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VwGH 29.03.2023, Ra 2022/01/0297

VwGH 29.03.2023, Ra 2022/01/0297

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
B-VG Art133 Abs6 Z2
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1
RS 1
(Auch) die Zulässigkeit einer inhaltlichen Entscheidung des VwGH über eine Amtsrevision setzt voraus, dass die revisionswerbende (Amts-)Partei ein aufrechtes rechtliches Interesse an einer solchen Entscheidung hat.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/20/0310 E RS 1
Normen
B-VG Art133 Abs6 Z2
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1
RS 2
Auch eine Amtsrevision wird bei nachträglichem Wegfall des rechtlichen Interesses der Amtspartei (infolge Beendigung der Rechtswirkungen der angefochtenen Entscheidung des VwG) gegenstandslos (). Liegt ein rechtliches Interesse schon bei Revisionserhebung nicht (mehr) vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2017/12/0006 B RS 2
Norm
VwGVG 2014 §28 Abs5
RS 3
Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung sind die Verwaltungsbehörden und auch das VwG selbst an die vom VwG in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Die schon vor der Erlassung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (Hinweis E vom , Ra 2016/18/0293). Gemäß § 28 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 steht die Zulassung des Asylverfahrens einer späteren zurückweisenden Entscheidung nicht entgegen, das ändert aber nichts an der nach § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 gegebenen Bindungswirkung.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/20/0045 E RS 2 (hier: ohne den letzten Satz)
Normen
AVG §68 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwGVG 2014 §28 Abs5
VwRallg
RS 4
Eine Aufhebung der Zurückweisung eines Antrags, weil das VwG der Meinung ist, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgte, wäre keine Aufhebung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014. Sie würde gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden auslösen, das Verfahren über den Antrag durchzuführen (insofern ist zu beachten, dass die gelegentlich vorgenommene Bezeichnung einer solchen Aufhebung als "ersatzlose Aufhebung" nur im Hinblick auf ein als selbständig verstandenes "Zurückweisungsverfahren" berechtigt ist, im Übrigen aber gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 das Verfahren über den zunächst unzulässiger Weise zurückgewiesenen Antrag zu führen ist; vgl. in diesem Sinne , Rn 48).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2017/06/0210 E RS 3
Normen
AsylG 2005 §17 Abs1
AsylG 2005 §17 Abs5
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwGVG 2014 §28 Abs5
RS 5
In der vorliegenden Rechtssache ist die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides des BFA von der aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses hervorgehenden Rechtsanschauung des VwG getragen, es handle sich beim schriftlichen Antrag des Asylwerbers um einen wirksamen Antrag auf internationalen Schutz, weshalb das BFA gemäß § 17 Abs. 5 AsylG 2005 nun eine Sicherheitsbehörde oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu befassen habe und letztlich nach dieser Befassung ein Asylverfahren führen müsse. Durch diese Rechtsanschauung des VwG wurde das BFA jedenfalls gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 verpflichtet, das Verfahren über den zunächst unzulässigerweise zurückgewiesenen Antrag zu führen (vgl. dazu VwGH Ra 2017/06/0210, mwN). Daher kann dahingestellt bleiben, ob das VwG zusätzlich in der Sache für das fortgesetzte Verfahren bestimmte Aufträge an das BFA weitergeben wollte, was (in einer materiellen Gesamtbetrachtung) zu einer Umdeutung in eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 führen und auch die in § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG 2014 angeführte Bindungswirkung auslösen würde (vgl. dazu , mwN), oder ob es sich bei dem Auftrag, das BFA werde "nun in Folge dieser Behebung" den Antrag des Asylwerbers gemäß § 17 Abs. 5 AsylG 2005 zu behandeln haben, lediglich um ein rechtlich bedeutungsloses "obiter dictum" handelte (vgl. zu einem solchen "obiter dictum" etwa ; vgl. zur Abgrenzung von "obiter dicta" von der für die Behebung maßgeblichen Rechtsansicht auch ).
Normen
AsylG 2005 §17 Abs1
AsylG 2005 §17 Abs3
AsylG 2005 §17 Abs5
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs6 Z1
VwGVG 2014 §28 Abs5
RS 6
Schon aufgrund der gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 bestehenden Verpflichtung, das Verfahren über den zunächst unzulässigerweise zurückgewiesenen Antrag führen zu müssen, hat das BFA, welches sich gegen die Rechtsanschauung des VwG wendet, als revisionswerbende (Amts-)Partei ein aufrechtes rechtliches Interesse an einer Entscheidung des VwGH. Es handelt sich daher auch nicht um eine abstrakte Rechtsfrage, für die der VwGH auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig wäre (vgl. dazu etwa , mwN).
Normen
AsylG 2005 §17 Abs3
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2
AVG §13
VwGVG 2014 §28 Abs5
RS 7
Wenn § 25 Abs. 1 Z 2 iVm § 17 Abs. 3 AsylG 2005 bestimmt, dass ein - nicht nach § 17 Abs. 3 zulässiger - schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz als gegenstandslos abzulegen ist, wird damit eine Sonderverfahrensregelung getroffen, welche § 13 AVG vorgeht. Infolge dieser sonderverfahrensrechtlichen Regelung ist auch die Rechtsprechung, wonach eine Aufhebung der Zurückweisung eines Antrags, weil das VwG der Meinung ist, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgte, gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden auslösen würde, das Verfahren über den Antrag durchzuführen (vgl. , mwN), auf die vorliegende Konstellation nicht zu übertragen.
Normen
AsylG 1997 §16
AsylG 1997 §3 Abs3 idF 2003/I/101
AsylG 2005 §17
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §35
RS 8
Der Gesetzgeber hat im Laufe der letzten Jahrzehnte eindeutig und zunehmend einschränkend das Ziel verfolgt, ein Asylverfahren bzw. ein Verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz nur in Bezug auf Personen zu führen, die sich im Bundesgebiet befinden. Dass dabei - auch für Familienangehörige von Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten in Österreich keine Ausnahme gemacht werden soll, lässt sich klar erkennen.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ro 2015/18/0002 E VwSlg 19321 A/2016 RS 1 (hier: ohne den letzten Satz)
Normen
AsylG 2005 §17 Abs1
AsylG 2005 §17 Abs2
AsylG 2005 §17 Abs3
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2
AsylG 2005 §35
RS 9
