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VwGH 21.06.2022, Ra 2022/03/0159

VwGH 21.06.2022, Ra 2022/03/0159

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
GOG §16 Abs3 Z2
GOG §16 Abs4
MRK Art6 Abs1
RS 1
Bei einem Hausverbot iSd. § 16 Abs. 3 Z 2 GOG handelt es sich um eine "Sicherheitsmaßnahme", die aus "besonderem Anlass" getroffen werden kann, weswegen dessen Verhängung konkrete Sicherheitsbedenken voraussetzt, die nicht nur allgemeiner Natur sind, sondern sich aus besonderem Anlass ergeben und denen mit dem Hausverbot in verhältnismäßiger Art und Weise begegnet werden kann. Der Verhängung eines Hausverbotes steht Art. 6 Abs. 1 MRK, welcher in seinem Anwendungsbereich das Recht auf effektiven Zugang zu einem Gericht gewährleistet, schon deshalb nicht entgegen, weil im Hinblick auf § 16 Abs. 4 GOG der Zugang einer von einem Hausverbot betroffenen Person zum Gerichtsgebäude zwar eingeschränkt, aber nicht gänzlich unmöglich gemacht wird (vgl. ).
Normen
AVG §34
AVG §35
AVG §36
EGVG Art2 Abs3
RS 2
Die Ordnungs- und Mutwillensstrafen der §§ 34 ff AVG stellen keine Strafen für Verwaltungsübertretungen (Art. II Abs. 3 EGVG) dar; es handelt sich vielmehr um Maßnahmen zur disziplinären Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, für deren Anordnung die Vorschriften des AVG gelten. Außer den im § 36 AVG ausdrücklich bezeichneten Bestimmungen über den Strafvollzug sind bei der Anordnung von Ordnungsstrafen die Vorschriften des VStG weder unmittelbar noch analog anzuwenden. Ebensowenig ist bei der Anordnung von Ordnungsstrafen die Anwendung der Prinzipien des materiellen Verwaltungsstrafrechts oder überhaupt des allgemeinen Strafrechts geboten (vgl. , VwSlg. 14.064 A, mwN). Gleiches gilt für die allgemeinen Vorschriften des AVG über das Ermittlungsverfahren (vgl. ).
Normen
AVG §34 Abs2
AVG §34 Abs3
RS 3
Es liegt eine beleidigende Schreibweise vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 3 AVG reicht es aus, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht werden und damit objektiv beleidigenden Charakter hat; auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an. Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen (Hinweis E vom , 2008/09/0344, mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/04/0133 E RS 1

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2023/03/0116 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dr. A K in W, vertreten durch MMMMag. Dr. Konstantin Haas, Rechtsanwalt in 4060 Leonding, Gerstmayrstraße 40, gegen das Erkenntnis und den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W136 2235959-1/3E, betreffend Hausverbot in einer Justizangelegenheit und Verhängung einer Ordnungsstrafe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Landesgerichtes Wels), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis untersagte das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), teils in Bestätigung, teils in Abänderung eines (Vorstellungs-)Bescheides der belangten Behörde vom , dem Revisionswerber gemäß § 16 Abs. 3 Z 2 Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) den Zugang in das Gerichtsgebäude des Landesgerichtes Wels einschließlich des Zutritts zu den Räumlichkeiten der Staatsanwaltschaft Wels und verhängte gegen diesen in Bezug auf das genannte Gerichtsgebäude ein Hausverbot. Die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den genannten Bescheid wies das BVwG zurück. Mit dem unter einem ergangenen angefochtenen Beschluss verhängte das BVwG in dem zuvor genannten Beschwerdeverfahren gegen den Revisionswerber gemäß § 34 Abs. 3 AVG iVm. § 17 VwGVG eine Ordnungsstrafe in der Höhe von € 726, weil sich dieser im Beschwerdeschriftsatz mehrfach einer beleidigenden Schreibweise bedient habe. Das BVwG sprach weiters aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis und diesen Beschluss gemäß Art. 133 Abs. 4 (und 9) B-VG nicht zulässig sei.

