VwGH 21.03.2023, Ra 2022/07/0070
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §58 Abs2 AVG §59 Abs1 B-VG Art133 Abs4 EinforstungsLG Stmk 1983 VVG §10 Abs1 VVG §5 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §17 |
RS 1 | Wesentliche Voraussetzung für einen pflichtenbegründenden Bescheid ist die für die allfällige Vollstreckung erforderliche Bestimmtheit der auferlegten Verpflichtung. Es ist jedoch keineswegs zwingend, dass diesem Bestimmtheitserfordernis dadurch Rechnung getragen wird, dass sich dies allein aus dem Spruch ergibt. Vielmehr bilden Spruch und Begründung eine Einheit. In diesem Sinn ist die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen. Sofern sich demnach aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung in ausreichendem Maß ergibt, welche Maßnahmen in einem allfälligen Vollstreckungsverfahren zu setzen sind, ist den Bestimmtheitserfordernissen Rechnung getragen (vgl. ). |
Normen | |
RS 2 | Die Frage, ob der - rechtskräftige - Titelbescheid zu unbestimmt ist, stellt grundsätzlich eine als Einzelfallbeurteilung zu wertende Rechtsfrage dar. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/07/0459 B RS 5 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des G B in J, vertreten durch die Bischof Zorn + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Seilerstätte 18-20, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 40.27-5487/2022-3, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe in einer Angelegenheit nach dem StELG 1983 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Murtal), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist Eigentümer einer Almliegenschaft, auf der Einforstungsrechte im Sinne des Steiermärkischen Einforstungs-Landesgesetzes 1983 (StELG 1983), nämlich Weide- und Holzbezugsrechte, lasten.
2 Mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde für Steiermark vom (Spruchpunkt II) wurde der diesbezügliche Einforstungsplan vom (richtig: 1987) gemäß §§ 1, 12, 13, 14, 21 und 49 StELG 1983 „unter Punkt 3. (Seite 13) wie folgt abgeändert und ergänzt:“
„Zur Benutzung dieses Weges in Form von Gehen, Viehtreiben und Fahren mit Fahrzeugen aller Art sind die Eigentümer der berechtigten Liegenschaften und deren Beauftragte zum Zwecke der Ausübung ihrer Rechte ohne zeitliche Einschränkung berechtigt. Falls der Weg zur Verhinderung des Befahrens durch unbefugte Dritte mittels Schranken versperrt wird, ist für jede der berechtigten Liegenschaften zumindest ein Schrankenschlüssel, für die Almgemeinschaft sind weitere Schlüssel nach Bedarf (z.B. für den Almhalter) zur Verfügung zu stellen.“
3 Das Landesverwaltungsgericht Steiermark wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom als unbegründet ab.
4 Dagegen erhob der (auch nunmehrige) Revisionswerber Revision an den Verwaltungsgerichtshof, in der er unter anderem argumentierte, die Rechte der Einforstungsberechtigten seien durch die Einräumung eines allgemeinen (unbeschränkten) Wegebenutzungsrechts unzulässigerweise erweitert worden.
5 Diese Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2020/07/0112, mangels Vorliegens einer Rechtsfrage, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zugekommen wäre, zurückgewiesen.
Darin stellte der Verwaltungsgerichtshof klar, dass entgegen der Prämisse in der Revision kein „allgemeines“ (inhaltlich unbeschränktes) Wegebenutzungsrecht festgelegt worden sei. Die Benutzung des Weges stehe den Berechtigten und ihren Beauftragten nach dem Wortlaut der in den Einforstungsplan eingefügten Bestimmung nämlich (nur) „zum Zwecke der Ausübung ihrer Rechte“ zu. Diese Formulierung stelle - wie sich aus der Begründung des Verwaltungsgerichts ergebe - nicht nur die Grundlage sondern auch eine inhaltliche Einschränkung des Wegebenutzungsrechtes dar. Das Verwaltungsgericht hatte in diesem Verfahren im Rahmen der Begründung nämlich unter anderem ausgeführt, dass der Verpflichtete das Befahren des Weges nicht verhindern könne, wenn ein Naheverhältnis zur (näher festgelegten) Weidezeit vorliege und dies der Ausnutzung des Weiderechts diene (z.B. Schwendungsmaßnahmen, Düngung und Unkrautpflege, Zaunerneuerung, Renovierung der Almhütte, des Stalles, etc.).
6 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde über den Revisionswerber gemäß § 5 VVG eine Zwangsstrafe von € 363 verhängt, weil er die mit (rechtskräftigem) Bescheid der Agrarbezirksbehörde für Steiermark vom (Spruchpunkt II) auferlegte Verpflichtung bis zum nicht erfüllt habe. Zugleich wurde dem Revisionswerber zur Erbringung der Leistung eine neue Frist von zwei Tagen gesetzt und eine weitere Zwangsstrafe von € 500 angedroht.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab und erklärte eine Revision dagegen für nicht zulässig.
8 Es legte seiner Entscheidung zu Grunde, dass der betreffende Weg mit einem Schranken abgesperrt sei, der Revisionswerber den Berechtigten dafür bisher keine Schlüssel zur Verfügung gestellt habe und dies auch bis zumindest Juni (2022) nicht beabsichtige.
Bei der mit dem Titelbescheid angeordneten Schlüsselherausgabe handle es sich um eine unvertretbare Leistung im Sinne des § 5 VVG, die vom Revisionswerber zu erbringen sei. Der Leistungsbefehl im Titelbescheid sei insofern auch ausreichend bestimmt.
