VwGH 19.10.2022, Ra 2021/15/0029
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Norm | EStG 1988 §34 |
RS 1 | Grundsätzlich sind unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 nur vermögensmindernde Ausgaben, also solche zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind daher in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, da in diesem Fall zumeist ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, also eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2011/15/0145). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/15/0178 E RS 1 |
Norm | EStG 1988 §34 |
RS 2 | Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen. Eine andere Beurteilung kann allerdings geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl. , und , 2010/15/0003). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2017/15/0006 B RS 3 |
Normen | |
RS 3 | Wenn realistischerweise davon ausgegangen werden muss, dass der behindertengerechte Umbau eines Wirtschaftsgutes bei einer unterstellten Verwertung dieses Wirtschaftsgutes nicht abgegolten wird, kann nicht von der Schaffung eines Gegenwertes ausgegangen werden. Unter nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen fallen etwa auch behinderungsbedingte Ein- und Umbauten (vgl. dazu auch , sowie ; und , 2008/15/0292). |
Normen | |
RS 4 | Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach § 34 EStG 1988 setzt einen tatsächlichen aus dem Einkommen des betroffenen Jahres geleisteten Aufwand und dessen Zwangsläufigkeit voraus (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich, Dienststelle Klagenfurt, St. Veit, Wolfsberg in 9020 Klagenfurt, Siriusstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100090/2013, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 (mitbeteiligte Partei: R H in V, vertreten durch die Auxiliaris Steuerberatung GmbH in 8480 Mureck, Grazer Straße 12), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei machte im Rahmen ihrer Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2010, aufgrund einer Behinderung ihrer Tochter, außergewöhnliche Belastungen gemäß § 34 EStG 1988 ohne Selbstbehalt in Höhe von 23.382,05 € geltend.
2 Das Finanzamt anerkannte bei der Veranlagung zur Einkommensteuer 2010 außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.659,53 € und führte zur Begründung aus, Aufwendungen für einen „Recaro Sitz“, einen Sicherheitsgurt und ein Wärmekissen seien gemäß § 20 EStG 1988 nicht abziehbar, weil es sich bei diesen Wirtschaftsgütern um keine speziellen Behindertenhilfsmittel, sondern um allgemein nutzbare Wirtschaftsgüter handle. Nicht abziehbar seien auch die Aufwendungen für ein KFZ, zumal diesen Aufwendungen der Wert des erworbenen Wirtschaftsgutes gegenüberstehe, sodass es zu keinem Vermögensabfluss und damit auch zu keiner steuerlich zu berücksichtigenden Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 komme (Gegenwerttheorie).
3 Einer gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 gerichtete Berufung (nunmehr Beschwerde) der mitbeteiligten Partei gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidung keine Folge, woraufhin die mitbeteiligte Partei einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung stellte.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für nicht zulässig erklärt wurde, gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde teilweise statt und änderte den angefochtenen Bescheid zugunsten der mitbeteiligten Partei dahingehend ab, dass es neben den bereits von Finanzamt berücksichtigten außergewöhnlichen Belastungen ohne Selbstbehalt von 3.659,53 € noch außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt von 7.026,58 € in Ansatz brachte.
5 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, die im Jahr 1998 geborene Tochter der mitbeteiligten Partei, für die letztere erhöhte Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag beziehe, leide seit ihrem zweiten Lebensjahr an einer Spinalen Muskelatrophie Typ II. Diese Krankheit sei gekennzeichnet durch einen permanenten, progressiven Verlust der Muskelkraft, der sich auf den gesamten Bewegungsapparat erstrecke. Schon in den Jahren zuvor wie auch im Streitjahr sei die Tochter auf die Benützung eines - elektrischen - Rollstuhles angewiesen gewesen. Diesen Rollstuhl benutze die Tochter de facto den ganzen Tag über, also in all den Zeiten, die sie nicht im Bett verbringe.
