VwGH 29.09.2022, Ra 2021/15/0115
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern werden an jenen Kriterien gemessen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden. Die Vereinbarung muss demnach nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden (vgl. , mwN; , 2009/15/0215). Dabei handelt es sich zunächst um eine Tatfrage, die auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung zu lösen ist (). |
Normen | BAO §280 Abs1 lite VwGG §41 |
RS 2 | Erkenntnisse und Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind so zu begründen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs für diesen nachvollziehbar ist. Hiezu muss die Begründung insbesondere erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt, und aus welchen Gründen die Subsumtion des Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet wird (vgl. z.B. ; , Ra 2016/15/0059). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/13/0020 E RS 3 |
Normen | |
RS 3 | Wird ein Zeuge nicht kontradiktorisch vernommen, bedeutet dies, dass das VwG die Ergebnisse seiner Beweisaufnahme den Parteien vorzuhalten hat und sich mit den von ihnen (bis zum Erlass der Entscheidung) dazu erstatteten Vorbringen zu Unvollständigkeiten in der Befragung oder allfälligen Widersprüchlichkeiten im Aussageverhalten auseinanderzusetzen hat, was bei Aufzeigen wesentlicher Befragungslücken eine neuerliche Zeugeneinvernahme erforderlich machen kann. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des J H in S, vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100123/2020, betreffend Umsatzsteuer 2011 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Braunau Ried Schärding), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber war im streitgegenständlichen Zeitraum - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - Hauptgesellschafter und Hauptgläubiger der HH GmbH. Diese unterbreitete ihm am das Angebot, eine Liegenschaft zum Kaufpreis von 1,700.000 € zuzüglich 20 % Umsatzsteuer zu erwerben (Buchwert der Liegenschaft ca. 2,17 Mio €). Am nahm er das Angebot an und erwarb die Liegenschaft.
2 Am wurde über das Vermögen der HH GmbH über eigenen Antrag das Insolvenzverfahren eröffnet und eine Sanierungsquote von 20 % angeboten. Der Masseverwalter meldete fristgerecht die Umsatzsteuer aus dem Liegenschaftsverkauf in Höhe von 436.142,23 € für den Zeitraum August 2011 an. Der Revisionswerber machte mit der Umsatzsteuervoranmeldung für den Zeitraum Juli bis September 2011 die Vorsteuer in Höhe von 436.142,23 € geltend.
3 Mit Entscheidung vom , RV/0708-L/12, versagte der Unabhängige Finanzsenat (UFS) dem Revisionswerber den Vorsteuerabzug aus dem Liegenschaftserwerb mit der Begründung, dass mit der gegenständlichen Vertragsgestaltung ausschließlich der Zweck verfolgt worden sei, die Umsatzsteuer aufgrund des Sanierungsverfahrens nur in Höhe von 20 % entrichten zu müssen und gleichzeitig die Vorsteuer im vollen Ausmaß zu lukrieren.
4 Mit Erkenntnis vom , 2013/15/0293, hob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund einer vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde die Entscheidung des UFS auf. Begründend führte er aus, dass mit dem bloßen Hinweis auf die zeitliche Nähe von Liegenschaftserwerb und Insolvenz der HH GmbH der UFS nicht eine notwendige Missbrauchs-Auseinandersetzung plausibel mache. Weder sei erkennbar, worin im schlichten Tätigen eines von beiden Parteien tatsächlich gewollten Umsatzes (Ankauf einer Liegenschaft) eine vorwerfbare unangemessene Gestaltung liegen solle, die dem Zweck des Umsatzsteuergesetzes zuwiderlaufe. Noch gelinge es dem UFS die beabsichtigte Übertragung der Liegenschaft an den Sohn zur Regelung der Vermögensnachfolge und zur Erfüllung des bereits am geschlossenen Trennungsvergleichs mit der ehemaligen Lebensgefährtin als vom Revisionswerber angegebenen maßgeblichen Grund für den Ankauf zu entkräften. Dass durch die nachfolgende Insolvenz der HH GmbH als Veräußerin der Umsatzsteueranspruch des Abgabengläubigers letztlich nicht zur Gänze realisierbar gewesen sei, sei nicht dem Revisionswerber in seiner Eigenschaft als Erwerber der Liegenschaft anzulasten, sondern ein allgemein mit Umsatzgeschäften verbundenes Risiko.
