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VwGH 01.06.2023, Ra 2022/07/0042

VwGH 01.06.2023, Ra 2022/07/0042

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art116 Abs2
EGVG Art6 Abs2
GdO Tir 2001 §55 Abs1
VStG §9 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 1
Gemeinden sind, sofern sie im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätig werden (vgl. dazu Art. 116 Abs. 2 B-VG), nicht anders als juristische Personen des Privatrechts verpflichtet, die Verwaltungsvorschriften (Art. VI Abs. 2 EGVG) einzuhalten (vgl. ). Der Revisionswerber vertritt als Bürgermeister gemäß § 55 Abs. 1 Tir GdO 2001 die Gemeinde nach außen. In diesem Sinne ist er grundsätzlich (vgl. § 9 Abs. 1 VStG) für die Einhaltung der der Gemeinde obliegenden Verpflichtungen, wie auch die Einhaltung von Bescheidauflagen, verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. ; ).
Normen
AVG §7 Abs1 Z3
B-VG Art116 Abs2
B-VG Art133 Abs4
GdO Tir 2001 §29 Abs1 litc
GdO Tir 2001 §55 Abs1
VStG §24
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 2
Es ist dem österreichischen Organisationsrecht immanent, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts als Trägerinnen von Privatrechten als herkömmliche Parteien - etwa als Konsenswerberinnen - an Verwaltungsverfahren teilnehmen und diese Verwaltungsverfahren als Trägerinnen von Hoheitsrechten durch die ihnen zugeordneten Behörden entscheiden. Dagegen, dass dies dazu führen kann, dass dasselbe Organ einer juristischen Person des öffentlichen Rechts diese als herkömmliche Partei bei der Wahrnehmung von Privatrechten im Verwaltungsverfahren vertritt sowie in seiner Rolle als Behörde zur Entscheidung zuständig ist, in der es über öffentliche Rechte abzusprechen hat, bestehen keine Bedenken (vgl. ; ). In diesem Sinne hat auch der VwGH im Zusammenhang mit Anträgen einer Gemeinde, über die Gemeindeorgane entschieden, festgehalten, dass Judizieren in eigener Sache nicht unzulässig ist (vgl. ; , 2008/05/0270). Der Umstand, dass Gemeindeorgane über einen Antrag der Gemeinde entschieden haben, stellt, wenn nicht besondere Umstände hervorkommen, grundsätzlich keinen wichtigen Grund iSd. § 7 Abs. 1 Z 3 AVG dar, der geeignet ist, die Unbefangenheit der Gemeindeorgane in Zweifel zu ziehen (vgl. bis 0249). Der Wortlaut des § 29 Abs. 1 lit. c Tir GdO 2001 entspricht jenem des § 7 Abs. 1 Z 3 AVG. Wenn schon der Umstand, dass Gemeindeorgane über einen Antrag der Gemeinde entschieden haben, grundsätzlich nicht dazu führt, die Unbefangenheit der Gemeindeorgane in Zweifel zu ziehen, dann muss dies vielmehr noch in einem Verfahren gelten, in dem die Gemeinde bloß im Rahmen der Privatwirtschaft als antragstellende Partei auftritt, aber nicht gleichzeitig Gemeindeorganen die Entscheidungsbefugnis zukommt, sondern einer anderen Behörde, wenn nicht besondere Umstände hervorgekommen sind. Derlei besondere Umstände sind nicht in einem zuvor hoheitlichen Tätigwerden des Bürgermeisters in anderen Verwaltungsverfahren, mögen diese auch die gleiche Brücke betreffen, zu sehen.
Normen
AVG §7
B-VG Art133 Abs4
GdO Tir 2001 §29 Abs1 litc
GdO Tir 2001 §55 Abs1
VStG §24
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 3
Nach der Rechtsprechung des VwGH liegt Befangenheit iSd. § 7 AVG lediglich vor, wenn der Bürgermeister - in Angelegenheiten, in denen er auch gleichzeitig als Organwalter der Behörde entscheidet - selbst Antragsteller ist (vgl. ).
Normen
B-VG Art133 Abs4
GdO Tir 2001 §29 Abs1 litc
VwGG §34 Abs1
WRG 1959 §120 Abs1
WRG 1959 §120 Abs2
RS 4
Die für die Wasseranlage zuständige Wasserrechtsbehörde hat die Bauaufsicht mittels eines Bescheides nach § 120 Abs. 1 WRG 1959 zu bestellen. § 120 Abs. 2 WRG 1959 umschreibt inhaltlich die Aufgaben der wasserrechtlichen Bauaufsicht, die sich auf die fach- und vorschriftsgemäße Ausführung der Bauarbeiten und auf die Einhaltung der einschlägigen Bedingungen des Bewilligungsbescheides erstreckt. Unter diesen einschlägigen Bedingungen des Bewilligungsbescheides ist im Zusammenhang mit der als Hauptaufgabe definierten Kontrolle der technischen Ausführung der Bauarbeiten zu verstehen, dass die wasserrechtliche Bauaufsicht die Einhaltung der im Zusammenhang mit der fach- und vorschriftsgemäßen Ausführung der Bauarbeiten stehenden Bedingungen des Bewilligungsbescheides zu überprüfen hat (vgl. ). In dieser Funktion ist das Bauaufsichtsorgan Hilfsorgan der (Wasserrechts)Behörde (vgl. ).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision des Mag. Dr. A K in M, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in 9900 Lienz, Beda-Weber-Gasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2021/44/2227-7, betreffend Übertretung des WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag der Marktgemeinde M (im Folgenden: Marktgemeinde M.) auf Erteilung einer wasser- und naturschutzrechtlichen Bewilligung für den Neubau einer näher genannten Brücke über die I (im Folgenden: I.) auf näher bezeichneten Grundparzellen unter Auflagen bewilligt. Eine im Bescheid unter Punkt I. E. 8. angeführte Nebenbestimmung lautete dahingehend, dass die Bauarbeiten im Flussbett nur in der Niederwasserperiode zwischen 15. September und 15. Mai jeden Jahres durchgeführt werden dürfen. Außerhalb dieser Zeiträume seien sämtliche temporären Bauwerke und Lehrgerüste aus dem Flussbett der I. zu entfernen.

