VwGH 04.10.2023, Ra 2022/03/0208
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | JagdG Krnt 2000 §57 Abs2 VwRallg |
RS 1 | Mit der Novelle LGBl. Nr. 13/2018 zum Krnt JagdG 2000 wurde in § 57 Abs. 2 zweiter Satz die Wortfolge "auf den jeweiligen Bestand und" eingefügt, sodass bei der Festsetzung eines Abschussplans (auch) auf den jeweiligen Bestand des der Abschussplanung unterliegenden Wildes Bedacht zu nehmen ist. Diese Änderung erfolgte nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV zu Zl. 01-VD-LG-1743/36-2017, S 5) "im Licht der Empfehlung des Rechnungshofes". Aus dem Entstehungszusammenhang dieser Gesetzesänderung ergibt sich somit, dass der Gesetzgeber damit bekräftigt hat, dass (auch) nach dem Krnt JagdG 2000 der tatsächliche Wildstand in einem Jagdgebiet eine maßgebende Grundlage für den Abschussplan für dieses Jagdgebiet darstellt, wenn auch eine konkrete Zählung des Wildstandes nach bestimmten Methoden weiterhin nicht ausdrücklich angeordnet wird. |
Norm | JagdG Krnt 2000 §57 Abs2 |
RS 2 | Im Erkenntnis vom , 85/03/0180, hat der VwGH ausgeführt, dass es auf der Hand liege, dass für die verlässliche Ermittlung des tatsächlichen Wildstandes in erster Linie die Ergebnisse von umfassenden und gewissenhaft durchgeführten Wildzählungen maßgebend sein müssten. Sowohl dieses Erkenntnis als auch die daran anknüpfenden Entscheidungen des VwGH zu Abschussplänen, in denen das Unterbleiben von Wildzählungen bemängelt wurde, betrafen jedoch - soweit überblickbar - ausschließlich den Abschuss von Rotwild (, , 2004/03/0155, , 2004/03/0172, , 2006/03/0142, , 2006/03/0157, , 2006/03/0170, , 2011/03/0177, , 2013/03/0003, , 2013/03/0160, , Ro 2014/03/0023, , Ra 2021/03/0046, und , Ra 2022/03/0105) oder Gamswild (). Zu einem Abschussplan für Reh- und Gamswild hat der VwGH bereits festgehalten, dass auch dafür unter anderem der Grundsatz der Maßgabe des tatsächlichen Wildstandes in dem betreffenden Jagdgebiet gilt. Mag die Ermittlung des Wildstandes insbesondere beim Rehwild auch schwierig sein, weil es sich nicht mit der erforderlichen Genauigkeit zählen lässt, so ist es doch auch hier - etwa aufgrund von Rückschlüssen aus der Anzahl und dem Alter des erlegten Wildes - möglich, den Wildstand einigermaßen verlässlich festzustellen (vgl. ). |
Norm | JagdG Krnt 2000 §57 Abs2 |
RS 3 | In einer unterbliebenen Wildstandszählung liegt dann keine Rechtswidrigkeit, wenn auf Sachverhaltsebene feststeht, dass der (im betreffenden Zusammenhang relevante) Wildstand nicht zählbar ist (vgl. : insofern wegen abweichenden Sachverhaltes keine Bindung an das Vorerkenntnis ; in diesem Sinne auch ). In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtslage in der Steiermark hinzuweisen, in der die von der Steirischen Landesjägerschaft erlassenen Abschussrichtlinien konkrete Vorschriften über die Erfassung der Rehwildbestände enthalten. Dazu hat der VwGH ausgesprochen, dass diese dafür nicht ein Primat von Wildstandszählungen normieren, sondern - beispielsweise - unterschiedliche Methoden zur Erfassung des Wildbestands jeweils durch Schätzung nennen, nämlich durch Sichtbeobachtungen, aufgrund des mehrjährigen Abschusses und aufgrund des Wildzustands (). In der Rechtsprechung des VwGH ist somit bereits anerkannt, dass tatsächliche Gründe einer konkreten Wildstandszählung entgegenstehen können, sodass auch im vorliegenden Fall - in dem der Amtssachverständige von der Unmöglichkeit einer exakten Erhebung des Rehwildstandes ausgeht - aus dem Unterbleiben einer Wildstandszählung allein noch nicht die Rechtswidrigkeit des Abschussplanes folgt. |
Norm | JagdG Krnt 2000 §57 Abs2 |
RS 4 | § 57 Abs. 2 Krnt JagdG 2000 ordnet - ohne zwischen den verschiedenen Wildarten zu unterscheiden - an, dass auf den Bestand des der Abschussplanung unterliegenden Wildes Bedacht zu nehmen ist, womit die Judikatur bekräftigt wird, wonach der tatsächliche Wildstand in einem Jagdgebiet eine maßgebende Grundlage für den Abschussplan für dieses Jagdgebiet darstellt. Eine konkrete Wildstandserhebung nach bestimmten Methoden ist dafür aber gesetzlich nicht vorgesehen. |
Normen | |
RS 5 | Die Wahrung des Parteiengehörs im Zuge des Ermittlungsverfahrens iSd §§ 37 ff AVG bzw. §§ 17, 24 f VwGVG 2014 ist von Amts wegen zu beachten und gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens sowie des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten, sie stellt eine kardinale Voraussetzung eines rechtmäßigen Verfahrens sowie eine der wichtigsten Sicherungen des rechtstaatlichen Prinzips dar (vgl. B 125 und B 178/48 (VfSlg 1804/1949); , mwH; vgl. §§ 10, 45 VwGVG 2014). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/03/0069 E RS 9 |
Normen | |
RS 6 | Für das Gutachten eines Sachverständigen erweist es sich zur Wahrung des Parteiengehörs seitens einer Verwaltungsbehörde zumindest als notwendig, den Schriftsatz samt Gutachten mit einem Hinweis darauf zu übermitteln, dass der zu erlassende Bescheid auf dieses Gutachten gestützt werde, um den Parteien die Möglichkeit zu bieten, dem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Ein solcher Mangel wird nicht dadurch saniert, dass die Partei (zufällig) im Rahmen einer Akteneinsicht Kenntnis von diesen Beweismitteln erlangt (vgl. , VwSlg. 16.603 A). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/03/0069 E RS 12 (hier: ohne den letzten Satz) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Mag. Nedwed, Mag. Samm, Dr. Faber und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Jagdgesellschaft L in V, vertreten durch Mag. Ingomar Arnez und Mag. Klaus R. Nagele, Rechtsanwälte in 9500 Villach, 10. Oktober Straße 18, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG-327/5/2022, betreffend einen Abschussplan nach dem Kärntner Jagdgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirksjägermeister des Jagdbezirks Villach), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Kärnten hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Die revisionswerbende Jagdgesellschaft (ein Verein) ist Pächterin und damit Jagdausübungsberechtigte einer Gemeindejagd im Jagdbezirk Villach.