5 Mit Erkenntnis vom , RV/5100951/2016, wurde der Beschwerde daraufhin im fortgesetzten Verfahren vom BFG teilweise Folge gegeben, wobei Vorsteuern in Höhe von 302.542,23 € anerkannt wurden. Begründend führte das BFG aus, dass der Verkehrswert der Liegenschaft im Zeitpunkt des Kaufes bzw. Verkaufes im August 2011 1,032.000 € betragen habe. Die Differenz zum tatsächlichem Kaufpreis betrage 668.000 €, das seien 39 %. Es seien keine Gründe aufgezeigt worden, warum eine der HH GmbH fremd gegenüberstehende Person einen Kaufpreis bezahlen würde, der fast 40 % über dem Verkehrswert der Liegenschaft liege. Der Mehrbetrag sei nicht deshalb aufgewendet worden, um die Leistung zu erhalten, sondern um ihn der Gesellschaft zuzuführen (verdeckte Einlage). Ein Vorsteuerabzug sei daher nur im Ausmaß des angemessenen Entgelts zugelassen.
6 Mit Erkenntnis vom , Ra 2018/15/0123, hob der Verwaltungsgerichtshof das Erkenntnis aufgrund einer vom Revisionswerber dagegen erhobenen Revision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Begründend führte er aus, im Revisionsfall habe das BFG dem Antrag des Revisionswerbers auf ergänzende Zeugenvernehmung seines (vom BFG nur schriftlich befragten) Steuerberaters im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Frage, wie dieser seinen Rat hinsichtlich der Kaufpreisbemessung begründet habe, nicht entsprochen. Da sich das BFG in Zusammenhang mit Feststellungen zu einer subjektiven, auf Vorteilsgewährung gerichteten Willensentscheidung im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf das Fehlen einer Bestätigung durch den Zeugen gestützt und die behaupteten strafrechtlichen Bedenken des Revisionswerbers bei zu geringer Kaufpreisbemessung als nicht nachvollziehbar beurteilt habe, erweise sich der Verfahrensmangel auch als wesentlich. Insoweit liege ein unerledigter und relevanter Beweisantrag vor.
7 Im daraufhin neuerlich fortgesetzten Verfahren vernahm das BFG den Steuerberater am ein und nahm darüber folgende Niederschrift auf:
„Richterin: In welchem Zeitraum haben Sie [den Revisionswerber] steuerlich vertreten?
Zeuge: Ich habe [den Revisionswerber] in der Zeit von 1985 bis laufend in dessen steuerlichen Angelegenheiten beraten.
Richterin: Was wissen Sie über den Kauf der Liegenschaft [...]? Ging die Initiative von [dem Revisionswerber] oder von der HH GmbH aus? Wann begannen die Verhandlungen? Wer war bei den Verhandlungen anwesend? Waren Sie selbst immer dabei? Welche Unterlagen bzw. Informationen waren Basis dieser Verhandlungen?
Zeuge: Ich war bei den Verhandlungen nicht dabei. Ich wurde von [dem Revisionswerber] - glaublich November 2010 - telefonisch kontaktiert. Die Verkaufsgespräche waren damals schon im Gange, [der Revisionswerber] fragte mich, welchen Verkehrswert er für die Liegenschaft einsetzen soll. Ich kenne das Objekt selbst. Es ist ein sehr schönes Landgasthaus mit Fremdenzimmern, neu und aufwendig renoviert. Meiner Ansicht nach, ist im Prinzip der Buchwert gleich dem Verkehrswert, eventuell mit Abschlägen für ganz besondere Elemente. Ein Wert von 80 % des Buchwertes erschien mir damals realistisch und auch heute noch. Es liegt sowohl an der Stadtgrenze zu [...], als auch an der Staatsgrenze zu [...] und ist aufgrund dieser idealen Lage ein beliebtes Ausflugsgasthaus.
Richterin: War Ihnen bekannt, dass es ein Gutachten von [SV1] vom gab, das einen Verkehrswert von 1,130.000,-- € auswies bzw. ein Gutachten von [SV2] vom über einen Verkehrswert von 810.000,00 €?
Zeuge: Zumindest das Gutachten von [SV2] war mir bekannt. Ich glaube es auch gelesen zu haben. Der dort angeführte Wert ist meiner Ansicht nach jedenfalls vollkommen unrealistisch.
