VwGH 25.05.2022, Ra 2022/02/0077
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | AVG §56 TierschutzG 2005 §12 TierschutzG 2005 §13 TierschutzG 2005 §32 TierschutzG 2005 §37 Abs2 TierschutzG 2005 §37 Abs3 TierschutzG 2005 §5 TierschutzG 2005 §6 TierschutzG 2005 §7 VwGVG 2014 §17 |
RS 1 | Nach § 37 Abs. 2 TierschutzG 2005 können Organe der Behörde Personen, die gegen §§ 5 bis 7 legcit. verstoßen, das betreffende Tier abnehmen, wenn dies für das Wohlbefinden des Tieres erforderlich ist. Sind innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme im Sinne des Abs. 2 die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung des Tieres aller Voraussicht nach geschaffen, ist gemäß § 37 Abs. 3 legcit. das Tier zurückzustellen; andernfalls ist es als verfallen anzusehen. Die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung ergeben sich aus dem 2. Hauptstück (§§ 12 bis 32) des TierschutzG 2005. Die Entscheidung darüber, ob sich die Haltungsbedingungen seit der Abnahme dergestalt verändert haben, dass die materiellen Voraussetzungen für eine Rückstellung entsprechend § 37 Abs. 3 TierschutzG 2005 vorliegen, ist im Wege einer Prognoseentscheidung zu treffen (vgl. ). |
Normen | |
RS 2 | Dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/14/0153 E RS 9 |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober sowie den Hofrat Mag. Straßegger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision der F in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Andreas Orsini und Rosenberg, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Annagasse 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom , LVwG-AV-2153/001-2021, betreffend Abweisung eines Antrages auf Ausfolgung eines Tieres nach dem TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) den Antrag der Revisionswerberin vom auf Wiederausfolgung der am abgenommenen, näher bezeichneten Tiere gemäß § 37 Abs. 3 Tierschutzgesetz (TSchG) ab und stellte fest, dass die genannten Tiere mit als verfallen anzusehen seien. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Begründend stellte das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, die (zu diesem Zeitpunkt im Ausland aufhältige) Revisionswerberin sei bereits vor der Abnahme der Tiere durch die belangte Behörde mehrfach auf die mangelhaften Haltungsumstände bzw. die mangelhafte Versorgung durch ihren Sohn aufmerksam gemacht und aufgefordert worden, für eine andere Unterbringung der Tiere zu sorgen. Entsprechende Maßnahmen zur Verbesserung der Haltungs- und Versorgungssituation seien seitens der Revisionswerberin jedoch nicht gesetzt worden. Vielmehr habe sie sich auch noch im Antrag auf Ausfolgung der Tiere darauf zurückgezogen, dass die Situation nicht so schlimm gewesen sei. Wenngleich eine Kontrolle der hygienischen Umstände vor Ort unterblieben sei, wäre der Verfall nur dann nicht eingetreten, wenn grundsätzlich geeignete Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Versorgung der Tiere gesetzt worden wären. Es liege im Rahmen der Mitwirkungspflicht am jeweiligen Tierhalter, ein Konzept für die in Aussicht genommene Versorgung vorzulegen. Derartiges sei jedoch nicht erfolgt, obwohl die belangte Behörde innerhalb offener Frist mehrfach versucht habe, diesbezüglich mit der Revisionswerberin in Kontakt zu treten. Da die ordnungsgemäße Versorgung der Tiere durch den Sohn der Revisionswerberin nicht habe sichergestellt werden können, wäre eine Möglichkeit die Übernahme der Versorgung der Tiere durch die Revisionswerberin selbst gewesen. Diese habe jedoch angegeben erst ab wieder ständig in Österreich zu sein. Eine ordnungsgemäße Haltung innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme der Tiere habe daher nicht sichergestellt werden können.
