VwGH 27.07.2021, Ra 2021/15/0068
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Die Auffassung, ein Bescheid könne mangels Begründung keine rechtlichen Wirkungen entfalten, ist unzutreffend (vgl. ). Der Rechtsschutz des Bescheidadressaten ist durch die für Fälle ganz oder teilweise fehlender Begründung eines Abgabenbescheides Vorsorge treffenden Bestimmungen des § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 BAO gewährleistet (vgl. neuerlich ). |
Normen | |
RS 2 | Nach § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Enthält ein Bescheid keine Begründung, verweist er aber auf eine gesondert ergehende Begründung, so wird entsprechend dem letzten Satz die Beschwerdefrist erst mit Bekanntgabe (Zustellung) der nachträglichen Begründungsausfertigung in Lauf gesetzt. Enthält ein Bescheid keine Ankündigung einer gesondert ergehenden Begründung, fehlt aber das wesentliche Bescheidmerkmal der Begründung, so wird trotzdem die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt. Der Bescheidadressat kann aber innerhalb dieser Frist einen Antrag nach § 245 Abs. 2 BAO stellen (vgl. ). |
Normen | BAO §245 Abs2 VwRallg |
RS 3 | Nur wenn ein Antrag nach § 245 Abs. 2 BAO tatsächlich gestellt wird, kommt es zur Hemmung des Laufes der Beschwerdefrist (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der H Beteiligungs- und Warenhandelsgmbh, der gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts Außenstelle Linz vom , Zl. RV/5101303/2017, betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2014, erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
1 Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist gemäß § 30 Abs. 2 VwGG davon abhängig, dass zwingende öffentliche Interessen dem begehrten Vollzugsaufschub nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Erkenntnisses für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Unverhältnismäßigkeit des Nachteils aus einer Verpflichtung zu einer Geldleistung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. näher VwGH verstSen , Slg. 10.381/A) schon im Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung durch zahlenmäßige Angaben über die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Revisionswerbers zu konkretisieren.
2 Erst eine ausreichende und zudem glaubhaft gemachte Konkretisierung, die gegenständlich zur Gänze unterblieben ist, erlaubt die durch das Gesetz gebotene Interessenabwägung. Überdies lässt das Vorbringen im Aufschiebungsantrag, wonach der sofortige Vollzug der festgesetzten Beträge für die Revisionswerberin mit einem unverhältnismäßigen Nachteil, nämlich einem weiteren Insolvenzverfahren verbunden sei, darauf schließen, dass die Einbringlichkeit der Abgabenforderung gefährdet ist. Bei Zuerkennung aufschiebender Wirkung könnte die Abgabenbehörde diesfalls weder erforderliche Sicherheiten erwerben noch auf neu auftauchendes Vermögen der Revisionswerberin greifen. Dies könnte zu endgültigen Forderungsverlusten des Bundes führen, was zwingenden öffentlichen Interessen widerspricht (vgl. z.B. ).
3 Dem Antrag konnte daher nicht stattgegeben werden.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Beschluss
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte Mag. Novak und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision der H GmbH in S, vertreten durch Gerhard Peither, Steuerberater in 4020 Linz, Sandgasse 16, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5101303/2017, betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2014, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Im Zuge einer bei der revisionswerbenden Gesellschaft durchgeführten Außenprüfung betreffend Körperschaft-, Kapitalertrag- und Umsatzsteuer der Jahre 2012 bis 2014 wurden näher begründete Feststellungen getroffen, die u.a. zu einer Wiederaufnahme der Verfahren hinsichtlich Umsatzsteuer 2012 bis 2014 und zur Erlassung neuer diesbezüglicher Sachbescheide vom geführt haben. Diese elektronisch erstellten, keine Begründung enthaltenden Bescheide wurden der revisionswerbenden Gesellschaft am zugestellt.
2 Mit einem gesonderten Schreiben des Finanzamts, zur Post gegeben am und der revisionswerbenden Gesellschaft am zugestellt, wurde ihr der mit datierte Bericht über die Außenprüfung übermittelt.
3 Am beantragte der steuerliche Vertreter der revisionswerbenden Gesellschaft die Verlängerung der Beschwerdefrist betreffend die Umsatzsteuerbescheide für den Zeitraum 2012 bis 2014 vom . Nach weiteren Fristerstreckungen erhob die revisionswerbende Gesellschaft am Beschwerde, die nach einem Mängelbehebungsauftrag mit Eingabe vom inhaltlich ausgeführt wurde.
