VwGH 25.05.2022, Ra 2021/15/0086
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | EStG 1988 §4 |
RS 1 | Als Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert anzusehen, die durch den Betrieb veranlasst sind (siehe etwa auch Doralt, EStG7, § 4 Tz 221, mit den dort angeführten weiteren Nachweisen, ebenso wie das hg. Erkenntnis vom , 90/14/0034, sowie Jilch, Die Besteuerung pauschalierter Land- und Forstwirte2, 313, und Schögl, EU-Subventionen für die Land- und Forstwirtschaft grundsätzlich steuerpflichtig, aber abpauschaliert, in RdW 1995/12, 485). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2001/13/0289 E VwSlg 8116 F/2006 RS 2 |
Norm | EStG 1988 §20 Abs2 |
RS 2 | Nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen stehen. Diese Bestimmung ist Ausdruck des allgemeinen steuerlichen Rechtsgrundsatzes, wonach der fehlenden Steuerpflicht auf der einen Seite das Abzugsverbot auf der anderen Seite gegenübersteht. |
Normen | |
RS 3 | Nach § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Fassung des AbgÄG 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, und des Budgetbegleitgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 112/2011, gelten Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Abs. 4 EStG 1988 grundsätzlich in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden. Die Ausnahme vom Zufluss-Abfluss-Prinzip wurde laut den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum AbgÄG 2011 statuiert, um eine Zusammenballung von Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Zuflusszeitpunkt und den damit einhergehenden Progressionseffekt zu verhindern. Vielmehr sollten sie als Einnahmen jenes Veranlagungszeitraumes gelten, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden (1212 BlgNR 24.GP S 17 f). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Linz in 4020 Linz, Bahnhofplatz 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101084/2015, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung 2007) (mitbeteiligte Partei: S L in W, vertreten durch die Ditachmair & Partner Beratungsunternehmen Steuerberatung & Wirtschaftsprüfung GmbH in 4020 Linz, Dinghoferstraße 4), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei machte in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2007 Ausbildungskosten als Werbungskosten geltend, die vom Finanzamt bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2007 nicht anerkannt worden sind.
2 Einer gegen den Einkommensteuerbescheid gerichteten Berufung (nunmehr Beschwerde) gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin die mitbeteiligte Partei die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise Folge und stellte in sachverhaltsmäßiger Hinsicht fest, die mitbeteiligte Partei habe als Reisebüroassistentin gearbeitet und im Jahr 2007 die Ausbildung zur „Alexandertechniklehrerin“ begonnen. Die Ausbildung habe von 2007 bis 2011 gedauert. Die Ausbildung habe zum Ziel gehabt, das erworbene Wissen in einer eigenen Praxis weiterzugeben. Dafür habe die mitbeteiligte Partei auch das Stundenausmaß als Reisebüroassistentin ab 2012 von 41 auf 38,5 Stunden reduziert.
4 In Summe habe die mitbeteiligte Partei im Jahr 2007 Ausbildungskosten (Kurskosten) in Höhe von 3.847 € bezahlt. Zusätzlich habe sie Kilometergeld für die Fahrten zum Ausbildungsort in Höhe von 997,15 € und Taggeld für 34 Tage in Höhe von 523,60 € geltend gemacht.
5 Die Ausbildung der mitbeteiligten Partei (Anm: deren Kosten laut einer im Veranlagungsakt einliegenden Vorhaltsbeantwortung des steuerlichen Vertreters der mitbeteiligten Partei rund 18.000 € betragen haben) sei durch das Land Oberösterreich (Bildungskonto) mit 1.800 € gefördert worden, wobei die Zuerkennung und Auszahlung der Förderung im Jahr 2011 erfolgt sei.
6 Im Jahr 2012 habe die mitbeteiligte Partei als „Alexanderlehrerin“ Einnahmen von 2.683 € erzielt und Einkünfte aus dieser Tätigkeit von 2.619,33 € erklärt. Ihre Einkünfte des Jahres 2013 hätten sich auf 1.117,01 € belaufen und für einen Zeitraum von sieben Jahren habe sie einen Gewinn von rund 21.000 € prognostiziert.
7 In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts führte das Bundesfinanzgericht - nach Anführung der bezughabenden Gesetzesstellen sowie dazu ergangener Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - aus, die mitbeteiligte Partei habe bereits eine berufliche Tätigkeit (Reisebüroassistentin) ausgeübt und mit der gegenständlichen Ausbildung auf die Ausübung eines weiteren, von der ursprünglichen Tätigkeit völlig unterschiedlichen Berufs abgezielt. Kurz nach Ende der Ausbildung habe sie Einnahmen aus der neuen Tätigkeit lukriert und die Stunden in ihrem Beruf als Reisebüroassistentin reduziert. Es lägen Umstände vor, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgingen. Die absolvierte Ausbildung sei als umfassende Umschulung und die damit im Zusammenhang stehenden Aufwendungen seien als Betriebsausgabe iSd § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 zu qualifizieren. Wie aus der Stellungnahme des Finanzamts im Vorlagebericht hervorgehe, seien sich die Parteien des Verfahrens darin einig, dass dem Grunde nach Umschulungskosten vorlägen.
