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VwGH 18.05.2022, Ra 2021/15/0058

VwGH 18.05.2022, Ra 2021/15/0058

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssätze


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Norm
EStG 1988 §47 Abs2
RS 1
Die Vereinbarung eines Stundenhonorars stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Indiz dafür dar, dass kein bestimmter Arbeitserfolg geschuldet wird, sondern die Arbeitskraft zur Verfügung gestellt wird (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0163). Monatliche Einnahmenschwankungen auf Grund einer unterschiedlich hohen Anzahl geleisteter Arbeitsstunden sprechen nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2009/15/0191 E RS 1 (hier nur der zweite Satz)
Normen
EStG 1988 §47 Abs2
VwRallg
RS 2
Ein Unternehmerrisiko liegt insbesondere dann vor, wenn der Erfolg der Tätigkeit und daher auch die Höhe der erzielten Einnahmen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der Ausdauer und der persönlichen Geschicklichkeit abhängig sind und die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen nicht vom Auftraggeber ersetzt, sondern vom Unternehmer aus eigenem getragen werden müssen (Hinweis E , 87/13/0202).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 90/14/0103 E RS 5

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M, über die Revision der T GmbH in W, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100570/2017, betreffend Haftung für Lohnsteuer sowie Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für die Jahre 2008 bis 2013 zuzüglich Säumniszuschlägen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 553,20 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbende GmbH hat - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - mit verschiedenen Personen Verträge abgeschlossen, in denen sich diese zum Ablesen von Wärmemessgeräten und zur Dokumentation der Verbrauchswerte auf Formularen verpflichteten. Die Ablesenden wurden von der Revisionswerberin eingeschult, die in weiterer Folge auch die Arbeitseinteilung vorgenommen hat. Sie waren jedenfalls zum Teil auch in anderen Berufen selbständig oder nichtselbständig tätig. Die „Werkverträge“ wurden nach Fertigstellung einer Leistung im Nachhinein datiert ausgestellt und mit dem abgerechneten Entgelt inklusive Reiseaufwandsentschädigungen ausgehändigt bzw. zur Unterschrift übergeben. Ab 2013 wurden keine neuen „Werkverträge“ mehr abgeschlossen.

2 Die Revisionswerberin schickte den Ablesenden Adresslisten über die Häuser, in denen Ablesearbeiten durchzuführen waren. Die Ablesenden gaben die Zeiten bekannt, in denen sie Ablesearbeiten durchführen konnten, und vereinbarten dann mit der Revisionswerberin, in welchem Zeitraum sie in einem bestimmten Gebiet die Ablesetätigkeiten („Ablesen von Wärmemessgeräten und Dokumentation der Verbrauchswerte auf eigenen Formularen mit eigenen Schreibgeräten“) ausführten. Es stand ihnen frei, Angebote nicht anzunehmen. Die Ablesenden haben zugesagte Ablesetätigkeiten auch abgesagt und teilweise auch für Ersatz aus dem Kreis der übrigen Ablesenden gesorgt, die ihre Leistung dann direkt mit der Revisionswerberin abgerechnet haben.

3 In den Verträgen war festgehalten, dass die Ablesenden als Vertragspartner der Revisionswerberin mit Gewerbeschein fungierten, sich vertreten lassen könnten, an keine Arbeitszeit und keine Weisung gebunden seien und die Tätigkeit mit eigenem Material und Werkzeug durchzuführen hätten. Nicht festgehalten wurde, wann und wo welche Tätigkeiten ausgeführt würden. Die Art der jeweils ausgeführten Tätigkeit ergab sich anhand der Kundendienstprotokolle bzw. den Rechnungsbeilagen, die die geleisteten Arbeiten mit Adresse und „Code“ (Art der Leistung) angaben. Die Revisionswerberin informierte daraufhin die von der Ablesung betroffenen Wohnungsinhabenden durch Hausanschlag oder persönliche Schreiben darüber, in welchem Zeitfenster das Ablesen erfolgen werde.

