VwGH 18.04.2023, Ra 2022/03/0249
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Gemäß § 13 ArbIG 1993 ist der Bundesminister für (nunmehr) Arbeit und Wirtschaft bei Verfahren gemäß §§ 11 und 12 ArbIG 1993 berechtigt, gegen Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision beim VwGH zu erheben. Dieses Revisionsrecht entspricht dem Recht zur Amtsbeschwerde vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51 (vgl. ). Zur Amtsbeschwerde gemäß § 13 ArbIG 1993 idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hat der VwGH ausgesprochen, dass es im Falle der Beschwerde des Bundesministers für (damals) Arbeit und Soziales nicht um die Geltendmachung der Verletzung subjektiver Rechte geht. Die Beschwerdelegitimation des antragstellenden Bundesministers, der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht als Partei beteiligt war, war demnach ein von den Parteien des Verfahrens und der beteiligten Behörde losgelöstes Kontrollinstrument. Es handelte sich daher um ein objektives Beschwerderecht (vgl. ; , 2009/07/0197, VwSlg. 18.237 A; vgl. idZ nunmehr auch , Rn. 34 ff, und , Rn. 45). |
Normen | EisenbahnG 1957 §1 Z2 lita EisenbahnG 1957 §7 Z3 |
RS 2 | Bei einer Anschlussbahn ohne Eigenbetrieb iSd. § 7 Z 3 EisenbahnG 1957 wird der Betrieb auf der Eisenbahn (hier: Anschlussbahn) von einem anderen Eisenbahnunternehmen durchgeführt als jenem, welchem die Genehmigung zum Bau und zum Betrieb sowie (seit der Novelle BGBl. I Nr. 125/2006) zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf der Eisenbahn erteilt wurde. Die Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf einer nicht-öffentlichen Eisenbahn bezieht sich ihrer Zweckbestimmung nach grundsätzlich auf die Güterbeförderung. |
Normen | EisenbahnG 1957 §17 EisenbahnG 1957 §17a Abs3 EisenbahnG 1957 §7 Z3 |
RS 3 | Auf einer Anschlussbahn ohne Eigenbetrieb benötigt die Zulassung eines (erweiterten) Werksverkehrs nicht jenes Eisenbahnunternehmen, welches den Betrieb auf der Anschlussbahn durchführt (die Anschlussbahn "bedient"), sondern das Eisenbahnunternehmen, welchem die Genehmigung zum Bau und Betrieb sowie (seit der Novelle BGBl. I Nr. 125/2006) zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf der Anschlussbahn erteilt wurde. Diese Zulassung konnte bzw. kann gemeinsam mit der Genehmigung für die nicht-öffentliche Eisenbahn (vgl. § 51 Abs. 1 EisenbahnG 1957 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 125/2006 bzw. nunmehr § 17a Abs. 3 EisenbahnG 1957) oder erst zu einem späteren Zeitpunkt beantragt werden. Eine spätere Zulassung eines (erweiterten) Werksverkehrs führt daher nicht zu einer Änderung der Genehmigung nach § 17 EisenbahnG 1957. |
Normen | EisenbahnG 1957 §17a Abs1 EisenbahnG 1957 §17a Abs2 EisenbahnG 1957 §17b Abs1 EisenbahnG 1957 §17b Abs2 EisenbahnG 1957 §31a Abs1 |
RS 4 | Voraussetzung für die Zulassung eines (erweiterten) Werksverkehrs ist nicht die Erfüllung der Kriterien des § 17a Abs. 2 EisenbahnG 1957, welcher die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen für eine nicht-öffentliche Eisenbahn enthält. Ebenso wenig gelangen die Antragsvoraussetzungen des § 17a Abs. 1 EisenbahnG 1957 zur Anwendung, weshalb dem Zulassungsantrag auch nicht zwingend ein geänderter Bauentwurf (einschließlich eines Nachweises über die Erfüllung der Anforderungen des Arbeitnehmerschutzes iSd. § 31a Abs. 1 EisenbahnG 1957) beizugeben ist. Ein (erweiterter) Werksverkehr ist vielmehr gemäß § 17b Abs. 1 EisenbahnG 1957 zuzulassen, wenn zum einen die technische Ausstattung der Eisenbahn hinreichende Sicherheit bietet und zum anderen die Voraussetzungen des § 17b Abs. 2 EisenbahnG 1957 erfüllt sind. Dem Antrag auf Zulassung sind jene Unterlagen beizugeben, welche die Beurteilung dieser Voraussetzungen ermöglichen. |
Normen | ArbIG 1993 §1 Abs1 ArbIG 1993 §1 Abs3 ArbIG 1993 §2 Abs1 ASchG 1994 §1 ASchG 1994 §2 EisenbahnG 1957 §17a EisenbahnG 1957 §17b |
RS 5 | Im vorliegenden Fall soll die Beförderung im Rahmen des beantragten erweiterten Werksverkehrs nicht durch Bedienstete des Bundes (insbesondere nicht durch Bedienstete aus dem Wirkungsbereich der mitbeteiligten Bundesministerin), sondern durch Arbeitnehmer und mit Schienenfahrzeugen einer Kapitalgesellschaft erfolgen. Das VwG geht davon aus, dass es sich bei diesen Eisenbahnbediensteten um Arbeitnehmer iSd. ASchG 1994 handelt und diese auch nicht vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion ausgenommen sind. Der VwGH teilt die Auffassung, dass die Eisenbahnbediensteten, welche den Betrieb des erweiterten Werksverkehrs auf der gegenständlichen Anschlussbahn durchführen sollen, Arbeitnehmer iSd. ASchG 1994 und des § 2 Abs. 1 ArbIG 1993 sind. Auch handelt es sich bei den Schienenfahrzeugen, durch welche der erweiterte Werksverkehr erfolgen soll, um Arbeitsstellen iSd. § 1 Abs. 1 und 3 ArbIG 1993 (vgl. ). Eine Ausnahme vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion lag somit nicht vor. |