Nach dem AsylG 2005 (Stammfassung) konnten Anträge auf internationalen Schutz grundsätzlich nur persönlich im Inland gestellt und eingebracht werden. Das AsylG 2005 änderte an der restriktiven Haltung des Gesetzes zu schriftlichen Anträgen auf internationalen Schutz grundsätzlich nichts. Lediglich für in Österreich nachgeborene Kinder von Asylwerbern oder Fremden, denen der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zukam, eröffnete es in § 17 Abs. 3 AsylG 2005 ausnahmsweise die Möglichkeit, Anträge nicht persönlich, sondern schriftlich zu stellen. Für alle anderen Personen wurden schriftliche Anträge jedoch explizit nicht zugelassen; sie sollten nach § 25 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 (nunmehr: Z 2) als gegenstandslos abgelegt werden. Der gesetzgeberische Wille, "dass Anträge auf internationalen Schutz ausnahmslos nur mehr im Inland gestellt werden können", finde seinen Niederschlag "in den §§ 17 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 1 Z 2 und 35 AsylG 2005 (idgF)". Daher ist es - bezogen auf Familienangehörige eines in Österreich Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten - nicht zulässig, den Antrag auf internationalen Schutz bei der österreichischen Vertretungsbehörde zu stellen oder ihn postalisch oder durch einen Vertreter im Inland bei der österreichischen Asylbehörde einzubringen (vgl. zu allem VwGH Ro 2015/18/0002-0007). Diese Rechtsprechung ist angesichts des klaren Wortlautes des § 17 und des § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 auf die vorliegende Konstellation einer schriftlichen Asylantragstellung im Inland zu übertragen.
Normen
AsylG 2005 §17 Abs3
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2
AsylG 2005 §25 Abs1 Z4 idF 2012/I/087
AVG §13 Abs3
NAG 2005 §19 Abs1
StbG 1985 §19 Abs1
StbG 1985 §19 Abs2
RS 10
Anträge auf internationalen Schutz sind - soweit es sich nicht um einen Antrag von einem in Österreich nachgeborenen Kind eines Fremden handelt (§ 17 Abs. 3 AsylG 2005) - persönlich und mündlich zu stellen. Die Unzulässigkeit eines schriftlichen Antrages ergibt sich dabei bereits aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag ... schriftlich gestellt wurde"). Hingegen kennt etwa § 19 Abs. 1 NAG 2005 oder § 19 Abs. 1 StbG 1985 die Möglichkeit eines persönlichen schriftlichen Antrages (vgl. zu § 19 Abs. 1 NAG 2005 etwa -0147, wo in diesem Zusammenhang auf die Mängel schriftlicher Anbringen nach § 13 Abs. 3 AVG hingewiesen wird; vgl. zu § 19 Abs. 1 StbG 1985 etwa , sowie den in der Verordnungsermächtigung des § 19 Abs. 2 StbG 1985 enthaltenen Hinweis auf ausschließlich zu verwendende Antragsformulare). Im Asylverfahren sind dagegen schriftliche Anträge gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 - abgesehen von der Ausnahme des § 17 Abs. 3 AsylG 2005 für in Österreich nachgeborene Kinder - explizit nicht zugelassen; sie sollen als gegenstandslos abgelegt werden (vgl. VwGH Ro 2015/18/0002-0007, noch zur [alten] Fassung des § 25 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 87/2012).
Normen
AsylG 2005 §17 Abs3
AsylG 2005 §17 Abs8
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
RS 11
§ 17 Abs. 8 AsylG 2005 normiert für den Fall eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz im Rahmen des anhängigen Beschwerdeverfahrens, dass ein diesfalls gestellter schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz als Beschwerdeergänzung gilt. Die Bestimmung des § 17 Abs. 8 AsylG 2005 regelt mit der Anordnung der "Mitbehandlung" eines weiteren Antrags - wie sich aus der vom Gesetz angeordneten Umdeutung eines während des Beschwerdeverfahrens gestellten schriftlichen Antrags in eine Beschwerdeergänzung ergibt - nicht die Zuständigkeit des VwG zur originären Entscheidung über einen Folgeantrag. Vielmehr sollen weitere Anträge auf internationalen Schutz im Stadium eines offenen Beschwerdeverfahrens gerade nicht als Folgeanträge behandelt und gesondert erledigt werden, sondern soll das darin enthaltene Vorbringen in die Entscheidung über die bereits erhobene Beschwerde mit einfließen (vgl. , mwN). Damit eröffnet das AsylG 2005 zunächst die Möglichkeit schriftlicher Anträge, schränkt diese jedoch dahingehend ein, dass lediglich das darin enthaltene Vorbringen in die Entscheidung über die bereits erhobene Beschwerde mit einfließt. Daher wird auch durch diese Regelung - im Unterschied zur Ausnahme des § 17 Abs. 3 AsylG 2005 - ein gesonderter schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz nicht zugelassen.
Normen
RS 12
Das Verständnis einer notwendigen persönlichen Antragstellung kommt auch in der Sonderbestimmung des § 38 AsylG 2005 zum Ausdruck. Diese Bestimmung zeigt in systematischer Auslegung das Verständnis des Gesetzgebers des AsylG 2005, wonach Anträge auf internationalen Schutz "persönlich ... zu stellen" sind.
Normen
AsylG 2005 §19 Abs1
BFA-VG 2014 §42 Abs1
RS 13
§ 42 Abs. 1 BFA-VG 2014, der in Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz eine erkennungsdienstliche Behandlung vorsieht, weist auf ein weiteres Ziel dieser Regelung hin. Der VwGH hat in seiner Rechtsprechung bereits auf die wesentliche Bedeutung der Bekanntgabe der wahren Identität des Fremden im Asylverfahren hingewiesen (vgl. , mwN). Der Feststellung der wahren Identität dient auch das Erfordernis einer persönlichen Antragstellung.
Normen
AsylG 2005 §17 Abs3
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2
RS 14
Aus der Regelung des § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, wonach - abgesehen von der Ausnahme des § 17 Abs. 3 AsylG 2005 für in Österreich nachgeborene Kinder - schriftliche Anträge explizit nicht zugelassen sind und als gegenstandslos abzulegen sind, folgt, dass eine derartige Eingabe prinzipiell keine Rechtswirkungen zu erzeugen vermag. Das bedeutet wiederum, dass derartige Eingaben grundsätzlich nicht weiter zu behandeln sind ("ist als gegenstandslos abzulegen"; vgl. idS zu § 1 Abs. 1 letzter Satz VwGH-EVV, wonach E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen beim VwGH ist, -0104; vgl. idS zu einem auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachten Anbringen auch , mwN).
Normen
AVG §13
AVG §13 Abs1
AVG §14
RS 15
Bei schriftlich einzubringenden Anbringen sind die Behörden nicht verpflichtet, dementgegen mündlich erhobene Eingaben niederschriftlich aufzunehmen; über ein trotz Schriftlichkeitserfordernis bloß mündlich erhobenes Anbringen ist nicht zu entscheiden (vgl. VwGH VS , 2001/20/0195, VwSlg 16356 A/2004; , Ro 2015/06/0022).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/05/0030 B RS 1
Normen
AVG §13 Abs3
VwGVG 2014 §17
RS 16
Ein Mängelbehebungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG setzt eine an sich wirksam erhobene Eingabe voraus; im Fall einer unwirksamen Eingabe sind die Behörden und Gerichte nicht gehalten, einen auf diese Norm gestützten Verbesserungsauftrag zu erteilen (vgl. , unter Hinweis auf ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2021/05/0030 B RS 2

