VwGH 29.03.2023, Ra 2021/15/0015
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Durch das AbgVRefG 2009 und der damit erfolgten Erweiterung des Anwendungsbereichs der BAO auf Landes- und Gemeindeabgaben hat sich nichts am bisherigen Verständnis des § 14 KommStG 1993 geändert. Demnach sind die Gemeinden - unter Beachtung des Verbots einer Wiederholungsprüfung - weiterhin zur Durchführung einer Nachschau berechtigt, wobei der verbliebene Verweis in § 14 Abs. 1 KommStG 1993 auf die jeweils für die Gemeinden geltende Landesabgabenordnung als statische Verweisung zu verstehen ist. Anzuwenden sind demnach jene Bestimmungen (zur "Nachschau") der jeweiligen Landesabgabenordnung, wie sie zum Zeitpunkt der entsprechenden Abänderung des § 14 KommStG 1993 in Kraft waren (vgl. ). Dass der Gesetzgeber diesen Fall der Fortgeltung landesrechtlicher Nachschaubestimmungen in den Übergangsbestimmungen der BAO nicht angesprochen hat, spricht nicht gegen dieses Auslegungsergebnis, befassen sich die Übergangsvorschriften des § 323a BAO doch mit verfahrensrechtlichen Übergangsfragen, die alle Landes- und Gemeindeabgaben gleichermaßen betreffen. Die Weitergeltung der landesrechtlichen Verjährungsvorschriften für Nachforderungen in Folge einer nach landesrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Nachschau hat zudem in § 323a Abs. 1 Z 5 BAO eine ausdrückliche Regelung erfahren. Demgegenüber ist die Auslegung des in § 14 KommStG 1993 verbliebenen Verweises auf die Landesabgabenordnungen eine spezifische Frage dieses Materiengesetzes, die aus diesem heraus zu lösen ist. |
Normen | LAO Tir 1984 §116 LAO Tir 1984 §116 Abs2 |
RS 2 | Auf dem Boden der Tir LAO 1984, die neben Vorlage und Einsichtnahme auch ein breites inhaltliches Prüfrecht im Rahmen der Nachschau ausdrücklich anspricht, kann kein Zweifel bestehen, dass die abgabenbehördliche Nachschau auch eine inhaltliche Prüfung der Unterlagen auf ihre sachliche Richtigkeit einschließt und sich nicht auf eine bloß kursorische Prüfung beschränkt, dass solche Unterlagen geführt werden. |
Normen | B-VG Art118 B-VG Art83 Abs2 KommStG 1993 §12 KommStG 1993 §14 idF 2002/I/132 KommStG 1993 §14 idF 2009/I/020 |
RS 3 | Aus Art. 83 Abs. 2 B-VG leitet der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ab, dass der Gesetzgeber die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien exakt, klar und eindeutig festlegen muss (vgl. Mayer, B-VG4, Art. 83 B-VG II.2). Die Zuständigkeit zur Entscheidung betreffend Kommunalsteuer ist vom Gesetzgeber exakt, klar und eindeutig geregelt; diese Zuständigkeit ist den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zugeordnet (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 97/15/0202; vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , 2004/13/0161). Es besteht keine Regelung, die mehrere Behörden konkurrierend zu Entscheidungen beruft. Lediglich zur Prüfung der Bemessungsgrundlage sieht § 14 KommStG 1993 vor, dass diese Prüfung gemeinsam (für Finanzamt, Krankenversicherung und Gemeinde) erfolgen soll. Mit der einheitlichen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben solle die administrative Belastung der Arbeitgeber vermindert und gleichzeitig erhebliche Synergieeffekte in der Verwaltung realisiert werden (vgl. 1175 BlgNR 21. GP, 15). Der Prüfer habe die Eigenschaft eines Gutachters; die Kommune sei an die Prüfungsfeststellungen (das Gutachten) des Prüfers nicht gebunden, sondern könne davon abweichen (vgl. aaO, 24). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2009/15/0223 E RS 8 (hier ohne ersten und dritten Satz) |