2 Der von ihr für die Planperiode 2021/2022 beantragte Abschussplan gemäß § 57 Abs. 1 Kärntner Jagdgesetz 2000 (K-JG) vom umfasste - wie in den Vorperioden - näher aufgegliederte insgesamt 105 Stück (ausschließlich) Rehwild.
3 1.2. Mit Bescheid vom setzte der Bezirksjägermeister des Jagdbezirks Villach (die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) den Abschussplan für das von der Revisionswerberin gepachtete Gemeindejagdgebiet in der Planperiode 2021/2022 gemäß § 57 Abs. 2 K-JG mit näher aufgegliederten insgesamt 171 Stück Rehwild fest und erteilte dazu eine Reihe von Auflagen.
4 1.3. Über Beschwerde der Revisionswerberin hob das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) diesen Bescheid mit Beschluss vom auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurück, weil diese die in § 57 K-JG vorgesehenen Verfahrensschritte nicht eingehalten sowie den maßgeblichen Sachverhalt nicht durch Einholung entsprechender Fachgutachten ermittelt habe.
5 1.4. In der Folge führte die belangte Behörde am (erneut) eine Revierinhaberbesprechung mit dem Obmann und dem Jagdleiter der Revisionswerberin unter Beiziehung des zuständigen Hegeringleiters und des Wildbiologen der Kärntner Jägerschaft durch. Weiters holte sie beim Wildbiologen der Kärntner Jägerschaft ein wildbiologisches Gutachten vom und bei der Bezirkshauptmannschaft Villach (Bezirksforstinspektion) eine Erhebung der Verbiss-Situation im betroffenen Jagdgebiet vom (in der Folge: forstwirtschaftliches Gutachten) ein. Darüber hinaus erstattete der betroffene Jagdverwaltungsbeirat in seiner Sitzung am eine Stellungnahme. Die belangte Behörde hörte schließlich den Bezirksjagdbeirat zur beabsichtigten Festsetzung des Abschussplanes im Rahmen seiner Sitzung am an.
6 Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang den Abschussplan für das von der Revisionswerberin gepachtete Gemeindejagdgebiet in der Planperiode 2021/2022 gemäß § 57 Abs. 2 K-JG erneut mit näher aufgegliederten insgesamt 171 Stück Rehwild fest und erteilte dazu eine Reihe von Auflagen.
7 1.5. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom wies das Verwaltungsgericht die dagegen von der Revisionswerberin erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
8 Im Beschwerdeverfahren stellte das Verwaltungsgericht der Revisionswerberin das forstwirtschaftliche Gutachten vom zu und führte eine mündliche Verhandlung durch, in der einerseits der Ersteller dieses forstwirtschaftlichen Gutachtens und andererseits ein Mitarbeiter des Amtes der Kärntner Landesregierung jeweils als vom Verwaltungsgericht beigezogene Amtssachverständige mündlich ein forstwirtschaftliches bzw. jagdfachliches und wildökologisches Gutachten erstatteten.
9 In seinem Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht zunächst im Wesentlichen den Verfahrensgang samt dem zusammengefassten Inhalt der von der belangten Behörde eingeholten Stellungnahmen fest.
10 Im Rahmen der Beweiswürdigung referierte es dann die im behördlichen und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten:
So ergebe sich aus dem wildbiologischen Gutachten vom , dass der Abschussplanantrag der Revisionswerberin weder in der Höhe der Planung noch in Bezug auf das Klassenverhältnis den Vorgaben der Abschussrichtlinien (Verordnung des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft) entspreche. Der Antrag sei im Hinblick auf die herrschende Schadsituation im Jagdgebiet und die Wilddichte zu niedrig, zusätzlich sei die Klassenaufteilung verschoben und es falle der beantragte Anteil der Kitze zu niedrig aus. Der Sachverständige halte fest, dass die Analyse der Abschusszahlen der letzten 10 Jahre zeige, dass neben einer relativ konstanten jagdlichen Entnahme von ungefähr 50 Stück pro Jahr die Fallwildzahlen im betroffenen Jagdgebiet sehr hoch ausfielen. Die Fallwildzahlen und Abschüsse deuteten auf keinen Rückgang des Wildbestandes hin. Die hohe Wilddichte ergebe sich aus dem hohen Fallwildanteil. Im betroffenen Jagdgebiet würden auch mehr Böcke als Geißen erlegt und der Anteil der erlegten Kitze liege bei unter 20 % der Gesamtentnahme. Diese Faktoren wirkten sich im Hinblick auf die notwendige Wildreduktion negativ aus. Aus wildökologischer Sicht werde die Abschussplanung der belangten Behörde auf 171 Stück als absolut notwendige Maßnahme angesehen, um die Wildreduktion entsprechend umsetzen zu können. Zur effizienten Wildreduktion sei auch eine Abschussplanerhöhung auf über 200 Stück vorstellbar. Aus wildökologischer Sicht sei jedoch die Abschussplanung von 171 Stück Rehwild für dieses Jagdgebiet die richtige, „umsetzbarste“ und nachhaltigste Maßnahme, die in dieser Form im Rahmen der Abschussplanung zur Anwendung kommen müsse.