4 Zur Leistungserbringung verwendeten die Ablesenden eigenes (haushaltsübliches) Werkzeug, ihr Handy und ihre Schreibgeräte. Auch die genutzten Kraftfahrzeuge standen in ihrem Eigentum. Zum Ablesen selbst waren spezielle Ampullen und Plomben notwendig. Dieses Spezialmaterial wurde von der Revisionswerberin hergestellt und konnte von den Ablesenden nicht anderswo gekauft werden. Es wurde ihnen ebenso wie die benötigten Kundendienstprotokolle von der Revisionswerberin in einem Container, der auf ihrem Firmengelände stand, zur Verfügung gestellt und dort abgeholt. Die gebrauchten Ampullen wurden wieder dorthin zurückgebracht. Im Streitzeitraum erfolgte das Ablesen von Daten teilweise auch mittels funkbasierender Verteil- und Messgeräte, wobei die Ablesenden die Daten nach einer Reihe von technischen Manipulationen am Gang des Hauses ablesen konnten. Die abgelesenen Daten wurden protokolliert und von der Person, die sich in der Wohnung befand, unterzeichnet. War keine Person zu Hause, wurde ein von der Revisionswerberin vorgefertigtes Kuvert hinterlassen. In der Folge wurde schriftlich ein Ersatztermin angekündigt, den idR eine andere ablesende Person wahrnahm. Im Falle des nochmaligen Nicht-Antreffens wurde der Verbrauch geschätzt.

5 Die Verrechnung der Leistungen erfolgte mittels digitalen von der Revisionswerberin zur Verfügung gestellten Rechnungsformulars. In den Abrechnungen wurde die ablesende Person mit Mitarbeiternummer, Adresse und Bankverbindung angegeben. Innerhalb eines Abrechnungszeitraumes wurden „für geleistete Arbeiten, die ich auf Basis des Rahmenvertrages ausgeführt habe“, jeweils „Service und Montage“, „Tagessätze und Spesen“ sowie „Fahrtaufwand“ mit oder ohne Umsatzsteuer verrechnet. Das Honorar für Service und Montage stand den Ablesenden in Höhe eines Pauschalhonorars pro Ablesung zu; an Fahrtaufwand wurden 0,27 Euro bis 0,34 Euro je km verrechnet. Die genaue Auflistung der durchgeführten Tätigkeiten ergab sich aus den Rechnungen beigelegten Protokollen betreffend „Service und Montage“.

6 Im Zuge einer gemeinsamen Prüfung der lohnabhängigen Abgaben (GPLA) der Jahre 2008 bis 2013 bei der Revisionswerberin kam das Prüforgan zum Ergebnis, dass die Revisionswerberin zur Erbringung ihrer Leistungen „Subunternehmer“ eingeschaltet hatte, die nach den wahren wirtschaftlichen Verhältnissen Dienstnehmende der Revisionswerberin darstellten.

7 Das Finanzamt erließ daraufhin hinsichtlich der Streitjahre entsprechende Bescheide betreffend Haftung für Lohnsteuer, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschläge.

8 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, in der sie erklärte, dass sie lediglich für die Vermittlung der Aufträge an selbständige Subunternehmer verantwortlich sei.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem es eine Revision für unzulässig erklärte, wies das BFG die Beschwerde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - ab. Begründend führte es aus, die Kriterien der Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung ermöglichten im Revisionsfall keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit, weil diese Merkmale bei der Natur der ausbedungenen Tätigkeiten, die gänzlich außerhalb örtlicher Einrichtungen der Arbeitgeberin erfolgten, von vornherein keine eindeutige Abgrenzung erlaubten. In solchen Fällen sei auf weitere Abgrenzungskriterien, wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen, Bedacht zu nehmen.

10 Auch wenn die Revisionswerberin meine, die Ablesenden hätte insofern ein Unternehmerrisiko getroffen, als sie nur pro erfolgreicher Ablesung bezahlt worden seien und sie Aufträge nach Belieben hätten ablehnen können, sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in einer leistungsbezogenen Entlohnung allein noch kein entscheidungsrelevantes Unternehmerrisiko zu sehen (Hinweis auf ). Soweit sich die Einnahmen erhöhten, wenn die Ablesenden mehr arbeiteten bzw. verminderten, wenn sie weniger Ablesungen durchführten (weil sie etwa angebotene Aufträge nicht annähmen), sei dies eine Situation wie sie auch bei Dienstnehmenden gegeben sei. Je mehr gearbeitet werde, desto höher sei der Entlohnungsanspruch.