6 Da öffentliche Verkehrsmittel für die Beförderung der Tochter mit ihrem Rollstuhl nicht geeignet seien, müssten alle Transportwege, etwa zur Schule, zu Ärzten, Therapien oder auch zu Freizeitgestaltungen, mit dem familieneigenen KFZ erledigt werden. Nachdem die Beförderung des mit zunehmendem Alter der Tochter erforderlich gewordenen größeren Rollstuhles mit dem bisherigen KFZ aufgrund dessen Größe nicht mehr möglich gewesen sei, habe die mitbeteiligte Partei das streitgegenständliche KFZ erwerben müssen.
7 Um den Rollstuhl und die darin sitzende Tochter auch tatsächlich befördern zu können, seien zusätzlich umfangreiche Adaptierungen am KFZ notwendig gewesen. Zuerst habe die zweite Sitzreihe ausgebaut werden müssen. Dann seien im hinteren Bereich, also im Laderaum, an der Karosserie an bestimmten Stellen Einschweißungen vorgenommen und ein Hebekran montiert worden. Die Kranvorrichtung sei erforderlich, um den rund 140 Kilogramm schweren Rollstuhl zuzüglich des Körpergewichtes der Tochter überhaupt in das KFZ hineinheben zu können. Dort werde der Rollstuhl auf speziell angefertigten und montierten Führungsschienen befestigt, wofür auch die Bodenplatte im hinteren Teil des KFZ speziell verstärkt und angepasst worden sei.
8 Der vom Finanzamt wegen allgemeiner Nutzbarkeit nicht anerkannte „Recaro-Sitz“ mit einem Anschaffungswert von 739,10 € sei im Elektrorollstuhl fix eingebaut. Zusammen mit dem ebenfalls nicht als abzugsfähig erachteten speziellen Gurtsystem im Wert von 279,38 € bewirke der Sitz, dass die aufgrund der zunehmenden Muskelschwäche, besonders im Bereich des Stützapparates bzw. der Wirbelsäule, schwer beeinträchtige Tochter bei der Beförderung sicher angeschnallt werden könne. Damit werde verhindert, dass die Tochter während der Fahrt herumpendeln und sich dabei verletzen könne. Aufgrund der mangelnden Beweglichkeit während des Aufenthaltes im Rollstuhl komme es, besonders in kühleren Jahreszeiten, leicht zu einer Unterkühlung des Körpers. Um dies und daraus allfällig resultierende Beschwerden im Unterleib (wie etwa Blasenentzündungen o.ä.) hintanzuhalten, habe die mitbeteiligte Partei für die Tochter ein handelsübliches Wärmekissen um 27,98 € erworben, dem ebenfalls eine steuermindernde Berücksichtigung versagt geblieben sei.
9 Durch das Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Fahrzeugtechnik, das vom Bundesfinanzgericht als schlüssig erachtet und im Ergebnis nicht angezweifelt werde, habe die mitbeteiligte Partei den Nachweis erbracht, dass die Kosten für einen Rückbau des KFZ in den Serienzustand zwischen 2.500 und 3.500 € betragen würden. Den Kaufpreisabschlag, den viele potentielle Käufer beim Wiederverkauf durch die mitbeteiligte Partei für ein möglichst „normales“ und seriennahes KFZ verlangen würden, habe der Sachverständige mit 2.000 bis 3.500 € beziffert. Dieser merkantile Minderwert werde laut Gutachter sowohl den Interessen der mitbeteiligten Partei als auch jenen von möglichen Erwerbern des KFZ gerecht.
10 Die Tochter habe im Streitjahr ganzjährig eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld) bezogen.
11 In rechtlicher Würdigung des festgestellten Sachverhalts führte das Bundesfinanzgericht nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen aus, das Finanzamt habe - aufgrund der überzeugenden Ausführungen des steuerlichen Vertreters anlässlich eines Erörterungsgesprächs - außer Streit gestellt, dass die Aufwendungen für den Recaro Sitz und das dazugehörige Sicherheitsgurtsystem anzuerkennen und bisher nicht geltend gemachte Aufwendungen für Fahrten zu einem Therapieaufenthalt der Tochter in Höhe von 230,12 € steuermindernd zu berücksichtigen seien.
