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VwGH 15.03.2023, Ra 2021/15/0093

VwGH 15.03.2023, Ra 2021/15/0093

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
BAO §20
BAO §224
EStG 1988 §95
VwRallg
RS 1
Im Falle verdeckter Ausschüttungen liegt es im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt (). Die Kapitalertragsteuer ist dabei grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen. Nur "ausnahmsweise" wird der Empfänger der Kapitalerträge gemäß § 95 EStG 1988 in Anspruch genommen (vgl. ).

.
Normen
BAO §20
BAO §224
BAO §279
B-VG Art130 Abs3
EStG 1988 §95
VwRallg
RS 2
Wendet sich eine gewinnausschüttende Körperschaft im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs gegen ihre Inanspruchnahme im Haftungsweg für die Kapitalertragsteuer aus verdeckten Ausschüttungen und macht sie dazu eine unrichtige Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde geltend, liegt es am Bundesfinanzgericht, zu den diesbezüglichen Ermessensparametern erforderlichenfalls ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zu treffen und auf dieser Grundlage im Sinne des § 279 BAO zu entscheiden, ob gemäß § 95 EStG die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht werden kann. Dabei kommt dem Bundesfinanzgericht gemäß Art. 130 Abs. 3 B-VG zwar insofern eine besondere Position zu, als ihm auch in Ermessensfragen eine volle Kognition eingeräumt ist (vgl. Sutter, in Holoubek/Lang, Das Verfahren vor BVwG und BFG, 274). Es hat dabei aber die im Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0046, vorgegebenen Grundsätze zu beachten.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2015/15/0063 E RS 4
Normen
BAO §20
BAO §279
B-VG Art130 Abs3
VwRallg
RS 3
Die volle Ermessenskognition des BFG bedeutet auch, dass das BFG dieses Ermessen in seinem eigenen Entscheidungszeitpunkt neu zu üben hat und sich nicht auf die Kontrolle der Richtigkeit der seinerzeitigen Ermessensübung des Finanzamts beschränken kann.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Tirol Ost in 6333 Kufstein, Oskar Pirlo-Straße 15, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/3100686/2012, betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 (mitbeteiligte Partei: G GmbH in K, vertreten durch die Steuerberatungsgesellschaft Gaßner & Pichler GmbH in 4311 Schwertberg, Technologieplatz 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Haftung für Kapitalertragsteuer der Zeiträume September bis Dezember 2007 und 2008) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Gesellschaft mit beschränkter Haftung war in den Streitjahren - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - im Gaststättenwesen tätig, wobei Gesellschafter und Geschäftsführer zunächst M und nach Abtretung eines Geschäftsanteils von 85 % mit Abtretungsvertrag vom sodann H war.

2 Anlässlich einer Außenprüfung gemäß § 147 Abs. 1 BAO betreffend die Jahre 2006 bis 2008 traf der Prüfer eine Reihe von Feststellungen zu Vorgängen, die als verdeckte Ausschüttungen zu werten und daher der Kapitalertragsteuer zu unterwerfen seien. Im Rahmen der Schlussbesprechung wurde von der (damaligen) steuerlichen Vertretung der mitbeteiligten Gesellschaft folgender Antrag gestellt: „Die Kapitalertragsteuer wird beantragt, dem Gesellschafter vorzuschreiben (KESt wird von ihm getragen).“ In den „Prüfungsfeststellungen“ wurde daraufhin vom Prüfer zu den verdeckten Ausschüttungen festgehalten: „Die Zahlung der KESt erfolgt durch Geser (siehe Niederschrift vom )!“

3 Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Außenprüfung und erließ am an die mitbeteiligte GmbH gerichtete Bescheide betreffend Haftung und Zahlung von Kapitalertragsteuer für die Jahre 2006 bis 2008, mit denen die KESt für die einzelnen Jahre vorgeschrieben wurde. Zur Begründung wurde auf den Bericht der Außenprüfung verwiesen. Die Erledigungen waren mit „Haftungs- und Abgabenbescheid(e)“ überschrieben (Formular „L20“).