Der forstfachliche Amtssachverständige habe in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass im gegenständlichen Jagdgebiet ein starker Wildeinfluss durch selektiven Rehwildverbiss der Laubhölzer vorherrsche. Es herrsche ein hoher Verbissdruck und die Naturverjüngung im Sinne der potenziellen natürlichen Waldgesellschaft komme nicht auf. Die Ergebnisse des Wildeinflussmonitorings zeigten eine Entmischung der Laubhölzer, wertvolle Mischbaumarten (Eiche, Bergahorn, Rotbuche) würden ausfallen. Die Baumartenzusammensetzung verändere sich zu Lasten der Laub- und einem Großteil der Nadelhölzer. Der festgestellte Wildverbiss finde zu 94 % am Laubholz und zu 6 % am Nadelholz statt. Nachvollziehbar habe der forstfachliche Amtssachverständige in seiner Stellungnahme festgestellt, dass ohne eine drastische und nachhaltige Reduktion des Rehwildes im Jagdgebiet und des daraus folgenden wesentlich geringeren Verbisses die flächige Entwicklung eines artenreichen, dem Standort angepassten Waldes nicht möglich sei.
Der jagdfachliche und wildökologische Amtssachverständige habe in der mündlichen Verhandlung schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der ursprünglich beantragte Abschuss von 105 Stück Rehwild einem Abschuss von rund 3,1 Stück pro 100 ha und Jahr und der von der belangten Behörde festgesetzte Abschussplan mit 171 Stück Rehwild einem solchen von rund 5 Stück pro 100 ha und Jahr entspreche. Die Anhebung des Abschussplanes für Rehwild stelle vor dem Hintergrund der forstfachlichen Verbissanalyse eine Verbissverbesserung dar. Zum Vorbringen der Revisionswerberin, dass es sich beim gegenständlichen Jagdgebiet auch um ein touristisch genutztes Gebiet handle, habe der Amtssachverständige festgehalten, dass die Jagdausübung auf die Verhältnisse anzupassen und der von der belangten Behörde festgesetzte Abschuss durchführbar sei. Der Amtssachverständige habe den Wildstand im gegenständlichen Jagdgebiet dargelegt und festgehalten, dass bei der gegenständlichen Abschussplanfestsetzung der vorhandene Wildbestand auch berücksichtigt worden sei. Aus der Stellungnahme des Amtssachverständigen ergebe sich, dass die Festlegung der gegenständlichen Abschusszahlen auf die Herstellung eines dem gegenständlichen Biotop angemessenen Wildstandes und auf die Vermeidung von waldgefährdenden Wildständen ausgerichtet sei. Der Amtssachverständige habe unter Heranziehung des Wildstandes im Jagdgebiet und unter Berücksichtigung der jagdlich nutzbaren Fläche die Stückzahl des angefochtenen Abschussplanes in Relation zur Entnahme des Wildzuwachses gesetzt. Der von der belangten Behörde festgesetzte Abschussplan sei schließlich vom Amtssachverständigen aus wildökologischer und jagdfachlicher Sicht als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt worden.
Die Revisionswerberin sei den Stellungnahmen der Amtssachverständigen nicht auf gleicher fachlicher Ebene oder durch fachlich fundierte Stellungnahmen begegnet. Für das Verwaltungsgericht bestehe nach eingehender Würdigung der Beweismittel kein Grund, an deren Echtheit und Richtigkeit zweifeln. Was die Aussagen der beigezogenen Amtssachverständigen betreffe, so würden diese im Hinblick auf deren Sachkenntnisse sowie mangels Zweifel an der Vollständigkeit, Richtigkeit und Schlüssigkeit als nachvollziehbar und richtig erachtet.
11 In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht im Wesentlichen, dass vor dem Hintergrund der näher dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und auf Grundlage des von der Revisionswerberin auch unbestritten gebliebenen wildbiologischen Gutachtens, der forstfachlichen Stellungnahme zur Erhebung der Verbisssituation im betroffenen Jagdgebiet, der Stellungnahmen der dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beigezogenen forstfachlichen sowie jagdfachlichen und wildökologischen Amtssachverständigen zu folgern sei, dass nach erfolgter Einhaltung der Verfahrensbestimmungen zur Festsetzung eines Abschussplanes durch die belangte Behörde gemäß § 57 K-JG der bescheidmäßigen Festsetzung des Abschussplanes seitens des Verwaltungsgerichtes nicht entgegen zu treten sei.
12 1.6. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich zu ihrer Zulässigkeit auf eine Abweichung von näher dargestellter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Notwendigkeit von Wildstandszählungen als Grundlage jeder Abschussplanung sowie zur Wahrung des Parteiengehörs stützt.
13 1.7. Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 2.1. Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Wahrung des Parteiengehörs in Bezug auf Sachverständigengutachten abgewichen ist. Sie ist daher im Ergebnis auch begründet.
15 2.2. Die einschlägigen Bestimmungen des K-JG in der Fassung LGBl. Nr. 7/2021 (zum Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes) lauten:
„§ 3 Grundsätze eines geordneten Jagdbetriebes
(1) Die Jagd ist sachgemäß und weidgerecht unter Beachtung der Grundsätze eines geordneten Jagdbetriebes auszuüben. Es ist verboten, den Bestand einer Wildart durch eine nicht sachgemäße Jagdausübung zu gefährden. Wildlebende Vogelarten, die im Sinne der Richtlinie des Rates vom über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG) in Österreich - unbeschadet § 51 Abs. 4a - nicht bejagt werden dürfen - dürfen ungeachtet der angewandten Methode - weder absichtlich getötet noch gefangen werden; solche Vogelarten dürfen - unbeschadet §§ 54 und 54a - auch nicht gehalten werden. Darüber hinaus ist die Jagd so auszuüben, daß die im öffentlichen Interesse gelegenen günstigen Wirkungen des Waldes nicht geschmälert und insbesondere waldgefährdende Wildschäden (§ 71 Abs. 3) vermieden werden.
(2) Ein geordneter Jagdbetrieb ist gegeben, wenn durch die Jagdausübung einschließlich der Hege ein der Größe und Beschaffenheit des Jagdgebietes und der Tragfähigkeit des Biotops angepasster artenreicher und gesunder Wildstand sowie ein Waldzustand, der die im öffentlichen Interesse gelegenen Wirkungen des Waldes - insbesondere durch den Schutz vor waldgefährdenden Wildschäden - erfüllt, erzielt und erhalten werden. Dabei sind ein ausgeglichener Naturhaushalt, die Erfordernisse der Land- und Forstwirtschaft und die wildökologische Raumplanung zu berücksichtigen. Der geordnete Jagdbetrieb umfasst auch eine ordnungsgemäße Ausübung des Jagdschutzes.
...
