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VwGH 22.06.2023, Ra 2022/05/0030

VwGH 22.06.2023, Ra 2022/05/0030

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art133 Abs6 Z2
B-VG Art133 Abs8
LVwGG OÖ 2014 §14 Abs1 Z2
VwGG §28 Abs1 Z5
RS 1
Bei der Ausübung der der vor dem VwG belangten Behörde (hier ebenso: der Landesregierung) im Rahmen ihrer Amtsrevision zukommenden Parteistellung im Verfahren vor dem VwGH geht es nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte dieser Behörde, zumal im Fall einer Amtsrevision an die Stelle der Angabe des Revisionspunktes die Erklärung über den Umfang der Anfechtung tritt. Der Amtsrevisionswerber kann vor dem VwGH uneingeschränkt Revision wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erheben. Er kann somit die verwaltungsgerichtliche Entscheidung dahingehend bekämpfen, ob diese rechtsrichtig ergangen ist, wobei der Rahmen der Überprüfung seitens des VwGH durch die Anfechtungserklärung in der Amtsrevision begrenzt wird. In diesem Rahmen steht es ihm offen, Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit des VwG als auch bezüglich des Inhalts und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, das der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegt, geltend zu machen (vgl. etwa ; , Ra 2020/14/0341, jeweils zu einer Amtsrevision der vor dem VwG belangten Behörde).
Normen
BauO OÖ 1994 §38 Abs7
BauRallg
RS 2
Gemäß § 38 Abs. 7 OÖ BauO 1994 erlischt eine Baubewilligung jedenfalls mit der Beseitigung des auf Grund dieser Baubewilligung ausgeführten Bauvorhabens. Eine solche Beseitigung ist gegeben, wenn das ursprünglich vorhandene Gebäude nahezu vollständig abgebrochen wird (vgl. ; , 2005/05/0176; , 2006/05/0272). Der Grund für die Beseitigung des alten Gebäudes spielt dabei keine Rolle (vgl. wiederum ).
Normen
BauRallg
BauTG OÖ 1994 §2 Z32a
BauTG OÖ 2013 §2 Z19
RS 3
Gemäß § 2 Z 19 OÖ BauTG 2013 ist ein Neubau die Herstellung von neuen Gebäuden sowie von Gebäuden, bei denen nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder die bestehenden tragenden Außenbauteile ganz oder teilweise wieder benützt werden. Von einem Neubau kann nur dann nicht mehr gesprochen werden, wenn noch aufgehendes Mauerwerk so weit vorhanden ist, dass ohne weitere Baumaßnahmen dieses für den Wiederaufbau verwendet werden kann, ohne dass zur Gewährleistung der Standfestigkeit substanzielle Eingriffe in das Mauerwerk vorgenommen werden müssen (vgl. zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 2 Z 32a OÖ BauTG 1994 ).
Normen
BauO OÖ 1994 §24
BauO OÖ 1994 §38 Abs7
BauRallg
BauTG OÖ 2013 §2 Z19
RS 4
War der Baubestand mit Ausnahme der Steinfundamente sowie der nordwestlichen Holzlage (eines Zubaus) komplett abgetragen worden, ist die Beurteilung, wonach die ursprüngliche Baubewilligung für das Wochenendhäuschen erloschen ist, zutreffend. In einem solchen Fall stellt die Wiedererrichtung eines Gebäudes einen Neubau dar, der einer Baubewilligung bedarf (vgl. etwa ; idS auch ).
Normen
BauO OÖ 1994 §25 Abs1 Z3 litb
BauRallg
RS 5
Die geplante Wiedererrichtung ein nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b OÖ BauO 1994 (bloß) anzeigepflichtiges Bauvorhaben setzt das Bestehen eines Baukonsenses für das zu ändernde bzw. instand zu setzende Gebäude begrifflich voraus (vgl. etwa ; sowie zu Wien , jeweils mwN).
Normen
BauO OÖ 1994 §38 Abs7
BauRallg
BauTG OÖ 2013 §2 Z19
RS 6
Ein Um- oder Zubau eines Gebäudes setzt aber ein bestehendes konsentiertes Gebäude voraus (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/06/0180, sowie das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/06/0101). Allein durch den erfolgten Abbruch des für einen Zu- und Umbau geplanten Gebäudes ist daher das vom Beschwerdeführer eingereichte Bauvorhaben nicht mehr bewilligungsfähig.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2006/05/0139 E RS 3
Normen
BauO OÖ 1994 §24 Abs1 Z1
BauRallg
RS 7
Mangelt es an einem konsentierten Bau, zu dem ein Zubau erfolgen könnte, kann eine auf Zu- und Umbau beschränkte Baubewilligung rechtmäßig nicht konsumiert werden (vgl. ).
Normen
BauO OÖ 1994 §24 Abs1 Z1
BauO OÖ 1994 §25 Abs1 Z3 litb
BauRallg
RS 8
Die bloße Anordnung, dass vor Beginn der den Bestand ändernden Bauausführung nicht mehr funktionelle Bauteile aus statischen Gründen zu unterfangen, zu verstärken oder zu ersetzen sind, sagt nichts darüber aus, ob hierüber ein Anzeige- oder Bewilligungsverfahren abzuführen ist; diese Frage ist anhand der baurechtlichen Vorschriften zu beurteilen.
Normen
AVG §59 Abs1
BauO OÖ 1994 §35 Abs2
BauRallg
VwRallg
RS 9
Auflagen sind bereits ihrer Rechtsnatur nach bedingte Polizeibefehle, die sich (erst) bei Konsumierung des betreffenden Rechtes in unbedingte wandeln. Mit einer Baubewilligung wird das subjektiv-öffentliche Recht verliehen, einen Bau nach Maßgabe der bewilligten Pläne zu errichten (vgl. etwa ); es handelt sich dabei - anders als bei einer Auflage - um eine Berechtigung, und nicht um eine Verpflichtung. Eine Auflage, die nur einen bedingten Polizeibefehl darstellt, kann von vornherein keine Bewilligung beinhalten (vgl. bereits ).
Normen
AVG §59
BauO OÖ 1994 §35 Abs2
BauRallg
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
RS 10
Die Erteilung von projektändernden Auflagen, die das Bauvorhaben in wesentlichen Teilen oder hinsichtlich des Verwendungszwecks verändern, ist unzulässig (vgl. ). Eine Auflage, die im Baubewilligungsbescheid für eine Änderung des Wochenendhäuschens bzw. einen Zubau enthalten ist, kann sich zulässigerweise nur auf dieses Vorhaben beziehen, nicht aber auf ein anderes (vgl. zur Identität der Sache etwa ). Weder darf sie das Projekt, auf das sie sich bezieht, im oben genannten Sinn ändern, noch vermag sie - als Nebenbestimmung - eine, neben den Hauptinhalt des Spruchs hinzutretende, eigenständige Berechtigung zu verleihen.

