VwGH 27.02.2023, Ra 2022/03/0286
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Die unterlassene Mitwirkung einer Partei entbindet die Behörde bzw. das VwG nicht von der amtswegigen Ermittlungspflicht und rechtfertigt nicht ohne Weiteres die Annahme des Nichtvorliegens des zu Erweisenden. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der K KG in W, vertreten durch die Harisch & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Otto Holzbauer Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-8/1127/1/21-2022, betreffend eine Angelegenheit nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin betreibt in der Gemeinde W im Bezirk Zell am See einen Beherbergungsbetrieb, der im Jahr 2020 von einschränkenden Maßnahmen im Zuge der COVID-19-Pandemie betroffen war.
2 Das Landesverwaltungsgericht Salzburg erkannte der Revisionswerberin - mit einer Maßgabebestätigung in Bezug auf einen entsprechenden Bescheid der belangten Behörde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung für den Zeitraum vom 16. bis gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) eine Vergütung für den Verdienstentgang in der Höhe von € 117.137,07 zu. Den geltend gemachten Mehrbetrag in der Höhe von € 38.712,36 wies es ab und sprach aus, dass Spruchpunkt III. des Bescheides (Abweisung des Vergütungsantrags in Bezug auf Entgeltfortzahlungen) unverändert aufrecht bleibe. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht führte - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - aus, im Beschwerdeverfahren sei nur zu klären, ob und gegebenenfalls welcher Vergütungsanspruch für den Zeitraum vom 28. bis bestehe. Begründend verwies es dazu auf die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2021/03/0018, wonach für die nach dem EpiG verfügte Betriebsschließung durch die Bezirkshauptmannschaft eine Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 iVm § 20 EpiG nur soweit gebühre, als die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft für den Verdienstentgang kausal war.
4 Im gegenständlichen Fall betrage der im Beschwerdeverfahren unstrittige Verdienstentgang, welcher durch die auf § 20 EpiG gestützte Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Zell am See vom kausal verursacht worden sei, für den Zeitraum vom 16. bis insgesamt € 117.137,07. Betreffend die Beherbergung von Gästen, die durch die - auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützte und am in Kraft getretene - Verordnung des Landeshauptmanns von Salzburg vom , LGBl. Nr. 25/2020, nicht erfasst waren (sohin „Nicht-Touristen“), habe die Revisionswerberin trotz ausdrücklicher Aufforderung jedwede weitergehende Substantiierung ihres Vorbringens unterlassen. Sie habe sich auf den Standpunkt zurückgezogen, aus datenschutzrechtlichen Gründen keinerlei Erhebungen und/oder Angaben machen zu können und eine „Schätzung“ vorgenommen, die sie dem Verwaltungsgericht „informativ mitgeteilt“ habe. Es liege daher keinerlei geeignetes Tatsachensubstrat vor, das eine positive Feststellung eines Verdienstentgangs im fraglichen Zeitraum bezogen auf Nicht-Touristen rechtfertigen könnte, sodass dem Verwaltungsgericht trotz Durchführung eines Ermittlungsverfahrens die Beantwortung dieser Frage nicht möglich sei.
5 Zusammengefasst sei folglich für den gesamten beantragten Zeitraum vom 16. bis ein Verdienstentgang in Höhe von € 117.137,07 entstanden.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom , E 2322/2022-5, ablehnte, und sie mit Beschluss vom , E 2322/2022-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 Daraufhin erhob die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision ausschließlich maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird im Wesentlichen vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe die Beweislast für den Verdienstentgang betreffend Nicht-Touristen in rechtswidriger Weise auf die Revisionswerberin überbunden und damit den Grundsatz der materiellen Wahrheit verletzt. Die Vorgehensweise des Verwaltungsgerichts, bei einer unterlassenen Mitwirkung - ohne selbst weitere Ermittlungen anzustellen - vom Nichtvorliegen von Einkünften durch Nicht-Touristen auszugehen, decke sich nicht mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf ).
12 Damit zeigt die Revision eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf:
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Sachverhaltskonstellationen und Entscheidungsbegründungen des Landesverwaltungsgerichts Salzburg in seinen Beschlüssen vom , Ra 2022/03/0245, und , Ra 2022/03/0294, mit umfangreichen Hinweisen auf die hg. Rechtsprechung zu dem sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebenden - gemäß § 17 VwGVG auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten maßgeblichen - Amtswegigkeitsprinzip auseinandergesetzt. Auf die Begründung dieser Beschlüsse wird gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen.
14 Demnach trifft es zwar zu, dass die unterlassene Mitwirkung einer Partei die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht nicht von der amtswegigen Ermittlungspflicht entbindet und nicht ohne Weiteres die Annahme des Nichtvorliegens des zu Erweisenden rechtfertigt. Das Verwaltungsgericht hat aber auch im revisionsgegenständlichen Fall nicht etwa amtswegige Ermittlungen unterlassen. Es hat auch nicht festgestellt, dass die Revisionswerberin im strittigen Zeitraum keinen relevanten Verdienstentgang erlitten hätte. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht nach erfolglos gebliebenen Konkretisierungsaufforderungen in einer verfahrensleitenden Anordnung und in der mündlichen Verhandlung zum Ergebnis gelangt, dass auf der Grundlage des erstatteten Vorbringens und der vorhandenen Beweise nicht festgestellt werden könne, ob der Verdienstentgang im fraglichen Zeitraum auf die unterbliebene Beherbergung von Nicht-Touristen zurückzuführen sei.
15 Die Revision vermag weder darzulegen, dass damit die von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gezogenen Leitlinien zum Verhältnis zwischen Amtswegigkeit und Mitwirkungspflicht überschritten worden wären, noch darzutun, aufgrund welcher konkreten (amtswegigen) Ermittlungen das Verwaltungsgericht zu welchem anderen Ergebnis hätte gelangen müssen.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
Schlagworte | Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030286.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAF-45868