11 Die Ablesenden habe im Revisionsfall auch kein entscheidungswesentliches ausgabenseitiges Unternehmerwagnis getroffen. Sie hätten einen allgemeinen Anspruch auf Ersatz ihrer Fahrtspesen, allfälligen Taggeldes und der Parkscheine gehabt, wobei ein Anspruch auf Spesenersatz gegen ein Unternehmerwagnis spreche (Hinweis auf ). Die Ablesenden habe kein Aufwandsrisiko getroffen, weil sie von Anfang an gewusst hätten, dass ihre Fahrtkosten mit einem bestimmten Betrag vergütet würden. Laut Beschwerde hätten sie allerdings die Kosten für Arbeitsmittel und Material tragen müssen. Als Arbeitsmittel hätten sie jedoch nur Werkzeuge, die in jedem Haushalt zu finden seien (Schraubenzieher, Zange) sowie ihr Mobiltelefon und allenfalls Kugelschreiber verwendet. Diese Arbeitsmittel fielen betragsmäßig nicht ins Gewicht und würden typischerweise auch im Rahmen der privaten Lebensführung genutzt, sodass ihre Verwendung nicht dazu geeignet sei, den finanziellen Erfolg der Tätigkeit weitgehend zu gestalten. Die wesentlichen Betriebsmittel, nämlich die für die Ablesung notwendigen Ampullen und Plomben, seien hingegen von der Revisionswerberin hergestellt und den Ablesenden zu Verfügung gestellt worden. Diese Betriebsmittel hätten von ihnen laut Beschwerdevorbringen auch nicht am freien Markt erworben werden können. Daraus ergebe sich, dass die Ablesenden ihren Erfolg weder durch Einnahmen noch durch Ausgaben (Einsatz von Arbeitsmitteln) wesentlich beeinflussen hätten können, womit sie kein relevantes Unternehmerwagnis getroffen habe.

12 Welches Gewicht einer vertraglich vereinbarten Vertretungsbefugnis als Indiz für die Selbständigkeit einer Tätigkeit zukomme, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab (Hinweis auf ). Wenn eine Vertretung nur innerhalb des Kollegenkreises möglich sei und im Vertretungsfall der Entlohnungsanspruch unmittelbar auf die vertretende Person übergehe, nähmen diese Umstände dem vereinbarten Vertretungsrecht an Gewicht (Hinweis auf , 2013/15/0283, 2013/15/0282). Das für Selbständige typische Vertretungsrecht bestehe ja darin, dass sie die Wahl hätten, die vertraglich vereinbarte Leistung selbst zu erbringen oder diese durch Mitarbeitende oder Subunternehmer erbringen zu lassen, die sie auf ihre Kosten beschäftigten. In beiden Fällen sei die selbständige Person diejenige, die Anspruch auf das vereinbarte Entgelt habe. Da sich im Revisionsfall das „Vertretungsrecht“ darin erschöpft habe, dass Ablesearbeiten im Fall der Absage von anderen Ablesenden vorgenommen worden seien, die ihre Leistungen direkt mit der Revisionswerberin abgerechnet hätten, stelle diese Vertretungsmöglichkeit keinen für eine selbständige Tätigkeit maßgeblich sprechenden Umstand dar.

13 Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse habe die Ablesenden damit eine persönliche Leistungspflicht getroffen, die sie in persönlicher Gebundenheit und wirtschaftlicher Abhängigkeit zur Revisionswerberin erfüllt hätten. Sie seien langfristig in deren Arbeitsprozess eingebunden gewesen, hätten aber keinen unmittelbaren Einfluss auf das betriebliche Geschehen gehabt. Nicht zuletzt habe die pauschale Entlohnung plus Spesenersatz dazu geführt, dass die für ein Dienstverhältnis sprechenden Kriterien nach dem Gesamtbild der Verhältnisse überwogen hätten. Die Ablesenden hätten ihre Leistungen daher im Rahmen eines Dienstverhältnisses iSd § 47 Abs. 2 EStG 1988 erbracht.

14 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit insbesondere vorgebracht wird, das BFG weiche von der hg. Rechtsprechung zu § 47 Abs. 2 EStG 1988 ab. Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses nach dieser Bestimmung sei anhand zweier Kriterien zu beurteilen, nämlich der Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber einerseits und der Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Betriebes des Arbeitgebers andererseits. Erst wenn beide Kriterien (Weisungsgebundenheit und Eingliederung in den geschäftlichen Organismus) noch keine klare Abgrenzung zuließen, könne auf weitere Abgrenzungskriterien zurückgegriffen werden. Das BFG habe daher zunächst beide Kriterien eigenständig zu prüfen. Die Feststellung des BFG, wonach im Beschwerdefall der Weisungsbindung und organisatorischen Eingliederung keine wesentliche Bedeutung zukomme, weil diese Merkmale bei der Natur der ausbedungenen Tätigkeit von vornherein keine eindeutige Abgrenzung ermöglichten, hätte aufgrund des Vorbringens der Revisionswerberin hinsichtlich des Fehlens einer Weisungsbindung einer eigenständigen Prüfung bedurft. Dabei wäre das BFG zum Ergebnis gelangt, dass im Revisionsfall eine Weisungsgebundenheit der Ablesenden fehle und damit keine Dienstnehmereigenschaft vorliege.

