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VwGH 22.09.2022, Ra 2022/07/0163

VwGH 22.09.2022, Ra 2022/07/0163

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
AVG §42 Abs1
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
RS 1
§ 42 Abs. 1 AVG fordert keine ausdrückliche Verzichtserklärung der Partei, sondern sieht den Verlust der Parteistellung als Folge der Nichterhebung von Einwendungen vor.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des K B in B, vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-435-3/2021-R6, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit nach dem WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Bregenz; mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Bregenz in 6900 Bregenz, Rathausstraße 4), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurden der Mitbeteiligten für den Umbau mehrerer Abwasserkanäle samt Begleitmaßnahmen (Abwasserreinigungsanlage Bregenz - Bauabschnitt 29) Bewilligungen nach den §§ 32, 105, 111 Wasserrechtsgesetz 1959 - WRG 1959 (Spruchpunkte I. bis III.), dem Forstgesetz (Spruchpunkte IV. bis IX.) und dem Vorarlberger Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung (Spruchpunkt X.) erteilt. Zu den bewilligten Maßnahmen gehört die Neuerrichtung einer Seeablaufleitung DN1800, welche drei bestehende Ablaufleitungen, unter anderem eine Ablaufleitung DN1000 in den Bodensee, ersetzen soll. Diese bestehende Seeausleitung soll projektgemäß rückgebaut werden.

2 Dieser Bescheid wurde dem Revisionswerber nicht zugestellt. Am erhob der Revisionswerber dagegen Beschwerde an das Verwaltungsgericht, in der er sich einerseits auf die Nichtzahlung der ihm als Fischereiberechtigten zustehenden Entschädigung und andererseits auf seine Stellung als Eigentümer einer direkt an die Baustelle angrenzenden Liegenschaft stützte, wobei er sich gegen die beabsichtigte Entfernung des alten Auslaufbauwerks landseitig zum Übergabebauwerk wendete.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerde (sowie sie die wasserrechtliche Bewilligung betraf) im zweiten Rechtsgang als unzulässig zurück und erklärte eine Revision dagegen für nicht zulässig (zum ersten Rechtsgang vgl. ).

4 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass die dem Revisionswerber als Fischereiberechtigten zustehende Entschädigung mittlerweile bezahlt worden sei und er diesen Beschwerdepunkt ausdrücklich zurückgezogen habe. Im Übrigen habe er seine Parteistellung aber durch Präklusion nach § 42 Abs. 1 AVG verloren.

5 Dazu hielt es als relevanten Sachverhalt u.a. fest, dass die Kundmachung der belangten Behörde betreffend die mündliche Verhandlung vom an der Amtstafel der Stadt Bregenz angeschlagen, im Internet auf der Website der belangten Behörde veröffentlicht und den bekannten Beteiligten - darunter dem Revisionswerber - zugestellt worden sei. Sie habe unter anderem Hinweise bezüglich allfälliger Stellungnahmen und Einwendungen im Zusammenhang mit der Parteistellung im Verfahren nach dem WRG 1959 enthalten. Während der Ladungsfrist sei der Revisionswerber bei einem Vertreter der Mitbeteiligten erschienen, dabei sei das Thema „Rückbau“ näher diskutiert worden. Der Revisionswerber sei bei der mündlichen Verhandlung im behördlichen Verfahren am anwesend gewesen und habe dort eine (dem Wortlaut nach festgestellte) Stellungnahme abgegeben.

6 In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht näher begründet u.a., dass der Revisionswerber mit seiner Stellungnahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung - abgesehen von der mittlerweile erfüllten Forderung nach einer Entschädigungszahlung wegen Beeinträchtigung seiner Fischereirechte - keine Beeinträchtigung eines ihm zukommenden subjektiv-öffentlichen Rechts geltend gemacht habe. Der Revisionswerber habe somit keine zulässigen Einwendungen erhoben und daher seine Parteistellung verloren. Nach der näher zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Behörde auch nicht verpflichtet, eine Partei zu belehren, wie sie ihre Einwendung inhaltlich zu gestalten habe, damit die Parteistellung behalten werden könne.