3 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zur Begründung der Zulässigkeit wendet sich die Revisionswerberin im Wesentlichen gegen die Richtigkeit der vorgenommenen Prognoseentscheidung und bringt zudem vor, aus dem Gesetzeswortlaut des § 37 Abs. 3 TSchG gehe nicht hervor, wie und in welcher Form die Behörde zu dieser Prognoseentscheidung komme und welche konkreten Mitwirkungspflichten den Tierhalter treffen würden. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes, ob dafür auch eine neuerliche behördliche Kontrolle der Haltungsbedingungen vor Ort vorzunehmen sei.
8 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
9 Nach § 37 Abs. 2 TSchG können Organe der Behörde Personen, die gegen §§ 5 bis 7 leg. cit. verstoßen, das betreffende Tier abnehmen, wenn dies für das Wohlbefinden des Tieres erforderlich ist. Sind innerhalb von zwei Monaten nach Abnahme im Sinne des Abs. 2 die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung des Tieres aller Voraussicht nach geschaffen, ist gemäß § 37 Abs. 3 TSchG das Tier zurückzustellen; andernfalls ist es als verfallen anzusehen.
10 Die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung ergeben sich aus dem 2. Hauptstück (§§ 12 bis 32) des Tierschutzgesetzes.
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ist die Entscheidung darüber, ob sich die Haltungsbedingungen seit der Abnahme dergestalt verändert haben, dass die materiellen Voraussetzungen für eine Rückstellung entsprechend § 37 Abs. 3 TSchG vorliegen, im Wege einer Prognoseentscheidung zu treffen (vgl. ).
12 Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dieser einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. etwa , mwN).
13 Das Verwaltungsgericht stützte seine Beurteilung, wonach die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Haltung der abgenommenen Tiere aller Voraussicht nach nicht geschaffen worden seien, im Wesentlichen darauf, dass die Revisionswerberin innerhalb der zwei Monate nach der Abnahme der Tiere noch nicht wieder in Österreich aufhältig gewesen sei und der Behörde auch kein Konzept für die in Aussicht genommene Versorgung der Tiere vorgelegt habe, obwohl die Behörde innerhalb offener Frist mehrfach versucht habe, diesbezüglich mit der Revisionswerberin in Kontakt zu treten. Diese einzelfallbezogene Beurteilung ist entgegen dem Revisionsvorbringen nicht als rechtswidrig erkennbar.
14 Soweit die Revisionswerberin vorbringt, aus dem Gesetzwortlaut ergebe sich nicht, welche Mitwirkungspflichten den Tierhalter treffen würden, ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach der ständigen Rechtsprechung korrespondiert dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken. Das Offizialprinzip entbindet die Parteien nicht davon, durch ein substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhalts beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gerade dort von Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen (vgl. etwa , mwN).
15 Da weder die Revisionswerberin noch die Tiere im Beurteilungszeitpunkt vor Ort waren, legte das Verwaltungsgericht nachvollziehbar dar, dass durch eine Kontrolle der Haltungseinrichtungen im konkreten Fall nicht geklärt werden könne, ob grundsätzlich geeignete Vorkehrungen für die ordnungsgemäße Versorgung der Tiere getroffen worden seien. Vor diesem Hintergrund erscheint es fallbezogen auch nicht verfehlt, dass das Verwaltungsgericht von einer Mitwirkungspflicht der Revisionswerberin bei der Beurteilung der Haltungsbedingungen ausging.
16 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt es zudem der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Von einer aufzugreifenden Unvertretbarkeit dieser Beurteilung kann im vorliegenden Fall keine Rede sein (vgl. zum diesbezüglichen Prüfkalkül etwa , mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §37 AVG §39 Abs2 AVG §45 Abs2 AVG §56 TierschutzG 2005 §12 TierschutzG 2005 §13 TierschutzG 2005 §32 TierschutzG 2005 §37 Abs2 TierschutzG 2005 §37 Abs3 TierschutzG 2005 §5 TierschutzG 2005 §6 TierschutzG 2005 §7 VwGVG 2014 §17 |
Schlagworte | Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020077.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAF-45831