§ 9 Feststellung der Jagdgebiete
(1) Die Jagdgebiete werden durch die Bezirksverwaltungsbehörde auf die Dauer der Pachtzeit der Gemeindejagd (§ 17 Abs. 1) festgestellt.
...
(5) Nach Ablauf der in den Abs. 2 und 3 festgelegten Fristen hat die Bezirksverwaltungsbehörde festzustellen,
a) welche Grundstücke als Eigenjagdgebiete anerkannt werden, welches Flächenausmaß die einzelnen Gebiete aufweisen und wem die Befugnis zur Eigenjagd darauf zusteht (Eigenjagdberechtigter),
b) daß die verbleibenden Grundstücke mit ihrer ziffernmäßig anzugebenden Gesamtfläche unter den Voraussetzungen des § 6 ein Gemeindejagdgebiet oder mehrere Gemeindejagdgebiete bilden.
...
8. Abschnitt - Vorschriften für die Jagdbetriebsführung
§ 55 Abschußplanung
Das Erlegen und Fangen von Schalenwild - mit Ausnahme von Schwarzwild und Damwild - sowie von Auerhahnen und Birkhahnen unterliegt der Abschußplanung. Die Landesregierung kann, wenn dies unter Berücksichtigung der für die Erlassung der Abschußrichtlinien maßgebenden Grundsätze erforderlich ist, durch Verordnung festlegen, daß auch andere Wildarten der Abschußplanung unterliegen.
...
§ 56 Abschußrichtlinien
Der Landesvorstand der Kärntner Jägerschaft hat mit Verordnung Richtlinien für die Abschußplanung (Abschußrichtlinien) sowie Grundsätze, die bei der Erfüllung des Abschußplanes einzuhalten sind, zu erlassen. Bei der Erlassung der Verordnung ist auf den wildökologischen Raumplan sowie die Entwicklung und Erhaltung eines gesunden, der Größe und den natürlichen Äsungsverhältnissen des Jagdgebietes entsprechenden Wildstandes, ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis, einen richtigen Altersaufbau des Wildstandes, auf die Vermeidung eines zahlenmäßig für die Land- und Forstwirtschaft abträglichen Wildstandes und die Erfordernisse eines ausgeglichenen Naturhaushaltes Bedacht zu nehmen. Zur Erzielung einer Anreizwirkung für die Erfüllung des Abschussplans in der jeweiligen Wildklasse ist in den Abschussrichtlinien ferner festzulegen, welche der Abschussplanung unterliegenden Schalenwildarten, beschrieben nach Geschlecht, Wildklassen und Altersklassen, und in welcher Reihenfolge - jeweils unter Bedachtnahme auf die Wildschadensanfälligkeit sowie den Wildstand - für die Erlaubnis zum zusätzlichen Abschuss (§ 57b) in Betracht kommen. Vor der Erlassung der Abschussrichtlinien sind der Landesjagdbeirat und die Landwirtschaftskammer zu hören.
§ 57 Abschußplan
(1) Der Jagdausübungsberechtigte hat bis spätestens 1. März des Jagdjahres, mit dem die Geltungsdauer des Abschussplanes beginnt, den beantragten vollständigen Abschussplan (Abs. 4) dem Hegeringleiter bekannt zu geben. Der Hegeringleiter hat den beantragten Abschussplan mit seiner Stellungnahme bis spätestens 15. März dem Bezirksjägermeister zu übermitteln.
(2) Der Bezirksjägermeister hat auf der Grundlage des Abschussrahmens im wildökologischen Raumplan (§ 55a Abs. 3) und auf Grund der Abschussrichtlinien für jedes Jagdgebiet, das im Bereich seiner Bezirksgruppe liegt, nach Anhörung des Bezirksjagdbeirates und, wenn das Jagdgebiet zu einer Hegegemeinschaft gemäß § 62 gehört, des von dieser Hegegemeinschaft namhaft gemachten Vertreters bis spätestens 1. Mai den Abschussplan mit Bescheid festzusetzen. Dabei ist auf den jeweiligen Bestand und den sich über die Grenze eines Jagdgebietes hinaus erstreckenden Lebensraum des der Abschussplanung unterliegenden Wildes Bedacht zu nehmen. Ferner ist die zahlenmäßige Festlegung des Abschusses gemäß Abs. 4 lit. b jedenfalls auf die Herstellung eines dem Biotop angemessenen Wildstandes und auf die Vermeidung von waldgefährdenden Wildständen auszurichten. Für aneinandergrenzende Jagdgebiete desselben Jagdausübungsberechtigten ist nur ein Abschussplan zu erlassen. Wurde kein Antrag nach Abs. 1 gestellt, ist der Abschussplan von Amtswegen festzusetzen. Abschusspläne sind gemäß §§ 22, 23 und 24 des Zustellgesetzes, BGBl Nr 100/1982, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 65/2002, zuzustellen. Eine Nachsendung hat nicht zu erfolgen.
(3) Ein Abschussplan ist für die Dauer von zwei Jahren zu erlassen (Geltungsdauer des Abschussplanes).
(4) Der Abschussplan hat jedenfalls zu enthalten:
a) die Gesamtfläche des Jagdgebietes (der aneinandergrenzenden Jagdgebiete) desselben Jagdausübungsberechtigten;
b) den während der Geltungsdauer des Abschussplanes durchzuführenden Abschuss;
c) eine Aufgliederung des zu erlegenden Schalenwildes in männliche und weibliche Stücke, ausgenommen die im Lauf der Geltungsdauer des Abschussplanes gesetzten Kälber, Kitze und Lämmer (Nachwuchsstücke);
d) eine Unterteilung der zu erlegenden trophäentragenden Wildstücke, mit Ausnahme der Muffelschafe, in Altersklassen.
