VwGH 29.08.2024, Ra 2021/16/0041
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG 1995 ist unionsrechtskonform iSd Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG auszulegen. Somit ist es für die Steuerbefreiung maßgebend, ob die aufgrund eines Halterschaftsvertrags und somit als "aus sonstigen Gründen" nutzungsberechtigte juristische Person iSd Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG das Luftfahrzeug für die Luftfahrt nutzt, was etwa dann der Fall ist, wenn sie die Beförderung von Personen oder Waren im eigenen Namen an ihre Kunden gegen Verrechnung eines entsprechenden Entgelts erbringt. Der Umstand, dass der Halter des Luftfahrzeugs nicht das Risiko für dessen wirtschaftlichen Betrieb trägt, vermag an der Qualifikation der an die Kunden erbrachten Leistungen als entgeltliche Luftfahrtdienstleistungen nichts zu ändern. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Zollamts Österreich, Zollstelle Flughafen in 1300 Wien-Flughafen, Office Park 1, Bauteil 2, 7. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7200006/2021, betreffend Mineralölsteuerrückvergütung für die Monate Oktober 2019 bis Juni 2020 (mitbeteiligte Partei: S GmbH (vormals L GmbH) in S, vertreten durch die Centurion Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH in 1010 Wien, Hegelgasse 8/14), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden der mitbeteiligten Partei gegen die Bescheide des (damaligen) Zollamts Eisenstadt Flughafen Wien (nunmehr: Zollamt Österreich) vom - mit denen datumsmäßig näher bezeichneten Anträge der Mitbeteiligten auf Mineralölsteuerrückvergütung für die Monate Oktober 2019 bis Juni 2020 abgewiesen worden waren - Folge und sprach aus, dass die Mineralölsteuer gemäß §§ 5 Abs. 3a und 4 Abs. 1 Z 1 Mineralölsteuergesetz 1995 (im Folgenden: MinStG 1995) gemäß den datumsmäßig näher bezeichneten Anträgen für Oktober 2019 bis Juni 2020 in jeweils näher genannter Höhe vergütet werde. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
2 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht aus, die Mitbeteiligte verfüge über ein Flugzeugbetreiberzertifikat (Air Operator Certificate) und sei für den Flugbetrieb zweier näher bezeichneter Luftfahrzeuge im Rahmen von mit den Eigentümern abgeschlossenen Halterschaftsverträgen verantwortlich. Sie erbringe dabei Beförderungsdienstleistungen im eigenen Namen. Mit Bescheid vom sei der Mitbeteiligten vom Zollamt gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 MinStG iVm § 2 Abs. 2 Z 2 Luftfahrtbegünstigungsverordnung (LfbV) als Luftfahrtunternehmen die Bewilligung nach § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG zur steuerfreien Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen (eingeschränkter Freischein) erteilt worden. Die Bewilligung umfasse jene Luftfahrzeuge, deren ausschließliche Nutzung in der gewerblichen Luftfahrt nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden sei. Für den unversteuerten Bezug von Luftfahrtbetriebsstoffen sei je begünstigtem Luftfahrzeug ein auf der Grundlage dieses Freischeins ausgestellter gesonderter Betankungsschein nach § 2 Abs. 3 iVm Abs. 5 LfbV erforderlich. Mit dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7200042/2019, seien der Mitbeteiligten für die beiden genannten Luftfahrzeuge Betankungsscheine zum unversteuerten Bezug von Luftfahrtbetriebsstoffen aus einem österreichischen Steuerlager für den Zeitraum vom bis zum erteilt worden. Das Bundesfinanzgericht hege keine Zweifel daran, dass die den Vergütungsanträgen zu Grunde liegenden Flugbewegungen im Rahmen der gewerblichen Luftfahrt erfolgt und mit den vorgelegten Kundenrechnungen und Mastertickets ausreichend belegt worden seien. Die Voraussetzungen für die Mineralölsteuerbefreiung habe die Mitbeteiligte bereits in dem die Betankungsscheine betreffenden Verfahren beim Bundesfinanzgericht nachgewiesen. Es bestünden auch keine Zweifel am Wahrheitsgehalt der Bestätigungen des die Betankung durchführenden Inhabers der Steuerlager, wonach die der Mitbeteiligten verrechnete Mineralölsteuer auch tatsächlich abgeführt worden sei. Zur näheren Begründung, dass der Mitbeteiligten als Inhaberin des eingeschränkten Freischeins der unversteuerte Bezug von Luftfahrtbetriebsstoffen aus einem österreichischen Steuerlager und die steuerfreie Verwendung zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen oder Sachen mit den beiden näher bezeichneten Luftfahrzeugen zustehe, werde auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7200042/2019, verwiesen. Da die Mitbeteiligte die Voraussetzungen für die beantragten Mineralölsteuerrückvergütungen erfüllt habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