Entscheidungstext

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

Ra 2022/05/0031

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger, Mag. Liebhart-Mutzl, Dr.in Sembacher und Dr.in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revisionen 1. der Oberösterreichischen Landesregierung (zu Ra 2022/05/0030), und 2. des Bürgermeisters der Gemeinde V, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair, Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 27 (zu Ra 2022/05/0031), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom , LVwG-153250/3/MK/GSc, betreffend Untersagung der Ausführung eines Bauvorhabens (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht [zu Ra 2022/05/0030]: Bürgermeister der Gemeinde V; mitbeteiligte Partei: Mag. Dr. U Q in W, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, LL.M, MAS, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Antrag des Bürgermeisters der Gemeinde V auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingabe vom erstattete die Mitbeteiligte Anzeige über die Renovierung der im (bewilligten) Einreichplan vom als Bestand (in grauer Farbe) ausgewiesenen Wände eines in ihrem Eigentum stehenden Gebäudes gemäß § 25 Abs. 1 „Z 2a-15" Oö. Bauordnung 1994 - Oö. BauO 1994.

2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde V. (belangte Behörde im Verfahren Ra 2022/05/0030, gleichzeitig Revisionswerber im Verfahren Ra 2022/05/0031, im Folgenden: Zweitrevisionswerber) vom wurde der Mitbeteiligten die angezeigte Bauausführung gemäß § 25a Abs. 1 Z 3 Oö. BauO 1994 untersagt, weil durch den bereits erfolgten Abbruch der im Einreichplan vom als Bestand ausgewiesenen Mauern der baurechtliche Konsens für den Altbestand jedenfalls erloschen sei, weshalb die angezeigte Renovierung zu untersagen gewesen sei.