(5) Bei verpachteten Eigenjagden hat der Jagdausübungsberechtigte dem Antrag (Abs. 4) eine Stellungnahme des Verpächters anzuschließen oder mitzuteilen, dass der Verpächter auf die Abgabe der Stellungnahme verzichtet hat. Bei einer verpachteten Gemeindejagd hat der Hegeringleiter bis längstens 15. März dem Jagdverwaltungsbeirat
1. den beantragten Abschussplan,
2. eine Darstellung der festgesetzten Abschusszahlen des bisher geltenden Abschussplans und
3. eine Darstellung der Abschuss-, Fang- und Auffindungszahlen der der Abschussplanung unterliegenden Wildarten für die dem Jahr der Erlassung des Abschussplans vorausgehenden zwei Jagdjahre
zu übermitteln. Hiezu hat der Jagdverwaltungsbeirat unter Beiziehung des oder der Jagdausübungsberechtigten zu einer Sitzung zusammenzutreten. Dem Jagdverwaltungsbeirat obliegt sodann die Abgabe einer Stellungnahme gegenüber dem Bezirksjägermeister, die bei diesem bis spätestens 1. April einzulangen hat; langt bis zu diesem Zeitpunkt keine Stellungnahme ein, gilt dies als Zustimmung des Jagdverwaltungsbeirates. Der Bezirksjägermeister hat die eingelangte Stellungnahme des Jagdverwaltungsbeirates dem Bezirksjagdbeirat zur Kenntnis zu bringen.
(6) Der Bezirksjägermeister darf von der Erlassung eines Abschussplanes für einzelne Jagdgebiete - ist für aneinandergrenzende Jagdgebiete nur ein Abschussplan zu erlassen, nur dann, wenn alle Jagdgebietsflächen denselben Grundeigentümer haben - absehen, wenn
a) der Antrag des Jagdausübungsberechtigten (Abs. 1) vollständig ist und
b) gegen die im Antrag enthaltenen Angaben keine Einwendungen des Bezirksjagdbeirates oder des Verpächters einer Eigenjagd vorliegen und
c) keine Verfügungen nach Abs. 8 getroffen werden.
(7) Trägt der Zustellnachweis, mit dem der festgesetzte Abschussplan (Abs. 2) zugestellt werden soll, nicht ein Aufgabedatum bis einschließlich 28. April, so gilt nach dem 1. Mai der vom Jagdausübungsberechtigten beantragte Abschuss als durchzuführender Abschuss (Abs. 4 lit. b). Der Bezirksjägermeister hat ab dem 28. April durch Anschlag in der Geschäftsstelle des Landesjägermeisters und in seiner Geschäftsstelle unter Angabe des Jagdausübungsberechtigten des Jagdgebietes kundzumachen, hinsichtlich welcher festgesetzten Abschusspläne die Zustellung gemäß §§ 22 oder 24 des Zustellgesetzes bis einschließlich 28. April eingeleitet worden ist.
(8) Bei Schalenwild kann der Bezirksjägermeister einzelne oder alle Stücke einer Schalenwildart in mehr als einem Abschussplan unter der Auflage zum Abschuss freigeben, dass alle Abschusspläne hinsichtlich dieser Stücke erfüllt sind, sobald diese in einem dieser Jagdgebiete gefangen oder erlegt werden. Im Abschussplan sind die Namen und die Anschriften der Jagdausübungsberechtigten anzuführen, die im Falle der Erlegung oder des Fangens eines dieser Stücke jeweils unverzüglich zu verständigen sind.
(9) Wurde gegen den Bescheid des Bezirksjägermeisters Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erhoben, hat der Jagdausübungsberechtigte bis zur rechtskräftigen Entscheidung hierüber das Recht und die Pflicht, Wild im Rahmen des angefochtenen Bescheides zu erlegen oder zu fangen.
(9a) Hat sich während der Geltungsdauer des Abschussplanes ein Jagdgebiet in seiner Größe nicht nur unwesentlich verändert, so hat der Bezirksjägermeister von Amts wegen für die verbleibende Dauer der Abschussplanperiode (Abs. 3) den Abschussplan für ein betroffenes geändertes Jagdgebiet unter sinngemäßer Anwendung von Abs. 2 und 4 neu festzusetzen.
(10) Der Jagdausübungsberechtigte ist verpflichtet, den Inhalt des Abschussplanes seinen Jagdschutzorganen zur Kenntnis zu bringen.
(11) Der Landesvorstand der Kärntner Jägerschaft hat durch Verordnung Vordrucke für den Abschussplan unter Bedachtnahme auf dessen Inhalt festzulegen.
(12) Ist der durchzuführende Abschuss ungenügend, um eine Gefährdung des Waldes durch Wild (§ 71 Abs. 3) zu vermeiden, hat die Landesregierung in Abänderung des Abschussplans, im Fall des Abs. 6 in Ergänzung des Antrags des Jagdausübungsberechtigten, von Amts wegen oder auf Antrag des Leiters des Forstaufsichtsdienstes beim Amt der Landesregierung den durchzuführenden Abschuss im erforderlichen Ausmaß mit Bescheid festsetzen. Abs. 2, mit Ausnahme des vorvorletzten Satzes, sowie Abs. 9 und 10 sind sinngemäß anzuwenden.
...“
16 Die Verordnung des Landesvorstandes der Kärntner Jägerschaft vom , mit der die Abschussrichtlinien erlassen werden, Kundmachungsblatt der Kärntner Jägerschaft Nr. 1/2021, lautet auszugsweise:
„§ 1 Allgemeine Bestimmungen
(1) Der Abschussplan ist für jedes Jagdgebiet unter Berücksichtigung der Wildökologischen Raumplanung so zu erstellen, dass alle der Abschussplanung unterliegenden Wildarten in ihrem Bestand gesichert sind und keine für die Land- und Forstwirtschaft untragbaren Wildschäden entstehen. Dabei ist auch auf den Wildlebensraum über die Grenze eines Jagdgebietes hinaus Bedacht zu nehmen.
...
§ 4 Abschussfreigabe
(1) Die Abschussfreigabe hat sich an folgenden Kriterien zu orientieren, wobei notwendige Abweichungen, die in den besonderen Verhältnissen des betreffenden Jagdgebietes begründet sind, bei der Erstellung des Abschussplanes zulässig sind. Außergewöhnliche Verhältnisse, wie Mängel in der Sozialstruktur, Seuchen, andere Wildverluste (Verkehr) oder hohe Wildschäden, sind zu berücksichtigen.
(2) Wird der im Abschussplan festgesetzte Abschuss von weiblichem Schalenwild oder von Rehkitzen, Rotwildkälbern oder Muffellämmern ohne triftigen Grund nicht nur unwesentlich unterschritten, so ist mit Rücksicht auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft und unter Bedachtnahme auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis bei der nächsten Abschussplanfestsetzung eine der Nichterfüllung des Abschussplanes entsprechende Anzahl männlicher Stücke nicht zum Abschuss frei zu geben.
a) Rehwild:
Böcke: 35 % Geißen: 35 % Kitze: 30 %
Böcke: Klasse A: 52 % Klasse B: 48 %
Zwei-, drei- und vierjährige Böcke (Böcke ab der Vollendung des zweiten Lebensjahres bis zur Vollendung des fünften Lebensjahres) sollen weitestgehend geschont werden.