4 Gegen diese Bescheide erhob die mitbeteiligte GmbH am fristgerecht Berufung, mit der sie die Aufhebung dieser Bescheide beantragte. Es wurde eingewendet, dass die mit dem Formular „L20“ ausgefertigten „Haftungs- und Abgabenbescheid(e)“ für die Jahre 2006 bis 2008 mit einer Reihe von wesentlichen Mängeln behaftet seien. Den Bescheiden sei nicht zu entnehmen, ob sie die mitbeteiligte GmbH als Abgabepflichtige oder als Haftungspflichtige in Anspruch nehmen wollten. Es könne weiter nicht entnommen werden, auf welche Haftungsnorm Bezug genommen werde, und es fehlten die Bezeichnung des zugrunde gelegten Tatbestandes sowie die Nennung der Empfänger der Kapitalerträge. Letztlich sei nicht ersichtlich, zu welchem Zeitpunkt die Beteiligungserträge zugeflossen sein sollten.

5 Am erließ das Finanzamt einen Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO, mit dem die angefochtenen „Haftungs- und Abgabenbescheid(e)“ für 2006 bis 2008 gemäß § 299 Abs. 1 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben wurden. Begründend führte es aus:

„Die Haftungs- und Abgabenbescheide für die Jahre 2006-2008 erwiesen sich als rechtswidrig, weil wesentliche Kriterien wie die Nennung der Empfänger der Kapitalerträge, Zeitpunkt des Zuflusses der Beteiligungserträge, Tatbestandsnennung nach § 201 Abs. 2 und 3 BAO und Angabe der Haftungsnorm, fehlen bzw. nicht aufscheinen.“

6 Am erließ das Finanzamt sodann einen Bescheid, mit dem die Berufung der mitbeteiligten GmbH vom gegen die „Haftungs- und Abgabenbescheid(e)“ für 2006 bis 2008 als unzulässig zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die „Haftungs- und Abgabenbescheid(e)“ für die Jahre 2006 bis 2008 vom bereits gemäß § 299 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben worden seien.

7 Am erließ das Finanzamt schließlich an die mitbeteiligte Gesellschaft gerichtete Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer jeweils aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen an den Geschäftsführer M für das Jahr 2006 sowie die Monate Jänner bis August 2007 und jeweils aufgrund des Zuflusses von Kapitalerträgen an den Geschäftsführer H für die Monate September bis Dezember 2007 und das Jahr 2008.

8 Gegen diese Haftungsbescheide erhob die mitbeteiligte Gesellschaft erneut Berufung, wobei sie inhaltlich auf ihre anhängige Berufung gegen die Bescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2006 bis 2008 verwies. Nach einer abweisenden Berufungsvorentscheidung des Finanzamts stellte sie einen Vorlageantrag.

9 Im Zuge eines Erörterungstermins des BFG stellte der Geschäftsführer H klar, dass bis zur Abtretung der Geschäftsanteile an ihn mit „Abtretungsvertrag“ vom eine verdeckte Treuhandschaft in dem Sinne vorgelegen sei, wonach er als wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile des M anzusehen gewesen sei. Er sei auch derjenige gewesen, dem allfällige Vorteilszuwendungen der Gesellschaft zugeflossen seien. M seien zu keinem Zeitpunkt Vorteilszuwendungen der mitbeteiligten GmbH zugeflossen.

