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VwGH 08.04.2024, Ra 2021/16/0086

VwGH 08.04.2024, Ra 2021/16/0086

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
RS 1
Ein Präsentationsrecht liegt dann vor, wenn sich der Bestandgeber nach Art eines Vorvertrags gegenüber dem Bestandnehmer verpflichtet hat, unter bestimmten Bedingungen die Zustimmung zum Eintritt eines Dritten (anstelle des Bestandnehmers) in das Bestandverhältnis zu erteilen oder mit einem vom Bestandnehmer vorgeschlagenen geeigneten Dritten einen Vertrag gleichen (oder bestimmten anderen) Inhalts abzuschließen (vgl. ).
Normen
RS 2
Selbst, wenn man der Ausübung des Präsentationsrechts das Momentum einer Ungewissheit für die Dauer des ursprünglichen Bestandvertrags unterstellen würde, käme diesem Umstand als auflösende Bedingung in Anwendung des § 17 Abs. 4 GebG 1957 keine Bedeutung für die Entstehung einer Gebührenschuld zu. Denn gemäß § 17 Abs. 4 GebG 1957 ist es auf die Entstehung der Gebührenschuld ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von einer Bedingung oder von einer Genehmigung eines der Beteiligten abhängt (vgl. , mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich (Dienststelle Sonderzuständigkeiten) in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7101410/2020, betreffend Rechtsgeschäftsgebühr (mitbeteiligte Partei: G GmbH & Co KG, in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Unbestritten ist, dass die Mitbeteiligte am als Mieterin einen Bestandvertrag über Räumlichkeiten zu Bürozwecken abschloss. Der Bestandvertrag lautete auszugsweise wie folgt:

„[...]

§ 0.8. Vertragslaufzeit (gemäß § 3):

Das befristete Mietverhältnis beginnt am (Mietbeginn) und wird auf die Dauer von zehn Jahren und neun Monaten abgeschlossen, sodass es am endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. [...]

[...]

§ 12.6. Der Mieterin wird allerdings das Präsentationsrecht eingeräumt, der Vermieterin

i) frühestens am Tag des Bezugs des Mietgegenstands einen gleichwertigen Nachmieter zur Übernahme des gesamten Mietverhältnisses zu präsentieren, welcher einen mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestatteten Mietvertrag abzuschließen bereit ist und an dem sie selbst oder ihre Konzernmutter direkt bzw indirekt mehrheitlich beteiligt ist,

ii) frühestens nach Ablauf einer Vertragslaufzeit von 60 Monaten nach Mietbeginn einen gleichwertigen Nachmieter zur Übernahme des gesamten Mietverhältnisses zu präsentieren, welcher einen mit den gleichen Rechten und Pflichten ausgestatteten Mietvertrag abzuschließen bereit ist.

Die Vermieterin wird den Vertragsabschluss mit dem präsentierten Nachmieter nicht verweigern, wenn (a) die Mieterin bis dahin alle Verpflichtungen und Verbindlichkeiten unter diesem Mietvertrag vollständig erfüllt hat, (b) keine wesentlichen objektiven oder subjektiven Gründe, insbesondere in Bezug auf den Mietgegenstand, den Nutzungszweck, das Mietentgelt (hier insbesondere Verwendung des Mietgegenstandes durch den Nachmieter ausschließlich zur Erzielung von Umsätzen die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen (iSd § 4.2)) die Laufzeit, Sicherstellung und Bonität (KSV Rating nicht schlechter als jenes der Mieterin im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses) etc., gegen diesen sprechen und (c) alle Kosten, Gebühren und Abgaben aufgrund und im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss vom Nachmieter getragen werden.

Klarstellend wird festgehalten, dass diesem Nachmieter weder mietzinsfreie Zeit noch ein Ausbaukostenzuschuss für allfällige Umbauten im Mietgegenstand gewährt wird.

Sollte der präsentierte Nachmieter von der Vermieterin akzeptiert werden, ist diese Rechtsnachfolge vertraglich zu dokumentieren durch den Abschluss eines Mietvertrages zwischen der Vermieterin und dem Nachmieter und eine Auflösungsvereinbarung zwischen Mieterin und Vermieterin über den bestehenden Mietvertrag abzuschließen.

Die Mieterin hat nach Ablauf einer Vertragslaufzeit von 60 Monaten nach Mietbeginn, sonst unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen das Präsentationsrecht auch lediglich hinsichtlich eines oder zweier Stockwerke des Mietgegenstandes. In diesem Falle gehen, zusätzlich zu den oben genannten Voraussetzungen, alle Kosten, die zur Errichtung eigenständiger Mietgegenstände notwendig sind zulasten der Mieterin. [...]