Normen | ArbIG 1993 §1 ArbIG 1993 §12 ArbIG 1993 §13 ArbIG 1993 §2 Abs1 ASchG 1994 §100 Abs1 EURallg VwRallg 31989L0391 Arbeitnehmer-RL Sicherheit Gesundheitsschutz Art2 Abs2 |
RS 6 | Nach den Gesetzesmaterialien entspricht § 100 Abs. 1 ASchG 1994 dem Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, 89/391/EWG (RV 1590 BlgNR 18. GP 120). Demnach findet diese Richtlinie keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen. Wie sich weiters aus den Gesetzesmaterialien ergibt, wird mit § 100 Abs. 1 ASchG 1994 aber nur ein Teil des Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 89/391/EWG umgesetzt, nämlich lediglich die Ausnahme vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie in Bezug auf spezifische Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten. Die Ausnahme in Bezug auf spezifische Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, wie bei den Streitkräften oder der Polizei, sollte von § 100 Abs. 1 ASchG 1994 nicht erfasst werden, weil die Bundesdienststellen ohnedies vom Geltungsbereich des ASchG 1994 ausgenommen sind (vgl. RV 1590 BlgNR 18. GP 120). Vor diesem Hintergrund ist der beantragte erweiterte Werksverkehr, welcher nach der Antragsbegründung ua. Munitionstransporte sowie Übungen und Ausbildungsmaßnahmen mit Angehörigen ausländischer Streitkräfte umfassen soll, nicht zur Gänze als Katastrophenhilfsdienst iSd. § 100 Abs. 1 ASchG 1994 zu beurteilen. Schon aus diesem Grund bewirkt diese Bestimmung nicht eine (pauschale) Ausnahme des beantragten erweiterten Werksverkehrs vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des ASchG 1994 und folglich vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion. |
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RS 7 | § 12 Abs. 1 und 4 ArbIG 1993 begründet die Parteistellung und das Beschwerderecht des zuständigen Arbeitsinspektorates "in Angelegenheiten, die den Arbeitnehmerschutz berühren". Andere Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde sieht das Gesetz nicht vor (vgl. hingegen zur Rechtslage nach dem ArbIG 1974 ). Es handelt sich um eine sog. Amtsparteistellung bzw. ein Amtsbeschwerderecht, welche die Geltendmachung bestimmter subjektiver Rechte gerade nicht voraussetzen. Ein Vorbringen in Bezug auf den Arbeitnehmerschutz war für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach § 12 Abs. 4 ArbIG 1993 somit nicht erforderlich. |
Entscheidungstext
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ra 2022/03/0250 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Nedwed, Mag. Samm, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom , Zl. LVwG 41.5-5746/2022-9, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde iA Eisenbahngesetz 1957 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Steiermark; mitbeteiligte Partei: Bundesministerin für Landesverteidigung), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochten Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 1.1. Mit Schriftsatz vom beantragte die mitbeteiligte Bundesministerin für eine näher bezeichnete heereseigene Anschlussbahn („Anschlussbahn R“) einen erweiterten Werksverkehr. Begründend wurde im Antrag ausgeführt, es handle sich um eine Anschlussbahn ohne Eigenbetrieb iSd. § 7 Z 3 Eisenbahngesetz 1957 - EisbG, welche eine Verlademöglichkeit für ein näher genanntes Munitionslager sicherstelle. Im Hinblick auf die Aufgaben des Bundesheeres sei es notwendig, auf dieser Anschlussbahn nicht nur Angehörige des Bundesheeres, der Heeresverwaltung und der Zentralstelle zu befördern, sondern auch Angehörige ziviler Blaulicht- und Hilfsorganisationen sowie Angehörige ausländischer Streitkräfte im Rahmen gemeinsamer Einsätze, Übungen oder Ausbildungsmaßnahmen.
2 Mit Schreiben der mitbeteiligten Bundesministerin an die belangte Behörde vom wurde ua. ausgeführt, bei den zu befördernden Angehörigen des Bundesheeres, der Heeresverwaltung und der Zentralstelle handle es sich vor allem um die Wachmannschaften für Munitionstransporte; nicht angedacht sei ein regelmäßiger Werksverkehr für den täglichen Arbeitsweg von Bediensteten. Der Eisenbahntransport einschließlich der Beistellung der Wagen erfolge durch die R AG. Der Personentransport werde mittels in Sonderzügen eingereihten Personenwaggons durchgeführt. Bei den zu befördernden Personen handle es sich um Angehörige von Streitkräften oder Einsatzorganisationen, welche für den militärischen Einsatz bzw. einen Hilfseinsatz tauglich seien. Angesichts ihrer körperlichen Tauglichkeit könne der Ein- und Ausstieg auf die befestigte Zufahrtsfläche erfolgen. Für die Abwicklung von militärischen Eisenbahntransporten gebe es detaillierte Dienstvorschriften, welche durch militärisches Personal überwacht würden. Dieses würde aber keine eisenbahnbetrieblichen Handlungen vornehmen, welche ausschließlich Sache der Betriebsbediensteten des Eisenbahnverkehrsunternehmens seien.
3 1.2. Mit Bescheid vom genehmigte die belangte Behörde gemäß § 17b Abs. 2 EisbG den erweiterten Werksverkehr.
