VwGH 08.11.2022, Ra 2022/04/0114
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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RS 1 | Ob jemand vom Zustellvorgang "rechtzeitig" Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. In der Rechtsprechung des VwGH wurde etwa eine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr vier Tage nach Beginn der Abholfrist verneint (vgl. , mwN). Liegt in einem solchen Fall zwischen dem Hinterlegungszeitpunkt und der Abholung ein Wochenende, ist kein signifikanter Unterschied zum Agieren des Teils der berufstätigen Bevölkerung, der am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfährt und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später behebt, erkennbar (vgl. hierzu ). Auch ging der VwGH im Fall eines "Wochenpendlers", der wegen seiner grundsätzlichen Abwesenheit von Montag bis Freitag von seinem Wohnort, an dem zugestellt worden sei, erst am Freitag von der zwei Tage zuvor am Mittwoch erfolgten Hinterlegung einer Strafverfügung Kenntnis erlangt habe und dem die Behebung erst am darauffolgenden Montag möglich gewesen sei, davon aus, dass dieser rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis nehmen habe können, weil ihm für die Erhebung seines Einspruches noch zehn Tage zur Verfügung gestanden hätten (vgl. , mwN, zur Rechtzeitigkeit der Kenntnisnahme eines Zustellvorganges bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung eines Rechtsmittels von zehn Tagen bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ro 2019/03/0027 B RS 2 (hier ohne den dritten Satz) |
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RS 2 | Der Revisionswerber hat bereits spätestens am vierten Tag nach Beginn der Abholfrist die Hinterlegungsanzeige erhalten, sodass es ihm möglich war, das angefochtene Erkenntnis an diesem Tag persönlich zu beheben. Vor dem Hintergrund der Judikatur des VwGH ist ein signifikanter Unterschied zu Berufstätigen, welche am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfahren und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später beheben, nicht erkennbar. Zudem stand dem Revisionswerber ausgehend von der sechswöchigen Revisionsfrist ein angemessener Zeitraum von mehr als fünf Wochen zur Erhebung der Revision zur Verfügung. Somit wäre auch ausgehend von der vorgebrachten Abwesenheit des Revisionswerbers diese nicht als eine solche zu qualifizieren, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. , mwN). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Mag. H R in V, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zlen. 1. W252 2244540-1/6E und 2. W252 2246154-1/7E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Aus dem Akteninhalt ergibt sich folgender unbestrittener Sachverhalt:
2 Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , mit welchem dieses unter anderem die Beschwerde des Revisionswerbers gegen zwei Bescheide der belangten Behörde abwies, wurde für diesen nach einem erfolglosen Zustellversuch ab zur Abholung bereitgehalten. Eine entsprechende Hinterlegungsanzeige wurde am an der Zustelladresse eingelegt.
3 Der Revisionswerber behob das Dokument am persönlich.
4 Am brachte der Revisionswerber per ERV eine „(Außer-)Ordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom ein.
5 Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofs vom wurde dem Revisionswerber die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Vorhalt eingeräumt, dass sich die von ihm erhobene Revision angesichts der Zustellung am als verspätet eingebracht erweise.
6 Hierzu nahm der Revisionswerber dahingehend Stellung, er habe erst am Tage der Abholung - am gegen Mittag - von der Hinterlegung Kenntnis erlangt und persönlich das Poststück entgegengenommen. Die Frist für die Erhebung der Revision könne daher erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen beginnen.
7 2. Ausgehend von diesem Sachverhalt ergibt sich in rechtlicher Hinsicht:
8 2.1. Aus dem Rückschein betreffend die Zustellung des anzufechtenden Erkenntnisses ergibt sich, dass dieses durch Hinterlegung gemäß § 17 ZustG zugestellt wurde, wobei das zuzustellende Dokument ab zur Abholung bereitgehalten wurde. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt (vgl. § 17 Abs. 3 ZustG).
9 Ausgehend von diesen aktenkundigen Tatsachen endete die sechswöchige Frist zur Erhebung der Revision am , weshalb sich die am eingebrachte Revision als verspätet erweist.
