VwGH 20.06.2023, Ra 2022/03/0190
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §13 VwRallg |
RS 1 | Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens sind davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe grundsätzlich unbeachtlich. Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung den wahren Willen des Einschreiters festzustellen. Es darf im Zweifel nicht davon ausgegangen werden, dass eine Partei einen von vornherein sinnlosen oder unzulässigen Antrag gestellt hat (vgl. - unter Hinweis auf die die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - Hengstschläger/Leeb, AVG I² § 13 Tz 38 f). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/15/0032 B RS 2 (hier: ohne den letzten Satz) |
Normen | EpidemieG 1950 §33 EpidemieG 1950 §49 VwRallg |
RS 2 | Bei der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs auf Ersatz des Verdienstentgangs durch die §§ 33 und 49 EpidemieG 1950 handelt es sich der Sache nach um eine Verjährungsbestimmung: Das Recht auf Ersatz des Verdienstentgangs wird zeitlich begrenzt und erlischt durch nicht rechtzeitige Geltendmachung. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2022/03/0005 B RS 1 |
Normen | |
RS 3 | Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrensleitende Antrag zwar in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach aber nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Ist ein Leistungsanspruch (hier nach § 32 EpidemieG 1950) befristet, kommt eine Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist um einen insoweit bereits erloschenen Anspruch nicht mehr in Betracht. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/03/0309 E RS 2 |
Normen | EpidemieG 1950 §32 Abs6 EpidemieG 1950 §49 Abs1 EpidemieG 1950 §49 Abs2 EpidemieG 1950 §49 Abs5 idF 2022/I/021 VwRallg |
RS 4 | Die mit BGBl. I Nr. 21/2022 eingefügte und am in Kraft getretene Bestimmung des § 49 Abs. 5 EpidemieG 1950, die die Ausdehnung von fristgerecht eingebrachten Anträgen während eines anhängigen Verfahrens auch nach Ablauf der Frist gemäß Abs. 1 und 2 ermöglicht, bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf eine Ausdehnung der Höhe nach auf Grundlage einer nach § 32 Abs. 6 leg. cit. erlassenen Verordnung. Eine Ausdehnung eines Antrags auf weitere Zeiträume nach Ablauf der Frist des § 49 Abs. 1 EpidemieG 1950 ist daher auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage nicht erfolgreich möglich. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der F KG in B, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 21A, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-8/782/1/18-2022, betreffend Ansprüche nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Betreiberin eines Beherbergungsbetriebes.
2 Im Zuge der COVID-19-Pandemie verfügte die Bezirkshauptmannschaft Zell am See (die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) mit Verordnung vom gemäß § 20 Abs. 1 und 4 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) die Schließung aller Beherbergungsbetriebe im Bezirk, wovon auch der Betrieb der Revisionswerberin betroffen war. Die Schließung trat (frühestens) mit , 20:00 Uhr, in Kraft. Diese Verordnung wurde (formal) mit Verordnung der belangten Behörde vom (in der Standortgemeinde der Revisionswerberin kundgemacht am ) wieder aufgehoben.
3 Mit Verordnung vom , LGBl. Nr. 25/2020, kundgemacht am selben Tag, verfügte der Landeshauptmann von Salzburg, gestützt auf § 2 Z 2 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG), ein Betretungsverbot (u.a.) von Beherbergungsbetrieben als Touristin bzw. als Tourist für das gesamte Bundesland Salzburg.
4 Mit Antrag vom begehrte die Revisionswerberin bei der belangten Behörde eine Vergütung für den Verdienstentgang gemäß § 32 EpiG, weil sie von einer Betriebsschließung im Sinne des EpiG betroffen gewesen sei, ohne den betreffenden Zeitraum oder die Höhe des Anspruchs zu konkretisieren. Mit Schreiben vom beantragte sie eine Entschädigung in näher konkretisierter Höhe für den Monat März 2020.
