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VwGH 06.09.2023, Ra 2022/03/0277

VwGH 06.09.2023, Ra 2022/03/0277

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1 Abs1
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1 Abs5 Z2
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §8 Abs5a Z2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §14 Abs1 Z2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §2 Abs1
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §21 Abs4 Z8
VersammlungsG 1953
RS 1
Der Begriff "Atemschutzmaske" legt bereits nahe, dass eine Maske iSd. § 2 Abs. 1 der 6. COVID-19-SchutzmaßnahmenV sowohl den Mund-, als auch den Nasenbereich abdeckt, erfolgt die Atmung doch durch beide genannten Organe. Diese Auslegung wird bei systematischer Betrachtung durch die Ausnahmebestimmung des § 21 Abs. 4 Z 8 leg. cit. bestätigt, wonach Personen, denen das Tragen einer Maske iSd. § 2 Abs. 1 leg. cit. aus gesundheitlichen bzw. behinderungsspezifischen Gründen nicht zugemutet werden konnte, eine "sonstige" (näher umschriebene) mechanische Schutzvorrichtung tragen durften, sofern diese "den Mund- und Nasenbereich" abdeckte. Auch die gesetzliche Grundlage der Maskenpflicht des § 14 Abs. 1 Z 2 der 6. COVID-19-SchutzmaßnahmenV stützt dieses Verständnis. § 1 Abs. 5 Z 2 COVID-19-MaßnahmenG 2020 sieht als Auflage, an deren Einhaltung Zusammenkünfte, wie im vorliegenden Fall Versammlungen nach dem VersammlungsG 1953, gebunden werden können, die Verpflichtung zum Tragen einer "den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung" vor. Eine Auslegung, nach welcher eine Maske lediglich den Mund-, und nicht auch den Nasenbereich abdecken müsste, widerspräche auch dem Zweck der Maskenpflicht. Diese stellte eine gesundheitspolitische Maßnahme dar, welche - durch Verhinderung der Übertragbarkeit des Virus über die Atemwege - die Verbreitung von COVID-19 verhindern sollte (vgl. § 1 Abs. 1 COVID-19-MaßnahmenG 2020; vgl. dazu ; , V 617/2020, V 618/2020; ,0044; , Ra 2023/09/0039, mwN zur Rechtsprechung des VfGH).
Normen
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §8 Abs5a Z2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §14 Abs1 Z2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §2 Abs1
VersammlungsG 1953
RS 2
Eine Person, die an einer Versammlung nach dem VersammlungG 1953 teilnahm und dabei nicht eine Maske iSd. § 2 Abs. 1 der 6. COVID-19-SchutzmaßnahmenV trug, welche sowohl den Mund-, als auch den Nasenbereich abdeckte, verstieß gegen die in § 14 Abs. 1 Z 2 leg. cit. begründete Auflage und erfüllte damit das Tatbild des § 8 Abs. 5a Z 2 COVID-19-MaßnahmenG 2020.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Mag. Nedwed, Mag. Samm, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 30.29-5550/2022-2, betreffend Übertretung des COVID-19-Maßnahmengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg; mitbeteiligte Partei: A S, vertreten durch Mag. Gerald Planner, Rechtsanwalt in 8570 Voitsberg, Hauptplatz 57), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 1.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde dem Mitbeteiligten zur Last gelegt, dass er am um 18:38 Uhr an einem näher genannten Ort an einer Versammlung nach dem Versammlungsgesetz 1953 und somit an einer Zusammenkunft gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 der 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung (6. COVID-19-SchuMaV) teilgenommen und dabei keine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard getragen habe, obwohl in der Zeit von 12. bis das Verlassen des eigenen Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zwecke der Teilnahme an Versammlungen für Personen, die über keinen 2G-Nachweis gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 oder 2 leg. cit. verfügten, nur zulässig gewesen sei, wenn bei diesen Zusammenkünften sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien eine derartige Atemschutzmaske getragen werde. Im Spruch des Straferkenntnisses heißt es weiter: „Es wurde festgestellt, dass Sie die FFP2-Maske nicht ordnungsgemäß getragen haben.“ Der Mitbeteiligte habe dadurch § 8 Abs. 5a Z 2 und § 5 Abs. 4 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) iVm. § 14 Abs. 1 Z 2 der 6. COVID-19-SchuMaV verletzt, weshalb über ihn gemäß § 8 Abs. 5a Z 2 COVID-19-MG eine Geldstrafe in Höhe von € 120,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 16 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben wurde.