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W282 2178536-2/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (Mitbeteiligter: H P, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried im Innkreis, Promenade 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorgeschichte

1 Nach den unbekämpften Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses stellte der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger von Afghanistan (nachdem sein [erster] Antrag auf internationalen Schutz vom letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes [Verwaltungsgericht] vom abgewiesen worden war) am - verbunden mit einem auf § 88 Abs. 2a FPG gestützten Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses - durch seinen auch vorliegend bevollmächtigten Rechtsvertreter und gerichtet an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Amtsrevisionswerber; BFA) einen [wie aus dem Verfahrensakt erkennbar] schriftlichen (E-Mail) „Antrag auf internationalen Schutz und die Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten“.

2 Mit Bescheid des BFA vom wurde - soweit vorliegend wesentlich - „der Antrag“ des Mitbeteiligten „auf subsidiären Schutz gemäß § 8 Absatz 1 Asylgesetz vom [...] gemäß § 17 Absatz 1 Asylgesetz idgF zurückgewiesen“.

Angefochtenes Erkenntnis

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde - soweit vorliegend wesentlich - „in Erledigung der Beschwerde“ des Mitbeteiligten gegen den Bescheid des BFA dieser Spruchteil des Bescheides ersatzlos behoben (Spruchpunkt A) II.). Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt B).

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht nach Darstellung des Verfahrensganges im Wesentlichen aus, Sache des Beschwerdeverfahrens sei lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückverweisung (Verweis u.a. auf , mwN).

5 Im vorliegenden Fall habe das BFA mangels Befugnis zur Zurückweisung die Rechtslage verkannt. Der Verweis auf § 38 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) gehe „gänzlich ins Leere“, weil es sich schon „aus logischen Erwägungen“ ergebe, dass die seinerzeitige unrechtmäßige Einreise des Mitbeteiligten vor Stellung seines damaligen Erstantrages nicht „bis in alle Ewigkeit gleichsam“ nachwirke.

6 Der im Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses enthaltene Folgeantrag auf internationalen Schutz (dies gehe klar aus dessen Wortlaut hervor, es handle sich daher nicht bloß um einen Antrag auf subsidiären Schutz) hätte vom BFA gemäß § 6 AVG iVm § 17 Abs. 5 AsylG 2005 behandelt werden müssen. Da das BFA im Sinne des § 17 Abs. 1 AsylG 2005 nicht Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. Sicherheitsbehörde sei und somit in § 17 Abs. 1 AsylG 2005 nicht genannt sei, hätte es den Antrag an die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde oder das nächste Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes weiterzuleiten gehabt.