Normen | |
RS 4 | § 14 KommStG 1993 enthält keine exklusive Zuordnung der Prüfungskompetenz für die Kommunalsteuer zu Finanzamt und Krankenversicherungsträger. Eine solche Sichtweise würde außer Acht lassen, dass die Kommunalsteuer den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zugeordnet ist und die Gemeindebehörden weiterhin die zuständigen entscheidungsverantwortlichen Abgabenbehörden im Kommunalsteuerverfahren sind. Zwar trifft es zu, dass § 14 KommStG 1993 die Kommunalsteuerprüfung auch als selbstständige Aufgabe des für die Lohnsteuerprüfung zuständigen Finanzamts (§ 81 EStG 1988) und des für die Sozialversicherungsprüfung zuständigen Krankenversicherungsträgers definiert und die Gemeinde zudem berechtigt, in begründeten Einzelfällen eine Kommunalsteuerprüfung durch diese anzuregen. Diese gesetzlich normierte Unterstützung der Gemeinden durch andere Behörden kann aber nicht als Ausschluss der Gemeindebehörden als zuständige Abgabenbehörden von zentralen Ermittlungshandlungen verstanden werden (vgl. auch , VfSlg. 20361, Rz 264 zu Sozialversicherungsbeiträgen: "Ein Regelungssystem, das dem in einem Verwaltungsverfahren im eigenen Wirkungsbereich entscheidenden Selbstverwaltungskörper praktisch jeden Einfluss auf Art und Umfang des Ermittlungsverfahrens nimmt, ist unsachlich und widerspricht im konkreten Zusammenhang Organisationsprinzipien der Selbstverwaltung"). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der P GmbH in I, vertreten durch MMag. Mathias Demetz, Dr. Simon Gleirscher, Dr. Andreas König, Dr. Andreas Ermacora, Dr. Christian Klotz und Mag. Claudia Lantos, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Erlerstraße 4 / 3. OG, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2018/29/2662-3, betreffend Verhängung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtgemeinde Innsbruck), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbende GmbH betreibt - nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Tirol (LVwG) - ein Unternehmen in Innsbruck.
2 Mit Nachschauauftrag vom wurde ein Prüfer des Stadtmagistrats Innsbruck, Gemeindeabgaben-Prüfung, beauftragt, eine Nachschau im Sinne des § 14 Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 (KommStG) bei der Revisionswerberin für bis vorzunehmen. Der Nachschauauftrag wurde der Revisionswerberin am zur Kenntnis gebracht; gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass die für die Nachschau benötigten Unterlagen die Jahreslohnkonten und Jahresabschlüsse der Jahre 2013 bis 2017 umfassten.
3 Mit E-Mail vom wurden dem Prüfer die Betriebsjahreslohnkonten für die Jahre 2013 bis 2017 übermittelt.
4 Mit E-Mail vom mahnte der Prüfer die Einzeljahreskonten, die Jahresabschlüsse und den unterfertigten Nachschauauftrag ein.
5 Mit E-Mail vom teilte die revisionswerbende Partei mit, dass keine weiteren Unterlagen zur Verfügung gestellt würden.
6 Mit E-Mail vom teilte daraufhin der Prüfer der Revisionswerberin mit, dass eine korrekte Nachschau mit den vorgelegten Unterlagen (es lägen bereits erkennbare Erklärungsdifferenzen in den Jahren 2013 bis 2015 vor) nicht durchgeführt werden könne, weshalb die angeforderten Unterlagen benötigt würden. Darüber hinaus machte er darauf aufmerksam, dass bei Nichtvorlage der Unterlagen eine Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO verhängt werden könne.
