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VwGH 18.10.2022, Ra 2021/16/0052

VwGH 18.10.2022, Ra 2021/16/0052

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg idF 1999/I/023
StudFG 1992 §19
VwRallg
WehrG 1990
ZDG 1986
RS 1
Aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 lit. g FamLAG 1967 - in der Zusammenschau mit der Bestimmung des § 19 des StudFG 1992 sowie den Bestimmungen des (damaligen) WehrG 1990 und des ZDG 1986 - ergibt sich zunächst, dass der Gesetzgeber die Verlängerung der Anspruchsdauer der Familienbeihilfe deshalb vorgesehen hat, weil für die Dauer der Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes das wehrpflichtige (bzw. freiwillig den Ausbildungsdienst leistende) Kind in der Regel daran gehindert ist, diese Zeit erfolgreich für eine Berufsausbildung zu nutzen (vgl. dazu auch ErlRV 1442 BlgNR 20. GP 15, zu den durch den Präsenz- oder Zivildienst bedingten Studienverzögerungen). Um nicht auf die jeweilige - unterschiedliche - Dauer des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes (damals Grundwehrdienst von sechs oder acht Monaten, Zivildienst von elf Monaten, Ausbildungsdienst von zwölf Monaten) abstellen zu müssen, hat der Gesetzgeber in typisierender Erfassung der Sachverhaltsmöglichkeiten eine generelle Verlängerung der Anspruchsdauer für die Familienbeihilfe um ein Jahr (damals von der Vollendung des 26. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) vorgesehen (vgl. ; vgl. in diesem Zusammenhang auch ErlRV 1442 BlgNR 20. GP 20, zur Problematik der Teilüberschneidung der Studienzeit und der Zeit des Präsenz- oder Zivildienstes).
Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg
RS 2
Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FamLAG 1967 hat der Gesetzgeber - wenn auch in typisierender Weise - darauf Bedacht genommen, dass die Zeit der Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes einem Kind für Zwecke der Berufsausbildung fehlt. Die insgesamt zur Verfügung stehende Zeitspanne, in der ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen kann (nach der geltenden Rechtslage bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres), ist somit in diesen Fällen kürzer, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH die Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes eine allfällige Ausbildung des Kindes unterbricht, nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FamLAG 1967 anzusehen ist und daher während der Leistung dieses Dienstes - auch wenn in dieser Zeit gleichzeitig die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit. b FamLAG 1967 erfüllt sein sollten - kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (vgl. ; , 2004/15/0103). Diese fehlende Ausbildungszeit wird durch die Verlängerung der Anspruchsdauer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres kompensiert.
Normen
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg idF 1996/201
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg idF 1999/I/023
FamLAG 1967 §2 Abs1 liti
FamLAG 1967 §50j Abs1
StruktAnpG 1996
VwRallg
RS 3
Während die - mit dem StruktAnpG 1996 eingeführte - Stammfassung des § 2 Abs. 1 lit. g FamLAG 1967 explizit darauf abgestellt hat, dass sich die Kinder "in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden" wurde diese Voraussetzung mit der - mit dem BGBl. I Nr. 23/1999 eingeführten - Neufassung dieser Bestimmung gestrichen. Nunmehr setzt die Anwendbarkeit der Bestimmung lediglich voraus, dass Kinder "in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben". Ist das der Fall und werden sie "nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet", greift die Verlängerung der Anspruchsdauer. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass der Gesetzgeber trotz Änderung des - in dieser Hinsicht - klaren Gesetzeswortlautes, eine zuvor explizit vorgesehene Voraussetzung für die Verlängerung des Anspruchszeitraumes beibehalten wollte. Eine derartige Annahme würde auch dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel - die Sicherstellung, dass Kindern, die den Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst abgeleistet haben, in typisierender Betrachtungsweise dieselbe Zeitspanne für eine Berufsausbildung zur Verfügung steht, wie jenen Kindern, die diese Dienste nicht ableisten (müssen) - entgegenstehen (vgl. in diesem Zusammenhang die Begründung zum Abänderungsantrag, auf den die Einführung des § 2 Abs. 1 lit. g FamLAG 1967 zurückgeht, wonach eine "Korrektur von Einzelfällen für Präsenz- und Zivildiener" erreicht werden soll; StenProt , 149. Sitzung des Nationalrats 20. GP 194): Die Zeit, in der die genannten Dienste abgeleistet werden, "fehlt" den betroffenen Kindern unabhängig davon, ob die nachfolgende Berufsausbildung vor oder nach Vollendung des 24. Lebensjahres aufgenommen wird. Diese Sichtweise findet auch darin Bestätigung, dass die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 8/1998 eingeführte und gemäß § 50j Abs. 1 FamLAG 1967 rückwirkend mit in Kraft gesetzte Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. i FamLAG 1967 ebenso wie die Stammfassung des § 2 Abs. 1 lit. g FamLAG 1967 explizit darauf abstellte, dass sich Kinder "in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden", diese Bestimmung jedoch trotz Neufassung des § 2 Abs. 1 lit. g FamLAG 1967 unverändert geblieben ist, abgesehen von der Absenkung des relevanten Lebensjahres.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat Mag. Straßegger, die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Braunau Ried Schärding) in Ried im Innkreis, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/5101148/2020, betreffend Familienbeihilfe (mitbeteiligte Partei: C W in M), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Mitbeteiligten auf Gewährung von Familienbeihilfe für ihren Sohn für den Zeitraum ab dem ab. Die vom Sohn begonnene Polizeigrundausbildung sei - ebenso wie andere Grundausbildungen, die öffentlich Bedienstete in der ersten Zeit ihres Dienstverhältnisses absolvieren - nicht als Berufsausbildung im Sinne des FLAG, sondern als Berufsausübung anzusehen.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung ab. Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten mit der Maßgabe Folge, dass der angefochtene Bescheid für den Zeitraum März 2020 bis Februar 2021 aufgehoben und für den Zeitraum ab März 2021 unverändert belassen wurde. Es sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Das Bundesfinanzgericht führte - soweit wesentlich - aus, der im Februar 1996 geborene (haushaltszugehörige) Sohn der Mitbeteiligten habe von bis den Präsenzdienst abgeleistet. Er habe im Februar 2021 sein 25. Lebensjahr vollendet. Am habe er die 24-monatige Grundausbildung zum Exekutivdienst begonnen und befinde sich seitdem in einem - aufgrund eines Sondervertrages nach § 36 VBG 1948 für die exekutivdienstliche Ausbildung begründeten - privatrechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Das Bundesfinanzgericht traf zudem - für das vorliegende Revisionsverfahren nicht mehr relevante - Feststellungen zur Ausgestaltung der Polizeigrundausbildung (Ausbildungsplan, Ausbildungsziel, Stundentafel usw).