7 Festzuhalten sei, dass auch „abseits des“ § 17 Abs. 3 AsylG 2005, der Anträge direkt beim BFA zulasse, soweit sie nachgeborene Kinder beträfen, Anträge auf internationalen Schutz auf welche Weise immer artikuliert werden könnten (Verweis auf Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht [2016] § 17 K1), dies vor „jedweder“ Behörde im Bundesgebiet und somit auch schriftlich bzw. per E-Mail. Diese - nicht in § 17 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnte - Behörde habe dann gemäß § 6 AVG iVm § 17 Abs. 5 AsylG 2005 vorzugehen. Eine Befugnis zur formalen Zurückweisung dieses Antrages auf internationalen Schutz wäre dem BFA erst dann zugekommen, wenn der Mitbeteiligte bzw. sein Rechtsvertreter nach erfolgter Weiterleitung gemäß § 6 AVG iVm § 17 Abs. 5 AsylG 2005 ebenso in formaler Hinsicht auf die Zuständigkeit des BFA schon für die Stellung des Antrags auf internationalen Schutz und die daran geknüpften Verfahrensschritte beharrt hätte (Verweis Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 14). Da hiefür keine Anhaltspunkte erkennbar seien, erweise sich die vom BFA ausgesprochene Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz als rechtswidrig, weshalb dieser Spruchteil gemäß „§ 28 Abs. 1 iVm § 6 AVG u. § 17 Abs. 5 AsylG 2005“ ersatzlos zu beheben gewesen sei.

8 Das BFA werde „nun in Folge dieser Behebung“ den Antrag des Mitbeteiligten gemäß § 17 Abs. 5 AsylG 2005 zu behandeln haben, somit die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde von der Antragstellung in Kenntnis zu setzen haben, sodass diese in Folge „die weiteren notwendigen Verfahrensschritte setzen“ könne.

Amtsrevision

9 Gegen die in Spruchpunkt A) II. dieses Erkenntnisses verfügte ersatzlose Behebung richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision.

10 Der Mitbeteiligte erstattete in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

Zulässigkeitsvorbringen der Amtsrevision

11 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung, ob das BFA trotz schriftlicher Antragstellung im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 eine Sicherheitsbehörde oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach § 17 Abs. 5 AsylG zu befassen habe.

12 Das BFA habe als Amtsrevisionswerber auch ein rechtliches Interesse am Ausgang des gegenständlichen Revisionsverfahrens. Aufgrund der Bindung der Behörde an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes nach § 28 Abs. 5 VwGVG könne im Falle einer ersatzlosen Aufhebung ein rechtliches Interesse auch dann vorliegen, wenn zwar der Bescheid der Behörde im Ergebnis korrekt aufgehoben worden sei, jedoch die sich aus der Begründung ergebende Bindungswirkung verfehlt sei. Vorliegend habe aufgrund der Wirkungslosigkeit des schriftlichen Antrags des Mitbeteiligten keine Grundlage bestanden, über diesen durch Zurückweisung abzusprechen, weshalb die Aufhebung durch das Verwaltungsgericht im Ergebnis korrekt gewesen sei. Allerdings sei das BFA nun an die im angefochtenen Erkenntnis dargelegte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes gebunden, wonach ein wirksamer Antrag auf internationalen Schutz vorliege und das BFA gemäß § 17 Abs. 5 AsylG 2005 nun eine Sicherheitsbehörde oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu befassen habe. Zudem folge daraus, dass das BFA nach dieser Befassung ein Asylverfahren führen müsse.

13 Auch fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Falle der Zurückweisung eines wirkungslosen schriftlichen Antrages auf internationalen Schutz mangels persönlicher Antragstellung iSd § 17 Abs. 1 AsylG 2005 überhaupt ein rechtliches Interesse des Mitbeteiligten an einer Beschwerdeentscheidung bestehe.

Vorbringen des Mitbeteiligten

14 Der Mitbeteiligte bringt dagegen in seiner Revisionsbeantwortung vor, das BFA wünsche die höchstgerichtliche Klärung der Rechtsfrage, ob bei schriftlich eingebrachten Anträgen vom BFA die Sicherheitsbehörden in Kenntnis zu setzen seien oder nicht. Der Verwaltungsgerichtshof sei jedoch nicht zur Klärung abstrakter Rechtsfragen zuständig.

15 Nach alter Rechtslage (Asylgesetz 1997) sei die schriftliche Asylantragsstellung zulässig gewesen und so praktiziert worden. Meist habe ein Rechtsvertreter in deutscher Sprache die Fluchtgründe so dargestellt, wie sie heute in der Erstbefragung protokolliert würden. In der Verwaltungspraxis führe keine örtlich zuständige Sicherheitsbehörde die Erstbefragung durch. Diese werde in Oberösterreich von einer „EGFA“ (Einsatzgruppe Grenz- und Fremdenpolizeiliche Abteilung) genannten Dienststelle durchgeführt. Ohne vorherige „Erkundigung nach Auslastung“ mache „ein Erscheinen dort wenig Sinn, will man nicht mangels Zeit und Personal auf spätere Tage vertröstet werden“. Es werde beantragt, die Amtsrevision kostenpflichtig zurückzuweisen.

Zulässigkeit der Revision infolge Bindung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes

16 Eingangs ist anzumerken, dass (auch) die Zulässigkeit einer inhaltlichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über eine Amtsrevision voraussetzt, dass die revisionswerbende (Amts-)Partei ein aufrechtes rechtliches Interesse an einer solchen Entscheidung hat. Demnach wird auch eine Amtsrevision bei nachträglichem Wegfall des rechtlichen Interesses der Amtspartei (infolge Beendigung der Rechtswirkungen der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes) gegenstandslos. Liegt ein rechtliches Interesse schon bei Revisionserhebung nicht (mehr) vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG (mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung) zurückzuweisen (vgl. zum Ganzen etwa , mwN).