2 1.2. Betreffend das Hausverbot stellte das BVwG drei Vorfälle im Amtsgebäude des Landesgerichtes im Zusammenhang mit dem Revisionswerber fest. Anfang November 2019 habe der Revisionswerber eine Bezirksanwältin, welche für eine Strafverfolgung gegen den Revisionswerber zuständig gewesen sei, hinsichtlich des Strafantrages „zur Rede“ gestellt. Dabei habe er pauschale Vorwürfe des Amtsmissbrauchs gegen die Bezirksanwältin, die Staatsanwaltschaft und einen näher genannten Richter erhoben, sei in weiterer Folge immer aggressiver geworden und habe sich mehrmals respektlos gegenüber der Bezirksanwältin geäußert. Den Aufforderungen dieser Bezirksanwältin, das Zimmer zu verlassen, sei er nicht nachgekommen. Die Bezirksanwältin habe diese Situation insgesamt als nachhaltig beunruhigend empfunden. Der Revisionswerber habe von diesem Gespräch eine Tonbandaufnahme angefertigt.

3 Am habe der Revisionswerber unangemeldet und ohne anzuklopfen das Büro eines Leitenden Staatsanwaltes betreten und sich dort über seine Probleme mit der Justiz beschwert. Dabei habe er eine Vielzahl von Behauptungen (u.a. Pädophilie) gegenüber näher genannten Richtern und der Staatsanwaltschaft aufgestellt und diese des Amtsmissbrauchs und der Befangenheit beschuldigt. Das Gespräch sei auf Grund der Schwere und Intensität der Beschuldigungen vom Leitenden Staatsanwalt abgebrochen worden.

4 Am habe der Revisionswerber unangekündigt den im ersten Stock des Landesgerichtes gelegenen Büroraum eines Richters betreten und diesen dort beschimpft. Der Aufforderung des Richters, den Raum zu verlassen, sei der Revisionswerber nicht nachgekommen, woraufhin der Richter selbst das Büro verlassen und das in der Nähe befindliche Präsidium des Landesgerichtes aufgesucht habe. Der Revisionswerber sei ihm nachgegangen und habe dabei seine Beschimpfungen (u.a. „größter Krimineller des Landesgerichtes“) im Vorzimmer der Präsidentin fortgesetzt. Der Richter habe dabei Angst empfunden und daraufhin seine Befangenheit in einem vom Revisionswerber betriebenen Rechtsmittelverfahren angezeigt.

5 Beweiswürdigend führte das BVwG soweit hier maßgeblich aus, der Revisionswerber habe die festgestellten Vorfälle nicht bestritten, aber behauptet, dass diese keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gewesen seien und es niemals Bedrohungen oder aggressives und drohendes Verhalten durch seine Person gegeben habe, welche ein Hausverbot rechtfertigten.

6 In seiner rechtlichen Beurteilung gab das BVwG auch Pkt. 3.5.b) der von der Präsidentin des Landesgerichtes erlassen Hausordnung wieder, wonach aus besonderem Anlass von der Dienststellenleitung weitergehende Sicherheitsmaßnahmen angeordnet werden könnten, darunter Verbote des Zuganges bestimmter Personen in das Gerichtsgebäude oder Verfügungen, dass bestimmte Personen dieses zu verlassen hätten („Hausverbote“).

7 Das BVwG führte aus, für die Verhängung eines Hausverbotes nach § 16 Abs. 3 Z 2 GOG müssten konkrete, mit einer bestimmten Person in Zusammenhang stehende Sicherheitsbedenken bestehen, es sei jedoch nicht notwendig, dass diese die Schwelle einer verwaltungsrechtlich oder gerichtlich strafbaren Handlung erreichten; wiederholte Verbalinjurien gegen Organe reichten dafür aus. Der Revisionswerber habe sich wiederholt gegenüber Organen der Gerichtsbarkeit in einer Art und Weise verhalten, die durchaus geeignet sei, Bedenken betreffend die Sicherheit dieser Personen bei Kontakt mit dem Revisionswerber hervorzurufen.