4 1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Bundesminister für (damals) Arbeit („Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat, Verkehrs-Arbeitsinspektorat“) Beschwerde, in welcher er ua. beantragte, dass „das Verkehrs-Arbeitsinspektorat ... zuständige Amtspartei im Verwaltungsverfahren [ist]“, sowie die Vorlage näher bezeichneter Unterlagen und die Abänderung des angefochtenen Bescheides in näher bestimmter Hinsicht begehrte.
5 1.4. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark die Beschwerde „mangels Parteistellung“ zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Das Verwaltungsgericht stellte, soweit hier maßgeblich, fest, dass mit rechtskräftigem Bescheid vom der mitbeteiligten Bundesministerin die Genehmigung zum Bau und Betrieb der normalspurigen Anschlussbahn in H, abzweigend bei einem bestimmten Streckenkilometer einer näher genannten „Ö-Strecke“, erteilt worden sei.
7 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, gemäß § 10 Abs. 1 iVm. § 12 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG komme dem Arbeitsinspektorat Parteistellung ausschließlich in solchen Angelegenheiten zu, welche den Arbeitnehmerschutz berührten. Dies gelte auch für die gegenständliche Amtsbeschwerde.
8 Grundsätzlich unterlägen auch „Eisenbahnunternehmen“ sowie „die nicht-öffentlichen Eisenbahnen“ der Zuständigkeit des Arbeitsinspektorates, und zwar gemäß § 26 Abs. 8 ArbIG jener des Zentral-Arbeitsinspektorates.
9 Das ASchG gelte für die Beschäftigung von Arbeitnehmern (§ 1 Abs. 1 ASchG), wobei Arbeitnehmer alle Personen seien, die im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnisses tätig seien (§ 2 Abs. 1 ASchG). Die Arbeitnehmer „der gegenständlichen eisenbahnrechtlichen Anlage“ seien daher grundsätzlich vom ASchG erfasst.
10 Die Beschwerdeführerin habe ihre Parteistellung im gegenständlichen Genehmigungsverfahren damit begründet, dass gemäß § 1 Abs. 3 ArbIG nur die Bediensteten des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und Gemeinden, die nicht in Betrieben beschäftigt seien, vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion ausgenommen seien. Das Arbeitsinspektorat sei für die gegenständliche Anschlussbahn als Betriebsstätte grundsätzlich zuständig, diese Zuständigkeit werde nur hinsichtlich dieser Bediensteter eingeschränkt. Das Arbeitsinspektorat sei aber etwa für jene Bediensteten zuständig, welche im Rahmen der Anschlussbahn diese befahren und dort tätig seien.
11 Dem hielt das Verwaltungsgericht entgegen, es gehe im vorliegenden Fall um den erweiterten Werksverkehr, mit welchem zusätzlich zum Transport von Angehörigen des Bundesheeres, der Heeresverwaltung und der Zentralstelle auch Angehörige ziviler Blaulicht- und Hilfsorganisationen sowie Angehörige ausländischer Streitkräfte in bestimmten Situationen transportiert werden sollten.
12 Angehörige des Bundesheeres, der Heeresverwaltung und der Zentralstelle seien vom Anwendungsbereich des ASchG ausgenommen, ebenso ausländische Streitkräfte. Auch die von anderen Gebietskörperschaften betriebenen Einsatzorganisationen und freiwillige und ehrenamtliche Angehörige von Einsatzorganisationen seien nicht vom Arbeitnehmerbegriff des § 2 Abs. 1 ASchG erfasst. Auch wenn sie in einem Arbeitsverhältnis zum Bund, einem Land oder eine Gemeinde stünden, finde das ASchG auf sie keine Anwendung, da sie nicht in Betrieben beschäftigt seien. Soweit das Bundes-Bedienstetenschutzgesetzes - BBSG Anwendung finden sollte, handle es sich bei einer heereseigenen Anschlussbahn um eine „Anlage mit militärischer Besonderheit“ iSd. § 88 Abs. 3 B-BSG, weswegen die Wahrnehmung des Arbeitnehmerschutzes der Bundesministerin für Landesverteidigung obliege. Die militärische Besonderheit ergebe sich aus den Anforderungen des Wehrgesetzes 2001, weil eine militärische Anschlussbahn auch bei Bedrohungen von außen weiterbetrieben werden müsse, wenn der Betrieb einer zivilen Anschlussbahn nicht mehr durchgeführt werde.
13 Durch das militärische Personal würden keine eisenbahnrechtlichen Handlungen vorgenommen. Diese seien ausschließlich Sache der Betriebsbediensteten des Eisenbahnverkehrsunternehmens. Die Arbeitnehmerschutzvorschriften gegenüber diesen Personen blieben aufrecht, zumal sich durch den erweiterten Werksverkehr kein Unterschied zum derzeitigen Personentransport ergebe.
14 Auch nehme die lex specialis des § 100 Abs. 1 ASchG Tätigkeiten von Arbeitnehmern im Rahmen von Katastrophendiensten aus. Im Fall von Katastrophendiensten seien daher selbst Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, welche grundsätzlich dem ASchG unterliegen, von diesem Gesetz ausgenommen. Diese Ausnahme ergebe sich aus der Richtlinie über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, 89/391/EWG, welche gemäß ihrem Art. 2 Abs. 2 auf spezifische Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, wie etwa Polizei oder Streitkräfte, keine Anwendung finde. Umso mehr gelte diese Ausnahme für Einsatzkräfte, die nicht dem Arbeitnehmerbegriff unterliegen.