7 Mit Schreiben des Stadtmagistrates Innsbruck vom wurde die Revisionswerberin, vertreten durch ihren Geschäftsführer, aufgefordert, zur Fortführung des laufenden Kommunalsteuer-Nachschauverfahrens bis längstens im Referat Gemeindeabgaben-Prüfung die Dienstnehmerlohnkonten, die Jahresabschlüsse sowie die Buchhaltungskonten jeweils für die Jahre 2013 bis 2017 vorzulegen, wobei festgehalten wurde, dass auch die Möglichkeit bestehe, die Unterlagen bis zum vorgenannten Termin an einem anderen Ort zur Durchführung der Nachschau vorzulegen. Weiters wurde darauf hingewiesen, für den Fall, dass die geforderten Unterlagen bis zum genannten Termin unentschuldigt nicht vorgelegt würden und auch keine Möglichkeit zu deren Einsichtnahme gewährt werde, werde eine Zwangsstrafe im Sinne des § 111 BAO in Höhe von 200 € verhängt.
8 Nachdem binnen der gesetzten Frist weder weitere Unterlagen von der revisionswerbenden Partei vorgelegt wurden noch die Möglichkeit der Einsichtnahme in dieselben gewährt wurde, verhängte der Stadtmagistrat Innsbruck mit Bescheid vom gemäß § 111 BAO über die Revisionswerberin die mit Schreiben vom angedrohte Zwangsstrafe in Höhe von 200 €.
9 Dagegen erhob die Revisionswerberin Beschwerde, worin sie ausführte, dass die Gemeinden zur Durchführung einer Kommunalsteuerprüfung seit dem 2. Abgabenänderungsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 132/2002, nicht mehr zuständig seien. Eine Nachschau im Zusammenhang mit der Kommunalsteuer sei lediglich auf eine kursorische Prüfung begrenzt, nämlich ob alle Dienstnehmer angemeldet seien und in einer fachkundig geführten Lohnverrechnung erfasst würden. Die Prüfung, ob alle lohnabhängigen Abgaben richtig erfasst worden seien, sei dagegen als Kommunalsteuerprüfung im Sinn des § 14 KommunalStG zu werten und ausschließlich dem Finanzamt oder Sozialversicherungsträger vorbehalten. Der Verwaltungsgerichtshof habe zwar in seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0223, ein Recht der Gemeinden zur Nachschau nach § 14 Abs. 1 KommStG bejaht; zu diesem Zeitpunkt seien jedoch die Abgabenverfahrensgesetze der Bundesländer noch in Kraft gewesen. Aus dieser Entscheidung lasse sich sohin keine Kompetenz der Gemeinden zur Kommunalsteuerprüfung ableiten. Mit seien die Landesabgabenordnungen außer Kraft getreten, und gelte ab ausschließlich die BAO für die jeweiligen Landes- und Gemeindeabgaben. Die statische Verweisung des § 14 Abs. 1 KommStG auf eine Nachschau nach den Landesabgabenordnungen der Bundesländer schließe ein Nachschaurecht der Gemeinden nach § 144 BAO aus.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine Revision für unzulässig erklärt wurde, wies das LVwG die Beschwerde ab. Begründend führte es aus, es stehe aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens fest, dass ein Organ der Abgabenbehörde mit der Durchführung einer Nachschau beauftragt gewesen und dies der Revisionswerberin auch entsprechend mitgeteilt worden sei. Seitens des Organs der Abgabenbehörde sei sodann die Vorlage der Dienstnehmerlohnkonten, der Jahresabschlüsse und der Buchhaltungskonten jeweils für die Jahre 2013 bis 2017 konkret zur Durchführung der Nachschau gefordert worden. Zu dieser Aufforderung sei das Organ der Abgabenbehörde gemäß § 14 KommStG in Verbindung mit den Bestimmungen über das Nachschaurecht iSd damals geltenden Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) befugt gewesen. Die Vorlage der geforderten Unterlagen sei von der Revisionswerberin jedoch verweigert worden. Bei Unterlassung der abgabenrechtlichen Pflichten, die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, stehe der Abgabebehörde zur Erzwingung der entsprechenden Handlungen die Verhängung einer Zwangsstrafe im Sinne des § 111 BAO zur Verfügung (Hinweis auf ). Die Voraussetzungen zur Verhängung der Zwangsstrafe, nämlich die vorherige Androhung derselben im konkreten Ausmaß, habe die Behörde erfüllt.