2 Ein am von der Marktgemeinde M. gestellter Antrag auf Erstreckung der in der Nebenbestimmung zu Punkt I. E. 8. vorgeschriebenen Baufrist von bis gemäß § 21b WRG 1959 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom aufgrund von Gefahr in Verzug als unbegründet abgewiesen. Überdies wurde der Marktgemeinde M. im Rahmen eines Auftrages nach § 138 WRG 1959 zur Einhaltung der Nebenbestimmung unter Punkt I. E. 8. aufgetragen, die anhaltenden Bauarbeiten unverzüglich einzustellen und näher ausgeführte Maßnahmen zur Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes zu setzen.

3 Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) vom als unbegründet abgewiesen und die in der Folge eingebrachte außerordentliche Revision vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom , Ra 2021/07/0087, zurückgewiesen.

4 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (Bürgermeister) der Marktgemeinde M. zu verantworten, dass die im wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid der belangten Behörde vom unter Spruchpunkt E Ziffer 8 vorgeschriebene Nebenbestimmung nicht eingehalten worden sei. Am  sei festgestellt worden, dass sich auf beiden Seiten der I. Spundwandkästen für die Herstellung der Widerlager im Abflussprofil befänden. Das Abflussprofil zwischen den Spundwandkästen werde zusätzlich durch als Baustraßen genutzte Vorschüttungen weiter deutlich eingeengt. Insgesamt sei der Abflussquerschnitt der I. im Baustellenbereich derzeit massiv eingeschränkt. Dadurch habe der Revisionswerber die Rechtsvorschriften des § 9 Abs. 1 VStG iVm § 137 Abs. 2 Z 7 WRG 1959 iVm dem Bescheid der belangten Behörde vom verletzt.