15 Die Zuständigkeit des Arbeitsinspektorates erstrecke sich daher nur auf das Personal des Eisenbahnunternehmens. In der Beschwerde würden jedoch keine konkreten Einwände betreffend den Arbeitnehmerschutz in dieser Hinsicht vorgebracht.
16 Die Beschwerde sei daher mangels Parteistellung zurückzuweisen gewesen.
17 1.5. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Bundesministerin erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 - EisbG, BGBl. Nr. 60 in der Fassung BGBl. I Nr. 231/2021, lauten (auszugsweise):
„Eisenbahnen
§ 1. Eisenbahnen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:
1.Öffentliche Eisenbahnen, und zwar:
...
2. Nicht-öffentliche Eisenbahnen, und zwar:
a) Anschlussbahnen;
...
Anschlussbahnen
§ 7. Anschlussbahnen sind Schienenbahnen, die den Verkehr eines einzelnen oder mehrerer Unternehmen mit Haupt- oder Nebenbahnen oder Straßenbahnen vermitteln und mit ihnen derart in unmittelbarer oder mittelbarer Verbindung stehen, dass ein Übergang von Schienenfahrzeugen stattfinden kann. Anschlussbahnen werden hinsichtlich ihrer Betriebsführung unterschieden in
1. Anschlussbahnen mit Eigenbetrieb mittels Triebfahrzeugen oder Zweiwegefahrzeugen;
2. Anschlussbahnen mit Eigenbetrieb mittels sonstiger Verschubeinrichtungen;
3. Anschlussbahnen ohne Eigenbetrieb.
...
4. Hauptstück
Genehmigung für nicht-öffentliche Eisenbahnen
Erforderlichkeit der Genehmigung
§ 17. Zum Bau und zum Betrieb von sowie zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf einer nicht-öffentlichen Eisenbahn ist die Genehmigung erforderlich.
Genehmigungsverfahren
§ 17a. (1) Die Erteilung der Genehmigung ist bei der Behörde zu beantragen. Dem Antrag ist eine Darstellung des Bauvorhabens, ein Bauentwurf und ein Bau- und Betriebsprogramm beizugeben.
(2) Die Genehmigung darf nur erteilt werden, wenn öffentliche Interessen nicht entgegenstehen oder wenn das öffentliche Interesse an der Erbauung und dem Betrieb der geplanten Eisenbahn die entgegenstehenden Interessen überwiegt (Gemeinnützigkeit der Eisenbahn).
(3) In der Genehmigung ist auf Antrag darüber zu entscheiden, ob, unter welchen Bedingungen und auf welche Dauer auf der Eisenbahn ein Werksverkehr oder ein beschränkt-öffentlicher Verkehr zugelassen ist und welche Erleichterungen von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gewährt werden.
...
Werksverkehr, beschränkt-öffentlicher Verkehr
§ 17b. (1) Auf nicht-öffentlichen Eisenbahnen kann nach Maßgabe der folgenden Absätze ein Werksverkehr oder ein beschränkt-öffentlicher Verkehr zugelassen werden, wenn die technische Ausstattung der Eisenbahn hinreichende Sicherheit bietet.
(2) Der Werksverkehr umfasst die unentgeltliche Beförderung von Arbeitskräften, die Tätigkeiten zur Gewährleistung der Sicherheit des Betriebes der Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn ausüben oder dem Unternehmen, dem die Eisenbahn dient, angehören. Die Behörde kann durch Bescheid die unentgeltliche Beförderung von Personen zulassen, deren Beförderung aus öffentlichen Interessen geboten erscheint, sowie von Personen, die das Unternehmen oder dessen Arbeitskräfte zu sich kommen lassen, soweit es sich hiebei nicht um Gäste von Gast- und Schankgewerbebetrieben handelt (erweiterter Werksverkehr).
...
Übergangsbestimmungen zur Novelle BGBl. I Nr. 125/2006
§ 240. (1) Zum Zeitpunkt der Kundmachung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2006 zum Bau und zum Betrieb einer nicht-öffentlichen Eisenbahn erteilte Genehmigungen berechtigen weiterhin zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf den in der Genehmigung ausgewiesenen Eisenbahnen.
...“
19 2.2 Die maßgeblichen Bestimmungen des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 - ArbIG, BGBl. Nr. 27 in der Fassung BGBl. I Nr. 61/2021, lauten (auszugsweise):
„Geltungsbereich
§ 1. (1) Der Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion erstreckt sich auf Betriebsstätten und Arbeitsstellen aller Art.
...
(3) Vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion sind weiters jene Bediensteten des Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände und Gemeinden ausgenommen, die nicht in Betrieben beschäftigt sind.
Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Arbeitnehmer/in im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jede Person, die in Betriebsstätten oder auf Arbeitsstellen im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses tätig ist. ...
...
(3) Betriebsstätten im Sinne dieses Bundesgesetzes sind örtlich gebundene Einrichtungen, in denen regelmäßig Arbeiten ausgeführt werden. Arbeitsstellen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Stellen außerhalb von Betriebsstätten, auf denen Arbeiten ausgeführt werden.
Aufgaben der Arbeitsinspektion
§ 3. (1) Die Arbeitsinspektion ist die zur Wahrnehmung des gesetzlichen Schutzes der Arbeitnehmer/innen und zur Unterstützung und Beratung der Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen bei der Durchführung des Arbeitnehmerschutzes berufene Behörde. Sie hat durch ihre Tätigkeit dazu beizutragen, daß Gesundheitsschutz und Sicherheit der Arbeitnehmer/innen sichergestellt und durch geeignete Maßnahmen ein wirksamer Arbeitnehmerschutz gewährleistet wird. Zu diesem Zweck hat die Arbeitsinspektion die Arbeitgeber/innen und Arbeitnehmer/innen erforderlichenfalls zu unterstützen und zu beraten sowie die Einhaltung der dem Schutz der Arbeitnehmer/innen dienenden Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen zu überwachen, insbesondere soweit diese betreffen ...