11 Die Bedenken der Revisionswerberin hinsichtlich der Zulässigkeit eines Nachschaurechts der Gemeinden teile das LVwG nicht. Mit dem Abgabenverfassungsreformgesetz sei zwar der Anwendungsbereich der BAO ab auf Landes- und Gemeindeabgaben erweitert worden; der Verweis auf Bestimmungen der Landesabgabenordnung in § 14 KommStG sei jedoch nicht (formell) abgeändert worden. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0223, ausgeführt habe, sei dieser Verweis als statische Verweisung zu verstehen. Anzuwenden seien jene Bestimmungen (zur „Nachschau“) der jeweiligen Landesabgabenordnung, wie sie zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Abänderung des § 14 KommStG durch BGBI. I Nr. 132/2002, in Kraft gewesen seien. Die Möglichkeit einer Nachschau durch die kommunale Abgabenbehörde sei durch die gemeinsame Prüfung unberührt geblieben. Die Nachschaumöglichkeit der Gemeinden berücksichtige auch, dass die Abgabenbehörden an die Prüfergebnisse des Finanzamtes und der Sozialversicherungsträger nicht gebunden und daher berechtigt seien, den abgabenrechtlich relevanten Sachverhalt selbst festzustellen. Zudem könnten durch das Nachschaurecht der Gemeinden Prüfungslücken vermieden werden und gewährleiste das Nachschaurecht die Abgabenadministration der Kommunalsteuer im Abgabenhoheitsrecht der Gemeinden.
12 Die Nachschau iSd Landesabgabenordnungen umfasse im Wesentlichen dieselben Prüfungsbefugnisse wie eine Außenprüfung iSd § 147 BAO (Hinweis auf Ritz, BAO6 § 147 Rz 21), weshalb die Behörden auch berechtigt seien, Unterlagen, Bücher und Aufzeichnungen zu verlangen. Beschränkt sei das Recht auf Nachschau der Gemeinden nur dadurch, dass eine Doppelprüfung iSd § 148 Abs. 3 BAO unzulässig sei. Für den Nachschauzeitraum habe es jedoch weder eine Prüfung durch das Finanzamt noch durch den Sozialversicherungsträger gegeben. Dass die Vorlage der Unterlagen unzumutbar oder unmöglich gewesen wäre, sei nicht behauptet worden.
13 Ergänzend werde noch darauf hingewiesen, dass der explizite Verweis auf die Bestimmungen der Nachschau in § 14 KommStG mit dem Gesetz über die Zusammenführung der Prüfungsorganisationen der Finanzverwaltung und der Sozialversicherung, BGBl. I Nr. 98/2018, entfallen sei. In den Erläuterungen werde jedoch darauf hingewiesen, dass „den Gemeinden die Möglichkeit zukommt, allgemeine Aufsichts- und Erhebungsmaßnahmen gemäß § 143 bis § 146 BAO und damit Nachschauen gemäß § 144 BAO durchzuführen. Das Recht auf Durchführung einer Nachschau (nunmehr nach der BAO - was dem durch das Abgabenverwaltungsreformgesetz hergestellten Rechtszustand entspricht) bleibt den Gemeinden damit erhalten.“ Der Gesetzgeber sehe sohin auch künftig keine Bedenken hinsichtlich einer Nachschau der Gemeinden.