Richterin: Inwiefern hatte Ihrer Ansicht nach [der Revisionswerber] strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten, wenn er sich beim Kauf der Liegenschaft im Rahmen der beiden vorhandenen Gutachten (1,130.000,00 € bzw. 810.000,00 €) bewegt hätte? Welche Gefahren wurden Ihrerseits aufgezeigt und wie wurden diese begründet? Äußerte [der Revisionswerber] diesbezüglich von sich aus irgendwelche Bedenken?
Zeuge: Voraus zu schicken ist, dass das Verhältnis zwischen [dem Revisionswerber] und dem FA ein besonderes ist. Wäre ein zu niedriger Wert angesetzt worden, hätte dies eine verdeckte Gewinnausschüttung bedeutet. Meiner Ansicht nach hätte es auch eine Abgabenverkürzung bedeuten können, wobei in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen ist, dass die finanzstrafrechtlichen Konsequenzen den jeweiligen Geschäftsführer der HH GmbH betroffen hätten. Dies war zu diesem Zeitpunkt unter anderem Frau [...], die ebenfalls von mir vertreten wurde/wird, sodass ich bei meiner Auskunft auch diesen Aspekt im Auge haben musste. Es ist aber völlig klar, dass [der Revisionswerber] selbst keine strafrechtlichen oder finanzstrafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten gehabt hätte. Konkret sind von [dem Revisionswerber] selbst keine strafrechtlichen oder finanzstrafrechtliche Bedenken geäußert worden, diese Problematik schwebt jedoch „immer im Raum“.
Richterin: War bei diesen Gesprächen die bevorstehende Insolvenz der Firma HH GmbH ein Thema?
Zeuge: Nein, das war im November 2010 noch kein Thema.“
8 Gemeinsam mit der Ladung für die mündliche Verhandlung wurde den Parteien die mit dem Zeugen aufgenommene Niederschrift übermittelt.
9 Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom wurde seitens der rechtlichen Vertretung des Revisionswerbers einerseits - unter näherer Anführung mehrerer Einwände gegen die bisher gestellten Fragen - die neuerliche zeugenschaftliche Einvernahme des Steuerberaters sowie - unter detaillierter Anführung zahlreicher inhaltlicher Bedenken am Gutachten - eine mündliche Erörterung des Verkehrswertgutachtens mit dem Sachverständigen K beantragt (Befragung des Sachverständigen und Erörterung des Gutachtens zur Beseitigung der bestehenden Bedenken gegen die Schlüssigkeit und Richtigkeit des Gutachtens, Ergänzung des Gutachtens und Darlegung, warum die Aussagen des Privatsachverständigen nicht richtig seien, Erörterung des Gutachtens in Zusammenhang mit einer anderen Nutzungsmöglichkeit). Darüber hinaus wurde die Einvernahme eines Immobilienmaklers und Projektentwicklers beantragt, der damals seinerseits an den Revisionswerber ein Kaufanbot iHv 2 Mio € unter der Prämisse einer anderweitigen Nutzung (Parifizierung und Veräußerung als Wohnungseigentumsobjekt) gelegt habe.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BFG die Beschwerde - ohne Durchführung der beantragten Beweisaufnahmen - ab. Begründend führte es aus, Gegenstand des fortgesetzten Verfahrens sei die Frage, ob die für die Festsetzung des (überhöhten) Kaufpreises maßgeblichen Gründe in der schuldrechtlichen Beziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter, also Revisionswerber und HH GmbH, gelegen sei. In diesem Zusammenhang sei wiederholt vorgebracht worden, dass der langjährige steuerliche Vertreter dem Revisionswerber geraten habe, auf keinen Fall zu weit unter dem Buchwert der Liegenschaft anzusetzen, weil sonst die Qualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung sowie (finanz)strafrechtliche Konsequenzen drohten.
11 Im Rahmen seiner schriftlichen Befragung habe der Steuerberater am ausgeführt, dass er vom Revisionswerber bezüglich der Bewertung der Liegenschaft um Rat gebeten worden sei. Es sei auch richtig, dass er dem Revisionswerber geraten habe, nicht sehr weit nach unten vom Buchwert abzuweichen. Dass der Verkehrswert nicht unbedingt dem Buchwert entsprochen habe, sei klar gewesen, weil das Gasthaus sehr aufwendig ausgebaut worden sei. Deshalb sei er der Ansicht gewesen, dass der Verkehrswert des Gasthauses X in etwa bei 80 % des Buchwertes liegen müsse. Er habe diesen Wert jedenfalls für angemessen gehalten, insbesondere auch im Hinblick auf dessen Lage. Einen Verkehrswert in Höhe des Gutachters [SV2] habe er nicht für angemessen gehalten. Der Verkehrswert in Höhe von 1,700.000 € sei offenbar vor dem Hintergrund der Beratung durch ihn festgelegt worden.