3 Der dagegen von der Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde, die sich im Wesentlichen auf die Erforderlichkeit der Abtragung des Bestands aufgrund des erst bei Beginn der Bauarbeiten erkannten Holzschwammbefalls stützte, gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom statt, behob den mit Beschwerde bekämpften Bescheid des Zweitrevisionswerbers vom ersatzlos und wies die Bauanzeige vom als (wegen entschiedener Sache) unzulässig zurück. Weiters erklärte das Verwaltungsgericht eine Revision gegen diese Entscheidung für unzulässig.

4 Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, die Mitbeteiligte sei Eigentümerin eines näher bezeichneten Grundstücks mit einem (bis zu den Abbrucharbeiten) darauf befindlichen Objekt. Die Liegenschaft sei im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde V. als Grünland ausgewiesen. Das betroffene Objekt, ein „Wochenendhäuschen“, sei mit Bescheid vom baubehördlich bewilligt worden. Nach einem mit Bescheid vom bewilligten Zubau eines Gebäudeteils mit Pultdach (Holzlage) seien mit weiterem Bescheid des Zweitrevisionswerbers vom ein Zubau und bauliche Änderungen am Wochenendhäuschen baubehördlich genehmigt worden. Dem sei ein Einreichplan vom zugrunde gelegen, wonach an der Südostseite des Gebäudes ein Zubau in Holzriegelbauweise mit den Abmessungen 6,75m x 2,50m errichtet werden solle. Über dem Altbestand und dem zu errichtenden Zubau solle dann eine neue Satteldachkonstruktion mit Dachgaupen ausgeführt werden. Im neuen Gebäudeteil seien ein Bad, ein WC, eine Sauna und - zwecks Erschließung des Dachbodens - eine Nebentreppe geplant. Abgesehen davon solle auch ein neuer Kamin (zentral im Bestand) errichtet werden. Abgebrochen werden sollten der angebaute Gebäudeteil im Südosten, die Dachkonstruktion, die Zwischenwände im Innenraum sowie Bereiche der nord- und südöstlichen Außenwand. Die nord- und südwestliche Außenwand sowie die nordwestlich angebaute Holzlage sollten bestehen bleiben.

5 In den Auflagen zu Spruchpunkt I. dieser Baubewilligung vom sei unter anderem vorgeschrieben worden:

„3) Der Bauführer hat vor Baubeginn (Abbruch- und Bauarbeiten) alle vom Bauvorhaben betroffenen, tragenden Bauteile des ‚Baubestandes‘ auf ihre Tragfähigkeit zu überprüfen, erforderlichenfalls zu unterfangen, zu verstärken oder durch entsprechend tragfähige Teile zu ersetzen.“

6 Im Rahmen der Bauaufsicht sei vom Zweitrevisionswerber bei einem Lokalaugenschein am festgestellt worden, dass der Baubestand mit Ausnahme der nordwestlichen Holzlage sowie der Steinfundamente komplett abgetragen worden sei. Die Steinfundamentierung (Streifenfundamente mit Naturstein) sei mit Ausnahme von Durchbrüchen im südöstlichen Bereich belassen worden. Zudem sei festgestellt worden, dass mit der Ausführung von Bauarbeiten zwecks - nicht identer - Wiedererrichtung des abgetragenen Bestands begonnen worden sei.

7 Die Abtragung des gegenständlichen Altbestands sei aufgrund des Befalls der Gebäudesubstanz mit echtem „Holzschwamm“ erfolgt. Sowohl die Außenwände als auch teilweise die Innenwände und Teile der Decken- und Dachkonstruktion des Bestands seien infolge des durch die Schattenlage des Gebäudes begünstigten Feuchteeintrags sowie der fehlenden horizontalen Feuchtigkeitsisolierung zwischen Fundament und Holzbauteilen mit Braun- und Moderfäule durchsetzt und stark mit echtem „Hausschwamm“, einem holzzerstörenden Pilz, befallen gewesen, weshalb die Tragfähigkeit der Außenwände dadurch nicht mehr gegeben gewesen sei.

