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VwGH 22.08.2022, Ra 2022/02/0143

VwGH 22.08.2022, Ra 2022/02/0143

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art133 Abs4
VStG §44a
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGG §13 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
RS 1
Der VwGH hat in einem verstärkten Senat gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG festgehalten, dass abweichend von der bisherigen Rechtsprechung maßgeblich ist, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) und der bei der Verhängung der Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) in einer Weise erfolgt, die den Beschuldigten in die Lage versetzt, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und - im Hinblick auf § 44a Z 2 VStG - nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein. Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle kann aber keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person bewirken, wenn die herangezogene Rechtsvorschrift für diese aus den Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnte (vgl. ).
Normen
B-VG Art133 Abs4
KFG 1967 §101 Abs1 lite
VwGG §34 Abs1
RS 2
Bei der Verwirklichung des Tatbildes des § 101 Abs. 1 lit e KFG 1967 geht es um den Vorwurf der Nichteinhaltung von Sicherheitsmaßnahmen; auf die allfällige Beschädigung von Fahrzeugen kommt es nicht an.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des S in F, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1230 Wien, Dr. Neumann-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-S-2122/001-2021, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde dem Revisionswerber vorgeworfen, er habe sich am um 13.55 Uhr bis 14.00 Uhr im Gemeindegebiet Großharras auf der Landesstraße B45 Richtung Pernhofen als Lenker eines nach dem Kennzeichen näher bestimmten LKW, obwohl es ihm zumutbar gewesen sei, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des KFG entspreche, weil festgestellt worden sei, dass die Ladung nicht vorschriftsgemäß gesichert gewesen sei, obwohl die Ladung und auch einzelne Teile dieser auf dem Fahrzeug so verwahrt oder durch geeignete Mittel gesichert werden müssten, dass sie den im normalen Fahrbetrieb auftretenden Kräften standhielten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet werde. Die einzelnen Teile einer Ladung müssten so verstaut und durch geeignete Mittel so gesichert werden, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeuges nur geringfügig verändern könnten. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Ladegüter den Laderaum nicht verlassen könnten und der sichere Betrieb des Fahrzeuges nicht beeinträchtigt und niemand gefährdet werde. Die Ladung oder einzelne Teile seien erforderlichenfalls zum Beispiel durch Zurrgurte, Klemmbalken, Transportschutzkissen, rutschhemmende Unterlagen oder Kombinationen geeigneter Ladungssicherungsmittel zu sichern. Eine ausreichende Ladungssicherung liege auch vor, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Ladegütern vollständig ausgefüllt sei, sofern ausreichend feste Abgrenzungen des Laderaumes ein herabfallendes Ladegut oder Durchdringen der Laderaumbegrenzung verhinderten. Es sei festgestellt worden, dass der Sattelanhänger nicht mit einer Plane abgedeckt worden sei. Aufgrund des starken Sturms und der Fahrgeschwindigkeit seien die Maiskörner von der Ladefläche geweht worden und auf die Fahrbahn gefallen, wodurch ein nachfahrender PKW beschädigt worden sei. Es sei dadurch ein Fahrzeug gelenkt worden, dessen nicht entsprechend gesicherte Beladung eine Gefährdung der Verkehrssicherheit dargestellt habe und habe dem Revisionswerber die nicht entsprechend gesicherte Beladung vor dem Fahrtantritt auffallen müssen.

2 Dadurch habe der Revisionswerber gegen § 101 Abs. 1 lit. e KFG in Verbindung mit § 102 Abs. 1 KFG verstoßen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 110,-- (sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 134 Abs. 1 KFG verhängt werde.

3 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wies die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet mit der Maßgabe ab, dass die Übertretung im Gemeindegebiet Großharras auf der Landstraße B45 vom Kreuzungsbereich mit der L25 in Fahrtrichtung Pernhofen bis zur Gemeindegrenze Großharras begangen worden sei (Spruchpunkt 1). Weiters verpflichtete es den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (Spruchpunkt 2) und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3). Begründend führte das Verwaltungsgericht zur Maßgabenbestätigung unter anderem aus, dass sich im Zuge des Beweisverfahrens herausgestellt habe, dass der Revisionswerber nicht den gesamten Streckenabschnitt der B45 im Gemeindegebiet Großharras mit der nicht ordnungsgemäß gesicherten Ladung befahren habe, sondern nur vom Kreuzungsbereich mit der L25 bis zur Gemeindegrenze in Richtung Pernhofen. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses sei daher dahingehend zu präzisieren gewesen. Der Tatort der angelasteten Verwaltungsübertretungen sei mit der B45 im Gemeindegebiet Großharras - wenn auch zu weit gefasst - klar definiert gewesen. Die in der Beschwerde geltend gemachte Gefahr einer Doppelbestrafung könne ausgeschlossen werden. Dies auch im Hinblick darauf, dass der Revisionswerber an diesem Tag zwar mehrere Fahrten von Kirchberg am Wagram zu einer näher bezeichneten Firma durchgeführt habe, diese aber zeitlich weit auseinandergelegen seien, weil die Fahrtzeit pro Richtung etwa 1,5 Stunden betrage. Die Verteidigungsrechte seien nicht beschnitten worden, weil es für die vorgebrachten Verteidigungsmittel irrelevant gewesen sei, an welchem genauen Streckenabschnitt der B45 im Gemeindegebiet Großharras die Tathandlung gesetzt worden sei.

