VwGH 10.01.2023, Ra 2022/04/0148
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Norm | GewO 1994 §111 Abs1 Z1 |
RS 1 | Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob eine gewerbsmäßige Beherbergung von Gästen im Rahmen eines Gastgewerbes im Sinne des § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 oder eine bloße Zurverfügungstellung von Wohnraum anzunehmen ist, immer nur unter Bedachtnahme auf alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu beantworten. Demnach ist neben Kriterien, wie etwa dem Gegenstand des Vertrages, der Vertragsdauer, Vereinbarungen über Kündigung und Kündigungsfristen, Nebenvereinbarungen über die Bereitstellung von Bettwäsche und über Dienstleistungen wie etwa die Reinigung der Räume, der Bettwäsche oder der Kleider des Mieters, auch darauf Bedacht zu nehmen, auf welche Art und Weise der Betrieb sich nach außen darstellt. Es ist erforderlich, dass das sich aus dem Zusammenwirken aller Umstände ergebende Erscheinungsbild ein Verhalten des Vermieters der Räume erkennen lässt, das - wenn auch in beschränkter Form - eine laufende Obsorge hinsichtlich der vermieteten Räume im Sinn einer daraus resultierenden Betreuung des Gastes verrät (vgl. bis 0060; , 2008/06/0200; , 91/04/0041, jeweils mwN). Für das Vorliegen einer gewerbsmäßigen Beherbergung von Gästen kommt es demnach nicht allein auf die gleichzeitige Erbringung von mit der Zurverfügungstellung von Wohnraum üblicherweise im Zusammenhang stehender Dienstleistungen an sondern im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch auf die sonstigen Merkmale der zu prüfenden Tätigkeit, insbesondere auf die Art und Weise, wie sich der Betrieb nach außen darstellt (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/04/0144 B RS 1 (hier ohne den letzten Satz) |
Norm | GewO 1994 §111 Abs1 Z1 |
RS 2 | Für die Abgrenzung der Beherbergung von Gästen zur bloßen Wohnraumvermietung ist - neben anderen Aspekten - maßgeblich, ob gleichzeitig mit der Zurverfügungstellung von Wohnraum damit üblicherweise in Zusammenhang stehende Dienstleistungen erbracht werden (vgl. etwa , mwN). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/04/0019 E RS 2 |
Norm | GewO 1994 §111 Abs1 Z1 |
RS 3 | Bereits die Erbringung von Dienstleistungen in nur geringem Ausmaß kann für die Einstufung als Beherbergung ausreichend sein (so ausdrücklich VwGH 2008/06/0200, mwN; vgl. weiter VwGH 2010/06/0082, wo für ein Angebot als Ferienhaus/-hütte mit Erlebnisprogramm, Sauna und Endreinigung eine gastgewerbliche Beherbergung angenommen wurde; sowie , wo die mit der Vermietung einzelner Schlafstellen verbundene Reinigung der Toiletten sowie die Bereitstellung eines Aufenthaltsraumes mit Fernseher als hinreichend für eine Qualifikation als Beherbergung im Sinn des § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 angesehen wurden). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/04/0019 E RS 4 |
Norm | GewO 1994 §111 Abs1 Z1 |
RS 4 | Dass die mit der Vermietung in Zusammenhang stehenden Verwaltungstätigkeiten an einen Dritten (vorliegend an "Airbnb" als Reisevermittler) übertragen worden sind, liefert für sich allein zwar keinen Aufschluss über das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit. Allerdings stellt der Umstand häufig wechselnder Mieter ein Indiz dafür dar, dass die damit verbundene Verwaltungsarbeit über die mit einer bloßen Wohnraumvermietung einhergehende Verwaltungstätigkeit hinausgeht (vgl. zur Maßgeblichkeit ständig wechselnder Unterkunftnehmer auch 320/67). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/04/0019 E RS 5 (hier nur der letzte Satz) |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2022/04/0149 B
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Mayr sowie Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des L B, in H, vertreten durch Denkmair Hutterer Hüttner Waldl Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Blumauerstraße 3-5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG-696/14/2022, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hermagor), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe an einem näher genannten Standort durch Unterbringung von 19 tschechische Skifahrer vom bis in seinem Beherberungsbetrieb X & Y Z Apartements „das Gastgewerbe in der Betriebsart Gasthof selbständig, regelmäßig und in der Absicht ausgeübt, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen“, ohne im Besitz der dafür erforderlichen Gewerbeberechtigung zu sein. Der Revisionswerber habe dadurch § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 verletzt, weswegen über ihn gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1994 eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.500,- (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von € 150,- auferlegt wurde.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) die Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab, legte ihm die mit € 300,- bestimmten Kosten des Beschwerdeverfahrens auf und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.