5 Mit Schreiben vom teilte die Revisionswerberin der belangten Behörde im Hinblick auf das Inkrafttreten der EpG 1950-Berechnungs-Verordnung, BGBl. II Nr. 329/2020, unter dem Betreff „Antrag ... für die Monate März und April 2020 ...“ mit, dass die Berechnung des Vergütungsanspruchs nunmehr mittels des beigelegten Formulars angepasst werde. Das beigelegte Berechnungsformular enthält als Datengrundlage für die Berechnung des Ist-Einkommens Angaben für den Zeitraum März bis April 2020.
6 Am erteilte die belangte Behörde der Revisionswerberin einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG, mit dem sie zur (neuerlichen) Einreichung des ausgefüllten, näher bezeichneten „Berechnungstools“ aufforderte. Weiters wies sie darauf hin, dass der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs nach dem EpiG für Beherbergungsbetriebe für den Zeitraum 16. bis bestehe. Der anspruchsbegründenden Verordnung der belangten Behörde vom sei durch die Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg vom mit Wirkung vom derogiert worden. In den Hinweisen zum Verbesserungsauftrag führte die belangte Behörde weiters aus, dass im Hinblick darauf, dass eine Vergütung nach dem EpiG grundsätzlich nur für den Monat März 2020 bestehe, es sinnvoll erscheine, den Antrag auf diesen Zeitraum einzugrenzen. Jedenfalls sei das Berechnungstool für jeden Monat einzeln vorzulegen. Sollte eine Abgrenzung des Monats März 2020 nicht möglich sein, wäre der Antrag abzuweisen.
7 Daraufhin teilte die Revisionswerberin mit Schreiben vom mit, dass sie bereits eine Vergütung für den Verdienstentgang beantragt habe und führte weiters aus: „Wir beantragen den Verdienstentgang für den Monat März bis “. Das beigelegte Berechnungsformular enthält als Datengrundlage für die Berechnung des Ist-Einkommens Angaben für den Zeitraum März 2020. Daraus ergibt sich als Differenz zwischen Ziel- und Ist-Einkommen („vorläufiger Verdienstentgang“) ein Betrag von € 177.524,31, weiters eine anzurechnende Zuwendung „Kurzarbeit März“ von € 4.853,62 sowie hinzuzurechnende Steuerberater-, Wirtschaftsprüfer- oder Bilanzbuchhalterkosten von € 800,00 und damit ein Entschädigungsanspruch von insgesamt € 173.470,69. In der Rubrik „Anzahl der von der Erwerbsbehinderung betroffenen Kalendertage“ erfolgte der Eintrag „12“.
8 Weiteren Aufträgen der belangten Behörde zur Vorlage zusätzlicher Unterlagen und Erläuterungen zur Plausibilisierung der Antragsangaben kam die Revisionswerberin bzw. deren steuerliche Vertretung jeweils nach.
9 Mit Bescheid vom erkannte die belangte Behörde der Revisionswerberin einen Betrag von € 130.303,01 als Vergütung für den durch die Behinderung des Erwerbes entstandenen Vermögensnachteil für den Zeitraum 16. bis zu (Spruchpunkt I.) und wies den geltend gemachten Mehrbetrag von € 43.167,68 ab (Spruchpunkt II.).
10 Begründend führte sie im Wesentlichen unter Hinweis auf die Verordnungen der belangten Behörde vom und des Landeshauptmannes von Salzburg vom aus, dass mit Wirkung ab der Verordnung der belangten Behörde materiell derogiert worden sei, sodass ab diesem Zeitpunkt keine Schließung auf Basis des EpiG mehr bestanden habe. Der Revisionswerberin stehe daher der Ersatz des Verdienstentgangs für den Zeitraum 16. bis zu, der nach der EpG 1950-Berechnungs-Verordnung berechnet worden sei.
11 Da der Betrieb der Revisionswerberin im Monat März vom 16. bis geschlossen bzw. eingeschränkt gewesen sei, sei der geltend gemachte Verdienstentgang (sowie die anzurechnende Kurzarbeitszahlung) zu aliquotieren, also durch die Anzahl der Schließtage (16) zu dividieren und mit der Anzahl der Anspruchstage (12) zu multiplizieren. Nach Hinzurechnung der (nicht aliquotierten) Steuerberater-, Wirtschaftsprüfer- oder Bilanzbuchhalterkosten ergebe sich der zugesprochene Betrag. Das Mehrbegehren sei dem Zeitraum 28. bis zuzuordnen, in dem keine Maßnahme nach § 20 EpiG wirksam gewesen sei, weshalb ein Anspruch nicht bestehe.