8 Im Rahmen der festgestellten Vorfälle, bei denen er die betroffenen Justizorgane in den Räumlichkeiten des Gerichtes und der Staatsanwaltschaft persönlich aufgesucht habe, habe der Revisionswerber durch sein aggressives Verhalten und die fortwährenden Beleidigungen und Beschimpfungen ein Verhalten an den Tag gelegt, mit welchem er konkrete Sicherheitsbedenken ausgelöst habe. Es müsse daher durch ein Hausverbot sichergestellt werden, dass sich ähnliche Vorfälle wie das Aufsuchen von Richtern in Dienstzimmern nicht wiederholen könnten. Auf Grund des Hausverbotes könnte der Revisionswerber, so das BVwG erkennbar auf § 16 Abs. 4 GOG Bezug nehmend, nur noch in Begleitung von Kontrollorganen oder Organen der Sicherheitsbehörden im Gerichtsgebäude anwesend sein, welchen die Aufgabe zukomme, weitere Beschimpfungen und aggressive Verhaltensweisen zu beenden und gefährliche Angriffe bzw. strafbare Handlungen des Revisionswerbers zu verhindern.

9 Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe trotz des Parteiantrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen können, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt von der belangten Behörde ordnungsgemäß erhoben worden sei. Der Revisionswerber sei dem ermittelten Sachverhalt auch nicht entgegengetreten.

10 1.3. Betreffend die Ordnungsstrafe hielt das BVwG 28 wörtlich wiedergegebene Passagen aus dem Beschwerdeschriftsatz des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom fest.

11 Rechtlich folgerte das BVwG, die festgestellten Formulierungen (wie etwa „vorsätzlicher Justizpfusch“, „Justizmobbing“, „richterlicher Betrug“, „suspekter Kopf der betrügerischen Rechtsprechung“, „neurotischer Begründungsschwachsinn“) ließen jeglichen Anstand vermissen, da willkürlich Richterinnen und Richter sowie Organe der Staatsanwaltschaft des Betrugs und Amtsmissbrauchs sowie der Dienstpflichtverletzungen beschuldigt würden, obwohl gegen diese keine Verfahren geführt würden. Verschiedene weitere Äußerungen über einen namentlich genannten Richter (wie etwa „Angstneurotiker“, „wahnhafte Äußerungen“, „psychische Krankheit des Dr. A“) und eine namentlich genannte Bezirksanwältin („lügenhaft“) seien beleidigend. In einer Gesamtbetrachtung zeige sich, dass der Revisionswerber alle Personen, die sich nicht entsprechend seiner Vorstellung verhielten, entweder als Verbrecher bzw. Kriminelle bezeichne oder bezichtige, an schweren psychischen Krankheiten zu leiden. Angesichts der Vielzahl und der Art der Beleidigungen sei der Strafrahmen der Ordnungsstrafe auszuschöpfen gewesen.

12 1.4. Gegen dieses Erkenntnis und diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

13 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 3.1.1. Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit allein maßgebende Zulässigkeitsbegründung macht das Hausverbot betreffend geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Hinweis auf ), weil es davon ausgehe, dass wiederholte Verbalinjurien für ein Hausverbot ausreichend seien.

17 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ro 2016/03/0001, ausgeführt, dass es sich bei einem Hausverbot iSd. § 16 Abs. 3 Z 2 GOG um eine „Sicherheitsmaßnahme“ handelt, die aus „besonderem Anlass“ getroffen werden kann, weswegen dessen Verhängung konkrete Sicherheitsbedenken voraussetzt, die nicht nur allgemeiner Natur sind, sondern sich aus besonderem Anlass ergeben und denen mit dem Hausverbot in verhältnismäßiger Art und Weise begegnet werden kann. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis auch betont, dass der Verhängung eines Hausverbotes Art. 6 Abs. 1 EMRK, welcher in seinem Anwendungsbereich das Recht auf effektiven Zugang zu einem Gericht gewährleistet, schon deshalb nicht entgegensteht, weil im Hinblick auf § 16 Abs. 4 GOG der Zugang einer von einem Hausverbot betroffenen Person zum Gerichtsgebäude zwar eingeschränkt, aber nicht gänzlich unmöglich gemacht wird.

