Suchen Hilfe
VwGH 27.03.2024, Ra 2021/13/0147

VwGH 27.03.2024, Ra 2021/13/0147

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
UStG 1994 §12 Abs1
62017CJ0459 SGI VORAB
RS 1
Wurden die verrechneten Leistungen nicht bewirkt, besteht auch kein Recht auf Vorsteuerabzug, wobei es auf eine Gut- oder Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nicht ankommt (vgl. , SGI und C-460/17, SNC)
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/13/0050 B RS 1

Entscheidungstext

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):

Ra 2021/13/0144 B

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der C GmbH in W, vertreten durch Mag.Dr. Hanno Zanier, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/DG, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7100190/2015, betreffend u.a. Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2010, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Im Zuge einer bei der Revisionswerberin - einer im Bereich der Reinigung von Denkmälern, Fassaden und Gebäuden sowie des Personalleasings und des Transports tätigen GmbH - im Jahr 2013 durchgeführten Außenprüfung betreffend u.a. die Körperschaftsteuer, Kapitalertragsteuer und Umsatzsteuer für die Jahre 2010 und 2011 stellte der Prüfer - nach dem Bericht über das Ergebnis dieser Außenprüfung - fest, das von der Revisionswerberin beauftragte Subunternehmen - die S GmbH - habe die von ihr in Rechnung gestellten Leistungen nicht erbracht. Betroffen seien dabei vier Rechnungen aus dem Jahr 2010. Es seien keinerlei Nachweise (Schriftverkehr, Arbeitsprotokolle, Stundenaufzeichnungen, sonstige Aufzeichnungen) für die Leistungserbringung durch dieses Subunternehmen vorgelegt worden, die Bezahlung sei laut Rechnungswesen der Revisionswerberin in bar erfolgt und daher nicht überprüfbar und das betreffende Subunternehmen sei bei zahlreichen anderen Außenprüfungen als Scheinunternehmen in Erscheinung getreten. Es sei anzunehmen, die Rechnungen seien Deckungsrechnungen für nicht im Rechnungswesen der Revisionswerberin verbuchten Personalaufwand, der lediglich mit 50 % des erfassten Rechnungsbetrags zu schätzen sei. Der restliche Rechnungsbetrag (50 %) sei als verdeckte Ausschüttung zu beurteilen und der Kapitalertragsteuer - die von VN, dem Gesellschafter-Geschäftsführer der Revisionswerberin getragen werde - zu unterwerfen. Weiters stünden die aufgrund der Deckungsrechnungen geltend gemachten Vorsteuern nicht zu.

2 Das Finanzamt folgte dieser Auffassung, nahm die Körperschaft- und Umsatzsteuerverfahren für das Jahr 2010 wieder auf und erließ entsprechend geänderte Sachbescheide. Dabei berücksichtigte das Finanzamt nicht nur die im Zuge der Außenprüfung getroffenen Feststellungen betreffend die Deckungsrechnungen, sondern auch eine von der Revisionswerberin zu Beginn der Außenprüfung erstattete Selbstanzeige, mit der nicht erklärte, im Jahr 2010 erzielte Umsätze offengelegt wurden.

3 Die gegen die Wiederaufnahme- und Sachbescheide erhobene Berufung (nunmehr Beschwerde) wies das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen ab, woraufhin die Revisionswerberin die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragte.

4 Nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht gab die Revisionswerberin mit einem an das Bundesfinanzgericht gerichteten Schreiben - im Hinblick auf die zu Beginn der Außenprüfung erstattete Selbstanzeige - die Zurücknahme der Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme des Körperschaft- und Umsatzsteuerverfahrens bekannt.

5 Mit der angefochtenen Entscheidung erklärte das Bundesfinanzgericht die Beschwerde betreffend die Wiederaufnahme des Körperschaft- und Umsatzsteuerverfahrens gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos und stellte mit Beschluss das Beschwerdeverfahren insoweit ein (Spruchpunkt I.). Es wies weiters die Beschwerde betreffend Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt II.).

6 Nach umfangreicher Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens führte das Bundesfinanzgericht - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, die Revisionswerberin habe - im verfahrensgegenständlichen Jahr - Aufwendungen in näher genannter Höhe für Subunternehmerleistungen der S GmbH für die Durchführung von Reinigungsleistungen als Betriebsausgaben geltend gemacht und die in den betreffenden vier Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen. Bei diesen Rechnungen handle es sich um Deckungsrechnungen, weil die S GmbH diese Leistungen nicht erbracht habe. Es seien jedoch Reinigungsarbeiten erbracht worden und daher werde ein Aufwand in Höhe von 50 % (des jeweiligen Rechnungsbetrages) als Betriebsausgaben anerkannt. Die restlichen 50 % seien als verdeckte Ausschüttung an VN, den Gesellschafter-Geschäftsführer der Revisionsweberin, zu werten.

