaten, nachdem er Haushaltsverpackungen (bzw. Einweggeschirr -und besteck) erstmalig in Verkehr gesetzt hat, einen Vertrag über die Teilnahme abzuschließen hat. Für die Frage, ob es sich bei der Nichtteilnahme um ein Dauerdelikt handelt (und wann dessen Begehung endet) ist daher zu klären, ob die Teilnahme an einem Sammel- und Verwertungssystem auch für bereits vergangene Zeiträume (also nachträglich) möglich und geboten ist.

32 Die Revisionswerberin verweist diesbezüglich auf § 13g Abs. 6 AWG 2002, wonach ein Primärverpflichteter nachträglich an einem Sammel- und Verwertungssystem teilzunehmen und dies der zuständigen Bundesministerin nachzuweisen hat, sofern er an einem solchen nicht oder nicht ausreichend teilgenommen und dies zu einer rechtskräftigen Bestrafung geführt hat.

33 Diese Bestimmung geht auf die AWG-Novelle Verpackung, BGBl. I Nr. 193/2013, zurück. Die diesbezüglichen Erläuterungen zur Regierungsvorlage (2408 BlgNR 24. GP 7) führen dazu aus:

„Primärverpflichtete für Haushaltsverpackungen haben sich grundsätzlich eines Sammel- und Verwertungssystems zur Erfüllung ihrer Rücknahme- und Verwertungspflichten zu bedienen. ...

Stellt sich im Rahmen einer behördlichen Kontrolle heraus, dass der Teilnahmepflicht nicht oder nicht im vollem Umfang entsprochen wurde, so zieht dies nicht nur eine Verwaltungsstrafe und den Kostenersatz der Überprüfung nach sich, sondern auch die Verpflichtung zur nachträglichen Systemteilnahme. Eine nachträgliche Systemteilnahme ist auch bei der Feststellung einer nicht ausreichenden Teilnahme im Zuge von Kontrollen für die Sammel- und Verwertungssysteme zivilrechtlich zu vereinbaren. ...

Mit diesen Maßnahmen soll eine lückenlose Systemteilnahme sichergestellt und sogenannte Trittbrettfahrermassen hintangehalten werden. ...“

34 Aus § 13g Abs. 6 AWG 2002 ergibt sich zunächst, dass eine nachträgliche Systemteilnahme zumindest nach einer Bestrafung grundsätzlich möglich (und verpflichtend) ist. Aus den Gesetzesmaterialien ist abzuleiten, dass damit eine lückenlose Systemteilnahme sichergestellt und „Trittbrettfahrermassen“ hintangehalten werden sollen. Die Revision führt diesbezüglich nachvollziehbar aus, dass davon auszugehen sei, dass Haushaltsverpackungen bzw. Einweggeschirr von den Letztverbrauchern - unabhängig von der konkreten Systemteilnahme des betreffenden Primärverpflichteten - in die Haushaltssammlung für Verpackungen eingebracht werden. Die Zahlung der Teilnahmegebühr soll dabei einen Ausgleich zu den Kosten der Haushaltssammlung darstellen. Entrichtet der Verpflichtete keine Teilnahmegebühr, so werden diese Kosten der Sammlung und Verwertung von den korrekt teilnehmenden Unternehmen getragen, was eine Wettbewerbsverzerrung bewirkt.

35 Aus diesen von den Gesetzesmaterialien gestützten Erwägungen ergibt sich, dass eine nachträgliche Systemteilnahme nicht nur möglich, sondern auch jederzeit erwünscht und geboten ist. Dies gilt auch ungeachtet dessen, dass § 13g Abs. 6 AWG 2002 an sich nur die nachträgliche Systemteilnahme nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Strafverfahrens regelt und für diesen Fall eine zusätzliche Meldepflicht normiert.