...
Beteiligung der Arbeitsinspektion an Verwaltungsverfahren und an Verfahren der Verwaltungsgerichte
§ 12. (1) In Verwaltungsverfahren in Angelegenheiten, die den Arbeitnehmerschutz berühren, ist das zuständige Arbeitsinspektorat (§ 15 Abs. 7) Partei. Dies gilt auch für das Verfahren der Verwaltungsgerichte.
...
(4) Dem Arbeitsinspektorat steht das Recht der Beschwerde zu.
Revision beim Verwaltungsgerichtshof
§ 13. Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ist bei Verfahren gemäß §§ 11 und 12 berechtigt, gegen Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
...
Übergangsbestimmungen
§ 26. ...
(8) Hinsichtlich jener Betriebsstätten und Arbeitsstellen, die bis zum Ablauf des gemäß § 1 VAIG 1994 in den Wirkungsbereich des Verkehrs-Arbeitsinspektorates gefallen sind, obliegen abweichend von § 16 bis zur Neuregelung des Gegenstandes durch eine Verordnung nach § 14 Abs. 4 die nach diesem Bundesgesetz den Arbeitsinspektoraten zustehenden Aufgaben und Befugnisse dem Zentral-Arbeitsinspektorat.
...“
20 2.3. Die maßgeblichen Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes - ASchG, BGBl. Nr. 450/1994 in der Fassung BGBl. I Nr. 115/2022, lauten (auszugsweise):
„Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Arbeitnehmern.
(2) Dieses Bundesgesetz gilt nicht für die Beschäftigung von
1. Arbeitnehmern der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände, die nicht in Betrieben beschäftigt sind;
2. Arbeitnehmern des Bundes in Dienststellen, auf die das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz, BGBl. I Nr. 70/1999, anzuwenden ist;
...
Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Personen, die im Rahmen eines Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses tätig sind. Geistliche Amtsträger gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgesellschaften sind keine Arbeitnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes. Arbeitgeber im Sinne dieses Bundesgesetzes ist jede natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die als Vertragspartei des Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer die Verantwortung für das Unternehmen oder den Betrieb trägt.
...
(5) Arbeitsmittel im Sinne dieses Bundesgesetzes sind alle Maschinen, Apparate, Werkzeuge, Geräte und Anlagen, die zur Benutzung durch Arbeitnehmer vorgesehen sind. Zu den Arbeitsmitteln gehören insbesondere auch Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen oder Gütern, Aufzüge, Leitern, Gerüste, Dampfkessel, Druckbehälter, Feuerungsanlagen, Behälter, Silos, Förderleitungen, kraftbetriebene Türen und Tore sowie Hub-, Kipp- und Rolltore.
...
Außergewöhnliche Fälle
§ 100. (1) Der 1. bis 6. Abschnitt dieses Bundesgesetzes sowie die in Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen finden auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit spezifischen Tätigkeiten im Rahmen von Katastrophenhilfsdiensten insoweit keine Anwendung, als die Besonderheiten dieser Tätigkeiten einer Anwendung zwingend entgegenstehen. In diesen Fällen ist aber dafür Sorge zu tragen, daß unter Berücksichtigung der Zielsetzungen dieses Bundesgesetzes eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist.
...“
21 2.4. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundes-Bedienstetenschutzgesetzes - B-BSG, BGBl. I Nr. 70/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 136/2021, lauten (auszugsweise):
„Geltungsbereich
§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für die Beschäftigung von Bediensteten in Dienststellen des Bundes mit Ausnahme von Betrieben des Bundes.
(2) Dieses Bundesgesetz sowie die in Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen sind auf die Beschäftigung von Bediensteten mit spezifischen staatlichen Tätigkeiten, insbesondere zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, bei drohender Gefahr und in Katastrophenfällen sowie bei Alarm- und Einsatzübungen insoweit nicht anzuwenden, als die Besonderheiten dieser Tätigkeiten einer Anwendung dieser Bestimmungen zwingend entgegenstehen. Bei Anordnung solcher Tätigkeiten ist dafür zu sorgen, daß unter Berücksichtigung der Zielsetzungen dieses Bundesgesetzes eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Bediensteten gewährleistet ist.
...
Aufgaben der Arbeitsinspektion
§ 88. (1) Die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes obliegt der Arbeitsinspektion. Für die örtliche Zuständigkeit der Arbeitsinspektorate gilt § 15 Abs. 1 ArbIG.
...
(3) Die Überprüfung im Sinne des Abs. 1 obliegt in Dienststellen oder in Teilen von solchen, die in Baulichkeiten und Anlagen von militärischer Besonderheit untergebracht sind, dem Bundesminister für Landesverteidigung.
...“
22 3.1. Die Revision ist im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parteistellung und zum Beschwerderecht des Arbeitsinspektorates in Verfahren zur Zulassung eines (erweiterten) Werksverkehrs auf einer nicht-öffentlichen Eisenbahn fehlt.
23 3.2. Der Revisionswerber stützt sich für seine Revisionslegitimation auf § 13 ArbIG iVm. Art. 133 Abs. 8 B-VG.
24 3.2.1. Gemäß § 13 ArbIG ist der Bundesminister für (nunmehr) Arbeit und Wirtschaft bei Verfahren gemäß §§ 11 und 12 ArbIG berechtigt, gegen Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
25 Dieses Revisionsrecht entspricht dem Recht zur Amtsbeschwerde vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51 (vgl. ).