3 Die dagegen erhobene außerordentliche Revision des Zollamts legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
4 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragte.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In der Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe sich in seinem Erkenntnis auf die Begründung des vom Zollamt beeinspruchten Verfahrens, RV/7200042/2019, gestützt, sodass auch im revisionsgegenständlichen Fall zu klären sei, was unter „sonstigen gewerbsmäßigen Dienstleistungen“ iSd § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG 1995 und unter dem Begriff „kommerziell“ iSd Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG zu verstehen sei. Auch fehle Rechtsprechung zur Frage, ob Mineralöl unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrtdienstleistungen diene, wenn ein Unternehmen lediglich eine Art Zahlstellenfunktion ausübe und die Entgelte an die Eigentümer der Flugzeuge weiterfließen würden. Werde - wie im revisionsgegenständlichen Fall - ein Management-Entgelt aufgrund eines Halterschaftsvertrags bezahlt, liege nach Ansicht des revisionswerbenden Zollamts keine Erbringung einer unmittelbaren Luftfahrtdienstleistung vor. Auch fehle Rechtsprechung zu dem durch die Änderung des MinStG 1995 mit BGBl. I Nr. 117/2016 und die Luftfahrtbegünstigungsverordnung (BGBl. II Nr. 185/2017) neu geschaffenen Verfahren zur Bewilligung der mineralölsteuerfreien Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen.
9 Die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, muss im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt sein. Wurde die zu beantwortende Rechtsfrage in der Rechtsprechung nach Einbringung der Revision geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa ; , Ro 2021/16/0013).
10 Mit Erkenntnis vom , Ra 2021/16/0018, hat der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Zollamts gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7200042/2019, abgewiesen und damit die Berechtigung der Mitbeteiligten zum Bezug unversteuerter Luftfahrtbetriebsstoffe nach § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG 1995 durch die Ausstellung von Betankungsscheinen für die beiden verfahrensgegenständlichen Luftfahrzeuge für den Zeitraum vom bis zum gebilligt. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses vom , Ra 2019/16/0104, verwiesen.
11 Darin hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass § 4 Abs. 1 Z 1 MinStG 1995 unionsrechtskonform iSd Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG auszulegen ist und es somit für die Steuerbefreiung maßgebend ist, ob die aufgrund eines Halterschaftsvertrags und somit als „aus sonstigen Gründen“ nutzungsberechtigte juristische Person iSd Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2003/96/EG das Luftfahrzeug für die Luftfahrt nutzt, was etwa dann der Fall ist, wenn sie die Beförderung von Personen oder Waren im eigenen Namen an ihre Kunden gegen Verrechnung eines entsprechenden Entgelts erbringt. Davon sind die mit der Managementgebühr abgegoltenen Dienstleistungen zu unterscheiden. Der Umstand, dass der Halter des Luftfahrzeugs nicht das Risiko für dessen wirtschaftlichen Betrieb trägt, vermag an der Qualifikation der an die Kunden erbrachten Leistungen als entgeltliche Luftfahrtdienstleistungen nichts zu ändern.
12 Da in der Revision somit keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
13 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2021160041.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
UAAAF-45760