12 Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde an das Verwaltungsgericht, wobei sie ausdrücklich nur Spruchpunkt II. bekämpfte und im Wesentlichen argumentierte, dass die von der belangten Behörde angenommene Derogation nicht erfolgt sei bzw. die Verordnung des Landeshauptmannes von Salzburg einem Anspruch für den Zeitraum 28. bis nicht entgegenstehe, und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.
13 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerde - ohne Durchführung einer Verhandlung - mit der Maßgabe als unzulässig zurück, dass der Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides ersatzlos gestrichen werde. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
14 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass die Revisionswerberin „nur für den Monat März 2020 und zwar eingegrenzt bis “ eine Vergütung für den Verdienstentgang beantragt habe. Die belangte Behörde habe diesem Antrag mit der Zuerkennung von € 130.303,01 vollinhaltlich stattgegeben, wobei anzumerken sei, dass sich die mittels des Berechnungstools errechnete Summe von € 173.470,69 daraus ergeben habe, dass diesem Tool 16 Tage (der Zeitraum 16. bis ) zu Grunde gelegen sein. Mangels Beschwer sei die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, da die Akten erkennen hätten lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließe und einem Entfall weder Art 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen stünden.
15 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorbringt, das Verwaltungsgericht habe die Möglichkeit der Antragsänderung nach § 13 Abs. 8 AVG negiert sowie es sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung von Verzichtserklärungen sowie zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgewichen.
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
17 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht sei von (näher dargestellter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei Anbringen mit undeutlichem Inhalt durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung der wahre Wille des Einschreiters festzustellen und bei der Annahme eines Verzichtes auf eine in den Verfahrensvorschriften oder im materiellen Recht begründete Rechtsposition besondere Vorsicht dahingehend geboten sei, dass die Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht werde. Ein Verzicht dürfe nur angenommen werden, wenn die entsprechenden Erklärungen der Partei keinen Zweifel offenließen.
18 Vor diesem Hintergrund sei die Auslegung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Revisionswerberin mit dem Schreiben vom auf den ab dem entstandenen Verdienstentgang verzichtet habe, unzutreffend und rechtswidrig. Der geltend gemachte Entschädigungsbetrag habe - wie selbst das Verwaltungsgericht festgestellt habe - den gesamten Monat März 2020 umfasst. Die Angabe, dass bloß 12 Kalendertage von der Erwerbsbehinderung betroffen gewesen seien, sei im Hinblick darauf irrtümlich erfolgt. Im Schreiben sei weiters auf den bereits gestellten Antrag hingewiesen worden, der Verweis auf den sei lediglich eine Bezugnahme auf die unzutreffenden und nicht hinterfragten Ausführungen der belangten Behörde im Verbesserungsauftrag gewesen, keinesfalls könne daraus ein Verzicht abgeleitet werden.
19 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird der Prozessgegenstand im antragsgebundenen Verfahren durch den Inhalt des Antrags determiniert, wobei zu beachten ist, dass es für die Frage des Inhalts eines Antrags als Prozesshandlung lediglich auf die Erklärung des Willens und nicht auf den - davon abweichenden - tatsächlichen Willen des Antragstellers ankommt (vgl. , mwN). Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Entscheidend ist, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei eindeutigem Inhalt eines Anbringens sind davon abweichende, nach außen nicht zum Ausdruck gebrachte Absichten und Beweggründe grundsätzlich unbeachtlich. Weist ein Anbringen einen undeutlichen Inhalt auf, so hat die Behörde durch Herbeiführung einer entsprechenden Erklärung den wahren Willen des Einschreiters festzustellen (vgl. , mwN).