8 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, im gegenständlichen Fall sei das mit Bescheid vom bewilligte Wochenendhäuschen bis auf die nichtraumbildenden Steinfundamente, und damit nahezu vollständig, abgetragen worden. Die bestehen gebliebene nordwestliche Holzlage sei erst zu einem späteren Zeitpunkt eigenständig bewilligt worden, nämlich mit Bescheid vom , weshalb diese bei der Beurteilung des rechtlichen Schicksals der Baubewilligung aus dem Jahr 1949 keine Berücksichtigung finde. Im Lichte der näher dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sei daher mit dem nahezu vollständigen Abbruch des Wochenendhäuschens der bis dahin aufrechte, mit Bescheid vom erteilte baurechtliche Konsens untergegangen. Dabei habe außer Betracht zu bleiben, dass die Komplettabtragung aufgrund eines erst im Zuge der Abbrucharbeiten vollständig feststellbaren Holzschwammbefalls der gesamten Gebäudesubstanz erfolgt sei.

9 Die Baubewilligung vom habe die Errichtung eines Zubaus sowie bauliche Änderungen am Bestand erfasst. Der unberührt bleibende Bestand sei entsprechend der Bestimmung des § 23 Abs. 1 Oö. Bautechnikverordnung 2013 in der Farbe „Grau“ dargestellt worden. Die derart als Bestand dargestellten raumbildenden Elemente des Gebäudes hätten daher aufgrund des der Bewilligung vom zugrunde gelegten Einreichplans vom nicht abgetragen werden dürfen.

10 Allerdings sei der Auflagenpunkt 3) des Bewilligungsbescheides vom derart auszulegen, dass damit das verpflichtend vorzunehmende Unterfangen, Verstärken oder Ersetzen nicht mehr tragfähiger tragender Bauteile des Bestands grundsätzlich - zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids vom  - „mitbewilligt“ worden sei. Mit der Auflage 3) der Baubewilligung vom sei für die damit aufgetragenen Maßnahmen zur Instandsetzung betroffener tragender Bauteile des Bestands auch bereits der baurechtliche Konsens zumindest insoweit miterteilt worden, als sie - wie in casu - unter die Anzeigepflicht des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b Oö. BauO 1994 fielen.

11 Die Mitbeteiligte habe mit der nunmehr beabsichtigten identen Wiederherstellung des baufälligen, abgetragenen Bestands den Vorgaben der gegenständlichen Auflage entsprochen.

12 Mit der geplanten Wiedererrichtung (nach Abtragung) habe die Mitbeteiligte daher ein nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b Oö. BauO 1994 anzeigepflichtiges Bauvorhaben realisiert. Da dabei den inhaltlichen Vorgaben des Auflagenpunkts 3) der Baubewilligung vom entsprochen worden sei, sei die Maßnahme infolge der zugunsten der Mitbeteiligten auszulegenden Auflage durch diese bereits nach den genannten Bestimmungen konsentiert, weshalb die gegenständliche Bauanzeige vom wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen sei.

13 Gegen dieses Erkenntnis richten sich die vorliegenden Amtsrevisionen, die sich in ihren Zulässigkeitsbegründungen unter anderem gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Auflage 3) des Baubewilligungsbescheides vom wenden, auf deren Grundlage das Verwaltungsgericht das Vorliegen einer entschiedenen Sache annahm.

14 Der Zweitrevisionswerber hat im Verfahren über die Amtsrevision der Oö. Landesregierung (im Verfahren Ra 2022/05/0030) eine Revisionsbeantwortung erstattet. Darin wird beantragt, die Amtsrevision der Erstrevisionswerberin zuzulassen und ihr Folge zu geben, sowie dem Zweitrevisionswerber den Schriftsatzaufwand für die Erstattung der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

15 Die Mitbeteiligte erstattete in beiden Verfahren Revisionsbeantwortungen mit den Anträgen, die Revision zurück- oder abzuweisen sowie ihr Aufwandersatz zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Verbindung der Revisionen aufgrund ihres sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen:

16 Zunächst wird darauf hingewiesen, dass die Auslegung des Inhaltes eines Bescheides in der Regel nicht über die Bedeutung im Einzelfall hinausgeht. Die Auslegung eines Bescheides ist nur dann revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. etwa ; , Ra 2022/06/0243; , Ra 2021/05/0170). Derartiges zeigen die Revisionen fallbezogen auf, weshalb sie sich als zulässig erweisen.

17 Die Mitbeteiligte vermag mit ihrem Vorbringen, den Amtsparteien mangle es an Revisionslegitimation, weil das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zum Nachteil der Mitbeteiligten abgeschlossen worden sei und zudem nur dem Spruch rechtsverbindliche Wirkung zukomme, wohingegen die Begründung eines Erkenntnisses nicht selbständig anfechtbar sei, die Unzulässigkeit der Revisionen nicht darzutun.