7 Als Umstände, die gegen die Leistungserbringung durch die S GmbH sprechen würden, führte das Bundesfinanzgericht an, die Anteile an der S GmbH seien Ende April 2010 durch C, einem slowakischen Staatsbürger, erworben worden, der am selben Tag zum vertretungsbefugten Geschäftsführer bestellt worden sei. Der Unternehmensgegenstand sei vom Betrieb eines Cafés in die Überlassung von Arbeitskräften geändert worden, der Sitz der Gesellschaft sei an eine Adresse verlegt worden, an der auch C - seit dem Vortag des Anteilserwerbs bis wenige Tage vor Eröffnung des Konkurses über die S GmbH - gemeldet gewesen sei. Das betreffende Gebäude, in dem C einen Raum angemietet habe, sei ein Industriegebäude gewesen, das von verschiedenen Firmen genutzt worden sei. Über die S GmbH sei Ende September 2010 der Konkurs eröffnet worden, die Löschung aus dem Firmenbuch (wegen Vermögenslosigkeit) sei im April 2013 erfolgt.

8 Weder die Masseverwalterin der S GmbH noch die KIAB (Kontrollgruppe für illegale Ausländerbeschäftigung) hätten C kontaktieren können, Zustellungen hätten nicht vorgenommen werden können. Den anderen Mietern der Liegenschaft an der Geschäftsanschrift seien weder die S GmbH noch C bekannt. Aus dem Schlussbericht der Masseverwalterin ergebe sich, dass die S GmbH ihre Geschäftstätigkeit - sofern überhaupt jemals vorhanden - vor Konkurseröffnung aufgegeben habe. Die S GmbH habe keine Unterlagen beim Finanzamt abgegeben und der frühere Steuerberater - vor Übernahme der Anteile durch C - habe seine Vollmacht zurückgelegt.

9 Von der S GmbH seien beim zuständigen Sozialversicherungsträger 320 Dienstnehmer angemeldet, aber keine Beiträge abgeführt worden. Die Masseverwalterin habe diese im Zuge des Insolvenzverfahrens abgemeldet und diesbezüglich erhoben, dass die Dienstnehmer für einen anderen Rechtsträger tätig geworden seien.

10 DN, die gewerberechtliche - und frühere unternehmensrechtliche - Geschäftsführerin der Revisionswerberin und Tochter des VN, habe bei ihrer ersten Einvernahme nur sehr vage Auskunft über die Geschäftsbeziehung zur S GmbH geben können und lediglich auf ihren Vater VN verwiesen. Erst bei ihrer zweiten Befragung habe sie sich an den Namen C erinnern können und habe weiters angegeben, dieser sei Ansprechpartner gewesen. Die Kontaktaufnahme sei telefonisch erfolgt, wobei DN keine Telefonnummer von C gehabt habe. Die Rechnungen der S GmbH seien nach ihrer Aussage von Personen, die C geschickt habe, übergeben worden, die Bezahlung sei in bar erfolgt.

11 Aufgrund dieser Umstände und der Tatsache, dass C nicht in Österreich aufhältig und auffindbar sei, könne nicht nachgeprüft werden, an wen und in welcher Höhe Gelder geflossen seien. Zudem sei es völlig ungewöhnlich, derartig hohe Summen - nach den Rechnungen seien dies Beträge zwischen rund 120.000 € und 225.000 € - in bar zu bezahlen, und ebenso, dass die S GmbH über kein Geschäftskonto verfügt habe.

12 Nach den Feststellungen der Außenprüfung seien in den auf den Rechnungen der S GmbH angeführten Zeiträumen - Mai, Juni, Juli und August 2010 - Reinigungsarbeiten für verschiedene Auftraggeber durchgeführt worden, aus den Arbeitszeitaufzeichnungen gehe jedoch nicht hervor, welche Personen diese Arbeiten erbracht haben. Fehlen würden auch ein genaues Tätigkeitsdatum und eine Beschreibung der Tätigkeit. Ein Schriftverkehr zwischen der Revisionswerberin und der S GmbH liege nicht vor, was in Anbetracht der hohen Summen und vielen Aufträge über einen längeren Zeitraum sehr ungewöhnlich sei, zumal es hinsichtlich der Geschäftsbeziehungen mit anderen Subunternehmen sehr wohl einen Schriftverkehr gäbe.