4 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete vorliegende außerordentliche Revision erweist sich als unzulässig:

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert - vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 In der Zulässigkeitsbegründung macht der Revisionswerber zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe entgegen der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf ; ; ) die Fundstelle der angewendeten Strafnorm nicht angeführt. Das Erkenntnis entspreche nicht den Vorgaben des § 44a Z 2 und Z 3 VStG. Die Angabe der Fundstelle wäre schon deswegen relevant gewesen, weil die Strafnorm des § 134 Abs. 1 KFG infolge der 40. KFG-Novelle (BGBl. I Nr. 62/2022) novelliert worden sei und die bis dahin festgelegte Höchststrafe von € 5.000 durch die Wortfolge „Geldstrafe bis zu € 10.000“ ersetzt worden sei. Mangels Angabe einer Fundstelle könne daher nicht nachvollzogen werden, in welcher Fassung § 134 Abs. 1 KFG im gegenständlichen Fall angewendet worden sei.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem verstärkten Senat gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 VwGG festgehalten, dass abweichend von der bisherigen Rechtsprechung maßgeblich sei, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) und der bei der Verhängung der Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) in einer Weise erfolgt, die den Beschuldigten in die Lage versetzt, sich gegen den Tatvorwurf zu verteidigen zu können und - im Hinblick auf § 44a Z 2 VStG - nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein. Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle kann aber keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person bewirken, wenn die herangezogene Rechtsvorschrift für diese aus den Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnte (vgl. , auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird).

10 Letzteres liegt im vorliegenden Fall vor:

11 Unter Berücksichtigung der Tatbegehung am ist nicht ersichtlich, dass die herangezogene Strafsanktionsnorm in irgendeiner Weise für den Revisionswerber zweifelhaft gewesen sein könnte. Durch die Abweisung der Beschwerde des Revisionswerbers übernahm das Verwaltungsgericht den Spruch des mit der Beschwerde bekämpften Straferkenntnisses der belangten Behörde, welcher vor der ins Treffen geführten Gesetzesnovellierung erlassen wurde. Zudem wird in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ausdrücklich ein bis zu € 5.000 reichender Strafrahmen angeführt, sodass die in der Revision angeführten Zweifel hinsichtlich der festgelegten Höchststrafe nicht geteilt werden können.

12 Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werden in diesem Zusammenhang keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

13 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision weiters vor, es liege im Hinblick auf die Maßgabenbestätigung im Zusammenhang mit dem Tatort eine unzulässige Korrektur insofern vor, als dadurch ein unzulässiger Austausch der Tat durch das Verwaltungsgericht erfolgt sei und in Abweichung von näher genannter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Tatumschreibung eine Verletzung des Konkretisierungsgebotes vorliege. Der Tatort sei unzureichend umschrieben, weil sich dieser auf einen größeren Streckenabschnitt beziehe. Es sei nicht denkunmöglich, dass auch andere Fahrzeuge beschädigt worden seien, weshalb die Gefahr einer Doppelbestrafung bestehe.

14 „Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens ist die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung. Eine Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31, 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. , mwN).

15 Dass das Verwaltungsgericht gegenüber der von der belangten Behörde vorgenommenen Tatanlastung zusätzliche Tatbestandselemente herangezogen hätte, ist nicht ersichtlich. Es erfolgte lediglich eine Präzisierung des Spruches hinsichtlich des Tatortes und keine die Sache des Beschwerdeverfahrens überschreitende Erweiterung oder Änderung des Tatvorwurfes. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers nahm das Verwaltungsgericht keine Auswechslung des Tatortes vor, sondern eine Einschränkung der im Straferkenntnis der belangten Behörde als Tatort angegebenen Strecke.

16 Dass die Tatumschreibung nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG entspricht, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat den § 44a Z 1 VStG genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Umschreibung der Tat im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an die Umschreibung der Tat zu stellende Genauigkeitserfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den im Weiteren wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes Erfordernis sein. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn den Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Taten in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um den Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben dann nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden (vgl. zum Ganzen , mwN).

17 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen wird nicht aufgezeigt, dass das vorliegend der Fall wäre. Zu dem in der Revision geäußerten Vorwurf der Gefahr der Doppelbestrafung im Hinblick auf allfällige weitere beschädigte Fahrzeuge ist darauf hinzuweisen, dass es bei der Verwirklichung des vorgeworfenen Tatbildes des § 101 Abs. 1 lit e KFG um den Vorwurf der Nichteinhaltung von Sicherheitsmaßnahmen geht und es nicht auf die allfällige Beschädigung von Fahrzeugen ankommt.

18 Ebenso wird mit dem Verweis auf die in der Zulässigkeitsbegründung zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes ein Abweichen des hier angefochtenen Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den oben dargestellten Anforderungen an die Tatortumschreibung nicht dargetan. Den ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes lagen jeweils nicht vergleichbare Sachverhaltskonstellationen zugrunde, ging es dort doch insbesondere um Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung und handelte es sich bei der angeführten Entscheidung , um ein Verfahren betreffend die Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem Heeresdisziplinargesetz.

19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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B-VG Art133 Abs4
KFG 1967 §101 Abs1 lite
VStG §44a
VStG §44a Z2
VStG §44a Z3
VwGG §13 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020143.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAF-45837