36 Die nachträgliche Systemteilnahme nach § 13g Abs. 2 AWG 2002 und § 8 Abs. 1 VerpackV 2014 unterscheidet sich insofern auch von der Komplementärlizensierung nach § 10 Abs. 7 VerpackV 2014, wonach Primärverpflichtete binnen drei Monaten nach Ablauf jedes Kalenderjahres rückwirkend gesamthaft an einem dafür genehmigten Sammel- und Verwertungssystem teilzunehmen haben, soweit sie Rücknahmeverpflichtungen nach Abs. 5 Z 2 (die für gewerbliche Verpackungen alternativ zur Teilnahme an einem dafür genehmigten Sammel- und Verwertungssystem bestehen) nicht erfüllen. Zu einer derartigen Regelung (§ 3 Abs. 9 VerpackVO 1996) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass sie keine Auswirkung auf Verjährungsfristen hat, weil sie keine Verlängerung der Möglichkeit der Setzung der primär gebotenen Maßnahmen darstellt, sondern eine weitere Verpflichtung, die für den Fall der Nichterbringung der vorgeschriebenen Nachweise schlagend wird (vgl. ). Demgegenüber ergibt sich aus der in § 13g Abs. 6 AWG 2002 angesprochenen nachträglichen Systemteilnahme aber die Möglichkeit einer rückwirkenden Erfüllung der (primären) Teilnahmeverpflichtung.

37 Somit ist das Delikt des Unterlassens der Teilnahme an einem genehmigten Sammel- und Verwertungssystem für einen konkreten Zeitraum (hier: das Kalenderjahr 2017) so lange nicht beendet, als keine (allenfalls nachträgliche) Teilnahme erfolgt, und die Verjährungsfristen nach § 31 Abs. 1 und 2 VStG beginnen erst zu diesem Zeitpunkt zu laufen.

38 2.5.5. Die Einstellung des Strafverfahrens hinsichtlich der von der belangten Behörde in den Spruchpunkten 4.a), 4.b) und 5.) ihres Straferkenntnisses verfolgten Delikte (Unterlassen des Setzens von Maßnahmen für die Rücknahme von in Verkehr gesetzten gewerblichen Verpackungen [§ 10 Abs. 5 Z 1 VerpackV 2014], von Information der Letztverbraucher über die Rückgabe sowie die entsprechenden Rückgabemöglichkeiten [§ 10 Abs. 5 Z 3 VerpackV 2014], sowie der rückwirkenden Systemteilnahme wegen Nichterfüllung der Rücknahmeverpflichtung [§ 10 Abs. 7 VerpackV 2014]) blieb unbekämpft (vgl. zum Begehungszeitraum derartiger Übertretungen , zu vergleichbaren Bestimmungen der VerpackVO 1996).

39 3. Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht sein Erkenntnis durch die Annahme, die mit Spruchpunkten 1.), 2.), 3.) und 4.b) des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom angelasteten Delikte seien (ausgehend vom Ende des verfolgten Tatzeitraumes) verjährt, ohne dass es auf die von der belangten Behörde angenommene weiter andauernde Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes ankäme, mit Rechtswidrigkeit belastet.

40 Somit war das angefochtene Erkenntnis in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im angefochtenen Umfang wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §56
AVG §66 Abs4
AWG 2002 §13g Abs2
AWG 2002 §13g Abs6
AWG 2002 §13i
AWG 2002 §29
AWG 2002 §30
AWG 2002 §32 Abs2
AWG 2002 §81 Abs1
VerpackV 1996 §3 Abs4
VerpackV 1996 §3 Abs9
VerpackV 2014 §10 Abs2
VerpackV 2014 §10 Abs5 Z2
VerpackV 2014 §10 Abs7
VerpackV 2014 §18
VerpackV 2014 §8 Abs1
VStG §22
VStG §22 Abs1
VStG §24
VStG §31
VStG §31 Abs1
VStG §31 Abs2
VStG §32
VStG §44a Z1
VStG §5 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwRallg
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Verwaltungsstrafrecht Besondere Rechtsgebiete "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Dauerdelikt Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070186.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-45914