2 1.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt, behob das Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm. § 38 VwGVG ein. Unter einem sprach es aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:

4 Die dem gegenständlichen Strafverfahren zugrundeliegende Anzeige der Landespolizeidirektion Steiermark vom habe den später von der belangten Behörde als Spruch des Straferkenntnisses übernommenen Text als Sachverhalts- und Tatbeschreibung angeführt. Weiters sei ein Lichtbild des Mitbeteiligten beigelegt worden, auf welchem zu sehen sei, dass er eine Maske über dem Mundbereich trage, die jedoch nicht den Nasenbereich abdecke.

5 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, der Mitbeteiligte habe ein subjektives Recht, dass ihm die als erwiesen angenommene Tat richtig und vollständig vorgehalten werde. „Ein erstmaliger Vorwurf durch das Verwaltungsgericht“ scheitere bereits an dem „hier zugrundeliegenden Sachbegriff.“ Das Verwaltungsgericht sei zwar zur Berichtigung von fehlerhaften Sprüchen verpflichtet, dies jedoch nur, soweit bereits eine rechtzeitige, taugliche Verfolgungshandlung gesetzt worden sei oder es sich um eine bloße Präzisierung handle. Wenn aber die Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht selbst unkonkret sei und damit nicht feststehe, welcher konkrete Vorwurf überhaupt zu beurteilen sei, sei dem Verwaltungsgericht eine weiterführende Verfolgung des angelasteten und unkonkreten oder mehrdeutigen Vorwurfs aus prozessualen Gründen nicht möglich. Im Spruch des Straferkenntnisses werde dem Mitbeteiligten einerseits vorgeworfen, er habe keine FFP2-Maske getragen, andererseits werde ihm vorgeworfen, er habe eine FPP2-Maske getragen, aber nicht ordnungsgemäß. Der Spruch sei daher widersprüchlich.

6 Die 6. COVID-19-SchuMaV bestimme nicht, wie die Maske zu tragen sei. Da sich aus dem der Anzeige beiliegenden Lichtbild ergebe, dass der Mitbeteiligte die Maske über dem Mund getragen habe, treffe die „1. Variante des Tatvorwurfes“, er habe keine Maske getragen, nicht zu. Die „2. Variante des Tatvorwurfes“, die Maske sei „nicht ordnungsgemäß“ getragen worden, entspreche nicht dem Konkretisierungsgebot, widerspreche nicht der vorgeworfenen übertretenen Norm und könne in diese auch nicht „hineininterpretiert“ werden.

7 Da der Mitbeteiligte die ihm vorgeworfene Übertretung weder in der einen noch in der anderen Variante begangen habe, sei auf die Widersprüchlichkeit des Tatvorwurfes nicht mehr einzugehen.

8 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof erstatteten der Mitbeteiligte und die belangte Behörde jeweils eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 2.1. Die für den Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des COVID-19-MG, BGBl. I Nr. 12/2020 in der im Tatzeitpunkt maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 204/2021, lauten (auszugsweise):

Anwendungsbereich und allgemeine Bestimmungen

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz ermächtigt zur Regelung des Betretens und des Befahrens von Betriebsstätten, Arbeitsorten, Alten- und Pflegeheimen sowie stationären Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe, bestimmten Orten und öffentlichen Orten in ihrer Gesamtheit, zur Regelung des Benutzens von Verkehrsmitteln, zur Regelung von Zusammenkünften sowie zu Ausgangsregelungen als gesundheitspolizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

...

(5) Als Auflagen nach diesem Bundesgesetz kommen insbesondere in Betracht:

...

1. die Verpflichtung zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung,

...

Zusammenkünfte

§ 5. (1) Beim Auftreten von COVID-19 können vorbehaltlich des Abs. 2 Zusammenkünfte von Personen aus verschiedenen Haushalten geregelt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.

...

(4) In einer Anordnung gemäß Abs. 1 können Zusammenkünfte

2. an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen gebunden werden oder

3. in Bezug auf die Personenzahl beschränkt werden oder

4. einer Anzeige- oder Bewilligungspflicht unterworfen werden oder

5. auf bestimmte Personen- oder Berufsgruppen eingeschränkt werden.

...

Strafbestimmungen

§ 8. ...

...

(5a) Wer

...

2. eine Zusammenkunft entgegen den sonstigen gemäß § 5 Abs. 4 festgelegten Beschränkungen organisiert oder daran teilnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen;“

10 2.2. Die im Tatzeitpunkt maßgebliche 6. COVID-19-SchuMaV, BGBl. II Nr. 537/2021, lautete (auszugsweise):

„Allgemeine Bestimmungen

§ 2. (1) Als Maske im Sinne dieser Verordnung gilt eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard.

...