17 Mit der vorliegenden Amtsrevision wendet sich das BFA nicht gegen die Behebung der Zurückweisung des Antrags des Mitbeteiligten an sich, sondern allein gegen die diese Behebung tragende Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts, es handle sich beim schriftlichen Antrag des Mitbeteiligten um einen wirksamen Antrag auf internationalen Schutz, weshalb das BFA gemäß § 17 Abs. 5 AsylG 2005 nun eine Sicherheitsbehörde oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu befassen habe und letztlich nach dieser Befassung ein Asylverfahren führen müsse.

18 „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist „Sache“ eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die „Rechtmäßigkeit der Zurückweisung“ (vgl. , mwN).

19 Im vorliegenden Fall hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des BFA, mit dem der Antrag des Mitbeteiligten auf internationalen Schutz zurückgewiesen wurde, ersatzlos behoben.

20 Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden - wenn das Verwaltungsgericht wie im vorliegenden Fall den angefochtenen Bescheid aufhebt - verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

21 Das bedeutet, dass bei der Erlassung der Ersatzentscheidung die Verwaltungsbehörden und auch das Verwaltungsgericht selbst an die vom Verwaltungsgericht in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden sind; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Die schon vor der Erlassung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (vgl. dazu -0047, mwN).

22 In einer baurechtlichen Angelegenheit hat der Verwaltungsgerichthof zur Vermeidung von Missverständnissen ausgeführt: „Eine Aufhebung der Zurückweisung eines Antrags, weil das LVwG der Meinung ist, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgte, wäre keine Aufhebung gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG. Sie würde gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden auslösen, das Bauverfahren über den Antrag durchzuführen (insofern ist zu beachten, dass die gelegentlich vorgenommene Bezeichnung einer solchen Aufhebung als ‚ersatzlose Aufhebung‘ nur im Hinblick auf ein als selbständig verstandenes ‚Zurückweisungsverfahren‘ berechtigt ist, im Übrigen aber gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG das Verfahren über den zunächst unzulässiger Weise zurückgewiesenen Antrag zu führen ist; ...)“ (vgl. nochmals VwGH Ra 2017/06/0210).

23 In der vorliegenden Rechtssache ist die Aufhebung des Zurückweisungsbescheides des BFA - wie von diesem zutreffend vorgebracht - von der aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses hervorgehenden Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts getragen, es handle sich beim schriftlichen Antrag des Mitbeteiligten um einen wirksamen Antrag auf internationalen Schutz, weshalb das BFA gemäß § 17 Abs. 5 AsylG 2005 nun eine Sicherheitsbehörde oder ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu befassen habe und letztlich nach dieser Befassung ein Asylverfahren führen müsse. Dies ergibt sich erkennbar aus den (oben wiedergegebenen) Ausführungen des Verwaltungsgerichtes, wonach auch „abseits des“ § 17 Abs. 3 AsylG 2005 Anträge auf internationalen Schutz auf welche Weise immer vor „jedweder“ Behörde im Bundesgebiet und somit auch schriftlich bzw. per E-Mail „artikuliert“ werden könnten.

24 Durch diese Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts wurde das BFA jedenfalls gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG verpflichtet, das Verfahren über den zunächst unzulässigerweise zurückgewiesenen Antrag zu führen (vgl. dazu nochmals VwGH Ra 2017/06/0210, mwN). Daher kann dahingestellt bleiben, ob das Verwaltungsgericht zusätzlich in der Sache für das fortgesetzte Verfahren bestimmte Aufträge an das BFA weitergeben wollte, was (in einer materiellen Gesamtbetrachtung) zu einer Umdeutung in eine Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG führen und auch die in § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG angeführte Bindungswirkung auslösen würde (vgl. dazu , mwN), oder ob es sich bei dem Auftrag, das BFA werde „nun in Folge dieser Behebung“ den Antrag des Mitbeteiligten gemäß § 17 Abs. 5 AsylG 2005 zu behandeln haben, lediglich um ein rechtlich bedeutungsloses „obiter dictum“ handelte (vgl. zu einem solchen „obiter dictum“ etwa ; vgl. zur Abgrenzung von „obiter dicta“ von der für die Behebung maßgeblichen Rechtsansicht auch ).

25 Schon aufgrund der gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG bestehenden Verpflichtung, das Verfahren über den zunächst unzulässigerweise zurückgewiesenen Antrag führen zu müssen, hat das BFA, welches sich gegen die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichts wendet, als revisionswerbende (Amts-)Partei ein aufrechtes rechtliches Interesse an einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes. Es handelt sich daher auch nicht - wie in der Revisionsbeantwortung vorgebracht - um eine abstrakte Rechtsfrage, für die der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig wäre (vgl. dazu etwa , mwN).

26 Zu der vom BFA vorliegend aufgezeigten Rechtsfrage der Zulässigkeit einer schriftlichen Antragstellung auf internationalen Schutz gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 iVm § 17 Abs. 1 und 3 AsylG 2005 und deren Rechtsfolgen für ein weiteres Verfahren besteht keine (ausdrückliche) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

27 Die Amtsrevision ist daher zulässig.

Rechtslage

28 Das Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 (AsylG 2005), lautet auszugsweise (die jeweiligen Fassungen der Bestimmungen sind nachstehend angeführt):

Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

...