5 Wegen dieser Verwaltungsübertretung sei über den Revisionswerber nach § 137 Abs. 2 Z 7 WRG 1959 eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 46 Stunden) zu verhängen. Ferner wurde dem Revisionswerber ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt.

6 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde machte der Revisionswerber, wie auch schon zur Rechtfertigung im Verfahren vor der belangten Behörde, geltend, er könne nicht „in derselben“ Sache hoheitlich als Behörde und als Vertreter der Gebietskörperschaft nach außen hin tätig sein.

7 Das Verwaltungsgericht wies diese Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom - mit einer hier nicht wesentlichen Maßgabe zur Konkretisierung des Tatortes - ab (Spruchpunkt 1.). Überdies habe der Revisionswerber einen näher bezifferten Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten (Spruchpunkt 2.). Eine ordentliche Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (Spruchpunkt 3.).

8 Nach der Begründung des Verwaltungsgerichts stehe fest, dass die Gemeinde die konkrete Nebenbestimmung des Bewilligungsbescheides am nicht eingehalten habe. Der Bürgermeister sei als zur Vertretung nach außen befugtes Organ der Gemeinde mit der Leitung und Beaufsichtigung der gesamten Verwaltung betraut und für die Einhaltung der der Gemeinde obliegenden Verpflichtungen, so auch für die Einhaltung von Nebenbestimmung eines Bescheides, verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. An dieser Verantwortlichkeit ändere sich für das wasserrechtliche Verfahren nichts, wenn der Bürgermeister hinsichtlich desselben (Brücken-)Bauverhabens nach anderen Verwaltungsvorschriften (hier nach dem Tiroler Krisen- und Katastrophenmanagementgesetz [TKKMG] und dem Tiroler Straßengesetz) hoheitlich eingeschritten sei. Im wasserrechtlichen Verfahren sei ausschließlich die Bezirkshauptmannschaft als Wasserrechtsbehörde hoheitlich tätig geworden, während die Gemeinde ausschließlich im Rahmen der Privatwirtschaft gehandelt habe. Überdies habe der Revisionswerber die Vertretung der Gemeinde nach außen nicht mit Verordnung auf seine Stellvertreterin, die Vizebürgermeisterin, übertragen. Der Bürgermeister als verantwortliches Organ nach § 9 Abs. 1 VStG habe die Einhaltung der Bescheidauflagen durch die Einrichtung eines wirksamen Regel- und Kontrollsystems sicherzustellen. Nur das Vorliegen eines solchen befreie ihn von seiner Verantwortlichkeit. Dieser Nachweis sei ihm jedoch nicht gelungen.

9 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit den verba legalia des Artikel 133 Abs. 4 B-VG.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

11 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof beantragte die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Abweisung der Revision, auf die der Revisionswerber replizierte.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach § 34 Abs. 1 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

16 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, es sei höchstgerichtlich zu klären, ob im Falle der Befangenheit eine Verordnung nach § 50 Abs. 2 Tiroler Gemeindeordnung 2001 (TGO 2001) zu erlassen sei, obwohl das Organ schon nach § 29 TGO 2001 ausgeschlossen sei und, ob der befangene Bürgermeister tatsächlich - wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt - persönlich seine Stellvertreterin überwachen müsse. Denn der Revisionswerber sei aufgrund der im Zusammenhang mit der gegenständlichen Brücke stehenden und dem wasserrechtlichen Verfahren vorangegangenen Bescheiderlassungen nach dem TKKMG und dem Tiroler Straßengesetz befangen.

17 Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Revisionswerber nicht aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof konkret auf die vorliegende Revisionssache bezogen in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte, denn jener von ihm beschriebenen Rechtsfrage, die höchstgerichtlich zu klären sei, liegt die Prämisse der Befangenheit zugrunde, welche jedoch - aufgrund der nachstehenden Erwägungen - nicht anzunehmen ist. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aber nicht zuständig (vgl.  bis 0072, mwN).

