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VwGH 12.09.2022, Ra 2022/01/0247

VwGH 12.09.2022, Ra 2022/01/0247

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Normen
StbG 1985 §20
VwGG §30 Abs2
RS 1
Stattgebung - Staatsbürgerschaft - Der Verwaltungsgerichtshof hat im Beschluss vom , Ra 2022/01/0026-7, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, festgehalten, dass einer Amtsrevision gegen die Zusicherung der Verleihung nach § 20 Abs. 1 StbG nur dann Effektivität zukommt, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, weil andernfalls gemäß § 20 Abs. 3 StbG - mit Maßgabe des Abs. 2 leg. cit. - die Verpflichtung zur Verleihung der Staatsbürgerschaft bestehen würde und eine erfolgte Verleihung auch durch die Aufhebung der Zusicherung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht beseitigt würde. Dies trifft auch im (vorliegenden) Fall einer Zusicherung der Verleihung bzw. einer Zusicherung der Erstreckung der Verleihung zu (vgl. zur Zusicherung der Erstreckung der Verleihung gemäß § 20 Abs. 5 StbG, welche ebenso einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Erstreckung der Verleihung begründet, ).
Normen
StbG 1985 §20 Abs1
VwGG §30 Abs2
RS 2
Stattgebung - Zusicherung der Verleihung der Staatbürgerschaft - Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den (abweisenden) Bescheid der Salzburger Landesregierung (Amtsrevisionswerberin) stattgegeben und ihm gemäß § 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (Republik Türkei) nachweist.

Der Lauf der zweijährigen Frist nach § 20 Abs. 1 StbG beginnt mit Rechtskraft der Zusicherung (vgl. zum Nachweis des Ausscheidens nach dieser Bestimmung und der türkischen Rechtslage , mwN). Durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden diese Rechtswirkungen des angefochtenen Erkenntnisses hinausgeschoben (vgl. zur Frage, ob es Rechtswirkungen gibt, die gemäß § 30 Abs. 2 VwGG durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hinausgeschoben werden könnten, etwa ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2022/01/0026 B RS 3 (hier nur die letzten zwei Sätze)
Normen
AVG §38
VwGVG 2014 §8 Abs1
RS 1
Die Aussetzung eines Verfahrens mittels verfahrensrechtlichen Bescheides ist zwar zulässig, aber nicht rechtlich geboten. Vielmehr kann die Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 zweiter Satz AVG die Entscheidung der Vorfrage bloß abwarten. Eine solche faktische Aussetzung bleibt zwar ohne Einfluss auf den Lauf der behördlichen Entscheidungsfrist, kann also die objektive Säumnis nicht verhindern. Falls die Behörde allerdings berechtigt gewesen wäre, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch Bescheid auszusetzen, ist die durch das Abwarten der Vorfrageentscheidung bedingte Verzögerung nicht auf ein (überwiegendes) Verschulden der Behörde zurückzuführen (vgl. und ).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2019/03/0029 E RS 1
Normen
FrPolG 2005 §53 Abs2 Z2
StbG 1985 §10 Abs2 Z1
StbG 1985 §63c
VwRallg
RS 2
Eine rechtskräftige Bestrafung nach § 63c StbG 1985 erfüllt schon wegen der normierten Mindeststrafe das absolute Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 1 StbG 1985 iVm § 53 Abs. 2 Z 2 FrPolG 2005 (vgl. zu diesem Verleihungshindernis bereits , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Salzburger Landesregierung der gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-11/289/1/15-2022, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Parteien: 1. R, geborenl 1981, sowie 2. mj. P, geboren 2008, und 3. mj. X, geboren 2011, ebenso in 5202 Neumarkt am Wallersee, Statzenbachgasse 18/2, und vertreten durch den Erstmitbeteiligten), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Säumnisbeschwerde des Erstmitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 7 iVm § 8 VwGVG Folge gegeben (I.) und dem Erstmitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 7 VwGVG iVm § 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (Republik Serbien) nachweist. Gleichzeitig wurde dem Zweit- und Drittmitbeteiligten die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass sie innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus ihrem bisherigen Staatsverband (Republik Serbien) nachweisen (II.). Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt (III.).

2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, mit der ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden ist.

3 Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat bis zur Vorlage der Revision das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

4 Im vorliegenden Fall hat das Landesverwaltungsgericht Salzburg über den Antrag des Revisionswerbers auf aufschiebende Wirkung nicht entschieden, sondern die Revision ohne Entscheidung über diesen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

5 Vorliegend beruft sich die Amtsrevision zu ihrem Antrag auf aufschiebende Wirkung auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2022/01/0026-7, und bringt vor, nach dieser Rechtsprechung komme der vorliegenden Amtsrevision nur dann Effektivität zu, wenn ihr die aufschiebende Wirkung zuerkannt werde.