13. ein Antrag auf internationalen Schutz: das - auf welche Weise auch immer artikulierte - Ersuchen eines Fremden in Österreich, sich dem Schutz Österreichs unterstellen zu dürfen; der Antrag gilt als Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bei Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten;

...“ (BGBl. I Nr. 145/2020)

1. Abschnitt

Allgemeines Asylverfahren

Verfahrensablauf

§ 17. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist gestellt, wenn ein Fremder in Österreich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes oder einer Sicherheitsbehörde um Schutz vor Verfolgung ersucht.

(2) Der Antrag auf internationalen Schutz gilt mit Anordnung des Bundesamtes gemäß § 43 Abs. 1 BFA-VG als eingebracht, soweit sich aus diesem Bundesgesetz oder dem BFA-VG nichts anderes ergibt.

(3) Ein Antrag auf internationalen Schutz von einem in Österreich nachgeborenen Kind eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt, kann auch bei einer Regionaldirektion oder einer Außenstelle der Regionaldirektion eingebracht werden; diese Anträge können auch schriftlich gestellt und eingebracht werden. ...

(5) Ersucht ein Fremder vor einer Behörde im Inland, die nicht in Abs. 1 genannt ist, um internationalen Schutz, hat diese Behörde die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde oder das nächste Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu verständigen.

...

(7) Ein in der Rechtsmittelfrist gestellter weiterer Antrag auf internationalen Schutz gilt als Beschwerde oder Beschwerdeergänzung gegen den zurückweisenden oder abweisenden Bescheid des Bundesamtes.

(8) Wird während eines anhängigen Beschwerdeverfahrens ein weiterer Antrag auf internationalen Schutz gestellt oder eingebracht, wird dieser Antrag im Rahmen des anhängigen Beschwerdeverfahrens mitbehandelt. Ein diesfalls gestellter schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz gilt als Beschwerdeergänzung; das Bundesamt hat diesen Antrag unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht zu übermitteln.

...“ (BGBl. I Nr. 56/2018)

Gegenstandslosigkeit und Zurückziehen von Anträgen

§ 25. (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als gegenstandslos abzulegen

...

2. wenn der Antrag, soweit dies nicht gemäß § 17 Abs. 3 zulässig war, schriftlich gestellt wurde.

...“ (BGBl. I Nr. 70/2015)

5. Abschnitt

Sonderbestimmungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und des Schutzes der inneren Sicherheit während der Durchführung von Grenzkontrollen

...

Stellung von Anträgen auf internationalen Schutz

§ 38. (1) Anträge auf internationalen Schutz von Fremden, die nicht zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, sind beim Grenzübertritt an der Binnengrenze persönlich bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu stellen. Anträge auf internationalen Schutz von Fremden, die unter Umgehung der Grenzkontrolle unrechtmäßig eingereist und nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, sind persönlich vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in einer Registrierstelle (§ 37) zu stellen.

(2) Äußert ein Fremder, der unter Umgehung der Grenzkontrolle unrechtmäßig eingereist und nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist, vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb einer Registrierstelle (§ 37) oder bei einer Behörde im Inland, die keine Registrierstelle gemäß § 37 ist, die Absicht einen Antrag auf internationalen Schutz stellen zu wollen, ist er von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Sicherung einer Zurückschiebung einer Registrierstelle vorzuführen. ...“ (BGBl. I Nr. 24/2016)

29 § 42 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

Antragstellung bei einer Sicherheitsbehörde oder bei Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, Befragung und Befugnis zurerkennungsdienstlichen Behandlung

§ 42. (1) Stellt ein Fremder einen Antrag auf internationalen Schutz bei einer Sicherheitsbehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine erste Befragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 durchzuführen und den Fremden erkennungsdienstlich zu behandeln, sofern dies nicht bereits erfolgt ist und dieser das 14. Lebensjahr vollendet hat.“

Schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz

30 Gemäß § 13 Abs. 1 erster Satz AVG können, soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können gemäß § 13 Abs. 2 AVG der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind (vgl. zur Frage, wie eine Person, die ein Anbringen an die Verwaltungsbehörde herantragen will, mit der Behörde gemäß § 13 Abs. 1 AVG kommunizieren kann - nämlich mündlich, telefonisch, schriftlich, etc. - ).

31 Wenn § 25 Abs. 1 Z 2 iVm § 17 Abs. 3 AsylG 2005 bestimmt, dass ein - nicht nach § 17 Abs. 3 zulässiger - schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz als gegenstandslos abzulegen ist, wird damit eine Sonderverfahrensregelung getroffen, welche § 13 AVG vorgeht (vgl. allgemein zum Sonderverfahrensrecht des BFA-VG Nedwed, Sonderverfahrensrecht nach dem BFA-Verfahrensgesetz am Beispiel des Asylverfahrens, in Holoubek/Lang [Hrsg], Sonderverfahrensrecht [2023] 353 ff).

32 Infolge dieser sonderverfahrensrechtlichen Regelung ist auch die oben angeführte Rechtsprechung, wonach eine Aufhebung der Zurückweisung eines Antrags, weil das Verwaltungsgericht der Meinung ist, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgte, gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG die Verpflichtung der Verwaltungsbehörden auslösen würde, das Verfahren über den Antrag durchzuführen (vgl. nochmals VwGH Ra 2017/06/0210, mwN), auf die vorliegende Konstellation nicht zu übertragen.