15 Zum Zweiten fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu leistungsbezogener Vergütung und Pauschalentgelt. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bisher ausschließlich mit einer fixen Vergütung pro Leistungseinheit befasst (wie Vergütung pro Fahrt eines LKW-Fahrers oder Stundenhonorar von Callcenter-Mitarbeitenden, Hinweis auf ; sowie , 2009/15/0200). Im Revisionsfall sei jedoch bis zur tatsächlichen „Werkleistung“ unklar gewesen, wie viele Ablesevorgänge in einem Gebäude aufgrund der notwendigen Anwesenheit der Wohnungsinhabenden tatsächlich durchführbar seien und welche zusätzlichen Service- & Montageleistungen jeweils erbracht werden müssten, woraus sich durchaus ein unternehmerisches Risiko ergebe.

16 Auch fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu handelsüblichen Arbeitsmitteln. Nach Auffassung des BFG seien Arbeitsmittel von Werkunternehmenden, die in jedem Haushalt (konkret Schraubenzieher, Zange, Mobiltelefon, Kugelschreiber) zu finden seien, betragsmäßig nicht ins Gewicht fielen, typischerweise auch im Rahmen der privaten Lebensführung genutzt würden und deren Verwendung nicht dazu geeignet sei, den finanziellen Erfolg einer Tätigkeit weitgehend zu gestalten, als unwesentliche Arbeitsmittel bei der Beurteilung der Selbstständigkeit der Tätigkeit nicht zu berücksichtigen. Hätte das BFG hingegen diese Arbeitsmittel berücksichtigt, wäre es zum Ergebnis gelangt, dass eine selbständige Tätigkeit vorliege.

17 Viertens sei das BFG von der hg. Rechtsprechung zur Bedeutung einer Vertretungsmöglichkeit abgewichen. Nach dieser Rechtsprechung verliere das Kriterium der Vertretungsbefugnis nämlich „bloß“ an Gewicht, wenn eine Vertretung nur innerhalb des Kollegenkreises möglich sei und im Vertretungsfall der Entlohnungsanspruch unmittelbar auf die Vertretenden übergehe. Dies bedeute aber nicht, dass es bei der Beurteilung der Selbständigkeit einer Tätigkeit gänzlich auszublenden sei.

18 Schließlich liege im Revisionsfall eine Verletzung fundamentaler Verfahrensgarantien vor, weil der vom BFG angenommene Sachverhalt in unvertretbarer Weise nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimme. So habe das BFG aktenwidrig von einem „Abrechnungszeitraum von idR einem Monat“ gesprochen, obwohl die Ablesenden die Auftragsannahme frei wählen und sich daher auch die Abrechnungszeiträume individuell einteilen hätten können. Hätte das BFG zudem die aktenkundigen Abrechnungsbestandteile gewürdigt, hätte es ein weitaus differenzierteres Leistungsspektrum der einzelnen Ablesenden und eine entsprechend leistungsbezogene Entlohnung festgestellt, woraus es auf das unternehmerische Risiko der Ablesenden schließen hätte können.

19 Das Finanzamt hat - nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof - eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der es den Zulässigkeitsrügen im Einzelnen entgegentrat.

20 Mit dem geschilderten Revisionsvorbringen wird keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt.

21 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

22 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

23 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

24 Der Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 sind zwei Kriterien zu entnehmen, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, nämlich die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. In Fällen, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf weitere Abgrenzungskriterien (wie etwa auf das Fehlen eines Unternehmerrisikos, oder die Befugnis, sich vertreten zu lassen) Bedacht zu nehmen (vgl. z.B. den , mwN). Ob bzw. in welcher Ausprägung und Intensität im konkreten Fall die einzelnen genannten Kriterien vorliegen, ist eine Sachverhaltsfrage (vgl. z.B. , mwN).

25 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. , mwN).

