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VwGH 03.10.2022, Ra 2022/06/0008

VwGH 03.10.2022, Ra 2022/06/0008

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2
WEG 2002
RS 1
Nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk BauG 1995 ist - wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist - für das Stellen eines Bauansuchens in jedem Fall "die Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen bei Miteigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz 2002" ausreichend. Die Frage, wie der geforderte Nachweis im Fall von Miteigentum nach dem WEG 2002 zu erbringen ist, wurde vom Landesgesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt (vgl. , Rn. 24, betreffend die Rechtslage nach der NÖ BauO 2014). Daraus folgt, dass die Baubehörde bzw. das LVwG im Rahmen der Vollziehung des Stmk BauG 1995 nur zu prüfen hat, ob bei Vorliegen von Wohnungseigentum iSd WEG 2002 die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer - gemessen an den Liegenschaftsanteilen - nachgewiesen wurde, nicht aber, ob diese Zustimmung den Bestimmungen des WEG 2002 entsprechend zustande kam. Die Bezugnahme in § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk BauG 1995 auf das WEG 2002 - ohne Nennung eines konkreten Paragraphen - kann nur als Klarstellung dahingehend verstanden werden, dass die Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen nur dann ausreicht, wenn Miteigentum nach dem WEG 2002 - also Wohnungseigentum - vorliegt, nicht aber bei "schlichtem" Miteigentum; ihr kann nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass die Regeln zur Willensbildung gemäß WEG 2002 von der Baubehörde in Vollziehung des § 22 Stmk BauG 1995 zu prüfen wären.
Normen
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2
VwRallg
WEG 2002
RS 2
Der Ausschussbericht zu § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG 1995 (AB EZ 3308/9, 17. GPStLT, 9), lautet: "Für das Baubewilligungsverfahren soll die erforderliche Zustimmung der Miteigentümer nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes genügen." Diese Formulierung steht mit dem Wortlaut des Gesetzestextes, wonach die Zustimmung der Anteilsmehrheit auch für eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung ausreicht und somit diesbezüglich das Zustimmungsquorum abweichend von jenem des WEG 2002 festgelegt wurde, nicht im Einklang. Daher kann dem Ausschussbericht keine maßgebliche Bedeutung für die Auslegung dieser Bestimmung beigemessen werden.
Normen
AVG §8
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2
BauG Stmk 1995 §26
RS 3
Die taxative Aufzählung der Nachbarrechte in § 26 Stmk BauG 1995 umfasst nicht die Frage, ob dem Bauansuchen auch die erforderliche Zustimmungserklärung der Miteigentümer beiliegt. Dem Miteigentümer kommt im Hinblick darauf, ob eine liquide Zustimmung der Grundeigentümer vorliegt, Parteistellung zu.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des J C in G, vertreten durch Mag. Dr. Regina Schedlberger, Rechtsanwältin in 8045 Graz, Andritzer Reichsstraße 42, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , LVwG 50.4-2656/2020-17, betreffend eine baurechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtsenat der Stadt Graz; mitbeteiligte Partei: D M M, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid und Mag. Gerhard Kuntner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Frauengasse 7; weitere Partei: Steiermärkische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Graz (Behörde) vom , mit dem der Mitbeteiligten die Baubewilligung für eine seit vielen Jahren bestehende „Nebenstiege aus Stahl und deren Adaptierung gemäß ÖNORM“ von der südseitigen Terrasse der im Hochparterre gelegenen Wohnung auf die Allgemeinfläche erteilt worden war, als unbegründet ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, gemäß § 22 Abs. 2 Z 2 Steiermärkisches Baugesetz (Stmk. BauG) müsse einem Bauansuchen, wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter sei, u.a. die Zustimmung „der Mehrheit nach Anteilen bei Miteigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz 2002“ (WEG 2002) angeschlossen werden. Die vorgelegte Zustimmungserklärung, wonach - gemessen an den Liegenschaftsanteilen - 57,62 % der Miteigentümer dem Bauansuchen zugestimmt hätten, entspreche den Formalerfordernissen des § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG.

§ 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG sei durch die - im gegenständlichen Verfahren anzuwendende - Novelle LGBl. Nr. 11/2020 (im Folgenden: Novelle 2020) insofern geändert worden, als die Wortfolge „oder die Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen bei Miteigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz 2002“ angefügt worden sei. Dies sei als Reaktion auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Vorgängerbestimmung erfolgt, der zufolge nach den anzuwendenden zivilrechtlichen Regelungen (ABGB, WEG) zu prüfen gewesen sei, ob - abhängig von der Art des Bauvorhabens - die Zustimmung aller Miteigentümer oder nur einer Mehrheit erforderlich gewesen sei (Hinweis auf ). Der Baugesetzgeber habe die baurechtlichen Zustimmungserfordernisse für ein Bauvorhaben mit der Baugesetznovelle 2020 von jenen nach dem WEG 2002 oder dem ABGB entkoppelt, sodass das baurechtliche Zustimmungserfordernis unabhängig von der Frage zu beurteilen sei, ob die erteilte Baubewilligung auch in zivilrechtlicher Sicht konsumiert werden könne (Hinweis auf ). Dies ergebe sich auch aus dem Ausschussbericht zu § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG (AB EZ 3308/9, 17. GPStLT, 9), wonach die erforderliche Zustimmung nach den Bestimmungen des WEG genügen solle (Hervorhebung im Original). Aufgrund des klaren Wortlautes bedürfe es - aus baurechtlicher Sicht - keiner weiteren Auslegung der Zustimmungserfordernisse nach den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften unter Berücksichtigung der Art des Bauvorhabens.