33 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit § 17 AsylG 2005 bereits in Zusammenhang mit der Rechtsfrage der alleinigen Antragsmöglichkeit im Inland in Zusammenhang mit den §§ 34, 35 AsylG 2005 und dem Familienverfahren beschäftigt (vgl. -0007 = VwSlg. 19.321 A/2016).

34 Darin hielt der Verwaltungsgerichtshof zunächst fest, aus der historischen Entwicklung jener Vorschriften in den österreichischen Asylgesetzen, die sich mit der Beantragung von Asyl bzw. internationalem Schutz aus dem Ausland befassten, werde deutlich, dass der Gesetzgeber im Laufe der letzten Jahrzehnte eindeutig und zunehmend einschränkend das Ziel verfolgt habe, ein Asylverfahren bzw. ein Verfahren zur Gewährung von internationalem Schutz nur in Bezug auf Personen zu führen, die sich im Bundesgebiet befänden (vgl. VwGH Ro 2015/18/0002-0007, vgl. darauf verweisend auch , und , mwN).

35 Soweit für die vorliegende Revisionssache maßgeblich - in welcher sich der Mitbeteiligte bereits im Bundesgebiet befunden hat, jedoch einen schriftlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte - führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass nach dem AsylG 2005 (Stammfassung) Anträge auf internationalen Schutz grundsätzlich nur persönlich im Inland gestellt und eingebracht werden konnten. Das AsylG 2005 änderte an der restriktiven Haltung des Gesetzes zu schriftlichen Anträgen auf internationalen Schutz grundsätzlich nichts. Lediglich für in Österreich nachgeborene Kinder von Asylwerbern oder Fremden, denen der Status des Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten zukam, eröffnete es in § 17 Abs. 3 AsylG 2005 ausnahmsweise die Möglichkeit, Anträge nicht persönlich, sondern schriftlich zu stellen. Für alle anderen Personen wurden schriftliche Anträge jedoch explizit nicht zugelassen; sie sollten nach § 25 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 (nunmehr: Z 2) als gegenstandslos abgelegt werden.

Der gesetzgeberische Wille, „dass Anträge auf internationalen Schutz ausnahmslos nur mehr im Inland gestellt werden können“, finde seinen Niederschlag „in den §§ 17 Abs. 1 und 2, 25 Abs. 1 Z 2 und 35 AsylG 2005 (idgF)“.

Daher sei es - bezogen auf Familienangehörige eines in Österreich Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten - nicht zulässig, den Antrag auf internationalen Schutz bei der österreichischen Vertretungsbehörde zu stellen oder ihn postalisch oder durch einen Vertreter im Inland bei der österreichischen Asylbehörde einzubringen (vgl. zu allem VwGH Ro 2015/18/0002-0007).

36 Diese Rechtsprechung ist angesichts des klaren Wortlauts des § 17 und des § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 auf die vorliegende Konstellation einer schriftlichen Asylantragstellung im Inland zu übertragen:

37 Anträge auf internationalen Schutz sind - soweit es sich nicht um einen Antrag von einem in Österreich nachgeborenen Kind eines Fremden handelt (§ 17 Abs. 3 AsylG 2005) - persönlich und mündlich zu stellen. Die Unzulässigkeit eines schriftlichen Antrages ergibt sich dabei bereits aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 („wenn der Antrag ... schriftlich gestellt wurde“). Hingegen kennt etwa § 19 Abs. 1 NAG oder § 19 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die Möglichkeit eines persönlichen schriftlichen Antrages (vgl. zu § 19 Abs. 1 NAG etwa -0147, wo in diesem Zusammenhang auf die Mängel schriftlicher Anbringen nach § 13 Abs. 3 AVG hingewiesen wird; vgl. zu § 19 Abs. 1 StbG etwa , sowie den in der Verordnungsermächtigung des § 19 Abs. 2 StbG enthaltenen Hinweis auf ausschließlich zu verwendende Antragsformulare).

38 Im Asylverfahren sind dagegen schriftliche Anträge gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 - abgesehen von der Ausnahme des § 17 Abs. 3 AsylG 2005 für in Österreich nachgeborene Kinder - explizit nicht zugelassen; sie sollen als gegenstandslos abgelegt werden (vgl. nochmals VwGH Ro 2015/18/0002-0007, noch zur [alten] Fassung des § 25 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 BGBl. I Nr. 87/2012).

39 § 17 Abs. 8 AsylG 2005 normiert für den - hier nicht vorliegenden - Fall eines weiteren Antrages auf internationalen Schutz im Rahmen des anhängigen Beschwerdeverfahrens, dass ein diesfalls gestellter schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz als Beschwerdeergänzung gilt. Die Bestimmung des § 17 Abs. 8 AsylG 2005 regelt mit der Anordnung der „Mitbehandlung“ eines weiteren Antrags - wie sich aus der vom Gesetz angeordneten Umdeutung eines während des Beschwerdeverfahrens gestellten schriftlichen Antrags in eine Beschwerdeergänzung ergibt - nicht die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes zur originären Entscheidung über einen Folgeantrag. Vielmehr sollen weitere Anträge auf internationalen Schutz im Stadium eines offenen Beschwerdeverfahrens gerade nicht als Folgeanträge behandelt und gesondert erledigt werden, sondern soll das darin enthaltene Vorbringen in die Entscheidung über die bereits erhobene Beschwerde mit einfließen (vgl. , mwN). Damit eröffnet das AsylG 2005 zunächst die Möglichkeit schriftlicher Anträge, schränkt diese jedoch dahingehend ein, dass lediglich das darin enthaltene Vorbringen in die Entscheidung über die bereits erhobene Beschwerde mit einfließt. Daher wird auch durch diese Regelung - im Unterschied zur Ausnahme des § 17 Abs. 3 AsylG 2005 - ein gesonderter schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz nicht zugelassen.