Disloziert im Rahmen der Beweiswürdigung sowie der rechtlichen Beurteilung stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, dass der Revisionswerber „seinen Beherbungsbetrieb seit 2012“ besitze. Vom bis seien dort 19 tschechische Skifahrer untergebracht gewesen. Der Revisionswerber habe im Tatzeitraum auf seiner Homepage Zusatzleistungen wie etwa ein Frühstücksbuffet und ein Wäscheservice gegen eine geringe Gebühr angeboten. Er verfüge über keine Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe.
Ausgehend davon führte das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf näher dargelegte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst rechtlich aus, der Revisionswerber habe in Bezug auf das Anbieten von Zusatzleistungen zur Beherbergung von Gästen auf seiner Homepage die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung begangen. Die Beherbergung von 19 Gästen falle jedenfalls nicht unter die Ausnahme der Privatzimmervermietung.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zur Feststellung, wonach der Revisionswerber während der COVID-Pandemie kein Frühstück oder andere Zusatzleistungen angeboten habe, richtet, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele bis 0034, Rn. 46, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung der unter anderem auf den persönlichen Eindruck des vom Verwaltungsgericht einvernommenen Revisionswerbers beruhenden Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wird in der Revision nicht dargetan.
7 Im Übrigen begründet die Revision ihre Zulässigkeit mit einem Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung der bloßen Überlassung von Wohnraum von der gewerblichen Beherbergung von Gästen gemäß § 111 Abs. 1 GewO 1994. Die bloße Vermittlungstätigkeit sei nicht als Beherbergung von Gästen zu qualifizieren. Ebenso reiche die bloße verbindliche, entgeltliche Endreinigung nicht aus. Es bedürfe vielmehr Dienstleistungen die üblicherweise „Gästen“ eines gastgewerblichen Betriebes geboten würden, aufgrund dessen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Bild der laufenden Obsorge und eine daraus resultierende Betreuung der Gäste durch den Vermieter vermittelt werde. Das alleinige Anbieten auf der Website sei aufgrund fehlender Wiederholungsabsicht nicht ausreichend, um eine gewerbliche Tätigkeit zu begründen.
8 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob eine gewerbsmäßige Beherbergung von Gästen im Rahmen eines Gastgewerbes iSd § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 oder eine bloße Zurverfügungstellung von Wohnraum anzunehmen ist, immer nur unter Bedachtnahme auf alle Umstände des konkreten Falls zu beantworten. Demnach ist neben Kriterien, wie etwa dem Gegenstand des Vertrages, der Vertragsdauer, Vereinbarungen über Kündigung und Kündigungsfristen, Nebenvereinbarungen über die Bereitstellung von Bettwäsche und über Dienstleistungen wie etwa die Reinigung der Räume, der Bettwäsche oder der Kleider des Mieters, auch darauf Bedacht zu nehmen, auf welche Art und Weise der Betrieb sich nach außen darstellt. Es ist erforderlich, dass das sich aus dem Zusammenwirken aller Umstände ergebende Erscheinungsbild ein Verhalten des Vermieters der Räume erkennen lässt, das - wenn auch in beschränkter Form - eine laufende Obsorge hinsichtlich der vermieteten Räume im Sinn einer daraus resultierenden Betreuung des Gastes verrät. Für die Abgrenzung der Beherbergung von Gästen zur bloßen Wohnraumvermietung ist somit - neben anderen Aspekten - maßgeblich, ob gleichzeitig mit der Zurverfügungstellung von Wohnraum damit üblicherweise in Zusammenhang stehende Dienstleistungen erbracht werden. Bereits die Erbringung von Dienstleistungen in nur geringem Ausmaß kann für die Einstufung als Beherbergung ausreichend sein. Ebenso stellt der Umstand häufig wechselnder Mieter ein Indiz dafür dar, dass die damit verbundene Verwaltungsarbeit über die mit einer bloßen Wohnraumvermietung einhergehenden Verwaltungstätigkeit hinausgeht (vgl. zu alldem , Rn. 17, 18, 31, 37 mwN).
9 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für das Anbieten iSd § 1 Abs. 4 zweiter Satz GewO 1994 auf den in diesem Zusammenhang zu prüfenden objektiven Wortlaut und nicht etwa auf die Absicht des Anbietenden an. Der Tatbestand des Anbietens einer gewerblichen Tätigkeit iSd Bestimmung ist dann erfüllt, wenn einer an einen größeren Kreis von Personen gerichteten Ankündigung die Eignung zukommt, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass eine unter den Wortlaut der Ankündigung fallende, gewerbliche Tätigkeit entfaltet wird (vgl. , Rn. 6, mwN).
10 Bereits im Hinblick auf die auf der Homepage angebotenen Zusatzleistungen (Frühstücksbuffet und Wäscheservice) und die kurze Mietdauer von einer Woche weicht die Beurteilung der Vermietung der in seinem Eigentum stehenden Apartements durch den Revisionswerber als Beherbergungsbetrieb iSd § 111 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 im angefochtenen Erkenntnis nicht von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
11 In der Revision werden daher keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
12 Von der Durchführung der in der Revision beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | GewO 1994 §111 Abs1 Z1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022040148.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-45876