14 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom , E 2322/2019-6, abgelehnt und sie - über nachträglichen Antrag - zur Entscheidung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. Im angeführten Beschluss sprach der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus, dass zur Beantwortung der Frage, ob der Stadtmagistrat Innsbruck die Revisionswerberin zu Recht aufgefordert habe, die Dienstnehmerlohnkonten, Jahresabschlüsse sowie Buchhaltungskonten für die Jahre 2013 bis 2017 vorzulegen bzw. Einsicht darin zu gewähren, keine spezifischen verfassungsrechtlichen Überlegungen hinsichtlich der ins Treffen geführten verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter anzustellen seien.
15 In der sodann erhobenen außerordentlichen Revision bringt die Revisionswerberin zur Zulässigkeit vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Frage, ob der Gemeinde - ungeachtet der Übertragung der Kommunalsteuerprüfung in die Zuständigkeit der GPLA (der Finanzämter und Sozialversicherungsträger) und der bloß verbliebenen Nachschauberechtigung der Gemeinden - die Berechtigung zur Kommunalsteuerprüfung nach § 14 Abs. 1 erster Satz KommStG zustehe und sie diese mittels Zwangsstrafe erzwingen könne. Weiters fehle Rechtsprechung dazu, ob die in § 14 KommStG verwendeten Begriffe „Nachschau“ und „Kommunalsteuerprüfung“ gleichzusetzen seien. Die von der Gemeindebehörde im Revisionsfall gesetzte Ermittlungstätigkeit sei als Kommunalsteuerprüfung zu werten, was die Revisionswerberin in ihrem Recht auf Kommunalsteuerprüfung ausschließlich durch die nach § 14 KommStG zuständigen Behörden sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletze, weil gesetzliche Zuständigkeitsregeln auch das Ermittlungsverfahren umfassten. Darüber hinaus fehle § 116 TLAO in der Liste der weiterhin anzuwendenden Bestimmungen in § 323a Abs. 3 BAO und weiche die Entscheidung des LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Weitergeltung der landesrechtlichen Verjährungsvorschriften für Nachforderungen in Folge einer nach landesrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Nachschau ab, die einen Beginn der Amtshandlung vor dem voraussetze (Hinweis auf ).
16 Der Verwaltungsgerichtshof leitete daraufhin das Vorverfahren ein; Revisionsbeantwortungen wurden keine erstattet.
17 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
18 Die Revision ist zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
19 § 14 Abs. 1 KommStG in der im Revisionsfall anwendbaren Fassung des Abgabenverwaltungsreformgesetzes (AbgVRefG), BGBl. I Nr. 20/2009, lautete:
„Kommunalsteuerprüfung
(1) Die Prüfung der für Zwecke der Kommunalsteuer zu führenden Aufzeichnungen (Kommunalsteuerprüfung) obliegt dem für die Lohnsteuerprüfung zuständigen Finanzamt (§ 81 EStG 1988) oder dem für die Sozialversicherungsprüfung zuständigen Krankenversicherungsträger (§ 41a Abs. 1 und 2 ASVG). Die Prüfung ist gemeinsam mit der Lohnsteuerprüfung (§ 86 EStG 1988) und mit der Sozialversicherungsprüfung (§ 41a ASVG) durchzuführen. Den Prüfungsauftrag hat jenes Finanzamt oder jener Krankenversicherungsträger zu erteilen, das/der den Prüfungsauftrag für die Lohnsteuerprüfung oder die Sozialversicherungsprüfung zu erteilen hat. Für die Kommunalsteuerprüfung gelten die für Prüfungen gemäß § 147 Abs. 1 BAO maßgeblichen Vorschriften der Bundesabgabenordnung. Bei der Durchführung der Kommunalsteuerprüfung ist das Prüfungsorgan des Finanzamtes oder des Krankenversicherungsträgers als Organ der jeweils berührten Gemeinde tätig. Die berührten Gemeinden sind von der Prüfung sowie vom Inhalt des Prüfungsberichtes zu verständigen. Die Gemeinden sind berechtigt, in begründeten Einzelfällen eine Kommunalsteuerprüfung anzuregen. Das Recht der Gemeinden auf Durchführung einer Nachschau gemäß der jeweils für sie geltenden Landesabgabenordnung (Abgabenverfahrensgesetz) bleibt unberührt, wobei § 148 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung sinngemäß anzuwenden ist.“