Vorauszuschicken ist, dass sich die Erstrevisionswerberin hinsichtlich ihrer Revisionslegitimation auf Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm § 14 Abs. 1 Z 2 Oö. Landesverwaltungsgerichtsgesetz und der Zweitrevisionswerber auf Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG stützen kann.

18 Bei der Ausübung der der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde (hier ebenso: der Landesregierung) im Rahmen ihrer Amtsrevision zukommenden Parteistellung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geht es nicht um die Geltendmachung subjektiver Rechte dieser Behörde, zumal im Fall einer Amtsrevision an die Stelle der Angabe des Revisionspunktes die Erklärung über den Umfang der Anfechtung tritt. Der Amtsrevisionswerber kann vor dem Verwaltungsgerichtshof uneingeschränkt Revision wegen behaupteter Rechtswidrigkeit erheben. Er kann somit die verwaltungsgerichtliche Entscheidung dahingehend bekämpfen, ob diese rechtsrichtig ergangen ist, wobei der Rahmen der Überprüfung seitens des Verwaltungsgerichtshofes durch die Anfechtungserklärung in der Amtsrevision begrenzt wird. In diesem Rahmen steht es ihm offen, Revisionsgründe (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) sowohl hinsichtlich der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts als auch bezüglich des Inhalts und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, das der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zugrunde liegt, geltend zu machen (vgl. etwa ; , Ra 2020/14/0341, jeweils zu einer Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde).

19 Die maßgeblichen Bestimmungen der Oö. Bauordnung 1994-Oö. BauO 1994 lauten:

§ 24

Bewilligungspflichtige Bauvorhaben

(1) Folgende Bauvorhaben bedürfen einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung), soweit die §§ 25 und 26 nichts anderes bestimmen:

1. der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;

[...]

§ 25

Anzeigepflichtige Bauvorhaben

(1) Folgende Bauvorhaben sind der Baubehörde vor Beginn der Bauausführung anzuzeigen (Bauanzeige), soweit § 26 nichts anderes bestimmt:

[...]

3. die nicht unter § 24 Abs. 1 Z 1 fallende

a) größere Renovierung von Gebäuden;

b) sonstige Änderung oder Instandsetzung von Gebäuden, wenn eine solche Baumaßnahme von Einfluss auf die Festigkeit tragender Bauteile, den Brandschutz, die gesundheitlichen oder hygienischen Verhältnisse oder das Orts- und Landschaftsbild ist oder das äußere Aussehen des Gebäudes wesentlich verändert;

[...]

§ 25a

Anzeigeverfahren

(1) Die Baubehörde hat innerhalb von acht Wochen ab Einlangen der vollständigen und ordnungsgemäß belegten Bauanzeige die Ausführung des Bauvorhabens zu untersagen, wenn

[…]

3. das angezeigte Bauvorhaben einer Bewilligung nach § 24 Abs. 1 bedarf oder

[…]

§ 38

Erlöschen der Baubewilligung

[...]

(7) Die Baubewilligung erlischt jedenfalls mit der Beseitigung des auf Grund der Baubewilligung ausgeführten Bauvorhabens.“

20 § 2 des Oö. Bautechnikgesetzes 2013-Oö. BauTG 2013 lautet:

§ 2

Begriffsbestimmungen

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeutet:

[...]

19. Neubau: die Herstellung von neuen Gebäuden sowie von Gebäuden, bei denen nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder die bestehenden tragenden Außenbauteile ganz oder teilweise wieder benützt werden;

[...]“

21 Das Verwaltungsgericht ging zunächst davon aus, dass mit dem nahezu vollständigen Abbruch des Wochenendhäuschens, hinsichtlich dessen die „Renovierung“ näher dargestellter Wände mit der verfahrensgegenständlichen Anzeige mitgeteilt worden war, der baurechtliche Konsens untergegangen sei. Die Mitbeteiligte bestreitet diese Rechtsfolge.

22 Gemäß 38 Abs. 7 Oö. BauO 1994 erlischt eine Baubewilligung jedenfalls mit der Beseitigung des auf Grund dieser Baubewilligung ausgeführten Bauvorhabens. Eine solche Beseitigung ist nach der hg. Judikatur gegeben, wenn das ursprünglich vorhandene Gebäude nahezu vollständig abgebrochen wird (vgl. ; , 2005/05/0176; , 2006/05/0272). Der Grund für die Beseitigung des alten Gebäudes spielt dabei keine Rolle (vgl. wiederum ).

