VwGH 13.01.2023, Ra 2022/06/0318
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Einem schlüssigen Sachverständigengutachten kann mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise nicht entgegen getreten werden. Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden (vgl. die in Walter/Thienel I [2. Auflage] unter E 238 und E 245 zu § 52 AVG zitierte Judikatur). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/16/0216 B RS 2 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des J L in W, vertreten durch Dr. Peter Fürnschuß, Rechtsanwalt in 8510 Stainz, Hauptplatz 5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 50.3-2245/2020-56, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde: Gemeinderat der Marktgemeinde Weißkirchen in der Steiermark; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: S GmbH in H, vertreten durch die Wohlmuth Rechtsanwalts KG in 8430 Leibnitz, Hauptplatz 7), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Berufung des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde W. in der St. vom , mit dem die Baubewilligung für die Erneuerung einer Windkraftanlage auf einem näher bezeichneten Grundstück unter Vorschreibung von Auflagen erteilt worden war, insofern Folge gegeben, als die während des Berufungsverfahrens zur Bewilligung beantragte Projektänderung, dass die Windenergieanlage (WEA) der Type Enercon E82-E4 in einer schalloptimierten Version der Type Enercon E82-E4 TES zur Ausführung gelange, baubehördlich genehmigt wurde. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit der Maßgabe der im Zuge des Beschwerdeverfahrens beantragten Projektänderung, dass bei Winden von Süd bis Südost in den Nachtstunden (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) die WEA im Betriebsmodus „2350 kW s“ geführt werde, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer ordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
3 Auf Grundlage der im Beschwerdeverfahren eingeholten Gutachten eines lärmtechnischen Amtssachverständigen und eines humanmedizinischen Amtssachverständigen kam das Verwaltungsgericht in seiner Begründung zu dem Ergebnis, dass es durch die modifizierte Betriebsweise der gegenständlichen WEA zu keiner Belästigung bzw. Beeinträchtigung beim Revisionswerber komme.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision wendet sich in den zu ihrer Zulässigkeit vorgetragenen Gründen gegen das vom Verwaltungsgericht eingeholte lärmtechnische Sachverständigengutachten. Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Würdigung eines Sachverständigengutachtens, und damit auch die Frage, ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Teil der Beweiswürdigung ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. etwa , mwN).
8 In diesem Zusammenhang bringt der Revisionswerber zusammengefasst vor, der lärmtechnische Amtssachverständige habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (mit Hinweis auf ) unterlassen, eine Schallmessung durchzuführen und nicht dargelegt, warum er lediglich eine Schätzung des niederfrequenten Schalls vorgenommen habe.
9 Entgegen der Argumentation des Revisionswerbers zog der Amtssachverständige zur Ermittlung der tieffrequenten Geräusche den Geräuschmessbericht des Amtes der Stmk. Landesregierung vom , das von der Mitbeteiligten im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegte Gutachten der I. Ziviltechniker GmbH und seine Wahrnehmungen vor Ort heran, wobei der Amtssachverständige - wie er im Rahmen seines in der Verhandlung vom mündlich erstatteten Gutachtens ausführlich erörterte - das Prognosemaß des Immissionspegels des Gutachtens der I. Ziviltechniker GmbH entsprechend dem Messergebnis vom und seinen persönlichen Höreindruck vor Ort im Oktavband 63 Herz auf 35,3 dB korrigierte. Von einer bloßen Schätzung des niederfrequenten Schalls kann daher keine Rede sein.
10 Soweit der Revisionswerber in seinen Zulässigkeitsausführungen weiters vorbringt, er habe selbst Messungen durchgeführt, aus denen eine wesentlich höhere Lärmbelästigung hervorgehen würde, als jene, die vom lärmtechnischen Amtssachverständigen angenommen worden sei, auf die das Verwaltungsgericht aber entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (mit Hinweis auf ) nicht eingegangen sei und entgegen seiner Pflicht zur Erforschung der materiellen Wahrheit weitere Ermittlungen unterlassen habe, ist festzuhalten, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung schlüssigen Sachverständigengutachten mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, nicht in tauglicher Weise entgegengetreten werden und ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden kann (vgl. das in der Revision zitierte Erkenntnis , mwN). Der Revisionswerber tritt mit der bloßen Behauptung, er habe andere Messergebnisse erzielt, dem Gutachten des lärmtechnischen Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Sein Vorbringen ist somit nicht geeignet, die Schlüssigkeit der Expertise des Amtssachverständigen, die sich auf die Messergebnisse vom , seinen persönlichen Höreindruck und das im Beschwerdeverfahren von der Mitbeteiligten vorgelegte Gutachten der I. Ziviltechniker GmbH stützte, in Zweifel zu ziehen.
11 Ebensowenig tritt der Revisionswerber dem lärmtechnischen Sachverständigengutachten mit dem weiteren Einwand, der Amtssachverständige habe die Kenngröße „H“ für tiefe Frequenzen nicht untersucht und die Norm DIN 45680 nicht vollständig, sondern nur selektiv angewendet, auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung am erläuterte der lärmtechnische Amtssachverständige, dass die Kenngröße „H“ den sogenannten „Belästigungsgrad“ beschreibe und daher keine objektive Grenze darstelle. Das Beurteilungsmaß für das Vorliegen einer Belästigung lege der humanmedizinische Sachverständige fest. Die Revision vermag diesen Ausführungen nichts entgegenzusetzen und keine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des lärmtechnischen Gutachtens aufzuzeigen.
12 Soweit der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung einen Widerspruch des lärmtechnischen Gutachtens vom zu Aussagen des lärmtechnischen Amtssachverständigen in der Verhandlung vom ins Treffen führt und dazu vorbringt, es sei im Verhandlungsprotokoll vom - im Gegensatz zum Gutachten vom - von einer deutlichen Überschreitung der Hörschwelle und einer unzumutbaren Belästigung zu lesen, übersieht der Revisionswerber, dass das lärmtechnische Sachverständigengutachten die Projektänderung der Mitbeteiligten in der Verhandlung vom durch Änderung der Betriebsweise der gegenständlichen WEA berücksichtigte. Der lärmtechnische Amtssachverständige ging auch stets von einer Hörbarkeit der tieffrequenten Lärmimmissionen aus.
13 Sofern der Revisionswerber überdies Widersprüchlichkeiten des humanmedizinischen Sachverständigengutachtens zum lärmtechnischen Sachverständigengutachten in den Raum stellt, scheitert seine Argumentation schon daran, dass es hier bei der bloßen Behauptung bleibt, ohne dass näher ausgeführt würde, worin eine Widersprüchlichkeit liegen würde.
14 Mit seinen Zulässigkeitsausführungen vermag der Revisionswerber somit nicht aufzuzeigen, dass das Verwaltungsgericht die im gegenständlichen Fall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte.
15 Wenn die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Verwaltungsgericht sei nicht auf die Fragestellungen des Revisionswerbers eingegangen, macht sie damit einem Verfahrensmangel geltend, dem es an der nötigen Relevanzdarstellung fehlt. Dabei muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch schon in der abgesonderten Zulassungsbegründung die Relevanz dieses Verfahrensmangels, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. , mwN). Darüber hinaus wurde das lärmtechnische Sachverständigengutachten in der Verhandlung vom umfassend erörtert und im Verhandlungsprotokoll festgehalten, dass keine Fragen mehr offen seien. Auch nach Erstattung des humanmedizinischen Gutachtens in der Verhandlung vom wurden laut Protokoll keine weiteren Beweisanträge gestellt.
16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022060318.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-45901