VwGH 16.11.2023, Ra 2021/15/0091
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Aufgrund der in den Kollektivverträgen für Arbeiter und Angestellte im Hotel und Gastgewerbe vorgesehenen Durchrechnung darf die tägliche Arbeitszeit maximal neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit maximal 48 Stunden betragen. Die innerhalb dieses Rahmens geleisteten Stunden stellen während der laufenden Durchrechnung noch keine Überstunden dar. Während des Durchrechnungszeitraums liegen Überstunden demnach erst vor, wenn die tägliche Arbeitszeit von neun Stunden oder die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden überschritten wird. Stunden, die die tägliche Arbeitszeit von neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden übersteigen, unterliegen nicht der Durchrechnung und scheiden aus dem Saldo an Plus- und Minusstunden aus. Insoweit liegen sofort Überstunden vor, die nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei behandelt werden können. Weiters ist zu berücksichtigen, dass im Abrechnungsmonat am Ende des Durchrechnungszeitraums allenfalls bestehende Zeitguthaben zu Überstunden werden. Diese Überstunden sind, soweit sie im Abrechnungsmonat erbracht worden sind, einem bestimmten Lohnzahlungszeitraum zuordenbar und daher ebenfalls einer Begünstigung gemäß § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglich. (hier: Durchrechnungszeitraum von einer Saison) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der S GmbH in K, vertreten durch Mag. Norbert Huber, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meinhardstraße 5a, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100880/2019, betreffend Haftung für Lohnsteuer der Jahre 2013 bis 2016, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die ein Hotel betreibt, fand eine gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben (GPLA) statt. Die Prüferin stellte fest, dass Überstundenpauschalen ausbezahlt und aus diesen steuerfreie Überstundenzuschläge herausgeschält worden seien. Mit den Dienstnehmern seien Dienstverträge mit Arbeitszeiten von bis zu 54 Wochenstunden abgeschlossen worden und das vereinbarte Entgelt habe sich aus einem Grundlohn/-gehalt, Überstundenpauschale, Feiertagsarbeitsentgelt sowie einer All-In-Überzahlung zusammengesetzt. Aus den vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen seien nur die gesamten Arbeitszeiten im Betrieb ersichtlich, nicht aber an welchen Tagen und zu welchen Tagesstunden die einzelnen Dienstnehmer Überstunden leisteten. Die vorgelegten Auswertungen enthielten ebenfalls keine Angaben zur zeitlichen Lagerung der Überstunden. Auch die zwingenden betrieblichen Gründe zur Leistung der Überstunden seien nicht dargestellt worden. Eine Begünstigung der Überstundenzuschläge nach § 68 Abs. 1 EStG 1988 komme daher nicht in Betracht.
2 Das Finanzamt folgte der Prüferin und erließ Bescheide, mit denen es die Revisionswerberin zur Haftung für Lohnsteuer betreffend die Jahre 2013 bis 2016 heranzog sowie Säumniszuschläge vorschrieb.
3 Die Revisionswerberin erhob gegen die Haftungsbescheide Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, ihre Dienstnehmer hätten dem Arbeitszeitgesetz (AZG) entsprechende Aufzeichnungen geführt. In den Aufzeichnungen seien die vom jeweiligen Dienstnehmer geleisteten Arbeitsstunden in Bezug auf Umfang und zeitlicher Lagerung tatsachenkonform abgebildet. Anhand dieser im Verfahren vollständig vorgelegten Aufzeichnungen und der gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Arbeitszeitbestimmungen sei ohne weiteres feststellbar, inwieweit Normal- oder aber Überstundenarbeit gegeben sei.
4 Die Arbeitnehmerin S habe etwa im Rahmen einer sechstätigen Arbeitswoche in der Regel um 14:00/15:00 zu arbeiten begonnen und bis 23:30/00:30 gearbeitet. Ihre Tagesarbeitszeit habe - unter Berücksichtigung der Pausenzeiten iSd § 26 Abs. 5 Z 1 AZG - in der Regel neun Stunden betragen. Die gesetzliche Normalarbeitszeit im Ausmaß von jeweils acht Stunden entfalle auf die ersten fünf Arbeitstage der Woche. Die an diesen Tagen in der Regel erbrachte neunte Arbeitsstunde „(bzw. am 4. und jeweils 3 Stunden bzw. in der Zeit vom 1. bis jeweils ½ Stunde)“ und alle am sechsten Arbeitstag - bei dem es sich bis auf den und den stets um einen Sonntag gehandelt habe - erbrachten Arbeitsstunden, stellten Überstunden dar, die einer steuerlichen Begünstigung iSd § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglich seien.