Seit der Erlassung des Titelbescheides hätten sich die rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse nicht in einem wesentlichen Punkt geändert. Wenn der Revisionswerber nun vorbringe, die Schlüssel sollten erst nach Aufforderung durch die Berechtigten herausgegeben werden, stelle dies eine im Vollstreckungsverfahren unzulässige Einwendung gegen den Titelbescheid dar.
Da der Revisionswerber schon der Verpflichtung zur Schlüsselherausgabe nicht nachgekommen sei und diese Verpflichtung nach dem klaren Wortlaut des Titelbescheides nicht erst nach Anfrage durch die Berechtigten, sondern unabhängig davon im Fall der Versperrung mittels Schranken bestehe und vom Revisionswerber aktiv zu erfüllen sei, erübrige sich ein weiteres Eingehen auf eine allfällige zeitliche Einschränkung im Hinblick auf die Wegbenutzung.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht habe in Abweichung von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes den Titelbescheid als ausreichend bestimmt für eine Vollstreckung angesehen.
10 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde mitgeteilt, von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung abzusehen.
11 Die Revision erweist sich als nicht zulässig:
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein solcher Beschluss in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 In diesen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Dieser ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa , mwN).
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefasst sein, dass einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsumfang zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann. Demnach ist die Vollstreckung unter anderem dann unzulässig, wenn die im Titelbescheid auferlegte Verpflichtung zu unbestimmt ist (vgl. , mwN).
15 Dazu bringt der Revisionswerber vor, der Titelbescheid sei unbestimmt - und eine Vollstreckung daher unzulässig -, weil die (zeitliche) Einschränkung des Wegerechts „zum Zwecke der Ausübung ihrer Rechte“ im Titelbescheid nicht zum Ausdruck komme. Seiner Ansicht nach bestehe das Wegebenutzungsrecht nur jeweils von Juni bis September. Zur Ausübung ihrer Rechte seien die Berechtigten nämlich nur in der Weidezeit berechtigt, die im Einforstungsplan für 107 Tage im Zeitraum Juni bis September festgelegt worden sei.
16 Eine Unbestimmtheit des Titelbescheides (bzw. des an die Stelle dieses Bescheides getretenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes vom ) in zeitlicher Hinsicht vermag der Revisionswerber damit jedoch nicht dazulegen.
17 Wesentliche Voraussetzung für einen pflichtenbegründenden Bescheid ist die für die allfällige Vollstreckung erforderliche Bestimmtheit der auferlegten Verpflichtung. Es ist jedoch keineswegs zwingend, dass diesem Bestimmtheitserfordernis dadurch Rechnung getragen wird, dass sich dies allein aus dem Spruch ergibt. Vielmehr ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass Spruch und Begründung eine Einheit bilden. In diesem Sinn ist die Begründung zur Auslegung eines unklaren Spruches heranzuziehen. Sofern sich demnach aus dem Spruch in Verbindung mit der Begründung in ausreichendem Maß ergibt, welche Maßnahmen in einem allfälligen Vollstreckungsverfahren zu setzen sind, ist den Bestimmtheitserfordernissen Rechnung getragen (vgl. , mwN).
18 Im Sinne dieser Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Titelverfahren festgehalten, dass sich aus der Begründung des (damals angefochtenen) Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtes ergibt, dass die Spruch-Formulierung „zum Zwecke der Ausübung ihrer Rechte“ eine inhaltliche Einschränkung des Wegebenutzungsrechtes darstellt. Die diesbezügliche Begründung des Verwaltungsgerichtes stellt aber nicht allein auf die Weide selbst und die reine Weidezeit ab, sondern nennt ausdrücklich auch eine Wegbenutzung in einem (bloßen) Naheverhältnis zur Weidezeit, die der Ausnutzung des Weiderechts dient, wie beispielsweise zur Durchführung von Schwendungsmaßnahmen, Düngung und Unkrautpflege, Zaunerneuerung, Renovierung der Almhütte, des Stalles, etc. (vgl. , Rn 8 und 18).
19 Eine starre Einschränkung des Wegbenutzungsrechts auf bestimmte Monate oder die 107 Tage der Weidezeit wäre auch mit dem insofern unzweideutigen Spruch des Titels („ohne zeitliche Einschränkung“) nicht zu vereinbaren. Den Berechtigten steht somit zwar ein Wegebenutzungsrecht zu, das zeitlich nicht beschränkt ist. Sie dürfen den Weg aber nicht nach Gutdünken zu jedem beliebigen Zweck benützen, sondern nur, soweit dies der Ausübung ihrer urkundlichen Rechte - sei dies innerhalb oder außerhalb der festgelegten Weidezeit - dient.
20 Im Übrigen stellt die Frage, ob der - rechtskräftige - Titelbescheid zu unbestimmt ist, grundsätzlich eine als Einzelfallbeurteilung zu wertende Rechtsfrage dar (vgl. neuerlich , mwN), die nur bei unvertretbarer Lösung durch das Verwaltungsgericht eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darstellen würde.
21 Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung tragend damit begründet, dass die Verpflichtung zur Zurverfügungstellung von Schlüsseln bestimmt genug für eine Vollstreckung sei, keiner Anforderung durch die Berechtigten bedürfe und auch unabhängig von (zeitlichen) Einschränkungen der Wegbenutzung bestehe. Einzige Voraussetzung sei, dass der Weg mit einem Schranken versperrt sei. Dass diese Beurteilung unvertretbar wäre, bringt die Revision nicht vor. Es ist dies für den Verwaltungsgerichtshof auch sonst nicht erkennbar.
22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Normen | AVG §58 Abs2 AVG §59 Abs1 B-VG Art133 Abs4 EinforstungsLG Stmk 1983 VVG §10 Abs1 VVG §5 VwGG §34 Abs1 VwGVG 2014 §17 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070070.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAF-45910