18 Im Revisionsfall begründete das BVwG das Hausverbot nicht bloß damit, dass der Revisionswerber Richter und Staatsanwälte, welche ihn betreffende Verfahren führten, beschimpft hat. Es gründete das Hausverbot vielmehr auch auf die Feststellungen, dass der Revisionswerber Richter und Staatsanwälte - teils unangemeldet und ohne anzuklopfen - in deren Büroräumlichkeiten aufgesucht und sie dort beschimpft hat, Aufforderungen zum Verlassen der Räumlichkeiten nicht nachgekommen und einem Betroffenen in ein anderes Zimmer (Vorzimmer der Präsidentin des Landesgerichtes) gefolgt ist, wo er seine Beschimpfungen fortsetzte.

19 Die Revision, welche diesen Feststellungen nicht entgegengetreten ist, zeigt fallbezogen nicht auf, dass die Beurteilung des BVwG, ein solches Verhalten rechtfertige ein Hausverbot iSd. § 16 Abs. 3 Z 2 GOG, von den Vorgaben des hg. Erkenntnisses Ro 2016/03/0001 abweichen würde.

20 3.1.2. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit, wiederum das Hausverbot betreffend, weiters vor, das BVwG habe trotz Antrags keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Hätte das BVwG die beantragten Zeugen und den Revisionswerber einvernommen, hätte dieser aufzeigen können, dass gegen ihn „keine Sicherheitsbedenken“ bestünden. Bereits aus der Aktenlage gehe hervor, dass der Revisionswerber „die Rechtmäßigkeit“ des Hausverbotes stets in Zweifel gezogen habe.

21 Auch damit zeigt die Revision eine Rechtsfrage iSd. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht auf.

22 Der Revisionswerber hat in seiner Beschwerde an das BVwG zwar eine mündliche Verhandlung und die Einvernahme zahlreicher Zeugen beantragt. Er hat allerdings weder in seiner Beschwerde oder sonst im Verfahren noch in der Zulässigkeitsbegründung der Revision den vom BVwG festgestellten und seiner Entscheidung über das Hausverbot zu Grunde gelegten Sachverhalt, nämlich das näher beschriebene Aufsuchen von Organen der Gerichtsbarkeit in deren Büroräumlichkeiten durch den Revisionswerber, bestritten. Derselbe Sachverhalt wurde bereits von der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom dem Hausverbot zu Grunde gelegt. Der Revisionswerber hat die mündliche Verhandlung vielmehr mit der Behauptung beantragt, dass von diesen - von ihm unbestrittenen - Verhaltensweisen keine konkreten Sicherheitsbedenken ausgingen, welche ein Hausverbot rechtfertigten. Die vom Revisionswerber beantragten Zeugeneinvernahmen betrafen einerseits ebenfalls dieses Vorbringen, andererseits andere als das gegenständliche (das Hausverbot betreffende) Verfahren des Revisionswerbers.

23 Da das BVwG im Ergebnis von einem vom Revisionswerber nicht konkret in Abrede gestellten Sachverhalt ausgegangen ist, ist entgegen der Revision nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache iSd. § 24 Abs 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Damit stand der entscheidungsrelevante Sachverhalt fest, weshalb insofern auch keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten konnten (vgl. , mwH). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im Übrigen auch mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung vertreten, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten ist, und zwar insbesondere dann nicht, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind, sodass eine Verhandlung nicht notwendig ist und das Gericht aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden kann (vgl. EGMR , Nr. 56422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz. 97 ff).

24 3.2. Die Ordnungsstrafe betreffend bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, diese widerspräche der (nicht näher genannten) höchstgerichtlichen Rechtsprechung, weil die Beschwerde des Revisionswerbers vom dem Verwaltungsgericht am vorgelegt und das Erkenntnis dem Revisionswerber „beinahe zwei Jahre später“, nämlich am , zugestellt worden sei, die Behörde und das BVwG aber „keine Verfolgungshandlungen“ gesetzt hätten und solche vom BVwG auch nicht festgestellt worden seien.

