VwGH 22.05.2023, Ra 2021/17/0057
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
RS 1 | Auf der Grundlage des § 38 AVG können Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union ausgesetzt werden; eine dem EuGH zur Klärung vorgelegte Frage des Unionsrecht kann nämlich eine Vorfrage iSd § 38 AVG darstellen, die zufolge des im Bereich des Unionsrechts bestehenden Auslegungsmonopols des EuGH von diesem zu entscheiden ist (vgl. ; ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/15/0059 B RS 2 |
Normen | |
RS 2 | Bei einer Vorfrage handelt es sich um eine Frage, für deren Lösung die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Schlussfassung berücksichtigt werden muss; die Beantwortung der Vorfrage liefert ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die Entscheidung in der Hauptsache. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/06/0142 E RS 3 |
Normen | AVG §38 AVG §39 Abs2 AVG §56 GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 VStG §24 VStG §31 Abs1 VStG §31 Abs2 VStG §45 Abs1 Z2 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §38 VwRallg 12010E056 AEUV Art56 12010E267 AEUV Art267 |
RS 3 | Nach dem in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmenden Eintritt der Strafbarkeitsverjährung hätte das VwG das Straferkenntnis (in dem im zweiten Rechtsgang noch verfahrensgegenständlichen Umfang) jedenfalls aufzuheben und das Verfahren einzustellen gehabt (vgl. ; ). Deswegen konnte die im Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH zu entscheidende Rechtsfrage betreffend die Vereinbarkeit der Regelungsinhalte von Strafbestimmungen des GSpG 1989 mit Art. 56 AEUV keine notwendige Grundlage und mithin keine Vorfrage iSd § 38 AVG iVm § 17 VwGVG 2014 für die Entscheidung des VwG im zweiten Rechtsgang des Beschwerdeverfahrens mehr bilden. Mangels Vorliegens einer Vorfrage iSd § 38 AVG iVm § 17 VwGVG 2014 war die ausschließlich auf diese Bestimmungen gestützte Aussetzung rechtswidrig (vgl. ). |
Normen | AVG §56 VStG §24 VStG §31 Abs2 VwGG §38a Abs1 VwGG §38a Abs2 VwGG §38a Abs3 Z1 lita VwGG §38a Abs4 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §38 VwRallg |
RS 4 | Zwar tritt gemäß § 38a Abs. 3 Z 1 lit. a VwGG mit Ablauf des Tages der Kundmachung eines Beschlusses nach § 38a Abs. 1 VwGG folgende (Sperr-)Wirkung ein: In Rechtssachen, in denen ein VwG die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat, darf das VwG nur noch solche Handlungen vornehmen oder Anordnungen und Entscheidungen treffen, die durch das Erkenntnis des VwGH nicht beeinflusst werden können oder welche die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten. Diese Wirkung besteht gemäß § 38a Abs. 4 zweiter Satz VwGG bis zum Ablauf des Tages, an dem die Rechtssätze der Entscheidung des VwGH über die gleichartigen Rechtsfragen kundgemacht wurden. Das VwG war trotz des Beschlusses des VwGH gemäß § 38a Abs. 1 VwGG, der gemäß Abs. 2 legcit. am kundgemacht worden war, im zweiten Rechtsgang des Beschwerdeverfahrens nicht gehindert, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren wegen der gemäß § 31 Abs. 2 VStG eingetretenen Strafbarkeitsverjährung einzustellen. Aufgrund der eingetretenen Strafbarkeitsverjährung konnten die Entscheidungen des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren und des VwGH im Revisionsverfahren Ra 2020/17/0013 keinen Einfluss auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens des VwG mehr nehmen. |
Normen | |
RS 5 | Gemäß § 38a Abs. 3 Z 1 lit. a VwGG dürfen durch die VwG auch während der aufrechten (Sperr-)Wirkung eines kundgemachten Beschlusses gemäß § 38a Abs. 1 VwGG unter anderem "Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des VwGH nicht beeinflusst werden können" (vgl. VwGG: ). Dies ist für die wegen eingetretener Verjährung gebotene Entscheidung, das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, der Fall. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des M D in U, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom , E HG1/07/2019.040/008, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mattersburg), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als das zur Vertretung nach außen berufene Organ einer näher bezeichneten Gesellschaft der vierfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall Glücksspielgesetz - GSpG iVm § 9 Abs. 1 VStG für schuldig erkannt. Es wurden über ihn vier Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 30.000,-- (sowie Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt, weil von der von ihm vertretenen Gesellschaft in der Zeit von bis in einem näher genannten Betrieb in M verbotene Ausspielungen mit Glücksspielautomaten veranstaltet worden seien.