18 Gemeinden sind, sofern sie im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung tätig werden (vgl. dazu Art. 116 Abs. 2 B-VG), nicht anders als juristische Personen des Privatrechts verpflichtet, die Verwaltungsvorschriften (Art. VI Abs. 2 EGVG) einzuhalten (vgl. , mwN).

19 Der Revisionswerber vertritt als Bürgermeister gemäß § 55 Abs. 1 TGO 2001 die Gemeinde nach außen. In diesem Sinne ist er grundsätzlich (vgl. § 9 Abs. 1 VStG) für die Einhaltung der der Gemeinde obliegenden Verpflichtungen, wie auch die Einhaltung von Bescheidauflagen, verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. erneut im Zusammenhang mit vergleichbaren Bestimmungen der Burgenländischen Gemeindeordnung, oder hinsichtlich einer vergleichbaren Norm der Steiermärkischen Gemeindeordnung).

20 Schon der Verfassungsgerichtshof hat festgehalten, dass es dem österreichischen Organisationsrecht immanent ist, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts als Trägerinnen von Privatrechten als herkömmliche Parteien - etwa als Konsenswerberinnen - an Verwaltungsverfahren teilnehmen und diese Verwaltungsverfahren als Trägerinnen von Hoheitsrechten durch die ihnen zugeordneten Behörden entscheiden. Dagegen, dass dies dazu führen kann, dass dasselbe Organ einer juristischen Person des öffentlichen Rechts diese als herkömmliche Partei bei der Wahrnehmung von Privatrechten im Verwaltungsverfahren vertritt sowie in seiner Rolle als Behörde zur Entscheidung zuständig ist, in der es über öffentliche Rechte abzusprechen hat, bestehen - dem Verfassungsgerichtshof nach - keine Bedenken (vgl. , oder hinsichtlich der Aufgaben eines Bürgermeisters ).

21 In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit Anträgen einer Gemeinde, über die Gemeindeorgane entschieden, festgehalten, dass Judizieren in eigener Sache nicht unzulässig ist (vgl. ; , 2008/05/0270, letztere mwN). Der Umstand, dass Gemeindeorgane über einen Antrag der Gemeinde entschieden haben, stellt, wenn nicht besondere Umstände hervorkommen, grundsätzlich keinen wichtigen Grund im Sinne des § 7 Abs. 1 Z 3 AVG dar, der geeignet ist, die Unbefangenheit der Gemeindeorgane in Zweifel zu ziehen (vgl.  bis 0249, mwN). Der Wortlaut des § 29 Abs. 1 lit. c TGO 2001 entspricht jenem des § 7 Abs. 1 Z 3 AVG.

22 Wenn schon der Umstand, dass Gemeindeorgane über einen Antrag der Gemeinde entschieden haben, grundsätzlich nicht dazu führt, die Unbefangenheit der Gemeindeorgane in Zweifel zu ziehen, dann muss dies vielmehr noch in einem Verfahren gelten, in dem die Gemeinde bloß im Rahmen der Privatwirtschaft als antragstellende Partei auftritt, aber nicht gleichzeitig Gemeindeorganen die Entscheidungsbefugnis zukommt, sondern einer anderen Behörde (hier der Bezirkshauptmannschaft), wenn nicht besondere Umstände hervorgekommen sind.

23 Derlei besondere Umstände sind nicht in einem zuvor hoheitlichen Tätigwerden des Bürgermeisters in anderen Verwaltungsverfahren (hier nach dem TKKMG und dem Tiroler Straßenbaugesetz), mögen diese auch die gleiche Brücke betreffen, zu sehen.

24 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt Befangenheit im Sinne des § 7 AVG lediglich vor, wenn der Bürgermeister - in Angelegenheiten, in denen er auch gleichzeitig als Organwalter der Behörde entscheidet - selbst Antragsteller ist (vgl. , mwN).