5 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, woraufhin die Revisionswerberin deren Vorlage an das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragte.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das BFG der Beschwerde keine Folge. Es stellte fest, von den Dienstnehmern der Revisionswerberin seien Arbeitszeitnachweise auf elektronischem Weg geführt worden. Die Arbeitszeiten seien in Spalten wie folgt erfasst worden: Datum (mit Wochentag), Zeitart (Wochenruhetag, Arbeitstag, Arbeitsfeiertag, Urlaubstag, Ersatzruhetag, Zeitausgleich etc.), Arbeitszeit mit Beginn und Ende, Pause, GAZ (Gesamtarbeitszeit). Die Revisionswerberin habe zwei „Muster-Arbeitsverträge“ betreffend die Angestellte M und die Arbeiterin P vorgelegt. Mit den übrigen Arbeitnehmern seien laut Revisionswerberin gleichlautende Verträge abgeschlossen worden.
7 Im Vertragsmuster für Angestellte werde unter Punkt „2. Dienstzeit und Ersatzruhe“ u.a. angeführt: „Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 54,00 Stunden aufgeteilt auf 6,0 Tage.“ Im Vertragsmuster betreffend Arbeiter sei die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit mit 45,00 Stunden ausschließlich der Pausen, aufgeteilt auf 6,0 Tage geregelt. Die Arbeit werde vom Arbeitgeber eingeteilt und die Aufteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage werde zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer vereinbart. Über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistungen bedürften der Anweisung und Zustimmung des Dienstgebers. Zudem sei ein Durchrechnungszeitraum von einer Saison vereinbart worden. Das Entgelt teile sich in Grundgehalt/-lohn, Überstundenpauschale, Feiertagsentgelt, eine All-In-Überzahlung und bei Arbeitern in einen Zuschlag für den sechsten Arbeitstag.
8 Mit den Angestellten sei demnach eine Arbeitszeit von 54 Stunden pro Woche und mit den Arbeitern eine solche von 45 Stunden pro Woche, jeweils aufgeteilt auf sechs Tage, vereinbart worden. Zudem sei eine Durchrechnung über die ganze Saison vorgesehen worden. Eine Lagerung der Normalarbeitszeit lasse sich daraus nicht ableiten. Es finde sich auch in keiner Betriebsvereinbarung, in keiner Einzelvereinbarung oder ähnlichem eine genaue zeitliche Lagerung der Normalarbeitszeit. Die Feststellung, wann eine (qualifizierte) Überstunde geleistet worden sei, sei daher nicht möglich. Dies werde auch in der Beschwerde eingeräumt.
9 Auch unter Heranziehung von § 68 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 lasse sich nicht zweifelsfrei feststellen, wann eine Überstunde vorliege. Eine Überstunde, die durch Überschreiten der innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer allgemein üblichen Normalarbeitszeit zustande komme, liege entweder vor, wenn die Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche oder wenn die Tagesarbeitszeit überschritten werde. Der von der Revisionswerberin gezogene Schluss, die neunte Stunde jedes Arbeitstages sei eine Überstunde, sei daher ebenso wie der Schluss, dass die ersten 40 Stunden jeder Woche Normalarbeitszeit und alle weiteren Stunden Überstunden seien, nicht zwingend. Die Vereinbarung eines Durchrechnungszeitraumes habe zudem zur Folge, dass die neunte Arbeitsstunde zu einem Zeitausgleich führen könne.
10 Wenn sich - wie im Revisionsfall - eine genaue Lagerung der Normalarbeitszeit nicht ermitteln lasse, könne es unabhängig davon, wie genau die Arbeitszeiten aufgezeichnet seien, zu keiner Begünstigung für Überstundenzuschläge gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1988 (für Überstunden an Sonn- und Feiertagen bzw. in der Nacht) kommen, weil nicht feststellbar sei, wann genau die Überstunden geleistet worden seien. Die Revisionswerberin habe auch keinen Nachweis für das betriebliche Erfordernis von Überstunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen erbracht.
11 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete außerordentliche Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vor, die Ausführungen des BFG im angefochtenen Erkenntnis, wonach das Vorliegen von Überstunden und deren konkrete Lage nicht feststellbar sei, seien unzutreffend. Die vorgelegten Arbeitszeitnachweise gäben vollständige und detaillierte Auskunft über die zeitliche Lagerung der Arbeitsstunden. Angaben über die betrieblich geführten Durchrechnungszeiträume lägen ebenfalls vor. Die rechtliche Qualifikation, inwieweit die Arbeitnehmer qualifizierte Überstunden iSd § 68 Abs. 1 EStG 1988 erbracht hätten, sei daher ohne weiteres möglich.