10 2.2. Den Ausführungen des Revisionswerbers zum Verspätungsvorhalt ist Folgendes zu entgegnen:
11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird die durch den dritten Satz des § 17 Abs. 3 ZustG normierte Zustellwirkung der Hinterlegung nicht durch die Abwesenheit von der Abgabestelle schlechthin, sondern nur durch eine solche Abwesenheit von der Abgabestelle ausgeschlossen, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. ; , jeweils mwN). „Rechtzeitig“ im Sinne des § 17 Abs. 3 vierter Satz ZustG ist dahingehend zu verstehen, dass dem Empfänger noch jener Zeitraum für ein Rechtsmittel zur Verfügung steht, der ihm auch im Falle einer vom Gesetz tolerierten Ersatzzustellung üblicherweise zur Verfügung gestanden wäre. Wenn daher der Empfänger durch den Zustellvorgang nicht erst später die Möglichkeit erlangt hat, in den Besitz der Sendung zu kommen, als dies bei einem großen Teil der Bevölkerung infolge ihrer Berufstätigkeit der Fall gewesen wäre, so muss die Zustellung durch Hinterlegung als ordnungsgemäß angesehen werden (vgl. , mwN).
12 Wird durch die Zustellung der Beginn einer Rechtsmittelfrist ausgelöst, so erlangt der Empfänger noch „rechtzeitig“ vom Zustellvorgang Kenntnis, wenn ihm ein für die Einbringung des Rechtsmittels angemessener Zeitraum verbleibt. Es ist nicht erforderlich, dass dem Empfänger in den Fällen einer Zustellung durch Hinterlegung stets die volle Frist für die Erhebung eines allfälligen Rechtsmittels zur Verfügung steht (vgl. , mwN).
13 Ob jemand vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung vom Zustellvorgang „rechtzeitig“ Kenntnis erlangt hat, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wurde etwa eine unzulässige Verkürzung der Rechtsmittelfrist bei einer Rückkehr vier Tage nach Beginn der Abholfrist verneint (vgl. , mwN). Auch ging der Verwaltungsgerichtshof im Fall eines „Wochenpendlers“, der wegen seiner grundsätzlichen Abwesenheit von Montag bis Freitag von seinem Wohnort, an dem zugestellt worden sei, erst am Freitag von der zwei Tage zuvor am Mittwoch erfolgten Hinterlegung einer Strafverfügung Kenntnis erlangt habe und dem die Behebung erst am darauffolgenden Montag möglich gewesen sei, davon aus, dass dieser rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis nehmen habe können, weil ihm für die Erhebung seines Einspruches noch zehn Tage zur Verfügung gestanden seien (vgl. , mwN, zur Rechtzeitigkeit der Kenntnisnahme eines Zustellvorganges bei einer verbleibenden Dauer zur Ausführung eines Rechtsmittels von zehn Tagen bei einer Rechtsmittelfrist von zwei Wochen).
14 Dem eingangs festgestellten Sachverhalt zufolge hat der Revisionswerber bereits spätestens am vierten Tag nach Beginn der Abholfrist die Hinterlegungsanzeige erhalten, sodass es ihm möglich war, das angefochtene Erkenntnis an diesem Tag persönlich zu beheben. Vor dem Hintergrund der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist fallbezogen ein signifikanter Unterschied zu Berufstätigen, welche am Tag der Hinterlegung selbst von der Hinterlegung erfahren und bedingt durch die Berufstätigkeit die Sendung einige Tage später beheben, nicht erkennbar. Zudem stand dem Revisionswerber ausgehend von der sechswöchigen Revisionsfrist ein angemessener Zeitraum von mehr als fünf Wochen zur Erhebung der Revision zur Verfügung. Somit wäre auch ausgehend von der vorgebrachten Abwesenheit des Revisionswerbers diese nicht als eine solche zu qualifizieren, die bewirkt, dass der Empfänger wegen seiner Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte (vgl. erneut , mwN).
2.3. Die Revision erweist sich daher als verspätet und war aus diesem Grund zurückzuweisen, weshalb sich auch allfällige weitere Verbesserungsaufträge erübrigen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022040114.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAF-45872