Geißen: Keine Altersklassen. Es sind mindestens 40 % Schmalgeißen im zweiten Lebensjahr (einjährig) zu erlegen.
...“
17 2.3.1. Die Revision bringt zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von jener Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach Grundlage für jeden Abschussplan die verlässliche Erhebung des tatsächlichen Wildstandes sei (Hinweis auf , , 2013/03/0160, , Ro 2014/03/0023 und , Ra 2021/03/0046). Im Verfahren sei jedoch keine konkrete und nachvollziehbare Wildstandszählung erfolgt, wie sie der Verwaltungsgerichtshof in diesen Erkenntnissen gefordert habe.
18 2.3.1.1. Die Revisionsbeantwortung entgegnet diesem Vorbringen zunächst, dass die angeführten Judikate auf einer nicht vergleichbaren Rechtslage beruhten, weil nach dem K-JG - anders als in Jagdgesetzen anderer Bundesländer - nicht die zahlenmäßige Erfassung von Wildtieren im Sinne einer Wildstandserhebung oder -zählung in Vordergrund stehe.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits in seinem Erkenntnis vom , 2013/03/0160, zum K-JG in der Fassung vor der Novelle LGBl. Nr. 13/2018 erkannt, dass vor dem Hintergrund der Bezugnahme auf den Wildstand in § 3 Abs. 2 erster Satz, § 56 und den (damaligen) Abschussrichtlinien der tatsächliche Wildstand in einem Jagdgebiet eine maßgebende Grundlage für den Abschussplan für dieses Jagdgebiet darstelle. Dabei seien - so der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine Vorjudikatur - für die verlässliche Ermittlung des tatsächlichen Wildstandes in erster Linie die Ergebnisse von umfassenden und gewissenhaft durchgeführten Wildzählungen maßgeblich. Wenn auch im Sinne einer kontinuierlichen Jagdbewirtschaftung bei der Festlegung eines Abschussplanes jeweils die Abschussfreigaben und die tatsächlich getätigten Abschüsse der vorangegangenen Jahre zu berücksichtigen seien, vermöge dies die besagte, in § 57 iVm § 56 und § 3 Abs. 2 K-JG gegründete Wildstandsermittlung nicht entbehrlich zu machen. Die einem vom Jagdausübungsberechtigten bekannt gegebenen Abschussplan zu Grunde liegenden Zählergebnisse bedeuteten im Übrigen zwar nicht, dass die Behörde die Ergebnisse von Zählungen ungeprüft ihrer Beurteilung zugrunde legen müsste, allerdings bedürfe ein Abgehen von Zählergebnissen einer schlüssigen Begründung, gegebenenfalls nach Beiziehung eines jagdfachlichen Sachverständigen.
20 Unter Hinweis auf diese Entscheidung hat der Rechnungshof in seinem Bericht vom betreffend die Umsetzung der Jagdgesetze in Kärnten, Salzburg und Tirol (Kärnten 2016/8, Salzburg 2016/5, Tirol 2016/6) festgestellt, dass das Land Kärnten ungeachtet dessen mit Ausnahme einiger Projekte von einer Ermittlung der Wildstände Abstand genommen habe und weder Zählbestände noch Ergebnisse aus Berechnungen vorgelegen seien (Tz 17.1(2)). Er kritisierte, dass der sich aus dem K-JG und der Judikatur ergebenen Verpflichtung zur Ermittlung des Wildstandes nicht nachgekommen worden sei und empfahl dem Land Kärnten, eine Ermittlung des Wildstands nach anerkannten Methoden durchzuführen und diese als Grundlage für die Ausarbeitung der Abschusspläne heranzuziehen (Tz 17.2(1) und 17.4.).
21 Mit der Novelle LGBl. Nr. 13/2018 zum K-JG wurde in § 57 Abs. 2 zweiter Satz die Wortfolge „auf den jeweiligen Bestand und“ eingefügt, sodass bei der Festsetzung eines Abschussplans (auch) auf den jeweiligen Bestand des der Abschussplanung unterliegenden Wildes Bedacht zu nehmen ist. Diese Änderung erfolgte nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV zu Zl. 01-VD-LG-1743/36-2017, S 5) „im Licht der Empfehlung des Rechnungshofes“.
22 Aus dem Entstehungszusammenhang dieser Gesetzesänderung ergibt sich somit, dass der Gesetzgeber damit bekräftigt hat, dass (auch) nach dem K-JG der tatsächliche Wildstand in einem Jagdgebiet eine maßgebende Grundlage für den Abschussplan für dieses Jagdgebiet darstellt, wenn auch eine konkrete Zählung des Wildstandes nach bestimmten Methoden weiterhin nicht ausdrücklich angeordnet wird.
23 2.3.1.2. Die Revisionsbeantwortung tritt der Forderung der Revision nach einer konkreten Wildstandszählung für das vom gegenständlichen Abschussplan allein betroffene Rehwild weiters mit dem ausführlich dargelegten Argument entgegen, dass Rehwild - zumindest mit vertretbarem Aufwand - nicht zählbar sei.
24 Auch der Rechnungshof hat in seinem bereits zitierten Bericht vom ausgeführt, dass die von ihm angesprochenen „anerkannten Methoden“ für Wildstandsermittlungen sich ausschließlich auf Rotwild bezögen. Eine Rehwildzählung sei aus fachlicher Sicht aufgrund der verborgenen Lebensweise dieser Wildart abgelehnt worden. Rückrechnungen für Rehwild seien aufgrund umweltbedingt stark schwankender Reproduktionsraten mit hoher Unsicherheit belastet gewesen (Glossar S. 8).
25 Im gegenständlichen Verfahren hat außerdem der jagdfachliche und wildökologische Amtssachverständige im Rahmen der mündlichen Verhandlung (Protokoll S. 8) ausgeführt, dass die exakte Erhebung von Wildständen unmöglich sei. Er schätze im konkreten Fall den Rehwildbestand im betreffenden Jagdgebiet zwischen 20 und 30 Stück pro 100 Hektar. Unter Heranziehung dieser Zahl und Berücksichtigung der jagdlich nutzbaren Fläche entspreche der von der Behörde festgesetzte Abschussplan zumindest der Entnahme des Zuwachses.