25 Ein derartiger Fall liegt aber gerade nicht vor. Die Gemeinde trat im wasserrechtlichen Verfahren nur im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung als antragstellende Partei auf. Die zur Entscheidung berufene Behörde war die Bezirkshauptmannschaft und kein Gemeindeorgan. Die hoheitliche Tätigkeit des Bürgermeisters betraf davon verschiedene Verwaltungsverfahren.

26 Da kein Fall einer Befangenheit des Revisionswerbers vorlag und sich dieser hinsichtlich einer (behaupteten) Vertretung durch die Vizebürgermeisterin nur auf diesen Grund bezog (und nicht etwa auf eine nachweisliche Bestellung nach § 9 Abs. 2 VStG), ist die Relevanz der relevierten Feststellungsmängel zum Auftreten der Vizebürgermeisterin nicht zu sehen und wird diese auch vom Revisionswerber nicht dargelegt (vgl. zur notwendigen Relevanzdarlegung bei Feststellungsmängeln etwa , mwN).

27 Überdies sieht der Revisionswerber in den fehlenden Feststellungen zur Einschreitungslegitimation von vier näher genannten, zur Kontrolle beauftragten Personen sekundäre Feststellungsmängel, weil diese zum Nachweis eines effektiven Überwachungs- und Kontrollsystems relevant gewesen seien.

28 Es ist nicht zu sehen, dass das Verwaltungsgericht aufgrund einer unrichtigen Rechtsansicht notwendige Feststellungen nicht getroffen hätte:

29 Das in Rede stehende Delikt ist ein Ungehorsamsdelikt nach § 5 VStG (vgl. dazu , mwN). Bei solchen Delikten ist Fahrlässigkeit anzunehmen, es sei denn, der Beschuldigte macht glaubhaft, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Dies ist nach einschlägiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann der Fall, wenn der Beschuldigte im Betrieb (hier: Marktgemeinde) ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, sodass er unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit gutem Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten konnte. Nur ein solches, durch den Beschuldigten eingerichtetes Kontrollsystem hätte daher exkulpierende Wirkung (vgl. , mwN).

30 Bei der vom Revisionswerber zu seiner Entlastung zunächst ins Treffen geführten Person handelt es sich um ein seitens der Wasserrechtsbehörde bestelltes wasserrechtliches Aufsichtsorgan.

31 Die für die Wasseranlage zuständige Wasserrechtsbehörde hat die Bauaufsicht mittels eines Bescheides nach § 120 Abs. 1 WRG 1959 zu bestellen. § 120 Abs. 2 WRG 1959 umschreibt inhaltlich die Aufgaben der wasserrechtlichen Bauaufsicht, die sich auf die fach- und vorschriftsgemäße Ausführung der Bauarbeiten und auf die Einhaltung der einschlägigen Bedingungen des Bewilligungsbescheides erstreckt. Unter diesen einschlägigen Bedingungen des Bewilligungsbescheides ist im Zusammenhang mit der als Hauptaufgabe definierten Kontrolle der technischen Ausführung der Bauarbeiten zu verstehen, dass die wasserrechtliche Bauaufsicht die Einhaltung der im Zusammenhang mit der fach- und vorschriftsgemäßen Ausführung der Bauarbeiten stehenden Bedingungen des Bewilligungsbescheides zu überprüfen hat (vgl. , mwN). In dieser Funktion ist das Bauaufsichtsorgan Hilfsorgan der (Wasserrechts)Behörde (vgl. ).

32 § 120 Abs. 5 WRG 1959 ordnet in seinem zweiten Satz ausdrücklich an, dass die Verantwortlichkeit der Unternehmer (Konsensinhaber) und Bauführer durch Bestellung einer wasserrechtlichen Bauaufsicht nicht eingeschränkt wird (vgl. zu wasserpolizeilichen Aufträgen etwa , 0014, 0015, 0025, 0026).

33 Der Revisionswerber kann sich somit hinsichtlich der Einrichtung eines wirksamen Regel- und Kontrollsystems, weil es sich nach der Rechtsprechung um ein Hilfsorgan der Behörde handelt, nicht auf die Bestellung eines wasserrechtlichen Aufsichtsorgans nach § 120 WRG 1959 berufen.