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht - unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - aus, die im Rahmen der Polizeigrundausbildung vorgesehene zwölfmonatige Basisausbildung (laut Ausbildungsplan „12 Monate Theorie“) und die fünfmonatige Vertiefung dieser Basisausbildung (laut Ausbildungsplan „5 Monate Theorie mit anschließender Dienstprüfung“) seien als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen. Ebenso sei das zwischen diesen beiden Theorie-Ausbildungsblöcken und somit noch vor der Ablegung der Dienstprüfung zu absolvierende Berufspraktikum I - das nach dem Ausbildungsplan der Vermittlung des für die Verwendung in einer Polizeiinspektion nötigen dienstbetrieblichen Wissens sowie der Beurteilung der persönlichen und fachlichen Eignung für den exekutiven Außendienst diene - als typische Form der Vermittlung praktischer Grundkenntnisse und damit als Berufsausbildung im Sinne des FLAG anzusehen.

6 Da der Sohn der Mitbeteiligten den Präsenzdienst von bis und somit vor Vollendung des 24. Lebensjahres (im Februar 2020) abgeleistet habe, bestehe der Anspruch auf Familienbeihilfe gemäß § 2 Abs. 1 lit. g FLAG ab Beginn der - in deren ersten drei Teilen (bis zur Ablegung der Dienstprüfung) als Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG einzustufenden - Polizeigrundausbildung im März 2020 bis zur Vollendung seines 25. Lebensjahres (im Februar 2021).

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Einleitung eines Vorverfahrens, in dem von der Mitbeteiligten eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde - erwogen hat:

8 Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob sich das Kind für die Anwendung des Verlängerungstatbestandes des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG im Monat der Vollendung des 24. Lebensjahres in einer Berufsausbildung befinden müsse und ob die Verlängerungstatbestände der § 2 Abs. 1 lit. i und k FLAG analog anzuwenden seien. Nach der Rechtsansicht des revisionswerbenden Finanzamtes müsse sich das Kind in jenen Fällen, in denen es - wie im Revisionsfall - vor Vollendung des 24. Lebensjahres den Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst abgeleistet hat, unter analoger Anwendung der Voraussetzungen der § 2 Abs. 1 lit. i und k FLAG bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befinden, weil nur eine bestehende Berufsausbildung verlängert werden könne.