23 Gemäß § 2 Z 19 Oö. BauTG 2013 ist ein Neubau die Herstellung von neuen Gebäuden sowie von Gebäuden, bei denen nach Abtragung bestehender baulicher Anlagen alte Fundamente oder die bestehenden tragenden Außenbauteile ganz oder teilweise wieder benützt werden. Von einem Neubau kann nur dann nicht mehr gesprochen werden, wenn noch aufgehendes Mauerwerk so weit vorhanden ist, dass ohne weitere Baumaßnahmen dieses für den Wiederaufbau verwendet werden kann, ohne dass zur Gewährleistung der Standfestigkeit substanzielle Eingriffe in das Mauerwerk vorgenommen werden müssen (vgl. zur insoweit vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 2 Z 32a Oö. Bautechnikgesetz neuerlich ).

24 Ausgehend vom festgestellten und von der Mitbeteiligten nicht bestrittenen Sachverhalt, wonach der Baubestand mit Ausnahme der Steinfundamente sowie der nordwestlichen Holzlage (eines Zubaus) komplett abgetragen worden war, ist die Beurteilung, wonach die ursprüngliche Baubewilligung für das Wochenendhäuschen erloschen ist, zutreffend. In einem solchen Fall stellt die Wiedererrichtung eines Gebäudes nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen Neubau dar, der einer Baubewilligung bedarf (vgl. etwa ; idS auch ). Dem Vorbringen der Mitbeteiligten in den Revisionsbeantwortungen, es sei durch die Auflage 3) des Bescheides vom eine „besondere Rechtslage“ eingetreten, die gerade nicht zum Erlöschen der Baubewilligung geführt habe, ist nicht zu folgen (vgl. dazu unten).

25 Soweit das Verwaltungsgericht trotz der zutreffenden Beurteilung, dass die ursprüngliche Baubewilligung für das Wochenendhäuschen erloschen ist, davon ausgeht, die geplante Wiedererrichtung sei ein nach § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b Oö. BauO 1994 (bloß) anzeigepflichtiges Bauvorhaben, übersieht es, dass ein solches das Bestehen eines Baukonsenses für das zu ändernde bzw. instand zu setzende Gebäude begrifflich voraussetzt (vgl. etwa ; sowie zu Wien , jeweils mwN).

26 Mit Bescheid des Zweitrevisionswerbers vom wurden ein Zubau und bauliche Änderungen am Wochenendhäuschen baubehördlich genehmigt. Ein rechtmäßiger Um- oder Zubau eines Gebäudes setzt ein bestehendes konsentiertes Gebäude voraus (vgl. auch dazu ; ebenso etwa ). Durch den erfolgten Abbruch des für einen Zu- und Umbau geplanten Gebäudes ist das eingereichte Bauvorhaben nicht mehr bewilligungsfähig (vgl. wiederum ). Mangels eines konsentierten Baus, zu dem der Zubau erfolgen könnte, kann eine auf Zu- und Umbau beschränkte Baubewilligung rechtmäßig nicht konsumiert werden (vgl. ).

27 Für den vorliegenden Fall ist aus dieser Judikatur zu folgern, dass auf Grund des Untergangs des Wochenendhäuschens durch dessen nahezu vollständige Abtragung die Baubewilligung vom für bauliche Änderungen am Bestand und für einen Zubau jedenfalls nicht rechtmäßig konsumiert werden kann.

28 Unabhängig davon kommt der Auflage 3) des Bewilligungsbescheides vom nicht die vom Verwaltungsgericht in umfangreicher Auslegung gewonnene Bedeutung zu, nämlich dass mit der darin festgelegten Pflicht zur Prüfung der vom Bauvorhaben betroffenen, tragenden Bauteile des Baubestandes auf ihre Tragfähigkeit und deren erforderlichenfalls vorzunehmenden Unterfangung, Verstärkung oder Ersetzung fallbezogen der baurechtliche Konsens mit Blick auf die Anzeigepflicht des § 25 Abs. 1 Z 3 lit. b Oö. BauO 1994 miterteilt worden sei:

29 Zunächst vermag der Verwaltungsgerichtshof schon der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Interpretation nicht zu folgen. Die bloße Anordnung, dass vor Beginn der den Bestand ändernden Bauausführung nicht mehr funktionelle Bauteile aus statischen Gründen zu unterfangen, zu verstärken oder zu ersetzen sind, sagt nämlich nichts darüber aus, ob hierüber ein Anzeige- oder Bewilligungsverfahren abzuführen ist; diese Frage ist anhand der baurechtlichen Vorschriften zu beurteilen. Daher gibt schon der Wortlaut der Auflage keinen Anlass für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interpretation.