Zusammenkünfte

§ 14. (1) Das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zweck der Teilnahme an Zusammenkünften ist für Personen, die über keinen 2G-Nachweis verfügen, nur für folgende Zusammenkünfte zulässig:

...

2. Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953;

...

Bei Zusammenkünften gemäß Z 1 bis 7 ist in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen. Bei Zusammenkünften gemäß Z 2 gilt dies auch im Freien.

...

Ausnahmen

§ 21. ...

...

(4) Die Pflicht zum Tragen einer Maske gilt nicht

...

8. für Personen, denen dies aus gesundheitlichen oder behinderungsspezifischen Gründen nicht zugemutet werden kann. In diesem Fall darf auch eine sonstige den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, darf auch eine sonstige nicht eng anliegende, aber den Mund- und Nasenbereich vollständig abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Eine vollständige Abdeckung liegt vor, wenn die nicht eng anliegende Schutzvorrichtung bis zu den Ohren und deutlich unter das Kinn reicht. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gilt die Pflicht zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht.“

11 3. Die Revisionslegitimation des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ergibt sich aus Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm. § 7a COVID-19-MG in der Fassung BGBl. I Nr. 89/2022.

12 Die Revision ist im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der verfahrensgegenständlichen Rechtsfrage, ob das Tragen einer Maske lediglich über dem Mund-, nicht auch über dem Nasenbereich von der Strafbestimmung des § 8 Abs. 5a Z 2 COVID-19-MG erfasst sei.

13 4. Sie ist im Ergebnis auch begründet:

14 4.1. Im Revisionsverfahren ist unstrittig geblieben, dass der Mitbeteiligte an einer Versammlung nach dem Versammlungsgesetz 1953 teilnahm und dabei eine Maske trug, welche lediglich den Mund-, nicht aber den Nasenbereich bedeckte. Strittig ist die Rechtsfrage, ob eine solche Verhaltensweise unter den Straftatbestand des § 8 Abs. 5a Z 2 COVID-19-MG fiel.

15 4.2. Gemäß § 8 Abs. 5a Z 2 COVID-19-MG war strafbar, wer eine Zusammenkunft entgegen den gemäß § 5 Abs. 4 leg. cit. festgelegten Beschränkungen organisierte oder daran teilnahm.

16 Auf der Grundlage dieser Verordnungsermächtigung sah § 14 Abs. 1 Z 2 der 6. COVID-19-SchuMaV vor, dass bei Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953 - auch im Freien - eine Maske zu tragen ist. Eine solche Maske war nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 der 6. COVID-19-SchuMaV eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard.

17 Der Begriff „Atemschutzmaske“ legt bereits nahe, dass eine Maske iSd. § 2 Abs. 1 der 6. COVID-19-SchuMaV sowohl den Mund-, als auch den Nasenbereich abdeckt, erfolgt die Atmung doch durch beide genannten Organe. Diese Auslegung wird bei systematischer Betrachtung durch die Ausnahmebestimmung des § 21 Abs. 4 Z 8 leg. cit. bestätigt, wonach Personen, denen das Tragen einer Maske iSd. § 2 Abs. 1 leg. cit. aus gesundheitlichen bzw. behinderungsspezifischen Gründen nicht zugemutet werden konnte, eine „sonstige“ (näher umschriebene) mechanische Schutzvorrichtung tragen durften, sofern diese „den Mund- und Nasenbereich“ abdeckte.

18 Auch die gesetzliche Grundlage der Maskenpflicht des § 14 Abs. 1 Z 2 der 6. COVID-19-SchuMaV stützt dieses Verständnis. § 1 Abs. 5 Z 2 COVID-19-MG sieht als Auflage, an deren Einhaltung Zusammenkünfte, wie im vorliegenden Fall Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, gebunden werden können, die Verpflichtung zum Tragen einer „den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung“ vor.

19 Eine Auslegung, nach welcher eine Maske lediglich den Mund-, und nicht auch den Nasenbereich abdecken müsste, widerspräche auch dem Zweck der Maskenpflicht. Diese stellte eine gesundheitspolitische Maßnahme dar, welche - durch Verhinderung der Übertragbarkeit des Virus über die Atemwege - die Verbreitung von COVID-19 verhindern sollte (vgl. § 1 Abs. 1 COVID-19-MG; vgl. dazu ; , V 617/2020, V 618/2020; ,0044; , Ra 2023/09/0039, mwN zur Rechtsprechung des VfGH).