12 Tatsächlich entstandene Aufwendungen aus dem Titel der Behinderung könnten nach Lehre und Judikatur anstelle des Freibetrages und ohne Selbstbehalt geltend gemacht werden, wenn ein unmittelbarer, ursächlicher Zusammenhang mit der Behinderung vorliege.
13 Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen seien Gegenstände oder Vorrichtungen, die geeignet seien, die Funktion fehlender oder unzulänglicher Körperteile zu übernehmen oder die mit einer Behinderung verbundenen Beeinträchtigungen zu beseitigen bzw. zu lindern. Um kein derartiges Hilfsmittel handle es sich bei einem Gut, das sich von einem handelsüblichen Gebrauchsgegenstand nicht unterscheide und für jedermann nutzbar sei, es sei denn, dass es behindertenspezifisch einsetzbar sei.
14 Für das gegenständliche Verfahren bedeute dies, dass die Anschaffung des an sich für jedermann nutzbaren Wärmekissens eindeutig unmittelbar und ursächlich mit der Behinderung zusammenhänge und nicht nur geeignet, sondern absolut notwendig und daher behindertenspezifisch eingesetzt worden sei, um die mangels Bewegungsfähigkeit auftretenden Unterkühlungen zu lindern und ärgere Beeinträchtigungen, wie etwa Erkrankungen im Unterleib, hintanzuhalten.
15 Die Kosten für das Wärmekissen seien allein durch die Behinderung der Tochter entstanden und bei der mitbeteiligten Partei mit einem Betrag von 27,98 € als zusätzliche außergewöhnliche Belastung abziehbar.
16 Gleiches gelte für allfällige Aufwendungen für den Rückbau des KFZ und dessen merkantilen Minderwert. Zwar seien die Anschaffungskosten eines KFZ für den Behindertentransport nicht unter dem Titel von Hilfsmitteln nach § 4 der Verordnung abziehbar. Dennoch gehörten Vorrichtungen an einem KFZ, die nicht unmittelbar dem Betrieb des KFZ dienten, etwa Hebebühnen, Rollstuhlrampen oder Rollstuhlhalterungen, zu den in der Verordnung nur beispielhaft erläuterten Hilfsmitteln.
17 Wenn nun der Einbau solcher Hilfsmittel zu endgültig vermögensverzehrenden Kosten führe, müsse dies auch für den Rückbau des KFZ in den ursprünglichen Zustand und den damit einhergehenden merkantilen Minderwert gelten. Die daraus resultierende endgültige Vermögensminderung gründe sich hier unmittelbar und ursächlich allein auf die Behinderung der Tochter, weshalb die vom Finanzamt angezogene Gegenwerttheorie nicht greifen könne. Auch diese Beträge seien somit ohne Selbstbehalt in Abzug zu bringen.
18 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des Finanzamts, in dem zur Zulässigkeit im Wesentlichen ausgeführt wird, es liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Anerkennung von Rückbaukosten eines behindertengerechten KFZ sowie zum Ansatz eines merkantilen Minderwerts vor. Das angefochtene Erkenntnis weiche im Übrigen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ab, wonach eine Belastung im Sinne des § 34 EStG 1988 Geldausgaben des Steuerpflichtigen voraussetze, von denen nicht nur sein Vermögen, sondern auch sein laufendes Einkommen betroffen sei. Die im Schätzungswege anerkannten Rückbaukosten eines behindertengerechten KFZ sowie der Ansatz des merkantilen Minderwertes habe bei der mitbeteiligten Partei im verfahrensgegenständlichen Jahr 2010 zu keinem Aufwand bzw. zu keiner Vermögensminderung geführt. Das Bundesfinanzgericht habe in seiner Entscheidung die Ansicht vertreten, bei dem beschwerdegegenständlichen Wärmekissen handle es sich um eine handelsübliches, für jedermann nutzbares Wirtschaftsgut. Nach der Art des Wirtschaftsgutes könne jedoch nicht unterstellt werden, dass eine nach der Rechtsprechung erforderliche eingeschränkte Verkehrsfähigkeit bzw. eine ausschließlich behindertenspezifische Verwendung vorliege (Hinweis auf ). Trotzdem seien die Kosten als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden.