34 Sohin wird auch mit dem Versuch der Darlegung mangelnden Verschuldens aufgrund der Bestellung eines Aufsichtsorgans nach § 120 WRG 1959 durch die Wasserrechtsbehörde aufgrund der Eindeutigkeit der Rechtslage keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bei eindeutiger Rechtslage etwa bis 0083, mwN).

35 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist insbesondere darzulegen, auf welche Weise der Verantwortliche seiner Verpflichtung zur Überwachung der von ihm beauftragten Personen nachgekommen ist und wieso dessen ungeachtet die Verwaltungsübertretung nicht zu verhindern war. Der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben, die Erteilung von Weisungen oder stichprobenartige Überprüfungen genügen diesen Anforderungen nicht (vgl. , mwN).

36 Mit seinem Vorbringen, als baurechtliches Aufsichtsorgan sei von der Marktgemeinde S T beauftragt worden und seien auch der Bauamtsleiter und der Leiter des Bauhofes zur Überwachung der Einhaltung der wasserrechtlichen Auflagen angehalten gewesen, dokumentiert der Revisionswerber kein adäquates Kontrollsystem (vgl. , oder , 2004/09/0101). Dazu wäre es - neben den in der Revision dargelegten Angaben, welche Personen vom Revisionswerber mit der Überwachung der Einhaltung der Bescheidauflagen betraut waren - insbesondere erforderlich gewesen, anzugeben, auf welche Weise er diese auf die ordnungsgemäße Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben bzw. die Befolgung der ihnen erteilten Weisungen überwacht hat (vgl. , oder , 2007/02/0358). Dass der Revisionswerber für eine geeignete Kontrolle der beauftragten Personen Vorsorge getroffen hat, ist dem Vorbringen nicht zu entnehmen. Es ist sohin nicht erkennbar, dass die Einzelfallbeurteilung durch das Verwaltungsgericht der Wirksamkeit des konkreten Kontrollsystems grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. , mwN).

37 Ob die konkrete Art der Umsetzung des Brückenbaus mittels Spundwänden und Vorschüttungen im Auftrag an das Bauunternehmen festgehalten wurde, kann dahingestellt bleiben, denn aus den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich, dass der Revisionswerber von der Errichtung und dem Vorhandensein dieser Wände und Vorschüttungen nahe zum Ablauf der Baufrist aufgrund einer Besprechung, bei der die Problematik des Ablaufes dieser Frist und die Einhaltung der Auflage thematisiert wurde, in Kenntnis war und legte er nicht dar, wieso er die Verwaltungsübertretung nicht verhindern konnte (vgl. die in Rn. 35 zitierte Judikatur).

38 Schließlich moniert der Revisionswerber aufgrund der unterbliebenen Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit den Ermittlungsergebnissen bzw. den Aussagen der Zeugen hinsichtlich der zur Kontrolle Beauftragten eine unvertretbare Beweiswürdigung.

39 Da - wie oben dargelegt - die behaupteten Kontrollen durch die näher genannten Personen den Revisionswerber fallgegenständlich nicht von seiner eigenen Schuld befreien, fehlt es diesem Vorbringen an Relevanz.

40 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

41 Die Vollziehung des WRG 1959 erfolgt in mittelbarer Bundesverwaltung. Kostenersatzanspruch im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG hätte daher der Bund. Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz an sich selbst war daher abzuweisen (vgl.  bis 0065, mwN).

Wien, am

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AVG §7
AVG §7 Abs1 Z3
B-VG Art116 Abs2
B-VG Art133 Abs4
EGVG Art6 Abs2
GdO Tir 2001 §29 Abs1 litc
GdO Tir 2001 §55 Abs1
VStG §24
VStG §9 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
WRG 1959 §120 Abs1
WRG 1959 §120 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070042.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
AAAAF-45907