12 Im Rahmen der - außerhalb einer mündlicher Verhandlung erfolgten - mündlichen Zeugenbefragung durch das BFG am habe der Steuerberater neuerlich dargelegt, dass seiner persönlichen Einschätzung nach der Buchwert der Liegenschaft in der Bilanz der HH GmbH dem Verkehrswert entspreche; der Wert von 80 % des Buchwertes als Verkaufspreis sei ihm damals wie heute realistisch erschienen. In Zusammenhang mit allfälligen strafrechtlichen Konsequenzen legte er dar, dass finanzstrafrechtliche Konsequenzen den jeweiligen Geschäftsführer der HH GmbH getroffen hätten, also nicht den Revisionswerber. Dieser selbst hätte keine (finanz)strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten gehabt. Vom Revisionswerber selbst seien auch keine (finanz)strafrechtlichen Befürchtungen geäußert worden.
13 Der Zeuge habe also - so das BFG in seiner Beweiswürdigung - dem Revisionswerber seine persönliche Meinung über den Wert der gegenständlichen Liegenschaft dargelegt. Es sei jedoch für ihn klar gewesen, dass dem Revisionswerber weder strafrechtliche noch finanzstrafrechtliche Konsequenzen drohten. Der Zeuge habe auch betont, dass der Revisionswerber selbst diesbezüglich keine Bedenken geäußert habe. Entgegen den Ausführungen der revisionswerbenden Partei sei vom Zeugen sohin nicht bestätigt worden, dass er den Revisionswerber vor straf- und finanzstrafrechtlicher Verfolgung gewarnt habe. Die Zeugenbefragung habe sohin einwandfrei ergeben, dass weder der Hinweis auf strafrechtliche Folgen durch den Zeugen noch diesbezügliche persönliche Bedenken des Revisionswerbers für die Kaufpreisbildung ausschlaggebend gewesen seien. Der Revisionswerber habe den (überhöhten) Kaufpreis also nicht deshalb bezahlt, um einer strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen.
14 Es seien somit auch im fortgesetzten Verfahren keine Gründe aufgezeigt worden, warum eine der HH GmbH fremd gegenüberstehende Person bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gleichfalls einen Kaufpreis gezahlt hätte, der (unter ihren Buchwert, aber) fast 40 % über dem Verkehrswert der Liegenschaft liege. Der Vorsteuerabzug sei daher nur im Ausmaß des angemessenen Entgelts zuzulassen, also für den Betrag von 1,032.000 €, weshalb der Umsatzsteuerbescheid 2011 insofern abzuändern sei.
15 Den gestellten Beweisanträgen kam das BFG mit folgender Begründung nicht nach: Sämtliche Einwendungen betreffend das Gutachten seien bereits im Vorerkenntnis des „entkräftet“ worden. Dazu zitierte das BFG auch die entsprechenden Passagen seines Vorerkenntnisses wörtlich, wo die Abweisung der diesbezüglichen Beweisanträge begründet worden sei. Dies sei vom Verwaltungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis nicht gerügt worden.
16 Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass ein Kaufinteressent ein Kaufangebot nur gegenüber dem Eigentümer/Verkäufer, nicht einem anderen Kaufinteressenten gegenüber legen könne. Wenn es also Kauf-/Verkaufsgespräche zwischen dem genannten Immobilienmakler und Projektentwickler und dem Revisionswerber gegeben habe, so sei dies insofern irrelevant, als der Revisionswerber einerseits zu diesem Zeitpunkt nicht Eigentümer der Liegenschaft gewesen sei und andererseits wiederholt vorgebracht habe, dass die Liegenschaft spätestens mit seinem Ableben seinem Sohn zukommen solle. Im gesamten Verfahren sei immer wieder betont worden, dass der Revisionswerber die Liegenschaft aus persönlichen Gründen erworben habe, um sie in der Folge im Wege einer Schenkung auf den Todesfall seinem Sohn zu übereignen. Tatsächlich sei die Liegenschaft keinem anderen Kaufinteressenten zur Verfügung gestanden. Auch vor diesem Hintergrund sei der Antrag auf neuerliche Einvernahme des genannten Immobilienmaklers abzuweisen. Mittlerweile seien fast neun Jahre seit dem Verkauf der Liegenschaft vergangen, die immer noch als Hotel/Gasthof genutzt werde. Auch im fortgesetzten Verfahren seien keine konkreten, ernst zu nehmenden Pläne für eine andere Nutzung vorgelegt worden.