26 Im Erkenntnis vom , 85/03/0180, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es auf der Hand liege, dass für die verlässliche Ermittlung des tatsächlichen Wildstandes in erster Linie die Ergebnisse von umfassenden und gewissenhaft durchgeführten Wildzählungen maßgebend sein müssten. Sowohl dieses Erkenntnis als auch die daran anknüpfenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zu Abschussplänen, in denen das Unterbleiben von Wildzählungen bemängelt wurde, betrafen jedoch - soweit überblickbar - ausschließlich den Abschuss von Rotwild (, , 2004/03/0155, , 2004/03/0172, , 2006/03/0142, , 2006/03/0157, , 2006/03/0170, , 2011/03/0177, , 2013/03/0003, , 2013/03/0160, , Ro 2014/03/0023, , Ra 2021/03/0046, und , Ra 2022/03/0105) oder Gamswild ().
27 Zu einem Abschussplan für Reh- und Gamswild hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass auch dafür unter anderem der Grundsatz der Maßgabe des tatsächlichen Wildstandes in dem betreffenden Jagdgebiet gilt. Mag die Ermittlung des Wildstandes insbesondere beim Rehwild auch schwierig sein, weil es sich nicht mit der erforderlichen Genauigkeit zählen lässt, so ist es doch auch hier - etwa aufgrund von Rückschlüssen aus der Anzahl und dem Alter des erlegten Wildes - möglich, den Wildstand einigermaßen verlässlich festzustellen (vgl. ).
28 In einer unterbliebenen Wildstandszählung liegt dann keine Rechtswidrigkeit, wenn auf Sachverhaltsebene feststeht, dass der (im betreffenden Zusammenhang relevante) Wildstand nicht zählbar ist (vgl. : insofern wegen abweichenden Sachverhaltes keine Bindung an das Vorerkenntnis ; in diesem Sinne auch ).
29 In diesem Zusammenhang ist schließlich auf die Rechtslage in der Steiermark hinzuweisen, in der die von der Steirischen Landesjägerschaft erlassenen Abschussrichtlinien konkrete Vorschriften über die Erfassung der Rehwildbestände enthalten. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass diese dafür nicht ein Primat von Wildstandszählungen normieren, sondern - beispielsweise - unterschiedliche Methoden zur Erfassung des Wildbestands jeweils durch Schätzung nennen, nämlich durch Sichtbeobachtungen, aufgrund des mehrjährigen Abschusses und aufgrund des Wildzustands ().
30 In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist somit bereits anerkannt, dass tatsächliche Gründe einer konkreten Wildstandszählung entgegenstehen können, sodass auch im vorliegenden Fall - in dem der Amtssachverständige von der Unmöglichkeit einer exakten Erhebung des Rehwildstandes ausgeht - aus dem Unterbleiben einer Wildstandszählung allein noch nicht die Rechtswidrigkeit des Abschussplanes folgt.
31 2.3.1.3. Dessen ungeachtet bleibt maßgeblich, dass § 57 Abs. 2 K-JG - ohne zwischen den verschiedenen Wildarten zu unterscheiden - anordnet, dass auf den Bestand des der Abschussplanung unterliegenden Wildes Bedacht zu nehmen ist, und damit die Judikatur bekräftigt wird, wonach der tatsächliche Wildstand in einem Jagdgebiet eine maßgebende Grundlage für den Abschussplan für dieses Jagdgebiet darstellt. Eine konkrete Wildstandserhebung nach bestimmten Methoden ist dafür aber gesetzlich nicht vorgesehen.
32 Sowohl die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses als auch die dargestellten Ausführungen des jagdfachlichen und wildökologischen Amtssachverständigen im Rahmen der mündlichen Verhandlung nehmen mehrfach auf den bestehenden und den angemessenen - wenn auch nicht exakt bezifferten - Wildstand im betroffenen Jagdgebiet Bezug. Es kann daher nicht gesagt werden, dass bei der Festsetzung des Abschussplanes auf den Bestand des der Abschussplanung unterliegenden Wildes nicht Bedacht genommen worden wäre, sodass eine inhaltliche Rechtswidrigkeit in diesem Zusammenhang nicht vorliegt.
33 Die Revisionswerberin tritt diesen Erwägungen des Amtssachverständigen und des Verwaltungsgerichtes ausschließlich mit dem Argument entgegen, dass diese nicht auf einer Wildstandszählung beruhten und deshalb nicht nachvollziehbar seien. Die Revisionswerberin hat jedoch weder im behördlichen oder verwaltungsgerichtlichen Verfahren noch im Rahmen der Revision ein Vorbringen zum konkreten Wildstand erstattet, also insbesondere keine (eigenen) Angaben zum maßgeblichen Wildstand gemacht und auch nicht vorgebracht, dieser weiche von der vorangegangenen Abschussplanperiode ab. Sie legt damit nicht dar, inwiefern die dem Verwaltungsgericht vorgeworfene ungenügende Berücksichtigung eines zu zählenden Wildstandes von Relevanz für das Verfahrensergebnis gewesen sein könnte (vgl. zur erforderlichen Relevanzdarstellung im Zusammenhang mit unterbliebenen Wildstandszählungen , und , 93/03/0300).
34 2.3.1.4. Das Vorbringen in der Revision betreffend den Wildstand und der insofern unterlassenen Befundaufnahme ist daher insgesamt mangels erkennbarer Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen.
35 2.3.2. Soweit die Revision vorbringt, es sei offengeblieben, ob die von der Behörde mit Bescheid festgestellte Jagdfläche von ca. 1.700 ha oder die „tatsächlich jagdlich nutzbare Fläche“ (nach dem Vorbringen der Revisionswerberin: ca. 900 ha) für die Abschussplanung „von Relevanz ist“, genügt zunächst der Hinweis darauf, dass der Abschussplan gemäß § 57 Abs. 4 lit. a K-JG jedenfalls „die Gesamtfläche des Jagdgebietes (der aneinandergrenzenden Jagdgebiete) desselben Jagdausübungsberechtigten“ zu enthalten hat. Ausgehend von einem einheitlichen Begriffsverständnis des K-JG kann es sich dabei mangels abweichender Regelung (im Falle einer Gemeindejagd) nur um die im Rahmen der Jagdgebietsfeststellung nach § 9 Abs. 5 lit. b K-JG „ziffernmäßig anzugebende Gesamtfläche“ der Grundstücke handeln, die das Gemeindejagdgebiet bilden.