26 Zur Amtsbeschwerde gemäß § 13 ArbIG idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es im Falle der Beschwerde des Bundesministers für (damals) Arbeit und Soziales nicht um die Geltendmachung der Verletzung subjektiver Rechte geht. Die Beschwerdelegitimation des antragstellenden Bundesministers, der im vorangegangenen Verwaltungsverfahren nicht als Partei beteiligt war, war demnach ein von den Parteien des Verfahrens und der beteiligten Behörde losgelöstes Kontrollinstrument. Es handelte sich daher um ein objektives Beschwerderecht (vgl. ; , 2009/07/0197, VwSlg. 18.237 A; vgl. idZ nunmehr auch , Rn. 34 ff, und , Rn. 45).
27 3.2.2.1. Maßgeblich für das Bestehen der Revisionslegitimation des Revisionswerbers ist demnach, ob gegenständlich iSd. § 13 ArbIG ein Verfahren gemäß § 12 ArbIG vorliegt, also ein Verwaltungsverfahren in einer Angelegenheit, die den Arbeitnehmerschutz berührt (ein Verwaltungsstrafverfahren iSd. § 11 ArbIG liegt gegenständlich nicht vor).
28 3.2.2.2. Aus eisenbahnrechtlicher Sicht ist dazu Folgendes vorauszuschicken:
29 Im Verfahren ist unstrittig, dass es sich bei der gegenständlichen Eisenbahn („Anschlussbahn R“) um eine nicht-öffentliche Eisenbahn iSd. § 1 Z 2 lit. a EisbG, nämlich um eine Anschlussbahn ohne Eigenbetrieb iSd. § 7 Z 3 EisbG handelt. Dabei wird der Betrieb auf der Eisenbahn (hier: Anschlussbahn) von einem anderen Eisenbahnunternehmen durchgeführt als jenem, welchem die Genehmigung zum Bau und zum Betrieb sowie (seit der Novelle BGBl. I Nr. 125/2006) zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf der Eisenbahn erteilt wurde (vgl. Catharin/Gürtlich, Eisenbahngesetz4 [2022] 441, 456, 466 f.). Die Genehmigung zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf einer nicht-öffentlichen Eisenbahn bezieht sich ihrer Zweckbestimmung nach grundsätzlich auf die Güterbeförderung (vgl. Catharin/Gürtlich, aaO 468).
30 Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht die Genehmigung der Anschlussbahn iSd. § 17 EisbG. Eine solche Genehmigung wurde, wie vom Verwaltungsgericht festgestellt, bereits mit Bescheid vom erteilt, wobei diese Genehmigung auch zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf dieser Eisenbahn berechtigte und weiterhin berechtigt (vgl. § 240 Abs. 1 EisbG idF BGBl. I Nr. 143/2020; RV 1412 BlgNR 22. GP 16).
31 Verfahrensgegenständlich war vielmehr nur der Antrag auf Zulassung eines erweiterten Werksverkehrs auf der Anschlussbahn, also einer bestimmten Form der Personenbeförderung (vgl. Catharin/Gürtlich, aaO 531). Gemäß § 17b Abs. 2 zweiter Satz EisbG umfasst der erweiterte Werksverkehr - über den im ersten Satz leg. cit. genannten Personenkreis (Werksverkehr) hinaus - die unentgeltliche Beförderung von Personen, deren Beförderung aus öffentlichen Interessen geboten erscheint, sowie von Personen, die das Unternehmen oder dessen Arbeitskräfte zu sich kommen lassen, soweit es sich hiebei nicht um Gäste von Gast- und Schankgewerbebetrieben handelt.
32 Auf einer Anschlussbahn ohne Eigenbetrieb benötigt die Zulassung eines (erweiterten) Werksverkehrs nicht jenes Eisenbahnunternehmen, welches den Betrieb auf der Anschlussbahn durchführt (die Anschlussbahn „bedient“), sondern das Eisenbahnunternehmen, welchem die Genehmigung zum Bau und Betrieb sowie (seit der Novelle BGBl. I Nr. 125/2006) zur Erbringung von Eisenbahnverkehrsdiensten auf der Anschlussbahn erteilt wurde, im vorliegenden Fall also die mitbeteiligte (antragstellende) Bundesministerin.
33 Diese Zulassung konnte bzw. kann gemeinsam mit der Genehmigung für die nicht-öffentliche Eisenbahn (vgl. § 51 Abs. 1 EisbG idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 125/2006 bzw. nunmehr § 17a Abs. 3 EisbG) oder - wie im Revisionsfall - erst zu einem späteren Zeitpunkt beantragt werden. Eine spätere Zulassung eines (erweiterten) Werksverkehrs führt daher, anders als es der Revisionswerber meint, nicht zu einer Änderung der Genehmigung nach § 17 EisbG.
34 Voraussetzung für die Zulassung eines (erweiterten) Werksverkehrs ist demnach auch nicht die Erfüllung der Kriterien des § 17a Abs.2 EisbG, welcher die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen für eine nicht-öffentliche Eisenbahn enthält. Ebenso wenig gelangen die Antragsvoraussetzungen des § 17a Abs. 1 EisbG zur Anwendung, weshalb dem Zulassungsantrag - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - auch nicht zwingend ein geänderter Bauentwurf (einschließlich eines Nachweises über die Erfüllung der Anforderungen des Arbeitnehmerschutzes iSd. § 31a Abs. 1 EisbG) beizugeben ist. Ein (erweiterter) Werksverkehr ist vielmehr gemäß § 17b Abs. 1 EisbG zuzulassen, wenn zum einen die technische Ausstattung der Eisenbahn hinreichende Sicherheit bietet und zum anderen die Voraussetzungen des § 17b Abs. 2 EisbG erfüllt sind. Dem Antrag auf Zulassung sind jene Unterlagen beizugeben, welche die Beurteilung dieser Voraussetzungen ermöglichen.