17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der Revisionswerberin. Darin brachte sie zur Zulässigkeit insbesondere vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob - nach dem Inkrafttreten von Art. 47 GRC () - in einem Beschwerdeverfahren mit unionsrechtlichem Bezug, in dem die BAO anzuwenden sei, Zeugen in der mündlichen Verhandlung über die Beschwerde kontradiktorisch einzuvernehmen seien. Es gehe bei der Möglichkeit, an einen Zeugen unmittelbar bei seiner Einvernahme Fragen stellen zu können, um tragende Verfahrensgrundsätze. Das angefochtene Erkenntnis führe zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis, indem es die beantragte Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen und damit dem Revisionswerber die Möglichkeit genommen habe, den Zeugen vor dem entscheidenden Gericht zu konfrontieren. Indem das BFG den vom Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung gestellten und konkretisierten Beweisanträgen auf kontradiktorische Einvernahme nicht nachgekommen sei, habe es einen relevanten und gravierenden Verfahrensfehler begangen.
18 Darüber hinaus habe das BFG die Voraussetzungen zur Beurteilung der Fremdüblichkeit verkannt. Im angefochtenen Erkenntnis sei das BFG von der Rechtsansicht ausgegangen, dass die Kauf-/Verkaufsgespräche zwischen dem genannten Immobilienmakler und dem Revisionswerber bei der Beurteilung der Fremdüblichkeit irrelevant seien, da ein Kaufinteressent ein Kaufangebot nur gegenüber dem Eigentümer, nicht aber einem anderen Kaufinteressenten gegenüber legen könne. Damit sei das BFG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, wonach bei der Fremdüblichkeit maßgeblich sei, dass Verträge auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen geschlossen worden wären (Hinweis auf zB ; , 97/13/0068; , 2000/13/0179; , 2006/14/0025) und dass daher ein höheres Vergleichskaufanbot von einem gesellschaftsfremden Dritten für die Beurteilung der Fremdüblichkeit durchaus relevant sei. Auch die weiteren Ausführungen des BFG, wonach Kaufpreise nicht als Basis für die Verkehrswertermittlung herangezogen werden dürften, widerspreche der zitierten Rechtsprechung zum durchzuführenden Fremdvergleich. Ohne diese unrichtige Rechtsansicht hätte das BFG die Aussage des Immobilienmaklers, wonach er für die revisionsgegenständliche Liegenschaft im Jahr 2011 einen Kaufpreis iHv 2,280.000 € (inkl eventuell anfallender USt) angeboten habe, als für die Beurteilung der Fremdüblichkeit relevant angesehen und festgestellt, dass das Rechtsgeschäft, wie es zwischen dem Revisionswerber und der HH GmbH letztlich abgeschlossen worden sei, auch zwischen Dritten abgeschlossen worden wäre. Es hätte daher den Vorsteuerabzug in voller Höhe anerkannt und der Beschwerde des Revisionswerbers stattgegeben.
19 Schließlich erweise sich die vom BFG vorgenommene Beweiswürdigung als unvertretbar. Das BFG habe die Zeugenaussage des Steuerberaters in seiner Beweiswürdigung dahingehend zusammengefasst, dass „entgegen der Ausführungen der [revisionswerbenden Partei ...] vom Zeugen [...] nicht bestätigt [wurde], dass er den [Revisionswerber] vor straf- und finanzstrafrechtlicher Verfolgung gewarnt hätte“. Daraus schlussfolgere das BFG, die Befragung des Zeugen hätte einwandfrei ergeben, „dass weder der Hinweis auf strafrechtliche Folgen durch den Zeugen noch diesbezüglicher persönlicher Bedenken des Beschwerdeführers selbst für die Kaufpreisbildung ausschlaggebend gewesen“ seien. Diese Begründung des BFG sei aktenwidrig (da sie die Zeugenaussage unrichtig wiedergebe), stehe mit sich selbst in Widerspruch (da in der Wiedergabe der Zeugenaussage und der Schlussfolgerung gegenteilige Aussagen getroffen würden) und lasse schlussendlich völlig offen, warum das BFG diese Annahme treffe. Derartig gravierende Begründungsfehler würden eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung begründen.