19 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
20 Die Revision ist zulässig und begründet.
21 § 34 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung lautet auszugsweise:
„§ 34. (1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
[...]
(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:
[...]
- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).
- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn der Steuerpflichtige selbst oder bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag der (Ehe)Partner (§ 106 Abs. 3) oder bei Anspruch auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag das Kind (§ 106 Abs. 1 und 2) pflegebedingte Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, soweit sie die Summe dieser pflegebedingten Geldleistungen übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.“
22 Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996 in der für den Revisionsfall noch geltenden Fassung BGBl. II Nr. 430/2010, lautet auszugsweise wie folgt:
„§ 1. (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen
[...]
- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,
so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.
(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
[...]
§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (z.B. Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.
[...]
(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.“
23 Unter Belastungen im Sinne des § 34 EStG 1988 sind grundsätzlich nur vermögensmindernde Ausgaben zu verstehen, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigen Wertverzehr verknüpft sind. Ausgaben für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes sind daher in der Regel von einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, weil in diesem Fall zumeist ein entsprechender Gegenwert erlangt wird, also eine Vermögensumschichtung und keine Vermögensminderung eintritt (vgl. z.B. ; und , 2011/15/0145, mwN).
24 Eine andere Beurteilung kann allerdings geboten sein, wenn Wirtschaftsgüter beschafft werden müssen, die infolge Verwendbarkeit für nur bestimmte individuelle Personen (z.B. deren Prothesen, Seh- und Hörhilfen) oder wegen ihrer spezifisch nur für Behinderte geeigneten Beschaffenheit (z.B. Rollstühle, spezielle Elektromobile) keinen oder nur einen sehr eingeschränkten allgemeinen Verkehrswert haben (vgl. ; , Ra 2017/15/0006, mwN).
25 Wenn realistischerweise davon ausgegangen werden muss, dass der behindertengerechte Umbau eines Wirtschaftsgutes bei einer unterstellten Verwertung dieses Wirtschaftsgutes nicht abgegolten wird, kann nicht von der Schaffung eines Gegenwertes ausgegangen werden. Unter nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen fallen etwa auch behinderungsbedingte Ein- und Umbauten (vgl. dazu auch , sowie ; und , 2008/15/0292).
26 Die Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau des KFZ wurden von der mitbeteiligten Partei bisher nicht geltend gemacht und nachgewiesen. Geltend gemacht und durch ein Gutachten (das ausgehend von der darin angeführten Fahrgestellnummer und dem Datum der Erstzulassung des befundeten Fahrzeuges allerdings nicht jenes Fahrzeug betreffen könnte, für welches die mitbeteiligte Partei im gegenständlichen Verfahren Kosten als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt wissen will) unterlegt wurden die Aufwendungen für einen allfälligen Rückbau des KFZ und der merkantile Minderwert, der sich im Falle einer Veräußerung des KFZ ergeben würde.
27 Die Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen nach § 34 EStG 1988 setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen tatsächlichen aus dem Einkommen des betroffenen Jahres geleisteten Aufwand und dessen Zwangsläufigkeit voraus (vgl. ). Diese Voraussetzungen treffen auf den im Schätzungswege ermittelten, noch nicht geleisteten, also erst künftigen Aufwand nicht zu, weshalb sich das angefochtene Erkenntnis als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet erweist.
28 Soweit das Bundesfinanzgericht Aufwendungen in Bezug auf ein Wärmekissen als außergewöhnliche Belastung anerkannt hat, zeigt die Revision zutreffend auf, dass dem angefochtenen Erkenntnis eine Begründung für einen mit der Behinderung zusammenhängenden Mehraufwand fehlt.
29 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich nach dem Gesagten als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021150029.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
XAAAF-45691