20 Zu dieser Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0223, bereits Stellung genommen und ausgeführt, dass sich durch das AbgVRefG und der damit erfolgten Erweiterung des Anwendungsbereichs der BAO auf Landes- und Gemeindeabgaben nichts am bisherigen Verständnis des § 14 KommStG geändert hat. Demnach sind die Gemeinden - unter Beachtung des Verbots einer Wiederholungsprüfung - weiterhin zur Durchführung einer Nachschau berechtigt, wobei der verbliebene Verweis in § 14 Abs. 1 KommStG auf die jeweils für die Gemeinden geltende Landesabgabenordnung als statische Verweisung zu verstehen ist. Anzuwenden sind demnach jene Bestimmungen (zur „Nachschau“) der jeweiligen Landesabgabenordnung, wie sie zum Zeitpunkt der entsprechenden Abänderung des § 14 KommStG in Kraft waren.
21 Dass der Gesetzgeber diesen Fall der Fortgeltung landesrechtlicher Nachschaubestimmungen in den Übergangsbestimmungen der BAO nicht angesprochen hat, spricht - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht gegen dieses Auslegungsergebnis, befassen sich die von der Revision zitierten Übergangsvorschriften des § 323a BAO doch mit verfahrensrechtlichen Übergangsfragen, die alle Landes- und Gemeindeabgaben gleichermaßen betreffen. Die von der Revision im Besonderen angesprochene Weitergeltung der landesrechtlichen Verjährungsvorschriften für Nachforderungen in Folge einer nach landesrechtlichen Vorschriften vorgenommenen Nachschau hat zudem in § 323a Abs. 1 Z 5 BAO eine ausdrückliche Regelung erfahren und ist auf die revisionsgegenständliche Frage nicht übertragbar. Demgegenüber ist die revisionsgegenständliche Auslegung des in § 14 KommStG verbliebenen Verweises auf die Landesabgabenordnungen eine spezifische Frage dieses Materiengesetzes, die aus diesem heraus zu lösen ist.
22 Für den Revisionsfall kommt damit § 116 TLAO zur Anwendung, der in Absatz 2 die Nachschaubefugnisse umfassender als § 144 Abs. 2 BAO geregelt hatte. Die Bestimmung lautete seit der Stammfassung LGBl. Nr. 34/1984:
„(1) Für Zwecke der Abgabenerhebung kann die Abgabenbehörde bei Personen, die nach abgabenrechtlichen Vorschriften Bücher oder Aufzeichnungen zu führen haben, Nachschau halten und hierbei alle für die Abgabenerhebung bedeutsamen Umstände feststellen. Nachschau kann auch bei einer anderen Person gehalten werden, wenn Grund zur Annahme besteht, daß gegen diese Person ein Abgabenanspruch gegeben ist, der auf andere Weise nicht festgestellt werden kann.
(2) In Ausübung der Nachschau dürfen Organe der Abgabenbehörde Gebäude, Grundstücke und Betriebe betreten und besichtigen, die Vorlage der nach den Abgabenvorschriften zu führenden Bücher und Aufzeichnungen sowie sonstiger für die Abgabenerhebung maßgeblicher Unterlagen verlangen, in diese Einsicht nehmen und hierbei prüfen, ob die Bücher und Aufzeichnungen fortlaufend, vollständig sowie formell und sachlich richtig geführt werden.“
23 Es kann somit gerade auf dem Boden der TLAO, die neben Vorlage und Einsichtnahme auch ein breites inhaltliches Prüfrecht im Rahmen der Nachschau ausdrücklich anspricht, kein Zweifel bestehen, dass die revisionsgegenständliche abgabenbehördliche Nachschau auch eine inhaltliche Prüfung der Unterlagen auf ihre sachliche Richtigkeit einschließt und sich nicht - wie von der Revision behauptet - auf eine bloß kursorische Prüfung beschränkt, dass solche Unterlagen geführt werden.