7 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, der angefochtene Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Anforderungen an die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, zur Annahme einer Präklusion und zur (Nicht-)Qualifikation des Fischereirechtes als Recht im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 ab.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die von der Revision behauptete Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt jedoch nicht vor:

10 Zur Begründungspflicht bringt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, der angefochtene Beschluss enthalte eine Vielzahl völlig irrelevanter Ausführungen, jedoch keine klar abgegrenzten Sachverhaltsfeststellungen, weiters weder das Wort „Beweiswürdigung“ noch eine eingegrenzte rechtliche Beurteilung. Das Verwaltungsgericht habe sich entgegen § 60 AVG nicht auf das Wesentliche beschränkt. All dies widerspreche der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zitiert wird , und , Ra 2016/11/0081).

11 Bereits aus den zitierten Entscheidungen ergibt sich jedoch, dass derartige Begründungsmängel - insbesondere der fehlerhafte Aufbau einer Entscheidung, der eine Trennung zwischen Tatsachenfeststellung, Beweiswürdigung und rechtlicher Beurteilung vermissen lässt - dann zu einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu führen haben, wenn dadurch die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. - neben der von der Revision zitierten Rechtsprechung - jüngst , mwN).

12 Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor: Auch wenn der angefochtene Beschluss den Projektumfang sehr ausführlich darstellt und in seinem Aufbau in den Abschnitten 1. bis 5. mehrfach zwischen (ohnehin weitestgehend unstrittigen) Tatsachenfeststellungen, beweiswürdigenden Erwägungen und der Darstellung des Verfahrensgangs bzw. des Parteienvorbringens abwechselt, ist ihm doch in der erforderlichen Deutlichkeit zu entnehmen, von welchen tatsächlichen Annahmen das Verwaltungsgericht zur Beurteilung des Eintritts der Präklusion ausgeht. Die rechtliche Würdigung dieses Sachverhaltes findet sich geschlossen in Abschnitt 6 des Beschlusses. Es ist nicht erkennbar, dass dadurch die Rechtsverfolgung durch den Revisionswerber oder die Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beeinträchtigt wären.

13 Die Revision stützt ihre Zulässigkeit weiters darauf, dass die Annahme einer Präklusion - im Hinblick auf eine unterbliebene Abklärung von Unklarheiten in der Stellungnahme des Revisionswerbers bei der mündlichen Verhandlung - den Grundwertungen der Rechtsordnung und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Aus der dazu zitierten Judikatur (, und , Ra 2021/22/0071) ergebe sich, dass eine Beschwerderücknahme bzw. ein Berufungsverzicht oder eine Berufungszurückziehung ausdrücklich, das heißt eindeutig (zweifelsfrei) erklärt werden müsse.

14 Die zitierte Rechtsprechung zum Verzicht auf prozessuale Rechte (insbesondere durch Zurückziehung einer Beschwerde oder Berufung) ist aber schon deshalb nicht für die Beurteilung des Eintritts einer Präklusion maßgeblich, weil § 42 Abs. 1 AVG gerade keine ausdrückliche Verzichtserklärung der Partei fordert, sondern den Verlust der Parteistellung als Folge der Nichterhebung von Einwendungen vorsieht. Eine Abweichung von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird daher damit nicht aufgezeigt.

15 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang eine unterbliebene Aufklärung von Unklarheiten bzw. eine angeblich mangelhafte Rechtsbelehrung rügt, ist sie auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 42 und § 13a AVG zu verweisen, wonach die Manuduktionspflicht der Behörde nicht so weit geht, dass eine Partei zur inhaltlichen Ausgestaltung von Einwendungen angeleitet werden müsse (vgl. , mwN). Dass die Ladung zur mündlichen Verhandlung eine ordnungsgemäße Belehrung über die in § 42 Abs. 1 AVG vorgesehene Rechtsfolge enthalten hat, bestreitet die Revision nicht.

16 Da somit im Zusammenhang mit der Annahme der Präklusion (dem Verlust der Parteistellung) des Revisionswerbers keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, kommt es auf das weitere Revisionsvorbringen zur Frage, ob der Revisionswerber im konkreten Fall überhaupt Rechte geltend macht, die durch das WRG 1959 geschützt sind, nicht mehr an.

17 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

18 Von der beantragten Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 

Zusatzinformationen


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Normen
AVG §42 Abs1
AVG §8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Rechtsgrundsätze Verzicht Widerruf VwRallg6/3
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022070163.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-45912