8 Als abziehbare Umschulungskosten kämen die unmittelbaren Kosten der Bildungsmaßnahme (Kurskosten, Lernbehelfe), Fahrtkosten und Tagesgelder in Betracht. Die im Jahr 2007 bezahlten Kurskosten hätten 3.847 € und die Fahrtkosten 997,15 € betragen. Verpflegungskosten stünden nur für die ersten fünf Tage zu, weshalb der mitbeteiligten Partei von den insgesamt geltend gemachten 523,60 € nur 409,20 € gebührten. Die Umschulungskosten des Jahres 2007 beliefen sich demnach auf insgesamt 4.958,55 €.
9 Laut Schreiben des Landes Oberösterreich vom sei an die mitbeteiligte Partei im Jahr 2011 eine Förderung von 1.800 € im Rahmen des Bildungskontos ausbezahlt worden. Der Zeitpunkt des Zuschusses sei nach den Bestimmungen der §§ 15 und 16 EStG 1988 zu beurteilen. Dies habe zur Folge, dass allfällige nachträgliche Erstattungen die im Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart erwachsenen Werbungskosten im Jahr des Abflusses nicht minderten, sondern die Erstattungsbeträge im Jahr des Zuflusses - nach dem Zufluss-Abfluss-Prinzip des § 19 EStG 1988 - Einnahmen bei jener Einkunftsart darstellten, bei der sie erwachsen seien.
10 Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, wenn das Bundesfinanzgericht vermeine, dass die gegenständliche Förderung erst im Jahr des Zuflusses (2011) steuerlich zu erfassen sei und keine Auswirkung auf im Jahr 2007 getätigte Bildungskosten habe, lasse es die ab der Veranlagung 2011 geltende Regelung außer Acht, wonach Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Abs. 4 EStG 1988 in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelten, für das der Anspruch bestehe bzw. für das sie getätigt würden.
11 Die mitbeteiligte Partei hat nach Einleitung des Vorverfahrens keine Revisionsbeantwortung erstattet.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
13 Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
14 Als Betriebseinnahmen sind alle Zugänge in Geld oder Geldeswert anzusehen, die durch den Betrieb veranlasst sind (vgl. Doralt et al, EStG19, § 4 Tz 221, mwN).
15 Nach § 20 Abs. 2 EStG 1988 dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen stehen. Diese Bestimmung ist Ausdruck des allgemeinen steuerlichen Rechtsgrundsatzes, wonach der fehlenden Steuerpflicht auf der einen Seite das Abzugsverbot auf der anderen Seite gegenübersteht (vgl. Doralt et al, EStG20, § 20 Tz 148 ff, mwN).
16 § 3 Abs. 4 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2010, BGBl. I Nr. 34/2010 lautet auszugsweise:
„(4) Öffentliche Mittel im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:
Mittel, die von inländischen Körperschaften des öffentlichen Rechts oder diesen entsprechenden ausländischen Körperschaften eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes stammen.
[...]“
17 Nach § 19 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 76/2011, und des Budgetbegleitgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 112/2011, gelten Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Abs. 4 EStG 1988 grundsätzlich in dem Kalenderjahr als zugeflossen, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden.
18 Die Ausnahme vom Zufluss-Abfluss-Prinzip wurde laut den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum AbgÄG 2011 statuiert, um eine Zusammenballung von Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Zuflusszeitpunkt und den damit einhergehenden Progressionseffekt zu verhindern. Vielmehr sollten sie als Einnahmen jenes Veranlagungszeitraumes gelten, für das der Anspruch besteht bzw. für das sie getätigt werden (1212 BlgNR 24.GP S 17 f).
19 Die mitbeteiligte Partei hat in den Jahren 2007 bis 2011 eine umfassende Umschulung iSd § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 absolviert. Im Zusammenhang mit dieser Ausbildung sind ihr Aufwendungen von rund 18.000 € erwachsen. Im Jahr 2011 wurde ihr vom Land Oberösterreich, einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts, ein Zuschuss zu den Ausbildungskosten in Höhe von 1.800 € gewährt und zugezählt.
20 Das Bundesfinanzgericht geht im angefochtenen Erkenntnis davon aus, dass der Zuschuss im Jahr des Zuflusses (2011) als Einnahme zu erfassen sei, also nicht im Streitjahr 2007. Demgegenüber vertritt das Finanzamt die Auffassung, dass ein Zuschuss, der aus Mitteln einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts stammt, seit der Novellierung des § 19 Abs. 1 EStG 1988 durch das AbgÄG 2011 und das BudBG 2012 in dem Kalenderjahr als zugeflossen gelte, für das der Anspruch bestehe bzw. für das er getätigt werde. Grundsätzlich ist dieser Ansicht des Finanzamtes zuzustimmen. Allerdings wird das Inkrafttreten der Novellierung des § 19 Abs. 1 EStG 1988 zunächst durch das AbgÄG 2011 und sodann durch das BudBG 2012 in § 124b Z 199 sowie Z 204 EStG 1988 einheitlich dergestalt geregelt, dass die novellierte Fassung „erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2011 anzuwenden“ ist. Für das Streitjahr 2007 kommt die in Rede stehende Bestimmung demnach nicht zur Anwendung.
21 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150086.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
OAAAF-45723