4 Mit den Beschwerdevorentscheidungen vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab, woraufhin die revisionswerbende Gesellschaft fristgerecht die Vorlage an das Bundesfinanzgericht beantragte.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht - nach einer von der Revisionswerberin unbeantwortet gebliebenen Aufforderung vom , die Rechtzeitigkeit der Beschwerde vom nachzuweisen - die Beschwerde gemäß § 278 Abs. 1 lit. a iVm § 260 Abs. 1 lit. b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurück. Begründend führte es aus, die Zustellung der Umsatzsteuerbescheide sei am (Samstag) erfolgt, sodass die Beschwerdefrist unter Berücksichtigung des § 108 Abs. 3 BAO am (Montag) geendet habe. Der Fristerstreckungsantrag vom sei außerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt worden, weshalb er nicht fristhemmend gewirkt habe. Im Übrigen sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorbringt, das Bundesfinanzgericht sei von der ständigen und gesicherten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach aufgrund der in der Sache ergangenen Beschwerdevorentscheidung im Hinblick auf die formelle Voraussetzung der Rechtzeitigkeit eine entschiedene Rechtssache vorgelegen habe. Darüber hinaus habe die Rechtsmittelfrist in Bezug auf die begründungslosen Umsatzsteuerbescheide erst mit dem Tag der Zustellung des Berichts über die Außenprüfung, sohin am , zu laufen begonnen. Erst ab diesem Zeitpunkt sei die revisionswerbende Gesellschaft in voller Kenntnis des den Umsatzsteuerbescheiden zugrundeliegenden Sachverhalts gewesen. Schließlich wird in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, das Bundesfinanzgericht hätte im Rahmen seiner Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsermittlung nicht „dem ausgewiesenen Vertreter“, sondern dem Finanzamt auftragen müssen, „die Zustellung und somit die Rechtzeitigkeit“ nachzuweisen.
7 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Unter diesem Gesichtspunkt führt die Revision der Sache nach zunächst ins Treffen, das Bundesfinanzgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es trotz der am in merito ergangenen Beschwerdevorentscheidung die Verspätung der Revision - unter Missachtung des Vorliegens einer „entschiedenen Rechtssache“ - aufgegriffen habe.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gesonderten Zulassungsbegründung konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht oder konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht gelöst hat (vgl. etwa , mwN). Die bloße Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung, die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts widerspreche der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, ohne anzugeben, von welcher Rechtsprechung eine Abweichung besteht, entspricht diesen Anforderungen nicht (vgl. etwa jüngst ). Im Übrigen übersieht die Revision mit dieser Argumentation, dass gemäß § 264 Abs. 3 BAO die Beschwerde - wie hier - ab Einbringung eines rechtzeitigen Vorlageantrags wieder als unerledigt gilt und das Bundesfinanzgericht gemäß § 278 Abs. 1 lit. a BAO zu prüfen hat, ob ein vom Finanzamt nicht aufgegriffener Grund für die Zurückweisung der Beschwerde vorliegt.
13 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit weiters vor, die Umsatzsteuerbescheide hätten entgegen § 93 Abs. 3 lit. a BAO keine Begründung enthalten, weshalb die Beschwerdefrist erst mit Zustellung des Berichts über die Außenprüfung zu laufen begonnen habe, und wirft dem Bundesfinanzgericht in diesem Zusammenhang einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsermittlung vor. Allerdings ist bereits die dieser Argumentation zugrundeliegende Auffassung, ein Bescheid könne mangels Begründung keine rechtlichen Wirkungen entfalten, unzutreffend (vgl. ). Zur Klarstellung ist darauf zu verweisen, dass der Rechtsschutz des Bescheidadressaten durch die für Fälle ganz oder teilweise fehlender Begründung eines Abgabenbescheides Vorsorge treffenden Bestimmungen des § 245 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 2 BAO gewährleistet ist (vgl. neuerlich ). Nach § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat. Enthält ein Bescheid keine Begründung, verweist er aber auf eine gesondert ergehende Begründung, so wird entsprechend dem letzten Satz die Beschwerdefrist erst mit Bekanntgabe (Zustellung) der nachträglichen Begründungsausfertigung in Lauf gesetzt. Enthält ein Bescheid - wie hier - keine Ankündigung einer gesondert ergehenden Begründung, fehlt aber das wesentliche Bescheidmerkmal der Begründung, so wird trotzdem die Beschwerdefrist in Lauf gesetzt. Der Bescheidadressat kann aber innerhalb dieser Frist einen Antrag nach § 245 Abs. 2 BAO stellen (vgl. ). Nur wenn - was hier nicht der Fall war - ein Antrag nach § 245 Abs. 2 BAO tatsächlich gestellt wird, kommt es zur Hemmung des Laufes der Beschwerdefrist (vgl. ).
14 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
15 Von der von der Revisionswerberin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Norm | VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021150068.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
TAAAF-45717