12 Das Finanzamt hat nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung erstattet.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Die Revision ist zulässig und begründet.
15 § 68 EStG 1988 lautet auszugsweise:
„§ 68. (1) Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen sowie Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und mit diesen Arbeiten zusammenhängende Überstundenzuschläge sind insgesamt bis 360 Euro monatlich steuerfrei.
(2) Zusätzlich zu Abs. 1 sind Zuschläge für die ersten zehn Überstunden im Monat im Ausmaß von höchstens 50% des Grundlohnes, insgesamt höchstens jedoch 86 Euro monatlich, steuerfrei.
(3) Soweit Zulagen und Zuschläge durch Abs. 1 und 2 nicht erfaßt werden, sind sie nach dem Tarif zu versteuern.
(4) Als Überstunde gilt jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Arbeitsstunde. Als Normalarbeitszeit gilt jene Arbeitszeit, die auf Grund
1. gesetzlicher Vorschriften,
[...]
5. von Kollektivverträgen oder Betriebsvereinbarungen, die auf Grund besonderer kollektivvertraglicher Ermächtigungen abgeschlossen worden sind,
[...]
festgesetzt wird oder die
7. innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern allgemein übliche Normalarbeitszeit. Als Überstunde gilt jedoch nur jene Arbeitszeit, die 40 Stunden in der Woche übersteigt oder durch die die Tagesarbeitszeit überschritten wird, die sich auf Grund der Verteilung einer mindestens 40stündigen wöchentlichen Normalarbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage ergibt.
[...]
(6) Als Nachtarbeit gelten zusammenhängende Arbeitszeiten von mindestens 3 Stunden, die auf Grund betrieblicher Erfordernisse zwischen 19 Uhr und 7 Uhr erbracht werden müssen. Für Arbeitnehmer, deren Normalarbeitszeit im Lohnzahlungszeitraum überwiegend in der Zeit von 19 Uhr bis 7 Uhr liegt, erhöht sich der Freibetrag gemäß Abs. 1 um 50%.
[...]
(9) Sieht eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des Abs. 5 Z 1 bis 6 vor, dass an Sonntagen regelmäßig Arbeitsleistungen zu erbringen sind und dafür ein Wochentag als Ersatzruhetag (Wochenruhe) zusteht, sind Zuschläge und Überstundenzuschläge am Ersatzruhetag wie Zuschläge gemäß Abs. 1 zu behandeln, wenn derartige Zuschläge für an Sonntagen geleistete Arbeit nicht zustehen.“
16 Gemäß § 3 Abs. 1 AZG darf die tägliche Normalarbeitszeit acht Stunden und die wöchentliche Normalarbeitszeit vierzig Stunden nicht überschreiten, soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird.
17 Nach § 4 Abs. 6 AZG kann der Kollektivvertrag für Arbeitnehmer, die nicht unter § 4 Abs. 4 AZG (Anm: Personal im Handel) fallen, zulassen, dass in einzelnen Wochen eines Durchrechnungszeitraumes von bis zu einem Jahr die Normalarbeitszeit auf höchstens 50 Stunden (Durchrechnungszeitraum von bis zu acht Wochen) bzw. 48 Stunden (Durchrechnungszeitraum von mehr als acht Wochen) ausgedehnt wird, wenn sie innerhalb dieses Zeitraumes im Durchschnitt 40 Stunden bzw. die durch Kollektivvertrag festgelegte Normalarbeitszeit nicht überschreitet. Der Kollektivvertrag kann einen längeren Durchrechnungszeitraum unter der Bedingung zulassen, dass der zur Erreichung der durchschnittlichen Normalarbeitszeit erforderliche Zeitausgleich jedenfalls in mehrwöchigen zusammenhängenden Zeiträumen verbraucht wird. Die tägliche Normalarbeitszeit darf neun Stunden nicht überschreiten.
18 § 26 Abs. 1 AZG bestimmt, dass der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen hat. Der Beginn und die Dauer eines Durchrechnungszeitraumes sind festzuhalten.
19 Sowohl der Arbeiter- als auch der Angestelltenkollektivvertrag im Hotel- und Gastgewerbe sehen eine Durchrechnung für Vollzeitbeschäftigte vor. Im Falle einer Durchrechnung gilt, dass die wöchentliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden im Durchschnitt des Durchrechnungszeitraumes nicht überschritten werden darf. Weiters darf die tägliche Arbeitszeit maximal neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit (bei Durchrechnung des sechsten Arbeitstages) maximal 48 Stunden betragen. Übersteigt die tatsächlich gearbeitete Zeit eine der angeführten Grenzen, fallen Überstunden an, die nicht der Durchrechnung unterliegen und aus dem Saldo an Plus- und Minusstunden auszuscheiden sind (vgl. Köck/Steinlechner, Personalverrechnung im Gastgewerbe und in der Hotellerie5 [2022] Seite 41).