24 Im zitierten hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0223, hat sich der Verwaltungsgerichtshof darüber hinaus auch bereits mit den schon damals geäußerten Bedenken auseinandergesetzt, die Befugnisse der Organe der Kommunalsteuerprüfung würden sich mit jenen der zur Nachschau berechtigten Gemeindeorgane unzulässig überschneiden. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass die Zuständigkeitsverteilung betreffend Kommunalsteuer vom Gesetzgeber insofern exakt, klar und eindeutig geregelt ist, als diese Zuständigkeit den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zugeordnet ist. § 14 KommStG sieht dabei lediglich vor, dass die Prüfung der Bemessungsgrundlage gemeinsam (für Finanzamt, Krankenversicherung und Gemeinde) erfolgen soll. Mit der einheitlichen Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben soll die administrative Belastung der Arbeitgeber vermindert und gleichzeitig erhebliche Synergieeffekte in der Verwaltung realisiert werden. Der Prüfer hat hierbei die Eigenschaft eines Gutachters; die Kommune ist an die Prüfungsfeststellungen (das Gutachten) des Prüfers nicht gebunden, sondern kann davon abweichen.
25 Entgegen dem Revisionsvorbringen enthält § 14 KommStG damit jedoch keine exklusive Zuordnung der Prüfungskompetenz für die Kommunalsteuer zu Finanzamt und Krankenversicherungsträger. Eine solche Sichtweise würde außer Acht lassen, dass die Kommunalsteuer den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zugeordnet ist und die Gemeindebehörden weiterhin die zuständigen entscheidungsverantwortlichen Abgabenbehörden im Kommunalsteuerverfahren sind. Zwar trifft es zu, dass § 14 KommStG die Kommunalsteuerprüfung auch als selbstständige Aufgabe des für die Lohnsteuerprüfung zuständigen Finanzamts (§ 81 EStG 1988) und des für die Sozialversicherungsprüfung zuständigen Krankenversicherungsträgers definiert und die Gemeinde zudem berechtigt, in begründeten Einzelfällen eine Kommunalsteuerprüfung durch diese anzuregen. Diese gesetzlich normierte Unterstützung der Gemeinden durch andere Behörden kann aber nicht als Ausschluss der Gemeindebehörden als zuständige Abgabenbehörden von zentralen Ermittlungshandlungen verstanden werden (vgl. auch , VfSlg. 20361, Rz 264 zu Sozialversicherungsbeiträgen: „Ein Regelungssystem, das dem in einem Verwaltungsverfahren im eigenen Wirkungsbereich entscheidenden Selbstverwaltungskörper praktisch jeden Einfluss auf Art und Umfang des Ermittlungsverfahrens nimmt, ist unsachlich und widerspricht im konkreten Zusammenhang Organisationsprinzipien der Selbstverwaltung“).
26 Die Verhängung der Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO begegnet sohin keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken.
27 Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am
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Normen | AbgVRefG 2009 BAO §323a BAO §323a Abs1 Z5 B-VG Art118 B-VG Art83 Abs2 EStG 1988 §81 KommStG 1993 §12 KommStG 1993 §14 Abs1 idF 2009/I/020 KommStG 1993 §14 idF 2002/I/132 KommStG 1993 §14 idF 2009/I/020 LAO Tir 1984 §116 LAO Tir 1984 §116 Abs2 VwRallg |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Organisationsrecht Körperschaften des öffentlichen Rechtes Selbstverwaltung VwRallg5/2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021150015.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
SAAAF-45684