35 3.2.2.3. Im Revisionsfall verneinte das Verwaltungsgericht die Parteistellung und Beschwerdelegitimation des zuständigen Arbeitsinspektorates - das war im vorliegenden Fall gemäß § 26 Abs. 8 ArbIG das Zentral-Arbeitsinspektorat, welches für den Bundesminister tätig wird (vgl. ) - im Zulassungsverfahren zunächst deshalb, weil Angehörige des Bundesheeres, der Heeresverwaltung und der Zentralstelle sowie Angehörige von Einsatzorganisationen und ausländischen Streitkräften vom Anwendungsbereich des ASchG ausgenommen seien. Auch seien Bedienstete der Gebietskörperschaften gemäß § 1 Abs. 3 ArbIG vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion ausgenommen, sofern sie nicht in Betrieben beschäftigt würden, was hinsichtlich der genannten Personengruppen nicht der Fall sei.
36 Damit stellt das Verwaltungsgericht ausschließlich auf jene Personen ab, welche im Rahmen des beantragten erweiterten Werksverkehrs iSd. § 17b Abs. 2 zweiter Satz EisbG befördert werden sollen.
37 Es ist im Verfahren, beruhend auf dem Vorbringen der mitbeteiligten Bundesministerin, unbestritten geblieben, dass die Beförderung im Rahmen des beantragten erweiterten Werksverkehrs nicht durch Bedienstete des Bundes (insbesondere nicht durch Bedienstete aus dem Wirkungsbereich der mitbeteiligten Bundesministerin), sondern durch Arbeitnehmer und mit Schienenfahrzeugen einer Kapitalgesellschaft (R AG) erfolgen soll. Das Verwaltungsgericht geht selbst davon aus, dass es sich bei diesen Eisenbahnbediensteten um Arbeitnehmer iSd. ASchG handelt und diese auch nicht vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion ausgenommen sind.
38 Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung, dass die Eisenbahnbediensteten, welche den Betrieb des erweiterten Werksverkehrs auf der gegenständlichen Anschlussbahn durchführen sollen, Arbeitnehmer iSd. ASchG und des § 2 Abs. 1 ArbIG sind. Auch handelt es sich bei den Schienenfahrzeugen, durch welche der erweiterte Werksverkehr erfolgen soll, um Arbeitsstellen iSd. § 1 Abs. 1 und 3 ArbIG (vgl. ). Eine Ausnahme vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion aus diesen Gründen lag somit nicht vor.
39 3.2.2.4. Das Verwaltungsgericht begründet seine Auffassung weiters unter Berufung auf § 100 Abs. 1 ASchG. Nach dieser Bestimmung finden der 1. bis 6.Abschnitt dieses Bundesgesetzes sowie die in Durchführung dieser Bestimmungen erlassenen Verordnungen auf die Beschäftigung von Arbeitnehmern mit spezifischen Tätigkeiten im Rahmen von Katastrophenhilfsdiensten insoweit keine Anwendung, als die Besonderheiten dieser Tätigkeiten einer Anwendung zwingend entgegenstehen. In diesen Fällen ist aber dafür Sorge zu tragen, dass unter Berücksichtigung der Zielsetzungen dieses Bundesgesetzes eine größtmögliche Sicherheit und ein größtmöglicher Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer gewährleistet ist.
40 Nach den Gesetzesmaterialien entspricht § 100 Abs. 1 ASchG dem Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit, 89/391/EWG (RV 1590 BlgNR 18. GP 120). Demnach findet diese Richtlinie keine Anwendung, soweit dem Besonderheiten bestimmter spezifischer Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, z. B. bei den Streitkräften oder der Polizei, oder bestimmter spezifischer Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten zwingend entgegenstehen.
41 Wie sich weiters aus den Gesetzesmaterialien ergibt, wird mit § 100 Abs. 1 ASchG aber nur ein Teil des Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 89/391/EWG umgesetzt, nämlich lediglich die Ausnahme vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie in Bezug auf spezifische Tätigkeiten bei den Katastrophenschutzdiensten. Die Ausnahme in Bezug auf spezifische Tätigkeiten im öffentlichen Dienst, wie bei den Streitkräften oder der Polizei, sollte von § 100 Abs. 1 ASchG nicht erfasst werden, weil die Bundesdienststellen ohnedies vom Geltungsbereich des ASchG ausgenommen sind (vgl. RV 1590 BlgNR 18. GP 120).
42 Vor diesem Hintergrund ist der beantragte erweiterte Werksverkehr, welcher nach der Antragsbegründung ua. Munitionstransporte sowie Übungen und Ausbildungsmaßnahmen mit Angehörigen ausländischer Streitkräfte umfassen soll, nicht zur Gänze als Katastrophenhilfsdienst iSd. § 100 Abs. 1 ASchG zu beurteilen. Schon aus diesem Grund bewirkt diese Bestimmung nicht eine (pauschale) Ausnahme des beantragten erweiterten Werksverkehrs vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des ASchG und folglich vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion.