20 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann die in vertretbarer Weise vorgenommene fallbezogene Auslegung von Parteierklärungen nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden. Einer vertretbaren Auslegung kommt keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Die Auslegung einer Erklärung im Einzelfall ist nur dann erfolgreich mit Revision bekämpfbar, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn einer unvertretbaren Rechtsansicht unterlaufen ist (vgl. , mwN).
21 Die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach der Antrag der Revisionswerberin (zuletzt) ausschließlich auf die Vergütung des bis zum eingetretenen Verdienstentgangs gerichtet war, ist jedoch nicht als unvertretbar anzusehen: So hat die Revisionswerberin gerade in Reaktion auf die Mitteilung der Behörde, wonach (deren Ansicht nach) ein Vergütungsanspruch nach dem EpiG nur bis zum bestehe und die Antragsangaben daher zweckmäßigerweise auf den Monat März 2020 einzuschränken seien, im Schreiben vom ausdrücklich erklärt, den Antrag für den Monat März bis zum zu stellen. Sie hat weiters das geforderte Formular (Berechnungstool) nur mehr mit Werten für den Monat März 2020 befüllt und angegeben, dass zwölf Kalendertage (was einem Zeitraum vom 16. bis zum entspricht) betroffen seien.
22 Entgegen dem Revisionsvorbringen spricht gegen eine solche Antragsdeutung auch nicht, dass das Berechnungstool und die darin genannten Werte den gesamten März 2020 umfassten, weshalb dort ein Anspruch (von insgesamt € 173.470,69) beziffert gewesen sei, der sich auch auf den 28. bis beziehe. Dies war nämlich (rechtlich) gar nicht anders möglich:
23 Nach § 2 Z 3 EpG 1950-Berechnungs-Verordnung in der hier maßgeblichen Stammfassung, BGBl. II. Nr. 329/2020, besteht das für die Berechnung maßgebliche „Ist-Einkommen“ nämlich im „Einkommen während jener Kalendermonate, in denen die Erwerbsbehinderung zur Gänze oder zum Teil angedauert hat“. Weiters handelt es sich auch bei der für die Ermittlung des Zieleinkommens maßgeblichen Vorjahresperiode (§ 2 Z 5 leg. cit.) sowie dem für die Berechnung des Fortschreibungsquotienten heranzuziehenden Referenzzeitraum (§ 2 Z 7 iVm § 4 Abs. 2 leg. cit.) um jeweils einen oder mehrere Kalendermonate. Dementsprechend sah das von der Behörde herangezogene Formular (Berechnungstool) zwingend die Angabe von Werten für einen oder mehrere ganze Kalendermonate (zur Ermittlung des Ist-Einkommens also für den gesamten März 2020) vor.
24 Auf Grund der von der EpG 1950-Berechnungs-Verordnung vorgegebenen Berechnungslogik wurde mithilfe des Berechnungstools daher der Verdienstentgang für den gesamten Monat März 2020 ermittelt. Die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht haben lediglich im Hinblick darauf, dass dieser Verdienstentgang teilweise auf einen Zeitraum entfiel, der vom Antrag nicht umfasst war (nämlich ab und damit an vier von 16 Schließtagen im März 2020), den errechneten Betrag rechnerisch aliquotiert.
25 Keine der Angaben der Revisionswerberin in ihrem Schreiben vom oder später im behördlichen Verfahren deutete daher (zwingend) darauf hin, dass ein Anspruch auch für den Zeitraum 28. bis geltend gemacht werden sollte. Die Erklärungen waren somit nicht widersprüchlich, sodass eine Klarstellung nicht erforderlich war und es angesichts des insofern unzweifelhaften objektiven Erklärungswertes auch nicht auf (nunmehr in der Revision behauptete) davon abweichende Beweggründe ankommt.
26 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters - wenn auch ohne Bezugnahme auf konkrete Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs - vor, dass im Hinblick auf die von der belangten Behörde vorgenommene teilweise Antragsabweisung der Zeitraum 28. bis auch Verfahrensgegenstand des bekämpften Bescheides gewesen sei. Sollte man daher von einer Beschränkung des Antrags auf einen Zeitraum bis zum ausgehen, so sei es der Revisionswerberin zumindest möglich gewesen, ihren Antrag nach § 13 Abs. 8 AVG abzuändern und auf spätere Zeiträume (wieder) auszudehnen. Eine solche Antragsänderung sei insbesondere durch die Ausführungen in der Beschwerde vom und den Beschwerdeergänzungen vom und erfolgt.