9 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom , 2010/16/0108, auf das in sinngemäßer Anwendung des § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, ausführlich mit der Genese der gegenständlich strittigen Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG beschäftigt. Unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien wurde ausgeführt, die mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, aus Anlass der Herabsetzung der Altersgrenze für den Bezug der Familienbeihilfe vom vollendeten 27. Lebensjahr auf das vollendete 26. Lebensjahr eingeführte Bestimmung sollte sicherstellen, dass Zeiten des Präsenz- oder Zivildienstes auch nach Vollendung des 26. Lebensjahres berücksichtigt werden, wenn sich das Kind weiterhin in Berufsausbildung befinde (vgl. ErlRV 72 und Zu 72 BlgNR 20. GP 295). Dementsprechend bestand der Anspruch auf Familienbeihilfe nach dem damaligen Wortlaut dieser Bestimmung „für volljährige Kinder, die sich in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die den Präsenz- oder Zivildienst geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres“. Die vom revisionswerbenden Finanzamt vertretene Rechtsansicht - wonach die Verlängerung der Anspruchsdauer nur eintritt, wenn sich das Kind im Zeitpunkt der Vollendung des relevanten Lebensjahres in Berufsausbildung befindet - findet daher im damaligen Wortlaut der Bestimmung Deckung.

11 Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG wurde allerdings mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 23/1999 neu gefasst. Nach dieser Fassung - die, abgesehen von der mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, abermals abgesenkten Altersgrenze, jener entspricht, die in den im Revisionsfall relevanten Zeiträumen in Geltung stand - bestand der Anspruch auf Familienbeihilfe „für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist“. Mit dieser Änderung - die auf einem im Plenum des Nationalrates eingebrachten Abänderungsantrag beruht - sollte eine „Korrektur von Einzelfällen für Präsenz- und Zivildiener“ erreicht werden (vgl. StenProt , 149. Sitzung des Nationalrats 20. GP 194).

12 Wie der Verwaltungsgerichtshof im eingangs zitierten Erkenntnis ausgeführt hat, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG - in der Zusammenschau mit der Bestimmung des § 19 des Studienförderungsgesetzes 1992 sowie den Bestimmungen des (damaligen) Wehrgesetzes 1990 und des Zivildienstgesetzes 1986 - zunächst, dass der Gesetzgeber die Verlängerung der Anspruchsdauer der Familienbeihilfe deshalb vorgesehen hat, weil für die Dauer der Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes das wehrpflichtige (bzw. freiwillig den Ausbildungsdienst leistende) Kind in der Regel daran gehindert ist, diese Zeit erfolgreich für eine Berufsausbildung zu nutzen (vgl. dazu auch ErlRV 1442 BlgNR 20. GP 15, zu den durch den Präsenz- oder Zivildienst bedingten Studienverzögerungen). Um nicht auf die jeweilige - unterschiedliche - Dauer des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes (damals Grundwehrdienst von sechs oder acht Monaten, Zivildienst von elf Monaten, Ausbildungsdienst von zwölf Monaten) abstellen zu müssen, hat der Gesetzgeber in typisierender Erfassung der Sachverhaltsmöglichkeiten eine generelle Verlängerung der Anspruchsdauer für die Familienbeihilfe um ein Jahr (damals von der Vollendung des 26. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) vorgesehen (vgl. ; vgl. in diesem Zusammenhang auch ErlRV 1442 BlgNR 20. GP 20, zur Problematik der Teilüberschneidung der Studienzeit und der Zeit des Präsenz- oder Zivildienstes).

13 Mit der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG hat der Gesetzgeber somit - wenn auch in typisierender Weise - darauf Bedacht genommen, dass die Zeit der Ableistung des Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienstes einem Kind für Zwecke der Berufsausbildung fehlt. Die insgesamt zur Verfügung stehende Zeitspanne, in der ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehen kann (nach der geltenden Rechtslage bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres), ist somit in diesen Fällen kürzer, zumal nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes eine allfällige Ausbildung des Kindes unterbricht, nicht als Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG anzusehen ist und daher während der Leistung dieses Dienstes - auch wenn in dieser Zeit gleichzeitig die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG erfüllt sein sollten - kein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht (vgl. ; , 2004/15/0103). Diese fehlende Ausbildungszeit wird durch die Verlängerung der Anspruchsdauer bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres kompensiert.