20 Im Betrieb der Revisionswerberin wurden Arbeitszeitnachweise geführt, denen das Datum (mit Wochentag), die Zeitart (Wochenruhetag, Arbeitstag, Arbeitsfeiertag, Urlaubstag, Ersatzruhetag, Zeitausgleich etc.), die Arbeitszeit (Beginn und Ende), die Pausen und die Gesamtarbeitszeit zu entnehmen sind.
21 Strittig ist, ob sich aus diesen Arbeitszeitnachweisen und den gesetzlichen bzw. kollektivvertraglichen Arbeitszeitbestimmungen das Vorliegen von Normal- oder Überstundenarbeit ergibt, also insbesondere auch, welche Stunden als Überstunden und gegebenenfalls zudem als Nacht- oder Sonntagsarbeit einzustufen sind.
22 In der Beschwerde wird - unter Bezugnahme auf das Beschäftigungsverhältnis mit der Arbeitnehmerin S, die im Rahmen einer sechstägigen Arbeitswoche in der Regel um 14:00/15:00 zu arbeiten begonnen und bis 23:30/00:30 gearbeitet habe, ausgeführt, die gesetzliche Normalarbeitszeit im Ausmaß von jeweils acht Stunden entfalle auf die ersten fünf Arbeitstage der Woche, weshalb es sich bei der an diesen Tagen in der Regel erbrachten neunten Arbeitsstunde und bei allen am sechsten Arbeitstag erbrachten Arbeitsstunden um Überstunden handle, die einer steuerlichen Begünstigung nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglich seien.
23 Diesen Ausführungen hält das BFG zutreffend entgegen, dass zwischen der Revisionswerberin und ihren Arbeitnehmern ein Durchrechnungszeitraum von einer Saison vereinbart worden ist. Aufgrund dieser in den Kollektivverträgen für Arbeiter und Angestellte im Hotel und Gastgewerbe vorgesehenen Durchrechnung darf die tägliche Arbeitszeit maximal neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit maximal 48 Stunden betragen. Die innerhalb dieses Rahmens geleisteten Stunden stellen während der laufenden Durchrechnung noch keine Überstunden dar (vgl. Köck/Steinlechner, a.a.O., Seite 49). Während des Durchrechnungszeitraums liegen Überstunden demnach erst vor, wenn die tägliche Arbeitszeit von neun Stunden oder die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden überschritten wird.
24 Mit dem im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Standpunkt, aufgrund der vereinbarten Durchrechnung seien Feststellungen dahingehend, wann eine (qualifizierte) Überstunde geleistet worden sei, überhaupt nicht möglich, ist das BFG hingegen schon deswegen nicht im Recht, weil Stunden, die die tägliche Arbeitszeit von neun Stunden und die wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden übersteigen, nicht der Durchrechnung unterliegen und aus dem Saldo an Plus- und Minusstunden ausscheiden. Insoweit liegen sofort Überstunden vor, die nach § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 steuerfrei behandelt werden können. Weiters ist zu berücksichtigen, dass im Abrechnungsmonat am Ende des Durchrechnungszeitraums allenfalls bestehende Zeitguthaben zu Überstunden werden. Diese Überstunden sind, soweit sie im Abrechnungsmonat erbracht worden sind, einem bestimmten Lohnzahlungszeitraum zuordenbar und daher ebenfalls einer Begünstigung gemäß § 68 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG 1988 zugänglich (vgl. Köck/Steinlechner, a.a.O., Seite 49).
25 Indem das BFG die Abweisung der Beschwerde darauf gestützt hat, dass sich aus den Arbeitszeitnachweisen der Revisionswerberin die zeitliche Lagerung der Normalarbeitszeit und der Überstunden nicht ableiten lasse, hat es demnach die Rechtslage verkannt. Diesem Umstand kommt jedenfalls Bedeutung zu, weil bei einem Hotelbetrieb davon auszugehen ist, dass die Ableistung von (Über)Stunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen erforderlich ist, weshalb die Alternativbegründung des angefochtenen Erkenntnisses, die Revisionswerberin habe auch keinen Nachweis für das betriebliche Erfordernis von Überstunden in der Nacht bzw. an Sonn- und Feiertagen erbracht, nicht ohne weiteres nachvollziehbar ist.
26 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
27 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021150091.L00 |
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Fundstelle(n):
IAAAF-45725