20 Das Finanzamt erstattete - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung, in der es die Abweisung der Revision beantragte.
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
22 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
23 Verträge zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern werden an jenen Kriterien gemessen, die für die Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen entwickelt wurden. Die Vereinbarung muss demnach nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen klaren und eindeutigen Inhalt haben und auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen werden (vgl. , mwN; , 2009/15/0215).
24 Dabei handelt es sich zunächst um eine Tatfrage, die auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens in freier Beweiswürdigung zu lösen ist ().
25 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. , mwN).
26 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss die Begründung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zudem erkennen lassen, welcher Sachverhalt ihr zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen das Verwaltungsgericht zur Ansicht gelangt ist, dass gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen es die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet. Die Begründung muss dabei in einer Weise erfolgen, dass der Denkprozess, der in der Erledigung seinen Niederschlag findet, sowohl für den Abgabepflichtigen als auch im Fall der Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes für diesen nachvollziehbar ist (vgl. zB , sowie grundlegend ).
27 Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Erkenntnis nicht.
28 Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass es bei der Prüfung der Fremdüblichkeit darauf ankommt, ob Verträge auch zwischen Fremden unter den gleichen Bedingungen geschlossen worden wären.
29 Entscheidend ist also, was ein externer Fremder - hätte die HH GmbH ihm die revisionsgegenständliche Liegenschaft angeboten - für diese geboten hätte. Einem reellen Angebot, das dem Revisionswerber zum damaligen Zeitpunkt für einen Weiterverkauf bereits unterbreitet worden ist, kann daher nicht von vornherein die Relevanz abgesprochen werden, weil ein solches Angebot als Hinweis auf das damalige Marktumfeld durchaus für die Preisbildung von Bedeutung sein kann. Schon die beantragte Vernehmung des Immobilienmaklers konnte das BFG also nicht als von Vornherein irrelevant verweigern.
30 Wie die Revision zu Recht aufzeigt, sind aber auch die Schlussfolgerungen, die das BFG aus den Aussagen des als Zeugen einvernommenen Steuerberaters für die Fremdunüblichkeit des vereinbarten Kaufpreises gezogen hat und die sich ausschließlich auf den Einfluss möglicher (finanz)strafrechtlicher Bedenken auf die Preisbildung beziehen, nicht nachvollziehbar. Das BFG stützt sich bei seiner Beweiswürdigung isoliert darauf, dass nach Aussage des Zeugen (finanz)strafrechtliche Folgen nicht den Revisionswerber, sondern allenfalls die Geschäftsführerin der Gesellschaft getroffen hätten. Dass der Zeuge auch darauf hinwies, dass „ein zu niedriger Wert“ „eine verdeckte Gewinnausschüttung bedeutet“ sowie „auch eine Abgabenverkürzung“ bedeuten hätte könne, wird nicht weiter gewürdigt. Warum die Sorge vor einem zu niedrigen (deutlich unter dem Buchwert der Liegenschaft liegenden) Preisangebot und der unstrittig erfolgte Rat des Steuerberaters für die subjektive Werteinschätzung und folglich die Preisfindung nicht mitbestimmend gewesen sein soll, ergibt sich aus den Ausführungen des BFG nicht.
31 Im Übrigen lässt das BFG - wie die Revision zu Recht unter Hinweis auf Art. 47 GRC rügt - die für ein Verwaltungsgericht gebotene Sensibilität im Umgang mit beantragten Zeugenbefragungen vermissen (vgl. zur Bedeutung von kontradiktorischen Vernehmungen im gerichtlichen Verfahren allgemein bereits etwa ). Wird ein Zeuge nicht kontradiktorisch vernommen, bedeutet dies, dass das Verwaltungsgericht die Ergebnisse seiner Beweisaufnahme den Parteien vorzuhalten hat und sich mit den von ihnen (bis zum Erlass der Entscheidung) dazu erstatteten Vorbringen zu Unvollständigkeiten in der Befragung oder allfälligen Widersprüchlichkeiten im Aussagverhalten auseinanderzusetzen hat, was bei Aufzeigen wesentlicher Befragungslücken eine neuerliche Zeugeneinvernahme erforderlich machen kann (vgl. Sutter, in Holoubek/Lang, Grundfragen der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit 249).
32 Das BFG hat nach dem Gesagten daher sein Erkenntnis neuerlich mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb dieses gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b VwGG aufzuheben war.
33 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150115.L00 |
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Fundstelle(n):
VAAAF-45738