10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für unzulässig erklärt wurde, gab das BFG der (nunmehrigen) Beschwerde der mitbeteiligten Gesellschaft Folge und hob die Bescheide (ersatzlos) auf. Begründend führte es aus, dass die bekämpften Haftungsbescheide vom nicht hätten ergehen dürfen, weil durch die Aufhebung der „Haftungs- und Abgabenbescheide“ vom deren ersatzlose Behebung vorgenommen und bereits eine Entscheidung in der Sache selbst getroffen worden sei und somit mit den Haftungsbescheiden vom wegen bereits entschiedener Sache nicht nochmals hätte abgesprochen werden dürfen. Unabhängig davon komme das BFG zu dem Ergebnis, dass auch das Auswahlermessen dahingehend zu üben sei, die Kapitalertragsteuer dem Schuldner (dem Empfänger der Kapitalerträge) vorzuschreiben, was einer Inanspruchnahme der mitbeteiligten Gesellschaft entgegenstehe.

11 Für das BFG sei dabei entscheidend, dass von der (damaligen) steuerlichen Vertretung der mitbeteiligten GmbH anlässlich der Schlussbesprechung im Zuge der Außenprüfung sogar der Antrag gestellt worden sei, die Kapitalertragsteuer „dem Gesellschafter vorzuschreiben (KESt wird von ihm getragen).“ Mit dem anlässlich der Schlussbesprechung gestellten Antrag habe die Mitbeteiligte zu erkennen gegeben, dass es in ihrem Interesse gelegen sei, die Kapitalertragsteuer „dem Gesellschafter vorzuschreiben“. Es wäre daher nur billig gewesen, die Kapitalertragsteuer in Bezug auf die berechtigten Interessen der Partei „dem Gesellschafter“ (somit H als wirtschaftlichem Eigentümer der Geschäftsanteile) vorzuschreiben. Gegen die Inanspruchnahme der Mitbeteiligten spreche weiters, dass es zur Vorschreibung von Kapitalertragsteuer durch zu verdeckten Ausschüttungen führenden Handlungen des H gekommen sei, weil dieser als faktischer Machthaber und wirtschaftlicher Eigentümer der mitbeteiligten GmbH die Kapitalerträge selbst nicht vorschriftsmäßig gekürzt habe. Es wäre daher unbillig, nicht denjenigen mit den Abgaben zu belasten, der letzten Endes Begünstigter der verdeckten Ausschüttungen gewesen sei. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass die Einbringlichkeit der KESt bei H jederzeit gegeben und zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Haftungsbescheide weder gefährdet noch erschwert gewesen wäre. Das Finanzamt hätte die KESt bei ihm auch rasch einbringen können.

12 Auch wenn in Ausnahmefällen die Inanspruchnahme des Haftenden ohne vorherige Inanspruchnahme des Hauptschuldners zulässig sei, sei doch das zentrale Ermessenskriterium jenes der Nachrangigkeit (Subsidiarität) der Haftung. Daher dürfe der Haftende idR nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Einbringung der Abgabe beim Hauptschuldner gefährdet oder wesentlich erschwert wäre. Darin erblicke das BFG im Streitfall einen Grund mehr für eine Direktvorschreibung der KESt nach § 95 Abs. 5 EStG 1988 beim Empfänger der Kapitalerträge (und Schuldner der Kapitalertragsteuer).

13 Zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Haftungsbescheide (am ) wäre auch noch keine Festsetzungsverjährung bezüglich einer Direktvorschreibung der KESt nach § 95 Abs. 5 EStG 1988 in der für die Streitjahre 2006 bis 2008 geltenden Fassung vorgelegen.