2 Das Landesverwaltungsgericht Burgenland (LVwG) wies die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom ab und schrieb diesem einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor. Weiters sprach das LVwG aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber Revision, welche dem Verwaltungsgerichthof am durch das LVwG vorgelegt wurde. Der Revision wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2019/17/0094, im Umfang des Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Dies begründete der Verwaltungsgerichtshof damit, dass die Heranziehung des (nur im Falle der Wiederholung einschlägigen) vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG nur mit dem Vorliegen von solchen Vorstrafen nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG begründet werden könne, die im Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig gewesen seien. Das LVwG habe jedoch ausschließlich noch nicht rechtskräftige Bestrafungen berücksichtigt.
4 Mit Beschluss vom , EU 2020/0002 (Ra 2020/17/0013), legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV eine Reihe von Fragen zur Auslegung von Art. 56 AEUV und - daran anknüpfend - der Vereinbarkeit von Strafbestimmungen des GSpG mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit zur Entscheidung vor.
Im selben Revisionsverfahren (Ra 2020/17/0013) fasste der Verwaltungsgerichtshof ebenso am einen Beschluss gemäß § 38a Abs. 1 VwGG, der gemäß Abs. 2 leg. cit. am in BGBl. I Nr. 55/2020 kundgemacht wurde. Dieser lautete auszugsweise wie folgt:
„...
I. Beim Verwaltungsgerichtshof besteht Grund zur Annahme, dass im Sinne des § 38a Abs. 1 VwGG eine erhebliche Anzahl von Revisionen eingebracht werden wird, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind: Es geht um die Fragen, ob § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz - GSpG sowie im Zusammenhang mit der Verhängung von Geldstrafen gemäß § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz leg. cit., die §§ 16 und 64 VStG gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV sowie Art. 49 Abs. 3 GRC) verstoßen und ob die vor dem Verwaltungsgerichtshof in Revision gezogene Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wegen der allenfalls daraus folgenden Unanwendbarkeit ohne gesetzliche Grundlage ergangen ist.
II. Zur Beantwortung der in Spruchpunkt I. genannten Rechtsfragen hat der Verwaltungsgerichtshof § 52 Abs. 2 dritter Strafsatz Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 13/2014, sowie § 16 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 und § 64 Abs. 2 VStG, BGBl. Nr. 52/1991 idF BGBl. I Nr. 33/2013, anzuwenden.
III. Der Verwaltungsgerichthof wird die Rechtsfragen in dem zu Ra 2020/17/0013 protokollierten Revisionsverfahren behandeln.
IV. Der Bundeskanzler ist gemäß § 38a Abs. 2 VwGG zur unverzüglichen Kundmachung des Spruches dieses Beschlusses im Bundesgesetzblatt verpflichtet. Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 38a Abs. 3 VwGG genannten Rechtsfolgen, wird verwiesen.