30 Auflagen sind bereits ihrer Rechtsnatur nach bedingte Polizeibefehle, die sich (erst) bei Konsumierung des betreffenden Rechtes in unbedingte wandeln. Mit einer Baubewilligung wird das subjektiv-öffentliche Recht verliehen, einen Bau nach Maßgabe der bewilligten Pläne zu errichten (vgl. etwa ); es handelt sich dabei - anders als bei einer Auflage - um eine Berechtigung, und nicht um eine Verpflichtung. Eine Auflage, die nur einen bedingten Polizeibefehl darstellt, kann von vornherein keine Bewilligung beinhalten (vgl. bereits ).

31 Dazu kommt, dass die Erteilung von projektändernden Auflagen, die das Bauvorhaben in wesentlichen Teilen oder hinsichtlich des Verwendungszwecks verändern, unzulässig ist (vgl. ). Die in Rede stehende Auflage 3) ist in dem Baubewilligungsbescheid für eine Änderung des Wochenendhäuschens bzw. einen Zubau enthalten. Sie kann sich zulässigerweise nur auf dieses Vorhaben beziehen, nicht aber auf ein anderes (vgl. zur Identität der Sache etwa ). Weder darf sie das Projekt, auf das sie sich bezieht, im oben genannten Sinn ändern, noch vermag sie - als Nebenbestimmung - eine, neben den Hauptinhalt des Spruchs hinzutretende, eigenständige Berechtigung zu verleihen.

32 Vor diesem Hintergrund ist eine Auslegung der Auflage 3) des Baubewilligungsbescheides vom , der eine Änderung des Wochenendhäuschens und einen Zubau zum Inhalt hat, dahingehend, dass damit im Ergebnis die Wiederherstellung des Bestands konsentiert sei, unvertretbar.

33 Ist aber Auflage 3) des Bescheides vom kein Konsens hinsichtlich der Wiederherstellung des Bestands zu entnehmen, so liegt keine dahingehend „entschiedene Sache“ vor, sodass darauf keine Zurückweisung der auf „Renovierung“ der als Bestand ausgewiesenen Wände des Wochenendhäuschens gerichteten Bauanzeige wegen „entschiedener Sache“ gestützt werden kann.

34 Aus den genannten Gründen hat das Verwaltungsgericht das Wesen der im Bescheid vom normierten, in Rede stehenden Auflage verkannt und darauf aufbauend zu Unrecht in Stattgebung der Beschwerde den angefochtenen Bescheid des Zweitrevisionswerbers vom ersatzlos behoben und die Bauanzeige vom wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen.

35 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Zweitrevisionswerber zusätzlich vorgebrachten Verfahrensmängel.

36 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

37 Das Aufwandersatzbegehren des Zweitrevisionswerbers für die Einbringung einer Revisionsbeantwortung im Verfahren über die Amtsrevision der Erstrevisionswerberin war abzuweisen, weil anderen Parteien als der revisionswerbenden Partei auch dann, wenn sie beantragen, der Revision stattzugeben, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung kein Kostenersatz zusteht, da ein Beitritt als Streithelfer auf Seiten der revisionswerbenden Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl. ; , Ra 2019/05/0327, mwN).

Wien, am

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Normen
AVG §59
AVG §59 Abs1
BauO OÖ 1994 §24
BauO OÖ 1994 §24 Abs1 Z1
BauO OÖ 1994 §25 Abs1 Z3 litb
BauO OÖ 1994 §35 Abs2
BauO OÖ 1994 §38 Abs7
BauRallg
BauTG OÖ 1994 §2 Z32a
BauTG OÖ 2013 §2 Z19
B-VG Art133 Abs6 Z2
B-VG Art133 Abs8
LVwGG OÖ 2014 §14 Abs1 Z2
VwGG §28 Abs1 Z5
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg
Schlagworte
Auflagen BauRallg7 Baubewilligung BauRallg6 Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022050030.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
NAAAF-45878