43 3.2.2.5. Da es sich bei den Eisenbahnbediensteten, welche den erweiterten Werksverkehr auf der gegenständlichen Anschlussbahn durchführen sollen, nicht um Bedienstete des Bundes handelt, ist der Anwendungsbereich des B-BSG (vgl. dessen § 1 Abs. 1) von vornherein nicht eröffnet. Die Frage, ob es sich beim beantragten erweiterten Werksverkehr auf der Anschlussbahn um eine Dienststelle bzw. einen Teil einer solchen handelt, die bzw. der in Baulichkeiten und Anlagen von militärischer Besonderheit untergebracht ist, sodass für die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gemäß § 88 Abs. 1 und 3 B-BSG nicht die Arbeitsinspektion, sondern die Bundesministerin für Landesverteidigung zuständig wäre, stellt sich daher im vorliegenden Fall von vornherein nicht.
44 3.2.2.6. Die vom Verwaltungsgericht angenommenen Ausnahmen des beantragten erweiterten Werksverkehrs vom Wirkungsbereich der Arbeitsinspektion im Hinblick auf die betroffenen Arbeitnehmer und die Art ihrer Tätigkeit bestehen demnach nicht.
45 Vielmehr handelt es sich im vorliegenden Fall iSd. § 12 Abs. 1 ArbIG um eine Angelegenheit, die den Arbeitnehmerschutz berührt. Dies ergibt sich schon aus den Bestimmungen der Eisenbahn-ArbeitnehmerInnenschutzverordnung - EisbAV, BGBl. II Nr. 384/1999, welche etwa Vorschriften über das Verhalten auf Schienenfahrzeugen während der Fahrt enthält (vgl. deren § 17). Diese Vorschriften sind für den beantragten erweiterten Werksverkehr jedenfalls einschlägig.
46 Auch handelt es sich bei den Schienenfahrzeugen, mit welchen die Arbeitnehmer im Rahmen des erweiterten Werksverkehrs die Personenbeförderung durchführen sollen, um Arbeitsmittel iSd. § 2 Abs. 5 ASchG („Beförderungsmittel zur Beförderung von Personen“), weswegen gemäß § 1 Abs. 5 EisbAV die Bestimmungen der Arbeitsmittelverordnung - AM-VO, BGBl. II Nr. 164/2000, zur Anwendung gelangen (vgl. hinsichtlich von Türen in Straßenbahnen ; hinsichtlich von Türen in „Zügen“ ).
47 3.2.2.7. Hinsichtlich der Arbeitnehmer der die gegenständliche Anschlussbahn bedienenden R AG verneinte das Verwaltungsgericht die Parteistellung und Beschwerdelegitimation des Arbeitsinspektorates schließlich deshalb, weil in der Beschwerde hinsichtlich dieses Personenkreises keine konkreten Einwände betreffend den Arbeitnehmerschutz vorgebracht worden seien.
48 § 12 Abs. 1 und 4 ArbIG begründet die Parteistellung und das Beschwerderecht des zuständigen Arbeitsinspektorates „in Angelegenheiten, die den Arbeitnehmerschutz berühren“. Diese Voraussetzung war im vorliegenden Fall, wie zuvor ausgeführt, erfüllt. Andere Voraussetzungen für die Erhebung einer Beschwerde sieht das Gesetz nicht vor (vgl. hingegen zur Rechtslage nach dem Arbeitsinspektionsgesetz 1974 ). Es handelt sich um eine sog. Amtsparteistellung bzw. ein Amtsbeschwerderecht, welche die Geltendmachung bestimmter subjektiver Rechte gerade nicht voraussetzen. Ein Vorbringen in Bezug auf den Arbeitnehmerschutz war für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach § 12 Abs. 4 ArbIG somit nicht erforderlich.
49 Es geht daher auch das Argument des Verwaltungsgerichts und der mitbeteiligten Bundesministerin ins Leere, es würde sich durch die Zulassung eines erweiterten Werksverkehrs für die genannten Arbeitnehmer - im Vergleich zu der schon derzeit durchgeführten Beförderung von Angehörigen des Bundesheeres - nichts ändern (wobei angemerkt wird, dass das Verwaltungsgericht keine Feststellungen zu der im Verfahren strittigen Frage getroffen hat, ob für die gegenständliche Anschlussbahn bereits ein Werksverkehr iSd. § 17b Abs. 2 erster Satz EisbG zugelassen ist).
50 3.2.3. Aus alldem folgt, dass die Voraussetzungen des § 13 ArbIG für die Erhebung einer Amtsrevision durch den Revisionswerber gegeben sind.
51 3.3. Die Revision war daher zulässig und aus den zuvor dargestellten Gründen auch begründet, weil das Verwaltungsgericht die Beschwerdeberechtigung des zuständigen Arbeitsinspektorates zu Unrecht verneinte.
52 4. Der angefochtene Beschluss war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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Normen | ArbIG 1993 §1 ArbIG 1993 §1 Abs1 ArbIG 1993 §1 Abs3 ArbIG 1993 §11 ArbIG 1993 §12 ArbIG 1993 §12 Abs1 ArbIG 1993 §12 Abs4 ArbIG 1993 §13 ArbIG 1993 §2 Abs1 ASchG 1994 §1 ASchG 1994 §100 Abs1 ASchG 1994 §2 AVG §8 EisenbahnG 1957 §1 Z2 lita EisenbahnG 1957 §17 EisenbahnG 1957 §17a EisenbahnG 1957 §17a Abs1 EisenbahnG 1957 §17a Abs2 EisenbahnG 1957 §17a Abs3 EisenbahnG 1957 §17b EisenbahnG 1957 §17b Abs1 EisenbahnG 1957 §17b Abs2 EisenbahnG 1957 §31a Abs1 EisenbahnG 1957 §7 Z3 EURallg VwRallg 31989L0391 Arbeitnehmer-RL Sicherheit Gesundheitsschutz Art2 Abs2 |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030249.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAF-45865