...“
Die durch diese Kundmachung ausgelöste (Sperr-)Wirkung gemäß § 38a Abs. 3 VwGG wurde erst durch Kundmachung der aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/17/0013, gemäß § 38a Abs. 4 VwGG gebildeten Rechtssätze in BGBl. II Nr. 105/2022 am beendet.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom setzte das LVwG das Beschwerdeverfahren im zweiten Rechtsgang gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur Entscheidung des EuGH im genannten Vorabentscheidungsverfahren aus und erklärte die Revision dagegen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, dass die durch den Verwaltungsgerichtshof an den EuGH zur Beantwortung gerichteten Rechtsfragen für den Ausgang seines Beschwerdeverfahrens von Bedeutung seien. Wegen der Wirkungen des kundgemachten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 38a VwGG vom dürfe weiters „eine Entscheidung im gegenständlichen Beschwerdeverfahren“ gemäß § 38a Abs. 3 Z 1 lit. a VwGG „nicht erfolgen“. An den EuGH gerichtete unionsrechtliche Fragen könnten Vorfragen iSd § 38 AVG darstellen und eine Aussetzung des Verfahrens rechtfertigen. Um den zwischenzeitlichen Eintritt der Verjährung gemäß § 31 Abs. 2 VStG zu vermeiden, sei das Verfahren daher gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zur Entscheidung des EuGH im genannten Vorabentscheidungsverfahren auszusetzen.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
7 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein, eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Vorauszuschicken ist, dass eine gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG ergangene Aussetzungsentscheidung keine bloß verfahrensleitende Entscheidung im Sinne des § 25a Abs. 3 VwGG ist und damit nicht dem Revisionsausschluss nach dem ersten Satz dieser Bestimmung unterliegt (vgl. , mwN).
9 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit gemäß § 28 Abs. 3 VwGG vor, dass die Verjährung gemäß § 31 Abs. 2 VStG bereits eingetreten gewesen sei, als das Strafverfahren mit dem angefochtenen Beschluss ausgesetzt worden sei. Nach Eintritt der Verjährung hätte das Verfahren nicht ausgesetzt werden dürfen, sondern wäre einzustellen gewesen.
10 Die Revision erweist sich aus diesem Grund als zulässig und auch berechtigt.
11 Zwar können auf der Grundlage des § 38 AVG Verfahren bis zur (in einem anderen Verfahren beantragten) Vorabentscheidung durch den EuGH ausgesetzt werden; eine dem EuGH zur Klärung vorgelegte Frage des Unionsrechts kann also eine Vorfrage iSd § 38 AVG darstellen, die zufolge des im Bereich des Unionsrechts bestehenden Auslegungsmonopols des EuGH von diesem zu entscheiden ist (vgl. , mwN).
12 Bei einer Vorfrage handelt es sich jedoch um eine Frage, für deren Lösung die in einer Verwaltungsangelegenheit zur Entscheidung berufene Behörde sachlich nicht zuständig ist, die aber für ihre Entscheidung eine notwendige Grundlage bildet und daher von ihr bei ihrer Beschlussfassung berücksichtigt werden muss; die Beantwortung der Vorfrage liefert ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die Entscheidung in der Hauptsache (vgl. ; , Ro 2017/17/0022, jeweils mwN).
13 Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
14 Gemäß § 31 Abs. 2 VStG erlischt die Strafbarkeit einer Verwaltungsübertretung durch Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt in dem in Abs. 1 genannten Zeitpunkt.
15 Nach den Feststellungen im Straferkenntnis der belangten Behörde endete die in der Veranstaltung von verbotenen Ausspielungen durch Glücksspielautomaten liegende strafbare Tätigkeit des Revisionswerbers mit , sodass zu diesem Zeitpunkt der Lauf der Verjährungsfrist gemäß § 31 Abs. 2 VStG ausgelöst wurde, diese mit ablief und damit die Strafbarkeitsverjährung eintrat.