6 Der Verwaltungsgerichtshof hat im oben zitierten Beschluss, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, festgehalten, dass einer Amtsrevision gegen die Zusicherung der Verleihung nach § 20 Abs. 1 StbG nur dann Effektivität zukommt, wenn ihr aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, weil andernfalls gemäß § 20 Abs. 3 StbG - mit Maßgabe des Abs. 2 leg. cit. - die Verpflichtung zur Verleihung der Staatsbürgerschaft bestehen würde und eine erfolgte Verleihung auch durch die Aufhebung der Zusicherung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht beseitigt würde.

7 Dies trifft auch im (vorliegenden) Fall einer Zusicherung der Verleihung bzw. einer Zusicherung der Erstreckung der Verleihung zu (vgl. zur Zusicherung der Erstreckung der Verleihung gemäß § 20 Abs. 5 StbG, welche ebenso einen nur noch durch den Nachweis des Ausscheidens aus dem fremden Staatsverband bedingten Rechtsanspruch auf Erstreckung der Verleihung begründet, ).

8 Der (unvertretene) Erstmitbeteiligte hat zu dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung innerhalb der gesetzten Frist eine Stellungnahme abgegeben, in der er sich im Wesentlichen gegen die Argumentation der Amtsrevision gegen das angefochtene Erkenntnis wendet. Es ist daher nicht zu erkennen, welche - das Interesse der Amtsrevisionswerberin übersteigenden - Interessen der Mitbeteiligten einer Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der angefochtenen Entscheidung entgegenstehen würden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Lauf der zweijährigen Frist nach § 20 Abs. 1 StbG mit Rechtskraft der Zusicherung beginnt und durch die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung diese Rechtswirkungen des angefochtenen Erkenntnisses hinausgeschoben werden (vgl. wiederum , mwN).

9 Daher war dem Antrag stattzugeben.

Wien, am

Entscheidungstext

Entscheidungsart: Erkenntnis

Entscheidungsdatum:

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom , Zl. 405-11/289/1/15-2022, betreffend Staatsbürgerschaft (Mitbeteiligte: 1. R R, 2. mj. P R, und 3. mj. P R, der Zweit- und der Drittmitbeteiligte vertreten durch R R, alle in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Säumnisbeschwerde der Mitbeteiligten wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in dem bei der Salzburger Landesregierung (belangte Behörde, Amtsrevisionswerberin) anhängigen Verfahren nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) über den Antrag der Mitbeteiligten auf Verleihung bzw. auf Erstreckung der Verleihung gemäß § 8 VwGVG Folge gegeben (I.). Gemäß § 20 Abs. 1 StbG wurde dem Erstmitbeteiligten die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus seinem bisherigen Staatsverband (Republik Serbien) nachweise. Gleichzeitig wurde dem Zweit- und dem Drittmitbeteiligten die Erstreckung der Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass sie innerhalb von zwei Jahren ab Zusicherung das Ausscheiden aus ihrem bisherigen Staatsverband (Republik Serbien) nachweisen (II.). Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt (III.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, die Säumnisbeschwerde sei zulässig, weil seit dem Zeitpunkt der Antragstellung der Mitbeteiligten mehr als sechs Monate (Verweis auf § 73 Abs. 1 AVG) verstrichen seien.

3 Anlässlich der Verhandlung habe die belangte Behörde dargelegt, dass der Erstmitbeteiligte die lange Verfahrensdauer (von „rund 29“ Monaten) aufgrund seiner „kriminellen Vergangenheit“ und aufgrund des „Verdachtes der Falschangaben“ im Staatsbürgerschaftsverfahren „selbst mitverschuldet“ habe (in Bezug auf die angeführte „kriminelle Vergangenheit“ stellte das Verwaltungsgericht fest, der Erstmitbeteiligte sei 2003 strafgerichtlich wegen des Verbrechens nach § 28 Abs. 2 zweiter und vierter Fall, Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz [SMG], teilweise in Form des § 12 zweiter und dritter Fall StGB, und wegen des Vergehens nach § 28 Abs. 1 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt, verurteilt worden, weshalb über den Erstmitbeteiligten ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden sei). Wahrheitswidrig habe der Erstmitbeteiligte angegeben, weder durch ein inländisches Gericht verurteilt worden zu sein noch dass gegen ihn ein Aufenthaltsverbot bestanden habe. Daher sei die Einbringung einer Anzeige gemäß § 63c StbG erforderlich gewesen. Da dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, sei „bislang“ noch nicht entschieden worden.

