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VwGH 02.05.2023, Ra 2022/06/0219

VwGH 02.05.2023, Ra 2022/06/0219

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
AVG §8
BauG Stmk 1995 §26
BauG Stmk 1995 §27 Abs1
BauG Stmk 1995 §27 Abs4
BauG Stmk 1995 §4 Z44
BauRallg
RS 1
Der in § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 enthaltenen Begriffsdefinition kommt keine eigenständige normative Bedeutung zu; eine solche wird erst im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die diesen Begriff verwenden, bewirkt (vgl. , mwN). Solche Regelungen sind unter anderem § 26 Stmk BauG 1995, welcher die den Nachbarn zustehenden Rechte normiert, § 27 Abs. 1 Stmk BauG 1995G, welcher den Verlust der Parteistellung der Nachbarn bei nicht fristgerechter Erhebung von Einwendungen regelt, sowie die Bestimmung des § 27 Abs. 4 Stmk BauG 1995 betreffend die Rechtsstellung übergangener Nachbarn. Alle diese Regelungen knüpfen an den Begriff des Nachbarn an, der in § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 definiert wird. Nach dem insoweit klaren Wortlaut dieser Bestimmung werden vom Begriff "Nachbar" zwei Gruppen von Grundstückseigentümern (Bauberechtigten) erfasst, nämlich jene, deren Grundfläche unmittelbar an den Bauplatz angrenzt und jene, deren Grundfläche zum Bauplatz in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass unter anderem die in dieser Bestimmung näher beschriebenen Einwirkungen auf diese Grundfläche ausgehen können. Gemäß § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 sind somit die Eigentümer der unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen (Anrainer) jedenfalls Nachbarn und damit Partei des Baubewilligungsverfahrens.
Normen
AVG §8
BauG Stmk 1995 §26
BauG Stmk 1995 §27 Abs4
BauG Stmk 1995 §4 Z44
RS 2
Die in § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 enthaltene Definition des Begriffes "Nachbar", nach welcher (unter anderem) die Eigentümer der unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen jedenfalls - ohne weitere Voraussetzung - als Nachbar anzusehen sind, gilt mangels abweichender Regelung auch für Änderungsverfahren sowie im Fall von übergangenen Nachbarn, woran verfahrensökonomischen Überlegungen nichts zu ändern vermögen.
Normen
AVG §8
BauG Stmk 1995 §26
BauG Stmk 1995 §27 Abs1
BauG Stmk 1995 §27 Abs4
BauG Stmk 1995 §4 Z44
BauRallg
RS 3
Gegenstand eines Verfahrens zur Änderung einer bereits erteilten Baubewilligung sind die beantragten Änderungen und nicht der bereits bewilligte Bestand, sodass die geäußerte Befürchtung, es könnten im Änderungsverfahren sämtliche Einwendungen nochmals vorgetragen werden, nicht zutrifft. Daher ist auch eine vor diesem Hintergrund vom Revisionswerber im Hinblick auf die Baufreiheit eines Bauwerbers aus verfassungsrechtlichen Gründen geforderte teleologische Reduktion des § 4 Z 44 Stmk BauG 1995 nicht geboten, zumal auch der unmittelbar angrenzende Nachbar zur Beibehaltung seiner Parteistellung gemäß § 27 Abs. 1 Stmk BauG 1995 (bzw. der übergangene Nachbar gemäß § 27 Abs. 4 Stmk BauG 1995) Einwendungen im Sinn des § 26 Stmk BauG 1995 erheben muss, welche im Bewilligungsverfahren zu prüfen sind.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des Stadtsenats der Landeshauptstadt Graz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 41.37-3038/2021-6, betreffend Feststellung der Parteistellung (weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: DI Dr. A P in W, vertreten durch die Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 2), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Revisionswerbers vom wurde Ing. K. die Bewilligung für die Errichtung eines Wohngebäudes mit sieben Wohneinheiten, einer Tiefgarage mit 17 Pkw-Abstellflächen, einer Lärmschutzwand sowie für Geländeveränderungen unter Auflagen auf einem näher bezeichneten Grundstück erteilt. Das diesbezügliche verwaltungsbehördliche Verfahren wurde unter Beiziehung des Mitbeteiligten als Partei durchgeführt. Die vom Mitbeteiligten in diesem Verfahren erhobenen Einwendungen wurden als unzulässig zurückgewiesen oder als unbegründet abgewiesen.