16 Nach dem in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmenden Eintritt der Strafbarkeitsverjährung hätte das LVwG das Straferkenntnis (in dem im zweiten Rechtsgang noch verfahrensgegenständlichen Umfang) jedenfalls aufzuheben und das Verfahren einzustellen gehabt (vgl. zur Rechtslage vor Einrichtung der Verwaltungsgerichte erster Instanz , mwN; vgl. zur geltenden Rechtslage der Sache nach ). Deswegen konnte die im genannten Vorabentscheidungsverfahren durch den EuGH zu entscheidende Rechtsfrage betreffend die Vereinbarkeit der Regelungsinhalte von Strafbestimmungen des GSpG mit Art. 56 AEUV nach der vorzitierten Rechtsprechung keine notwendige Grundlage und mithin keine Vorfrage iSd § 38 AVG iVm § 17 VwGVG für die Entscheidung des LVwG im zweiten Rechtsgang des Beschwerdeverfahrens mehr bilden.
17 Mangels Vorliegens einer Vorfrage iSd § 38 AVG iVm § 17 VwGVG war die ausschließlich auf diese Bestimmungen gestützte Aussetzung rechtswidrig (vgl. zu einer solchen Konstellation erneut ).
18 Betreffend die Ansicht des LVwG, die (Sperr-)Wirkung des kundgemachten Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 38a VwGG im Revisionsverfahren Ra 2020/17/0013 hätten ihm im zweiten Rechtsgang eine das Beschwerdeverfahren abschließende Entscheidung verwehrt, weist der Verwaltungsgerichtshof auf Folgendes hin:
Zwar tritt gemäß § 38a Abs. 3 Z 1 lit. a VwGG mit Ablauf des Tages der Kundmachung eines Beschlusses nach § 38a Abs. 1 VwGG folgende (Sperr-)Wirkung ein: In Rechtssachen, in denen ein Verwaltungsgericht die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat, darf das Verwaltungsgericht nur noch solche Handlungen vornehmen oder Anordnungen und Entscheidungen treffen, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder welche die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten. Diese Wirkung besteht gemäß § 38a Abs. 4 zweiter Satz VwGG bis zum Ablauf des Tages, an dem die Rechtssätze der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die gleichartigen Rechtsfragen kundgemacht wurden.
Das LVwG war trotz des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 38a Abs. 1 VwGG, der gemäß Abs. 2 leg. cit. am kundgemacht worden war, im zweiten Rechtsgang des Beschwerdeverfahrens nicht gehindert, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren wegen der gemäß § 31 Abs. 2 VStG eingetretenen Strafbarkeitsverjährung einzustellen. Aufgrund der eingetretenen Strafbarkeitsverjährung konnten die Entscheidungen des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren und des Verwaltungsgerichtshofes im Revisionsverfahren Ra 2020/17/0013 keinen Einfluss auf den Ausgang des Beschwerdeverfahrens des LVwG mehr nehmen. Gemäß § 38a Abs. 3 Z 1 lit. a VwGG dürfen durch die Verwaltungsgerichte auch während der aufrechten (Sperr-)Wirkung eines kundgemachten Beschlusses gemäß § 38a Abs. 1 VwGG unter anderem „Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können“ (vgl. zur Zulässigkeit von Entscheidungen während der [Sperr-]Wirkung in den Fällen des § 38a Abs. 3 Z 1 VwGG: ). Dies war für die wegen eingetretener Verjährung gebotene Entscheidung, das in Beschwerde gezogene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen, der Fall.
19 Indem das LVwG dies verkannte, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben war (vgl. erneut ).
20 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | AVG §38 AVG §39 Abs2 AVG §56 GSpG 1989 §52 Abs1 Z1 VStG §24 VStG §31 Abs1 VStG §31 Abs2 VStG §45 Abs1 Z2 VwGG §38a Abs1 VwGG §38a Abs2 VwGG §38a Abs3 Z1 lita VwGG §38a Abs4 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwGVG 2014 §38 VwRallg 12010E056 AEUV Art56 12010E267 AEUV Art267 |
Schlagworte | Besondere Rechtsgebiete Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021170057.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
YAAAF-45789