14 Vor diesem Hintergrund wird die in der Amtsrevision vertretene Rechtsansicht, die Verlängerung der Anspruchsdauer trete in analoger Anwendung der Bestimmungen der § 2 Abs. 1 lit. i und k FLAG nur ein, wenn sich das Kind im Zeitpunkt der Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befinde, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt. Während die - mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 eingeführte - Stammfassung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG explizit darauf abgestellt hat, dass sich die Kinder „in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden“ wurde diese Voraussetzung mit der - mit dem BGBl. I Nr. 23/1999 eingeführten - Neufassung dieser Bestimmung gestrichen. Nunmehr setzt die Anwendbarkeit der Bestimmung lediglich voraus, dass Kinder „in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben“. Ist das der Fall und werden sie „nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet“, greift die Verlängerung der Anspruchsdauer.

15 Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass der Gesetzgeber trotz Änderung des - in dieser Hinsicht - klaren Gesetzeswortlautes, eine zuvor explizit vorgesehene Voraussetzung für die Verlängerung des Anspruchszeitraumes beibehalten wollte. Eine derartige Annahme würde auch dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel - die Sicherstellung, dass Kindern, die den Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst abgeleistet haben, in typisierender Betrachtungsweise dieselbe Zeitspanne für eine Berufsausbildung zur Verfügung steht, wie jenen Kindern, die diese Dienste nicht ableisten (müssen) - entgegenstehen (vgl. in diesem Zusammenhang erneut die Begründung zum Abänderungsantrag, auf den die Einführung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG zurückgeht, wonach eine „Korrektur von Einzelfällen für Präsenz- und Zivildiener“ erreicht werden soll; StenProt , 149. Sitzung des Nationalrats 20. GP 194): Die Zeit, in der die genannten Dienste abgeleistet werden, „fehlt“ den betroffenen Kindern unabhängig davon, ob die nachfolgende Berufsausbildung vor oder nach Vollendung des 24. Lebensjahres aufgenommen wird.

16 Diese Sichtweise findet auch darin Bestätigung, dass die mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 8/1998 eingeführte und gemäß § 50j Abs. 1 FLAG rückwirkend mit in Kraft gesetzte Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. i FLAG - die nach Rechtsansicht des revisionswerbenden Finanzamtes analog anzuwenden sei - ebenso wie die Stammfassung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG explizit darauf abstellte, dass sich Kinder „in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden“, diese Bestimmung jedoch trotz Neufassung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG unverändert geblieben ist, abgesehen von der Absenkung des relevanten Lebensjahres.

17 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Bestimmung das Bestehen einer echten (also planwidrigen) Rechtslücke, dass also das Gesetz - gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie - unvollständig (ergänzungsbedürftig) ist und seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Eine durch Analogie zu schließende Lücke kommt etwa dann in Betracht, wenn das Gesetz in eine Regelung einen Sachverhalt nicht einbezieht, auf welchen - unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes und gemessen an den mit der Regelung verfolgten Absichten des Gesetzgebers - ebendieselben Wertungsgesichtspunkte zutreffen wie auf die im Gesetz geregelten Fälle und auf den daher - schon zur Vermeidung einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung - auch dieselben Rechtsfolgen angewendet werden müssen (vgl. , mwN).

18 Da im Hinblick auf die Anwendbarkeit der im vorliegenden Revisionsfall strittigen Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG insoweit keine durch Analogie zu schließende Lücke vorliegt, scheidet eine analoge Anwendung der vom revisionswerbenden Finanzamt angeführten Bestimmungen des FLAG aus.

19 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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FamLAG 1967 §2 Abs1 litb
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg idF 1996/201
FamLAG 1967 §2 Abs1 litg idF 1999/I/023
FamLAG 1967 §2 Abs1 liti
FamLAG 1967 §50j Abs1
StruktAnpG 1996
StudFG 1992 §19
VwRallg
WehrG 1990
ZDG 1986
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021160052.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
CAAAF-45766