14 Gegen dieses Erkenntnis, soweit es die Zeiträume September bis Dezember 2007 und 2008 betrifft, wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Finanzamts. Zu ihrer Zulässigkeit macht die Amtsrevision geltend, aus den „Haftungs- und Abgabenbescheiden“ vom sei (auch in Zusammenschau mit dem verwiesenen Bericht der Außenprüfung) nicht ersichtlich gewesen, für welche Primärschuldner (Schuldner der Kapitalertragsteuer) konkret die mitbeteiligte GmbH als Haftungspflichtige und Abzugsverpflichtete habe in Anspruch genommen werden sollen, weshalb deren Verfahrensgegenstand als nicht hinreichend bestimmt anzusehen gewesen sei (Hinweis auf ; , 2009/15/0157; , 94/15/0218). Die mitbeteiligte Partei habe daher in ihrer Berufung vom zu Recht die Mangelhaftigkeit der Bescheide gerügt. Mit der Aufhebung gemäß § 299 BAO sei daraufhin nicht die (gar nicht ausreichend bestimmte) Sache des Haftungsverfahrens nach § 95 EStG 1988 abschließend entschieden worden, sondern sei - wie aus der Begründung des Aufhebungsbescheides hervorgehe - die Aufhebung aus rein formellen Gründen erfolgt. Es könne daher nicht von einer entschiedenen Sache ausgegangen werden. Da nicht in der Sache der Haftung für Kapitalertragsteuer (§ 95 Abs. 1 EStG 1988) für einen bestimmen Schuldner und einen bestimmten Betrag abschließend entschieden worden sei, könne in der späteren Haftungsinanspruchnahme mit den Bescheiden vom nicht gegen den Grundsatz der bereits entschiedenen Sache verstoßen worden sein und stellten sich auch keine Fragen in Zusammenhang mit dem Verbindungsverbot nach § 299 Abs. 2 BAO.

15 In der (alternativ) getroffenen Ermessensentscheidung weiche das BFG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs insofern ab, als es in Widerspruch dazu davon ausgehe, dass die Inanspruchnahme der zum Abzug verpflichteten Gesellschaft die Ausnahme darstelle (Hinweis auf ; , 2012/15/0165). Zudem habe das Finanzamt im Beschwerdeverfahren vorgebracht, dass wegen Verjährung eine Festsetzung der Abgabe beim Schuldner der Kapitalerträge nicht mehr möglich sei, was auch für das BFG erkennbar gewesen sei. Durch die im Ergebnis nicht (mehr) mögliche Festsetzung der KESt werde auch gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verstoßen. Darin sei ein Ermessensfehler zu erblicken (zB ).

16 Zum Anfechtungsumfang führte die Amtsrevision aus, das BFG sei in freier Beweiswürdigung zu dem Schluss gekommen, dass H auch in den Zeiträumen 2006 und 1-8/2007 als wirtschaftlicher Eigentümer der Gesellschaftsanteile anzusehen sei. Diesen Ausführungen würde das Finanzamt in einem fortgesetzten Verfahren nicht entgegentreten. Da infolge Verjährung weder eine Haftungsinanspruchnahme noch eine Direktvorschreibung bei H mehr möglich erscheine, werde das Erkenntnis nur für die Haftungsinanspruchnahme betreffend Steuerschuld des H für die Zeiträume 9-12/2007 und 2008 bekämpft.

17 Der Verwaltungsgerichtshof leitet daraufhin das Vorverfahren ein; die mitbeteiligte Gesellschaft erstattete keine Revisionsbeantwortung.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

19 Die Revision ist aus den in ihr genannten Gründen zulässig und begründet.

20 Wie die Amtsrevision zu Recht geltend macht, wurde mit dem Aufhebungsbescheid des Finanzamts vom , mit dem die angefochtenen „Haftungs- und Abgabenbescheid(e)“ für die Jahre 2006 bis 2008 vom gemäß § 299 Abs. 1 BAO wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben wurden, - entgegen der Annahme des BFG - keine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen.

21 Vielmehr erfolgte - wie aus der Begründung des Aufhebungsbescheids hervorgeht - lediglich eine Behebung des Bescheids aus Verfahrensgründen, weil die aufgehobenen „Haftungs- und Abgabenbescheide“ - wie auch von der mitbeteiligten Partei im parallelen Berufungswege moniert - völlig unbestimmt gewesen seien. Den angefochtenen Bescheiden fehlten nämlich wesentliche Kriterien wie die Nennung der Empfänger der Kapitalerträge, der Zeitpunkt des Zuflusses der Beteiligungserträge, die Tatbestandsnennung nach § 201 Abs. 2 und 3 BAO und die Angabe der Haftungsnorm.