5 In der Zulässigkeitsbegründung wird vorgebracht, es fehle hg. Rechtsprechung zu § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG idF der Novelle 2020. Aus dem Ausschussbericht ergebe sich explizit, dass die erforderliche Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer nach den Bestimmungen des WEG (Hervorhebung im Original) genüge; die Zustimmung werde also ausdrücklich mit den Bestimmungen des WEG verknüpft. Der Novelle 2020 zum Stmk. BauG zufolge solle demnach ein Mehrheitsbeschluss der Miteigentümer ausreichen, die Regeln zur Willensbildung gemäß §§ 24 und 29 WEG 2002 sollten jedoch weiterhin eingehalten werden.

6 Dazu ist zunächst festzuhalten, dass dann, wenn die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig ist, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegt, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen wäre (vgl. etwa , mwN).

7 Nach dem insoweit klaren Wortlaut des § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG ist - wenn der Bauwerber nicht selbst Grundeigentümer oder Bauberechtigter ist - für das Stellen eines Bauansuchens in jedem Fall „die Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen bei Miteigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz 2002“ ausreichend. Die Frage, wie der geforderte Nachweis im Fall von Miteigentum nach dem WEG 2002 zu erbringen ist, wurde vom Landesgesetzgeber nicht ausdrücklich geregelt (vgl. , Rn. 24, betreffend die Rechtslage nach der Niederösterreichischen Bauordnung). Daraus folgt, dass die Baubehörde bzw. das LVwG im Rahmen der Vollziehung des Stmk. BauG nur zu prüfen hat, ob bei Vorliegen von Wohnungseigentum iSd WEG 2002 die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer - gemessen an den Liegenschaftsanteilen - nachgewiesen wurde, nicht aber, ob diese Zustimmung den Bestimmungen des WEG 2002 entsprechend zustande kam. Die Bezugnahme in § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG auf das WEG 2002 - ohne Nennung eines konkreten Paragraphen - kann nur als Klarstellung dahingehend verstanden werden, dass die Zustimmung der Mehrheit nach Anteilen nur dann ausreicht, wenn Miteigentum nach dem WEG 2002 - also Wohnungseigentum - vorliegt, nicht aber bei „schlichtem“ Miteigentum; ihr kann nicht die Bedeutung beigemessen werden, dass die Regeln zur Willensbildung gemäß WEG 2002 von der Baubehörde in Vollziehung des § 22 Stmk. BauG zu prüfen wären.

8 Der Ausschussbericht zu § 22 Abs. 2 Z 2 Stmk. BauG (AB EZ 3308/9, 17. GPStLT, 9), auf den sich sowohl das LVwG als auch der Revisionswerber berufen, lautet:

„Für das Baubewilligungsverfahren soll die erforderliche Zustimmung der Miteigentümer nach den Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes genügen.“

Diese Formulierung steht mit dem Wortlaut des Gesetzestextes, wonach die Zustimmung der Anteilsmehrheit auch für eine Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung ausreicht und somit diesbezüglich das Zustimmungsquorum abweichend von jenem des WEG 2002 festgelegt wurde, nicht im Einklang. Daher kann dem Ausschussbericht keine maßgebliche Bedeutung für die Auslegung dieser Bestimmung beigemessen werden.

9 Der Revisionswerber bringt in der Zulässigkeitsbegründung weiter vor, die Wohnung eines anderen Nachbarn (des Herrn F.) könne durch die verfahrensgegenständliche Stiege ebenfalls erreicht werden; diesbezüglich stehe dem Revisionswerber „als weiterem Nachbar“ ein „subjektiv-öffentliches Recht des Nachbarn“ betreffend die Frage, ob ein Bauansuchen von allen Personen gestellt worden sei, „welches auch aus § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG entspringt“, zu.

Es kann dahinstehen, ob der Revisionswerber mit diesem Vorbringen tatsächlich Nachbarrechte im Sinn des § 26 Stmk. BauG oder seine Rechte als Miteigentümer geltend machen wollte, weil es in beiden Fällen nicht zielführend ist. Die taxative Aufzählung der Nachbarrechte in § 26 Stmk. BauG umfasst nicht die Frage, ob dem Bauansuchen auch die erforderliche Zustimmungserklärung der Miteigentümer beiliegt. Als Miteigentümer kommt dem Revisionswerber im Hinblick darauf, ob eine liquide Zustimmung der Grundeigentümer vorliegt, zwar Parteistellung zu; der Revisionswerber bestreitet aber nicht, dass 57,62 % der Miteigentümer - gemessen an den Liegenschaftsanteilen - dem Bauansuchen zugestimmt hätten. Abgesehen davon erklärte Herr F. den vorgelegten Verfahrensunterlagen zufolge ohnehin seine Zustimmung zur Antragstellung.

10 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 

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Normen
AVG §8
BauG Stmk 1995 §22 Abs2 Z2
BauG Stmk 1995 §26
VwRallg
WEG 2002
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022060008.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-45887

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