36 Dass beim Jagdgebiet der Revisionswerberin in diesem Zusammenhang „besondere Verhältnisse“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Abschussrichtlinien vorlägen, die nicht berücksichtigt worden wären, legt die Revision nicht konkret dar. Auch das Vorbringen zur Fläche des Jagdgebietes ist damit nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen.
37 2.3.3. Allerdings rügt die Revisionswerberin auch eine Verletzung der Bestimmungen über das Parteiengehör, der eine Relevanz nicht von vornherein abgesprochen werden kann:
38 Das Verwaltungsgericht gibt im Rahmen der Beweiswürdigung das wildbiologische Sachverständigengutachten des Wildbiologen der Kärntner Jägerschaft vom , welches von der belangten Behörde im Rahmen des behördlichen Verfahrens eingeholt worden war, zusammenfassend wieder und stützt ausdrücklich unter anderem darauf sein Erkenntnis. Dieses Gutachten wurde der Revisionswerberin aber weder im behördlichen Verfahren noch im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Kenntnis gebracht. Es floss - soweit erkennbar - auch nicht in die Ausführungen des vom Verwaltungsgericht bestellten jagdfachlichen und wildökologischen Amtssachverständigen ein, sodass es auch nicht auf diesem Weg mit den Parteien erörtert worden wäre. Im Bescheid der belangten Behörde wird das betreffende wildbiologischen Gutachten vom zwar als Bescheidgrundlage erwähnt, es wird jedoch nur seine Zusammenfassung wiedergegeben, ohne dass erkennbar wäre, dass es sich dabei um die Ausführungen des Sachverständigen handelt.
39 Die belangte Behörde führt dazu im Rahmen der Revisionsbeantwortung aus, dass der Wildbiologe der Kärntner Jägerschaft den Inhalt seines Gutachtens in der Revierinhaberbesprechung am vorbesprochen und darauf verwiesen habe, dass dieses schriftlich erstellt werden würde. In der Sitzung des Jagdverwaltungsbeirates vom sei dieses Gutachten unter Beisein des Obmanns und des Jagdleiters der Revisionswerberin besprochen und nochmals erläutert worden. Das Gutachten sei (wie auch das forstfachliche) bei den diversen Sitzungen und Gesprächen niemals angefordert worden. Ein solches Begehren sei erstmals am (also nach Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses) gestellt, dann aber vom Obmann der Revisionswerberin als hinfällig bezeichnet worden.
40 Mit diesem Vorgehen wurden die Anforderungen des § 45 Abs. 3 AVG nicht erfüllt:
41 Die Wahrung des Parteiengehörs im Zuge des Ermittlungsverfahrens iSd §§ 37 ff AVG bzw. §§ 17, 24 f VwGVG ist von Amts wegen zu beachten und gehört zu den fundamentalen Grundsätzen des Verwaltungsverfahrens sowie des Verfahrens vor den Verwaltungsgerichten, sie stellt eine kardinale Voraussetzung eines rechtmäßigen Verfahrens sowie eine der wichtigsten Sicherungen des rechtstaatlichen Prinzips dar. Das Recht auf Parteiengehör erstreckt sich nicht bloß auf das in § 45 Abs. 3 AVG ausdrücklich geregelte Recht der Parteien, dass ihnen Gelegenheit geboten werde, zu den Ergebnissen einer Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen, also sich zum Beweiswert einzelner Beweismittel zu äußern. Es steht den Parteien vielmehr frei - und hiezu muss ihnen ausdrücklich Gelegenheit geboten werden -, im Ermittlungsverfahren auch ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen, also insbesondere auch eine Äußerung zu den rechtlichen Konsequenzen der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens auf die Lösung des Rechtsfalles abzugeben (vgl. etwa , Rn 27 bis 29, und , Ra 2022/06/0031, je mwN).
42 Für das Gutachten eines Sachverständigen erweist es sich zur Wahrung des Parteiengehörs seitens einer Verwaltungsbehörde daher zumindest als notwendig, den Schriftsatz samt Gutachten mit einem Hinweis darauf zu übermitteln, dass der zu erlassende Bescheid auf dieses Gutachten gestützt werde, um den Parteien die Möglichkeit zu bieten, dem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. erneut , Rn 30, und , Ra 2021/02/0075, je mwN).
43 Zwar können allfällige Mängel eines behördlichen Verwaltungsverfahrens grundsätzlich durch ein mängelfreies Verfahren vor dem Verwaltungsgericht saniert werden. Eine Sanierung erfolgte im vorliegenden Fall aber weder durch eine förmliche Einräumung von Parteiengehör durch das Verwaltungsgericht (auch) zum wildbiologischen Gutachten noch in der Form, dass der bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hätte, sodass eine Stellungnahme im Rahmen der Beschwerde möglich gewesen wäre (vgl. dazu wiederum , Rn 31, 32, mwN).
44 Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht seine Entscheidung ausdrücklich darauf stützt, dass (auch) das betreffende wildbiologische Gutachten seitens der Revisionswerberin unbestritten geblieben sei - obwohl es dieser nach der Aktenlage unbekannt war - kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Verwaltungsgericht im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können. Daher liegt insofern ein zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führender, relevanter Verfahrensmangel vor.
45 2.3.4. Im fortgesetzten Verfahren wird das Verwaltungsgericht überdies die Bestimmung des § 96c Abs. 2 K-JG zu beachten haben, wonach es, bevor es über Beschwerden gegen Bescheide nach u.a. § 57 Abs. 2 K-JG in der Sache selbst entscheidet, den Landesjagdbeirat anzuhören hat.
46 3. Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
47 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §37 AVG §45 Abs3 AVG §52 JagdG Krnt 2000 §57 Abs2 VwGVG 2014 §10 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §24 VwGVG 2014 §25 VwRallg |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Gutachten Parteiengehör Parteiengehör Parteiengehör Allgemein Parteiengehör Sachverständigengutachten |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030208.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAF-45862