13 Zusammenfassend sei als erwiesen anzunehmen, dass es sich bei der S GmbH um eine Scheinfirma gehandelt habe, dem Geschäftsführer der Revisionswerberin bewusst gewesen sei, dass die S GmbH nicht die behaupteten Leistungen erbracht habe, und die mit ihr abgeschlossenen Verträge der Verschleierung der in Wahrheit von „Schwarzarbeitern“ erbrachten Leistungen gedient hätten.

14 In rechtlicher Hinsicht - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, dadurch, dass die verfahrensgegenständlichen Rechnungen eine Leistungserbringung durch die S GmbH nicht nachzuweisen vermögen würden, sei ein Betriebsausgabenabzug in Höhe der Rechnungsbeträge nicht gerechtfertigt. Die Betriebsausgaben seien - in Anbetracht dessen, dass grundsätzlich Reinigungsleistungen erbracht worden seien - vielmehr in Höhe von 50 % der nicht anerkannten Fremdleistungen zu schätzen. Der dadurch entstehende Mehrgewinn sei auch der Kapitalertragsteuer zu unterziehen. Da die S GmbH die verrechneten Leistungen nicht erbracht habe, stehe der damit zusammenhängende Vorsteuerabzug der Revisionswerberin nicht zu. In Höhe dieser Vorsteuern liege auch eine verdeckte Ausschüttung an VN vor.

15 Gegen dieses Erkenntnis (betreffend Spruchpunkt II. - Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2010) richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

19 Die Revisionswerberin wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung zunächst mit allgemeinen und abstrakten Ausführungen weitwendig gegen die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes.

20 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wirft eine in einem Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. , mwN).

21 Das Bundesfinanzgericht hat im angefochtenen Erkenntnis - mit einer schlüssigen und nachvollziehbaren Begründung - detailliert dargelegt, aufgrund welcher konkreten Umstände es im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangt ist, dass die S GmbH keine Leistungen an die Revisionswerberin erbracht habe und weshalb es vom Vorliegen von Scheinrechnungen (Deckungsrechnungen) ausgegangen ist. Dabei hat das Bundesfinanzgericht entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin keine Beweislastumkehr angenommen, sondern (positive) Feststellungen getroffen. Soweit die Revisionswerberin moniert, das Bundesfinanzgericht habe nur ein „reines Aktenverfahren“ durchgeführt, ist auf ihre Zurücknahme des Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Schreiben vom  - zu verweisen. Die Revisionswerberin kann nicht aufzeigen, dass die beweiswürdigenden Überlegungen des Bundesfinanzgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären.

22 Die Revisionswerberin macht weiters Begründungsmängel geltend. Ein Begründungsmangel führt nur dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn durch diesen Mangel die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. , mwN). Dass dies hier der Fall wäre, ist nicht erkennbar. Aus dem angefochtenen Erkenntnis geht in einer die Rechtsverfolgung und die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Weise klar hervor, von welchem Sachverhalt das Bundesfinanzgericht ausgeht, aufgrund welcher Erwägungen das Bundesfinanzgericht zur Ansicht gelangte, dass dieser Sachverhalt vorliege, und wie dieser Sachverhalt - nach Meinung des Bundesfinanzgerichts - rechtlich zu beurteilen ist.

23 In der Zulässigkeitsbegründung wird eingewendet, das Bundesfinanzgericht habe sich auf geheime Beweismittel gestützt. Dabei wird nur eine Beilage zum Betriebsprüfungsbericht konkret genannt, in der „Verhältnisse“ der S GmbH beschrieben worden seien. Dieses Vorbringen ist allerdings schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil diese Beilage - wie die Revisionswerberin selbst zugesteht - Teil des Berichts über das Ergebnis der bei ihr durchgeführten Außenprüfung ist und ihr dementsprechend zugänglich gemacht wurde.

24 Die Revisionswerberin tätigt auch - teilweise schwer verständliche - Ausführungen zur Umsatzsteuer bzw. Versagung des Vorsteuerabzugs und bringt in diesem Zusammenhang sinngemäß etwa vor, sie habe sich auf die gültige UID-Nummer der S GmbH verlassen dürfen und habe zudem sämtliche Maßnahmen getroffen, die vernünftigerweise von ihr verlangt hätten werden können, um das Vorliegen eines Mehrwertsteuerbetrugs auszuschließen. Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Versagung des Vorsteuerabzuges vom Bundesfinanzgericht (primär) auf die Nichterbringung der Leistung durch die S GmbH gestützt worden ist. Wurden die verrechneten Leistungen aber tatsächlich nicht bewirkt, besteht auch kein Recht auf Vorsteuerabzug, wobei es auf eine Gut- oder Bösgläubigkeit des Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nicht ankommt (vgl. etwa , mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des EuGH).

25 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
UStG 1994 §12 Abs1
62017CJ0459 SGI VORAB
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2021130147.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-45662