27 Diese Argumentation trifft schon deshalb nicht zu, weil nach der unbedenklichen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes der Zeitraum 28. bis angesichts des Antragsvorbringens gerade nicht verfahrensgegenständlich war. Vor allem aber war eine Antragsausdehnung im Sinne des § 13 Abs. 8 AVG zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung oder danach gar nicht mehr möglich:
28 Gemäß § 33 iVm § 49 Abs. 1 EpiG ist der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs, der aufgrund einer wegen des Auftretens von SARS-CoV-2 ergangenen behördlichen Maßnahme besteht, binnen drei Monaten vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahme geltend zu machen, wobei - wie im vorliegenden Fall - vor Inkrafttreten dieser Bestimmung laufende und abgelaufene Fristen gemäß § 49 Abs. 2 EpiG mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2020 (am ) neu zu laufen begannen und daher am endeten. Bei der zeitlichen Begrenzung des Anspruchs auf Ersatz des Verdienstentgangs durch die §§ 33 und 49 EpiG handelt es sich der Sache nach um eine Verjährungsbestimmung: Das Recht auf Ersatz des Verdienstentgangs wird zeitlich begrenzt und erlischt durch nicht rechtzeitige Geltendmachung.
Gemäß § 13 Abs. 8 AVG kann der verfahrensleitende Antrag zwar in jeder Lage des Verfahrens geändert werden. Durch die Antragsänderung darf die Sache ihrem Wesen nach aber nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Ist ein Leistungsanspruch, wie im vorliegenden Fall, befristet, kommt eine Antragsausdehnung nach Ablauf der Frist um einen insoweit bereits erloschenen Anspruch nicht mehr in Betracht (vgl. zu all dem näher , , Ra 2022/03/0005, und zum Fall einer Ausdehnung im Rahmen einer Beschwerdeschrift nach Fristablauf ).
29 Die mit BGBl. I Nr. 21/2022 eingefügte und am in Kraft getretene Bestimmung des § 49 Abs. 5 EpiG, die die Ausdehnung von fristgerecht eingebrachten Anträgen während eines anhängigen Verfahrens auch nach Ablauf der Frist gemäß Abs. 1 und 2 ermöglicht, bezieht sich nach ihrem klaren Wortlaut nur auf eine Ausdehnung der Höhe nach auf Grundlage einer nach § 32 Abs. 6 leg. cit. erlassenen Verordnung. Eine - wie von der Revisionswerberin angestrebte - Ausdehnung eines Antrags auf weitere Zeiträume nach Ablauf der Frist des § 49 Abs. 1 EpiG ist daher auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage nicht erfolgreich möglich.
30 Schließlich begründet die Revision ihre Zulässigkeit noch damit, dass die mündliche Verhandlung nicht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG unterbleiben hätte dürfen, und bringt dazu vor, dass insbesondere unter Berücksichtigung der Möglichkeit zur Antragsänderung nach § 13 Abs. 8 AVG nicht absehbar gewesen sei, dass die mündliche Verhandlung nicht zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen hätte können.
31 Schon weil - wie dargestellt - eine Ausdehnung des Antrags auf weitere Zeiträume iSd § 13 Abs. 8 AVG nicht möglich war, war es auch nicht erforderlich, zu diesem Zweck eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Auch eine (an anderer Stelle der Revision geforderte) Einvernahme der (Vertreter der) Revisionswerberin zur Klarstellung des Inhaltes ihrer Erklärungen bzw. Erforschung ihrer Absicht war, wie bereits ausgeführt, angesichts des unzweideutigen objektiven Erklärungswertes des Schreibens vom nicht geboten. Die Revision vermag daher nicht darzulegen, dass das Verwaltungsgericht nicht entsprechend § 24 Abs. 4 VwGVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen.
32 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
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Schlagworte | Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5 Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022030190.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
CAAAF-45860