25 Dieses erkennbar auf eine Verfolgungsverjährung iSd. §§ 31 und 32 VStG abstellende Vorbringen geht schon deswegen ins Leere, weil nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Ordnungs- und Mutwillensstrafen der §§ 34 ff AVG keine Strafen für Verwaltungsübertretungen (Art. II Abs. 3 EGVG) darstellen; es handelt sich vielmehr um Maßnahmen zur disziplinären Ahndung von Ordnungswidrigkeiten, für deren Anordnung die Vorschriften des AVG gelten. Außer den im § 36 AVG ausdrücklich bezeichneten Bestimmungen über den Strafvollzug sind bei der Anordnung von Ordnungsstrafen die Vorschriften des VStG weder unmittelbar noch analog anzuwenden. Ebensowenig ist bei der Anordnung von Ordnungsstrafen die Anwendung der Prinzipien des materiellen Verwaltungsstrafrechts oder überhaupt des allgemeinen Strafrechts geboten (vgl. , VwSlg. 14.064 A, mwN). Gleiches gilt für die allgemeinen Vorschriften des AVG über das Ermittlungsverfahren (vgl. ).

26 Schließlich macht die Revision zu ihrer Zulässigkeit geltend, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen einer Ordnungsstrafe abgewichen, weil „die aufgestellten Behauptungen“ sehr wohl einer Beweiswürdigung zugänglich und in der geäußerten Art und Weise als zulässig zu werten seien.

27 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von der Verwaltungsbehörde bzw. in Anwendung des § 17 VwGVG vom Verwaltungsgericht eine Ordnungsstrafe nach § 34 Abs. 3 AVG gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen. Eine beleidigende Schreibweise liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wenn eine Eingabe ein unsachliches Vorbringen enthält, das in einer Art gehalten ist, die ein ungeziemendes Verhalten gegenüber der Behörde darstellt. Dabei ist es ohne Belang, ob sich die beleidigende Schreibweise gegen die Behörde, gegen das Verwaltungsorgan oder gegen eine einzige Amtshandlung richtet. Für die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 3 AVG reicht es aus, dass die in der schriftlichen Eingabe verwendete Ausdrucksweise den Mindestanforderungen des Anstands nicht gerecht wird und damit objektiv beleidigenden Charakter hat. Auf das Vorliegen einer Beleidigungsabsicht kommt es hingegen nicht an. Bei der Lösung der Rechtsfrage, ob eine schriftliche Äußerung den Anstand verletzt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Behörden in einer demokratischen Gesellschaft Äußerungen der Kritik, des Unmutes und des Vorwurfs ohne übertriebene Empfindlichkeit hinnehmen müssen. Eine in einer Eingabe an die Behörde gerichtete Kritik ist aber nur dann gerechtfertigt und schließt die Anwendung des § 34 Abs. 3 AVG aus, wenn sich die Kritik auf die Sache beschränkt, in einer den Mindestanforderungen des Anstandes entsprechenden Form vorgebracht wird und nicht Behauptungen enthält, die einer Beweiswürdigung nicht zugänglich sind. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, wird der Tatbestand des § 34 Abs. 3 AVG erfüllt. Eine Kritik ist nur dann „sachbeschränkt“, wenn die Notwendigkeit dieses Vorbringens zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angenommen werden kann (vgl. etwa , mwN).

28 Das BVwG stützte sich auf die zahlreichen festgestellten Textpassagen aus dem Beschwerdeschriftsatz des Revisionswerbers und kam angesichts der dargestellten Rechtslage nachvollziehbar zum Schluss, dass der Revisionswerber die Grenzen zulässiger Kritik an Organen der Gerichtsbarkeit überschritten habe, indem er ihnen teils strafrechtlich relevantes Verhalten (etwa „Betrugsrechtsprechung“, „justizmobbende amtsmissbrauchende Gericht“, „amtsmissbrauchende Richter“) vorgeworfen und diese teils beleidigt hat (etwa „psychisch kranke Dr. X“, „suspekt paranoiden Behauptungen des psychopathologisch auffälligen Richters Dr. X“). Die Revision legt nicht auf die einzelnen festgestellten Äußerungen bezogen dar, dass das BVwG bei deren Beurteilung unter dem Gesichtspunkt des § 34 Abs. 3 AVG von den Leitlinien der maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

29 4. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

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AVG §34
AVG §34 Abs2
AVG §34 Abs3
AVG §35
AVG §36
EGVG Art2 Abs3
GOG §16 Abs3 Z2
GOG §16 Abs4
MRK Art6 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030159.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-45858