26 Das BFG hat im Revisionsfall zunächst darauf verwiesen, dass die Kriterien der Weisungsgebundenheit und der organisatorischen Eingliederung im Revisionsfall keine klare Abgrenzung zwischen einer selbständig und einer nichtselbständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichten, weil diese Merkmale bei der Natur der ausbedungenen Tätigkeiten, die gänzlich außerhalb örtlicher Einrichtungen der Arbeitgeberin erfolgten, von vornherein keine eindeutige Abgrenzung erlaubten. In der Folge hat sich das BFG ausführlich mit den einzelnen Merkmalen, die ein Dienstverhältnis begründen können, auseinandergesetzt und ist zu der fallbezogenen Beurteilung gelangt, dass im Revisionsfall ein Dienstverhältnis der Ablesenden zur Revisionswerberin vorliegt.

27 Die Revision kann mit ihren Zulässigkeitsrügen nicht aufzeigen, dass die Sachverhaltsannahmen des BFG zu den einzelnen Merkmalen (Vertretungsmöglichkeit nur innerhalb des von der Revisionswerberin geschulten Kollegenkreises unter Übergang des Entlohnungsanspruchs auf die vertretende Person unmittelbar gegenüber der Revisionswerberin; kein relevantes ausgabenseitiges Unternehmerwagnis im Lichte von Spesenersatz und sonst bloßer Verwendung haushaltsüblicher Hilfsmittel) oder die darauf basierende Gesamtbeurteilung mit die Zulässigkeit der Revision begründenden Mängeln behaftet wäre (vgl. zu einer eingeschränkten Vertretungsmöglichkeit bzw. Risikotragung auf der Ausgabenseite etwa auch bereits , sowie ).

28 Zur leistungsbezogenen Vergütung hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen bereits - worauf auch das BFG im angefochtenen Erkenntnis hingewiesen hat - ausgesprochen, dass monatliche Einnahmenschwankungen auf Grund einer unterschiedlich hohen Anzahl geleisteter Arbeitsstunden nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen (vgl. zB mwN , zu „Callcenter-Agents“).

29 Der Umstand, dass im Vorhinein unklar gewesen sei, wie viele Ablesevorgänge in einem Gebäude aufgrund der notwendigen Anwesenheit der Wohnungsinhabenden tatsächlich durchführbar seien und welche zusätzlichen Service- & Montageleistungen jeweils erbracht werden müssten, spricht entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin auch nicht für ein entscheidendes einnahmenseitiges Unternehmerwagnis. Ein unternehmerisches Risiko ist nämlich - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat - insbesondere dann anzunehmen, wenn der Erfolg der Tätigkeit und daher auch die Höhe der erzielten Einnahmen weitgehend von der persönlichen Tüchtigkeit, vom Fleiß, von der Ausdauer und der persönlichen Geschicklichkeit abhängig sind und die mit der Tätigkeit verbundenen Aufwendungen nicht vom Auftraggeber ersetzt, sondern vom Unternehmer aus eigenem getragen werden müssen (vgl. , mwN).

30 Weder konnten jedoch im Revisionsfall die Ablesenden - wie die Revisionsbeantwortung zutreffend vorträgt - angesichts der beschriebenen Ungewissheit über die konkreten Ablesevorgänge die Annahme von Aufträgen danach ausrichten, in welchen Wohnobjekte lukrative Ablesevorgänge zu erwarten seien, noch konnten sie den Erfolg ihrer Tätigkeit durch ihr eigenes Darzutun maßgeblich beeinflussen. Auch ergibt sich aus dem festgestellten Sachverhalt und aus dem Revisionsvorbringen nicht, dass einzelne Ablesende mit ihrer Ablesetätigkeit auch für andere und damit mehrere Auftraggeber tätig geworden und insofern selbst unternehmerisch auf einem Markt aufgetreten wären.

31 Soweit die Revisionswerberin schließlich das Vorliegen einer Aktenwidrigkeit behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass eine solche nur vorläge, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden wäre bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hätte, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen werden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. etwa , mwN).

32 Das BFG hat im angefochtenen Erkenntnis jedoch - wie oben wiedergegeben - gar nicht die Feststellung getroffen, dass für die Entlohnung der Ablesenden eine feste monatliche Abrechnungsperiode vorgesehen gewesen sei. Es hielt vielmehr ausdrücklich fest, dass sich aus von der Revisionswerberin vorgelegten Rechnungen ergeben habe, dass „die Abrechnungen nicht immer ein Monat betrafen“. Im Übrigen ist auch nicht zu erkennen, inwiefern die behauptete Aktenwidrigkeit entscheidungswesentlich sein sollte.

33 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
EStG 1988 §47 Abs2
VwRallg
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Unternehmerrisiko
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150058.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
LAAAF-45711