40 Das Verständnis einer notwendigen persönlichen Antragstellung kommt auch in der Sonderbestimmung des § 38 AsylG 2005 zum Ausdruck. Diese Bestimmung ist zwar vorliegend schon deshalb nicht anzuwenden, weil es an der gemäß § 36 Abs. 1 AsylG 2005 für ihre Anwendung notwendigen Verordnung der Bundesregierung fehlt. Sie zeigt aber in systematischer Auslegung das Verständnis des Gesetzgebers des AsylG 2005, wonach Anträge auf internationalen Schutz „persönlich ... zu stellen“ sind.

41 Unionsrechtlich können die Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 3 der Verfahrensrichtlinie 2013/32/EU auch verlangen, dass Anträge auf internationalen Schutz persönlich und/oder an einem bestimmten Ort gestellt werden (dies unbeschadet von Art. 6 Abs. 2, wonach die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass eine Person, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, tatsächlich die Möglichkeit hat, diesen so bald wie möglich förmlich zu stellen).

42 § 42 Abs. 1 BFA-VG, der in Zusammenhang mit der Antragstellung auf internationalen Schutz eine erkennungsdienstliche Behandlung vorsieht, weist auf ein weiteres Ziel dieser Regelung hin. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung bereits auf die wesentliche Bedeutung der Bekanntgabe der wahren Identität des Fremden im Asylverfahren hingewiesen (vgl. , mwN). Der Feststellung der wahren Identität dient auch das Erfordernis einer persönlichen Antragstellung.

43 Aus der Regelung des § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005, wonach - abgesehen von der Ausnahme des § 17 Abs. 3 AsylG 2005 für in Österreich nachgeborene Kinder - schriftliche Anträge explizit nicht zugelassen sind und als gegenstandslos abzulegen sind, folgt, dass eine derartige Eingabe prinzipiell keine Rechtswirkungen zu erzeugen vermag. Das bedeutet wiederum, dass derartige Eingaben grundsätzlich nicht weiter zu behandeln sind („ist als gegenstandslos abzulegen“; vgl. idS zu § 1 Abs. 1 letzter Satz VwGH-EVV, wonach E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung von Schriftsätzen beim Verwaltungsgerichtshof ist, -0104; vgl. idS zu einem auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachten Anbringen auch , mwN). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass die Behörden bei schriftlich einzubringenden Anbringen nicht verpflichtet sind, dementgegen mündlich erhobene Eingaben niederschriftlich aufzunehmen; über ein trotz Schriftlichkeitserfordernis bloß mündlich erhobenes Anbringen ist nicht zu entscheiden. Im Fall einer unwirksamen Eingabe sind die Behörden und Gerichte auch nicht gehalten, einen auf § 13 Abs. 3 AVG gestützten Verbesserungsauftrag zu erteilen (vgl. -0031, mwN).

44 Zusammenfassend ist daher klarzustellen, dass schriftliche Anträge auf internationalen Schutz - abgesehen von der Ausnahme des § 17 Abs. 3 AsylG 2005 für in Österreich nachgeborene Kinder - explizit nicht zugelassen sind, sondern gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 als gegenstandslos abzulegen sind. Daher können sie prinzipiell keine Rechtswirkungen erzeugen und sind nicht weiter zu behandeln.

Einzelfallbezogene Beurteilung

45 Im Gegensatz dazu hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis die Rechtsanschauung vertreten, dass der schriftliche Antrag des Mitbeteiligten weiter zu behandeln sei. Die vom Verwaltungsgericht angeführte Literatur kann die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes nicht tragen. Diese spricht zwar davon, dass Anträge auf internationalen Schutz „nach wie vor auf welche Weise auch immer artikuliert werden“ können (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, aaO, 805), stellt aber an anderer Stelle klar, dass Anträge auf internationalen Schutz persönlich zu stellen und wenn sie, soweit dies nicht im Falle von in Österreich nachgeborenen Kindern ausnahmsweise zulässig ist, schriftlich gestellt werden, als gegenstandslos abzulegen sind (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, aaO, 875, K5 zu § 25).

46 Aus diesen Erwägungen hat das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Ergebnis

47 Das angefochtene Erkenntnis war aus diesen Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
AsylG 1997 §16
AsylG 1997 §3 Abs3 idF 2003/I/101
AsylG 2005 §17
AsylG 2005 §17 Abs1
AsylG 2005 §17 Abs2
AsylG 2005 §17 Abs3
AsylG 2005 §17 Abs5
AsylG 2005 §17 Abs8
AsylG 2005 §19 Abs1
AsylG 2005 §25 Abs1 Z2
AsylG 2005 §25 Abs1 Z4 idF 2012/I/087
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §35
AsylG 2005 §38
AsylG 2005 §8
AVG §13
AVG §13 Abs1
AVG §13 Abs3
AVG §14
AVG §68 Abs1
BFA-VG 2014 §42 Abs1
B-VG Art133 Abs6 Z1
B-VG Art133 Abs6 Z2
NAG 2005 §19 Abs1
StbG 1985 §19 Abs1
StbG 1985 §19 Abs2
VwGG §33 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwGVG 2014 §28 Abs3
VwGVG 2014 §28 Abs5
VwRallg
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener Sache
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022010297.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAF-45823