4 Zu diesem Vorbringen der belangten Behörde, erst nach Ausgang des von ihr angeregten Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 63c StbG habe der Antrag auf Verleihung „einer Erledigung zugeführt“ werden können und es liege daher kein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde vor, führte das Verwaltungsgericht aus, die belangte Behörde habe keinen Bescheid nach § 38 AVG erlassen. „Mangels Aussetzungsbescheid“ habe die Entscheidungspflicht der Behörde fortbestanden. Sie hätte daher selbst zu beurteilen gehabt, ob der Tatbestand des § 63c StbG vom Erstmitbeteiligten verwirklicht worden sei. Daher habe die belangte Behörde die vorliegende Verfahrensdauer über die Entscheidungsfrist von sechs Monaten zu verantworten und komme der Säumnisbeschwerde Berechtigung zu.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

6 Die Mitbeteiligten erstatteten nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zulässigkeit

7 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vor, das Verwaltungsgericht sei bei Stattgebung der vorliegenden Säumnisbeschwerde von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach „beim Zuwarten auf das Ergebnis einer Vorfrage, ein gesetzliches Hindernis“ vorliege „und in diesen Fällen nicht von einem Verschulden der Behörde auszugehen“ sei. Vorliegend sei das Ergebnis des Verwaltungsstrafverfahrens nach § 63c StbG im Hinblick auf das Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 1 StbG abzuwarten gewesen.

8 Die Amtsrevision ist zulässig. Sie ist auch berechtigt.

Kein überwiegendes Verschulden der Behörde

9 Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache (ausgenommen kürzere oder längere gesetzlicher Entscheidungsfristen) nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des „überwiegenden Verschuldens der Behörde“ in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern „objektiv“ zu verstehen ist, als ein solches „Verschulden“ dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. , mwN).

11 Vorliegend beruft sich die Amtsrevisionswerberin auf die ihrer Auffassung nach gebotene Aussetzung des Verleihungs- und Erstreckungsverfahrens im Hinblick auf das anhängige Verwaltungsstrafverfahren nach § 63c StbG.

12 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Aussetzung eines Verfahrens mittels verfahrensrechtlichen Bescheides zwar zulässig, aber nicht rechtlich geboten. Vielmehr kann die Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 38 zweiter Satz AVG die Entscheidung der Vorfrage bloß abwarten. Eine solche faktische Aussetzung bleibt zwar ohne Einfluss auf den Lauf der behördlichen Entscheidungsfrist, kann also die objektive Säumnis nicht verhindern. Falls die Behörde allerdings berechtigt gewesen wäre, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch Bescheid auszusetzen, ist die durch das Abwarten der Vorfrageentscheidung bedingte Verzögerung nicht auf ein (überwiegendes) Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Eine Vorfrage liegt bereits dann vor, wenn der relevante Tatbestand ein (explizit angeführtes oder durch Auslegung zu ermittelndes) Element enthält, das für sich allein Gegenstand der bindenden Entscheidung einer anderen Behörde bzw. eines Gerichts (oder allenfalls derselben Behörde in einem anderen Verfahren) sein kann (vgl. zu allem , mwN).

13 Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall im Hinblick auf das (von der Amtsrevision angeführte) Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 1 StbG gegeben:

§ 63c StbG und das absolute Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 2 Z 1 StbG

14 Gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nicht verliehen werden, wenn bestimmte Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 Z 2, 5, 8, 9 und Abs. 3 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, vorliegen.

15 Gemäß § 53 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 56/2018 (FPG) ist die in § 53 Abs. 2 zweiter Satz umschriebene Annahme gegeben und stellt es somit eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 1 StbG dar, wenn der Drittstaatsangehörige wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde.

16 Gemäß § 63c Abs. 1 StbG, BGBl. Nr. 311/1985 idF BGBl. I Nr. 16/2013, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen, wer u.a. in einem Verfahren zum Erwerb der Staatsbürgerschaft vor der zuständigen Behörde wissentlich falsche Angaben macht, um sich die Staatsbürgerschaft zu erschleichen.

17 Eine rechtskräftige Bestrafung nach § 63c StbG erfüllt schon wegen der normierten Mindeststrafe das absolute Verleihungshindernis des § 10 Abs. 2 Z 1 StbG iVm § 53 Abs. 2 Z 2 FPG (vgl. zu diesem Verleihungshindernis bereits , mwN).

18 Vor diesem Hintergrund war die belangte Behörde (Amtsrevisionswerberin) berechtigt, das Verleihungs- und Erstreckungsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage durch Bescheid auszusetzen, und ist die durch das Abwarten der Vorfrageentscheidung bedingte Verzögerung demnach nicht auf ein (überwiegendes) Verschulden der Behörde zurückzuführen.

Ergebnis

19 Aus diesen Erwägungen hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Säumnisbeschwerde der Mitbeteiligten berechtigt gewesen sei, und das angefochtene Erkenntnis im Umfang des Spruchpunktes I. mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. zu einer fehlerhaften Beurteilung, ob ein überwiegendes Verschulden der belangten Behörde iSd § 8 Abs. 1 VwGVG vorliege, nochmals ).

20 Diese inhaltliche Rechtswidrigkeit schlägt auf den (auf Spruchpunkt I. aufbauenden) Spruchpunkt II. des angefochtenen Erkenntnisses durch, welcher daher insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes belastet ist.

21 Das angefochtene Erkenntnis war daher in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG und in seinem Spruchpunkt II. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Wien, am 

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Normen
StbG 1985 §20
StbG 1985 §20 Abs1
VwGG §30 Abs2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010247.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
MAAAF-45822