20 Zusammenfassend verstieß eine Person, die an einer Versammlung nach dem Versammlungsgesetz 1953 teilnahm und dabei nicht eine Maske iSd. § 2 Abs. 1 der 6. COVID-19-SchuMaV trug, welche sowohl den Mund-, als auch den Nasenbereich abdeckte, gegen die in § 14 Abs. 1 Z 2 leg. cit. begründete Auflage und erfüllte damit das Tatbild des § 8 Abs. 5a Z 2 COVID-19-MG.

21 4.3. Das Verwaltungsgericht ging auch davon aus, dass der Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde widersprüchlich und daher keine taugliche Verfolgungshandlung gegen den Mitbeteiligten gesetzt worden sei. Dem Mitbeteiligten sei nämlich - in zwei „Varianten“ des Tatvorwurfes - einerseits das Nichttragen einer Maske, andererseits das nicht ordnungsmäße Tragen einer Maske vorgeworfen worden.

22 Nach § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es zur Erfüllung dieses Erfordernisses darauf an, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, dass dieser in die Lage versetzt ist, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein. Diese Rechtsschutzüberlegungen sind auch bei der Prüfung der Frage anzustellen, ob innerhalb der Verjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG eine taugliche Verfolgungshandlung im Sinn des § 32 Abs. 2 VStG vorliegt oder nicht. Das bedeutet, dass die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat lediglich insoweit unverwechselbar konkretisiert sein muss, dass dieser in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. , mwN).

23 In der Strafverfügung vom und im Spruch des Straferkenntnisses der belangten Behörde wurde dem Mitbeteiligten unter Angabe der Tatzeit und des Tatortes zur Last gelegt, er habe an einer Zusammenkunft gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 der 6. COVID-19-SchuMaV teilgenommen und dabei „keine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 ... getragen“, sowie „festgestellt“, er habe die FFP2-Maske „nicht ordnungsgemäß getragen“. Ungeachtet der für den Spruch eines Straferkenntnisses missglückten Formulierung („festgestellt“), musste für den Beschuldigten aus dem Gesamtzusammenhang dieses Spruches hinreichend klar sein, dass ihm als Tat iSd. § 44a Z 1 VStG einzig angelastet wurde, er habe zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort an einer Versammlung nach dem Versammlungsgesetz 1953 teilgenommen und dabei die FFP2-Maske nicht ordnungsgemäß getragen, also nicht iSd. § 14 Abs. 1 Z 2 der 6. COVID-19-SchuMaV „eine Maske getragen“. Ein solcher Vorwurf enthält auch den Vorwurf, die Maske nicht in der nach der Verordnung erforderlichen Art und Weise, nämlich den Mund- und Nasenbereich abdeckend, getragen zu haben (vgl. zu einem Fall, in welchem einzelne Elemente eines das Tatbild umschreibenden Begriffes nicht bei der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat gesondert anzuführen waren, ).

24 Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass der Mitbeteiligte durch die Formulierung des Spruches des Straferkenntnisses der belangten Behörde der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt gewesen oder in seinen Verteidigungsrechten beschränkt gewesen wäre. Er hat solches auch weder im Strafverfahren noch in der Revisionsbeantwortung konkret behauptet. Der Verwaltungsgerichtshof kann somit nicht erkennen, dass die Umschreibung der dem Mitbeteiligten angelasteten Tat nicht den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG entsprochen hätte oder dass keine taugliche Verfolgungshandlung vorgelegen wäre.

25 4.4. Indem das Verwaltungsgericht das Verwaltungsstrafverfahren mit der Begründung einstellte, der Mitbeteiligte habe keine Tathandlung gesetzt, die unter den von der belangten Behörde herangezogenen Straftatbestand zu subsumieren wäre, und auch eine taugliche Verfolgungshandlung verneinte, hat es die Rechtslage verkannt und sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

26 Aus Anlass der in der Revisionsbeantwortung enthaltenen Behauptung, „nach Kenntnis des Revisionsgegners“ fehle es an jeglicher aktenmäßiger Dokumentation der Grundlagen der Verordnungserlassung, sind beim Verwaltungsgerichtshof keine nach Art. 135 Abs. 4 iVm. Art. 89 B-VG wahrzunehmenden Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der angewendeten Verordnungsbestimmungen entstanden (vgl. dazu, dass mit der Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske bei einer Versammlung im Freien ein gewichtiges und legitimes öffentliches Interesse verfolgt wird, , mwN zur Rechtsprechung des VfGH).

27 5. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

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COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1 Abs1
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §1 Abs5 Z2
COVID-19-MaßnahmenG 2020 §8 Abs5a Z2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §14 Abs1 Z2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §2 Abs1
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 06te 2021 §21 Abs4 Z8
VersammlungsG 1953
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030277.L01
Datenquelle

Fundstelle(n):
KAAAF-45866