[...]“

2 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt - ausgehend von einer bestimmten Vertragsdauer von zehn Jahren und neun Monaten - die Rechtsgeschäftsgebühr für den Mietvertrag gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG vorläufig mit 126.874,85 € fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten gemäß § 279 BAO teilweise Folge und änderte den Bescheid des Finanzamts dahingehend ab, dass es - ausgehend von einer unbestimmten Vertragsdauer - die Rechtsgeschäftsgebühr für den Bestandvertrag gemäß § 33 TP 5 Abs. 1 Z 1 GebG vorläufig mit 37.834,12 € festsetzte. Weiters sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Darstellung des Verfahrensgangs, Feststellung des maßgeblichen Inhalts des gegenständlichen Mietvertrags und Darlegung der Rechtslage führte das Bundesfinanzgericht zusammengefasst aus, strittig sei, ob bei dem Bestandvertrag eine bestimmte oder unbestimmte Vertragsdauer vorliege. Sofern das Finanzamt in dem Umstand, dass an der präsentierten Nachmieterin die Bestandnehmerin direkt oder indirekt mehrheitlich beteiligt sein müsse, eine Einschränkung des Präsentationsrechts erblicke, die nicht zu einer Ungewissheit hinsichtlich der vereinbarten bestimmten Dauer führe, teile das Bundesfinanzgericht diese Ansicht nicht. Ob die Mieterin am Nachmieter mehrheitlich beteiligt sei oder nicht, führe - so das Bundesfinanzgericht - aus gebührenrechtlicher Sicht zu keiner Beeinflussung des Maßes an Ungewissheit hinsichtlich der Dauer des Vertrags. Darüber hinaus liege es beim uneingeschränkten Präsentationsrecht an jeden beliebigen Dritten in der Hand der Mitbeteiligten das Präsentationsrecht auszuüben. Auch im Fall der Präsentation einer Nachmieterin an der die Mieterin direkt oder indirekt mehrheitlich beteiligt sei, komme es zum Abschluss eines neuen Mietvertrags und einer Auflösungsvereinbarung über den bestehenden Mietvertrag. Die Mieterin habe hinsichtlich des gesamten Mietverhältnisses ein Präsentationsrecht. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts bestehe sohin kein Zweifel, dass es sich bei der Vereinbarung unter § 12.6 des Vertrags um ein Präsentationsrecht handle. Somit sei von einer unbestimmten Vertragsdauer im Sinne des § 33 TP 5 Abs. 3 GebG auszugehen (Hinweis auf ).

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt hat.

6 Zur Zulässigkeit wird zusammengefasst vorgebracht, das Bundesfinanzgericht sehe allein aufgrund der Vereinbarung des Präsentationsrechts den Bestandvertrag aus gebührenrechtlicher Sicht als Vertrag auf unbestimmte Dauer an. Damit weiche das Bundesfinanzgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach die gebührenrechtliche Beurteilung eines Vertrags, als auf unbestimmte oder bestimmte Dauer abgeschlossen, davon abhänge, ob die Vertragsteile für eine bestimmte Zeit an den Vertrag gebunden sein sollen oder nicht.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet, in dessen Rahmen die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Die Revision ist zulässig und begründet:

10 Gemäß § 33 Tarifpost (TP) 5 Abs. 1 Z 1 Gebührengesetz 1957 (GebG) ist für Bestandverträge (§§ 1090 ff ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, nach dem Wert im allgemeinen eine Gebühr von 1 v.H. zu entrichten.

11 Gemäß § 33 TP 5 Abs. 3 GebG sind bei unbestimmter Vertragsdauer die wiederkehrenden Leistungen mit dem Dreifachen des Jahreswerts zu bewerten, bei bestimmter Vertragsdauer mit dem dieser Vertragsdauer entsprechend vervielfachten Jahreswert, höchstens jedoch dem Achtzehnfachen des Jahreswerts. Ist die Vertragsdauer bestimmt, aber der Vorbehalt des Rechts einer früheren Aufkündigung gemacht, so bleibt dieser Vorbehalt für die Gebührenermittlung außer Betracht.

12 Ein Präsentationsrecht liegt dann vor, wenn sich der Bestandgeber nach Art eines Vorvertrags gegenüber dem Bestandnehmer verpflichtet hat, unter bestimmten Bedingungen die Zustimmung zum Eintritt eines Dritten (anstelle des Bestandnehmers) in das Bestandverhältnis zu erteilen oder mit einem vom Bestandnehmer vorgeschlagenen geeigneten Dritten einen Vertrag gleichen (oder bestimmten anderen) Inhalts abzuschließen (vgl. ).

13 Wie in der Revision zutreffend vorgebracht wird, ist das Bundesfinanzgericht lediglich aufgrund des vereinbarten Präsentationsrechts davon ausgegangen, dass ein Vertrag von unbestimmter Dauer vorliege. Der dem revisionsgegenständlichen Fall zugrundeliegende Vertrag unterscheidet sich allerdings von jenem, der der vom Bundesfinanzgericht ins Treffen geführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 90/15/0034, zugrunde lag schon dadurch, dass das damalige Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden war, während im vorliegenden Fall ausdrücklich eine Befristung des Bestandvertrags von zehn Jahren und neun Monaten bedungen wurde (vgl. auch ).

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom , Ra 2021/16/0087, auf den gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz iVm Abs. 9 VwGG verwiesen wird, festgehalten, dass selbst, wenn man der Ausübung des Präsentationsrechts das Momentum einer Ungewissheit für die Dauer des ursprünglichen Bestandvertrags unterstellen würde, diesem Umstand als auflösende Bedingung in Anwendung des § 17 Abs. 4 GebG keine Bedeutung für die Entstehung einer Gebührenschuld zukäme. Denn gemäß § 17 Abs. 4 GebG ist es auf die Entstehung der Gebührenschuld ohne Einfluss, ob die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von einer Bedingung oder von einer Genehmigung eines der Beteiligten abhängt (vgl. , mwN).

15 Indem das Bundesfinanzgericht aufgrund der Einräumung des Präsentationsrechts von einer unbestimmten Vertragsdauer ausgegangen ist, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2021160086.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-45778