22 Eine Sperrwirkung für den Erlass späterer Haftungsvorschreibungen konnte diese Behebung daher nicht auslösen, weshalb sie - entgegen der Auffassung des BFG - auch der Geltendmachung der revisionsgegenständlichen Haftung nicht entgegen gehalten werden kann.

23 Im Falle verdeckter Ausschüttungen liegt es - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0046, näher ausgeführt hat - im Ermessen, ob die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht wird oder eine unmittelbare Vorschreibung an den Empfänger der Kapitalerträge erfolgt (ebenso ).

24 Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis gleichfalls ausgeführt hat, ist die Kapitalertragsteuer dabei grundsätzlich vom Schuldner der Kapitalerträge abzuführen. Nur „ausnahmsweise“ wird der Empfänger der Kapitalerträge gemäß § 95 EStG 1988 in Anspruch genommen.

25 Vor dem geschilderten rechtlichen Hintergrund ist das BFG somit zu Unrecht von einem grundsätzlich vorrangigen Heranziehen des Empfängers der Kapitalerträge und einer nachrangigen Inanspruchnahme der ausschüttenden Körperschaft ausgegangen (vgl. auch bereits ).

26 Wendet sich eine gewinnausschüttende Körperschaft gegen ihre Inanspruchnahme im Haftungsweg für die Kapitalertragsteuer aus verdeckten Ausschüttungen und macht dazu eine unrichtige Ermessensentscheidung der Abgabenbehörde geltend, liegt es am BFG, zu den diesbezüglichen Ermessensparametern erforderlichenfalls ergänzende Ermittlungen und Feststellungen zu treffen und auf dieser Grundlage im Sinne des § 279 BAO zu entscheiden, ob gemäß § 95 EStG 1988 die Haftung gegenüber der gewinnausschüttenden Körperschaft geltend gemacht werden kann. Dabei kommt dem BFG gemäß Art. 130 Abs. 3 B-VG zwar - wie das BFG auch grundsätzlich richtig erkannt hat - insofern eine besondere Position zu, als ihm auch in Ermessensfragen volle Kognition eingeräumt ist (vgl. ). Es hat dabei freilich die im Erkenntnis vom , Ro 2014/15/0046, vorgegebenen Grundsätze zu beachten, wobei dem Umstand, dass ein „Antrag“ der steuerlichen Vertretung der mitbeteiligten Gesellschaft vorlag, dem Gesellschafter die KESt direkt vorzuschreiben, alleine - entgegen der Auffassung des BFG - keine entscheidende Bedeutung zukommen kann.

27 Die volle Ermessenskognition des BFG bedeutet vor allem allerdings auch, dass das BFG dieses Ermessen in seinem eigenen Entscheidungszeitpunkt neu zu üben hat und sich nicht - wie vom BFG offenbar zugrunde gelegt - auf die Kontrolle der Richtigkeit der seinerzeitigen Ermessensübung des Finanzamts beschränken kann. Zu Recht weist das Finanzamt daher gerade vor diesem Hintergrund darauf hin, dass das BFG die in seinem Entscheidungszeitpunkt bereits fehlende Durchsetzbarkeit einer (sonst alternativ denkbaren) Direktvorschreibung der Kapitalertragsteuer an H infolge Verjährung hätte berücksichtigen müssen, weil sie einen maßgeblichen Ermessensgesichtspunkt für ein Festhalten an der Haftungsinanspruchnahme der mitbeteiligten GmbH darstellt, mit dem sich das BFG hätte auseinander setzen müssen.

28 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG im Anfechtungsumfang (betreffend die Zeiträume September bis Dezember 2007 und 2008) aufzuheben.

Wien, am

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Normen
BAO §20
BAO §224
BAO §279
B-VG Art130 Abs3
EStG 1988 §95
VwRallg
Schlagworte
Ermessen VwRallg8
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021150093.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
SAAAF-45726