2 Mit Bescheid vom bewilligte der Revisionswerber der S. GmbH in Abänderung des Baubewilligungsbescheids vom den Umbau des Wohnhauses mit einer Änderung der Wohnungsgrundrisse, einer Änderung der Erschließungstreppe, einem Zubau durch teilweises Schließen der Baukörper, der Reduzierung um zwei Pkw-Abstellplätze in der Tiefgarage, der Errichtung einer Nebentreppe zur Erschließung des Dachs und der Errichtung von zwei Rauchfängen. Der Mitbeteiligte wurde im diesbezüglichen verwaltungsbehördlichen Verfahren nicht als Partei beigezogen.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (im Folgenden: Verwaltungsgericht) wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Revisionswerbers vom , mit dem sein Antrag auf Feststellung der Parteistellung im verwaltungsbehördlichen Verfahren betreffend die Änderungsbewilligung vom - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - zurückgewiesen worden war, stattgegeben und der angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als festgestellt wurde, dass dem Mitbeteiligten im Verfahren betreffend die Bewilligung der Planänderung zum gegenständlichen Bauvorhaben Parteistellung zuerkannt werde.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, der Legaldefinition des § 4 Z 44 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) komme keine eigenständige normative Bedeutung zu, diese sei mit § 26 Abs. 1 Stmk. BauG in Relation zu setzen, in der die Nachbarrechte taxativ aufgezählt würden. Erst wenn die Nachbarrechte nach § 26 Abs. 1 Stmk. BauG berührt würden, könne die Parteistellung eines anrainenden Nachbarn iSd § 4 Z 44 Stmk. BauG aktiviert werden. In der Bestimmung des § 26 Abs. 1 Stmk. BauG werde explizit an die Begriffsdefinition des Nachbarn angeknüpft und damit eine Konkretisierung der Rechtslage herbeigeführt. Durch die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichts entstehe ein enorm großer und regelmäßig auch unnötiger Verfahrensaufwand. Im Regelfall seien bei Änderungsprojekten die Nachbarrechte nicht berührt, was der vorliegende Fall anschaulich belege. Es werde dem Nachbarn nunmehr ein Forum gegeben, sämtliche Einwendungen noch einmal vortragen zu können, obwohl deren Berechtigung schon im Ausgangsverfahren vollständig und rechtskräftig ausgeräumt worden sei.

8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa , mwN).

9 Dies ist hier der Fall: Wie der Revisionswerber zunächst zutreffend vorbringt, kommt der in § 4 Z 44 Stmk. BauG enthaltenen Begriffsdefinition keine eigenständige normative Bedeutung zu; eine solche wird erst im Zusammenhang mit anderen Regelungen, die diesen Begriff verwenden, bewirkt (vgl. , mwN). Solche Regelungen sind unter anderem § 26 Stmk. BauG, welcher die den Nachbarn zustehenden Rechte normiert, § 27 Abs. 1 Stmk. BauG, welcher den Verlust der Parteistellung der Nachbarn bei nicht fristgerechter Erhebung von Einwendungen regelt, sowie die im Revisionsfall maßgebliche Bestimmung des § 27 Abs. 4 BauG betreffend die Rechtsstellung übergangener Nachbarn. Alle diese Regelungen knüpfen an den Begriff des Nachbarn an, der in § 4 Z 44 Stmk. BauG definiert wird. Nach dem insoweit klaren Wortlaut dieser Bestimmung werden vom Begriff „Nachbar“ zwei Gruppen von Grundstückseigentümern (Bauberechtigten) erfasst, nämlich jene, deren Grundfläche unmittelbar an den Bauplatz angrenzt und jene, deren Grundfläche zum Bauplatz in einem solchen räumlichen Naheverhältnis steht, dass unter anderem die in dieser Bestimmung näher beschriebenen Einwirkungen auf diese Grundfläche ausgehen können. Gemäß § 4 Z 44 Stmk. BauG sind somit die Eigentümer der unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen (Anrainer) jedenfalls Nachbarn und damit Partei des Baubewilligungsverfahrens (vgl. auch Trippl/Schwarzbeck/Freiberger, Steiermärkisches Baurecht5, Anm. 54 zu § 4 Stmk. BauG). Aus der in der Zulässigkeitsbegründung zitierten hg. Judikatur (Hinweis auf , und ) ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen, weil den in den dortigen Fällen anzuwendenden Rechtsvorschriften keine dem § 4 Z 44 Stmk. BauG vergleichbare Regelung zugrunde lag.

10 Diese in § 4 Z 44 Stmk. BauG enthaltene Definition des Begriffes „Nachbar“, nach welcher (unter anderem) die Eigentümer der unmittelbar an den Bauplatz angrenzenden Grundflächen jedenfalls - ohne weitere Voraussetzung - als Nachbar anzusehen sind, gilt mangels abweichender Regelung auch für Änderungsverfahren sowie im Fall von übergangenen Nachbarn, woran die vom Revisionswerber angestellten verfahrensökonomischen Überlegungen nichts zu ändern vermögen. Im Übrigen ist im Hinblick auf das Vorbringen des Revisionswerbers zu bemerken, dass Gegenstand eines Verfahrens zur Änderung einer bereits erteilten Baubewilligung die beantragten Änderungen sind und nicht der bereits bewilligte Bestand, sodass die geäußerte Befürchtung, es könnten im Änderungsverfahren sämtliche Einwendungen nochmals vorgetragen werden, nicht zutrifft. Daher ist auch eine vor diesem Hintergrund vom Revisionswerber im Hinblick auf die Baufreiheit eines Bauwerbers aus verfassungsrechtlichen Gründen geforderte teleologische Reduktion des § 4 Z 44 Stmk. BauG nicht geboten, zumal auch der unmittelbar angrenzende Nachbar zur Beibehaltung seiner Parteistellung gemäß § 27 Abs. 1 Stmk. BauG (bzw. der übergangene Nachbar gemäß § 27 Abs. 4 Stmk. BauG) Einwendungen im Sinn des § 26 Stmk. BauG erheben muss, welche im Bewilligungsverfahren zu prüfen sind.

11 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
AVG §8
BauG Stmk 1995 §26
BauG Stmk 1995 §27 Abs1
BauG Stmk 1995 §27 Abs4
BauG Stmk 1995 §4 Z44
BauRallg
Schlagworte
Baubewilligung BauRallg6 Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022060219.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
PAAAF-45899