VwGH 19.04.2023, Ra 2021/13/0125
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | § 293 BAO schafft die Möglichkeit, Fehler zu berichtigen, die in einem Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens bestehen (). Demnach sind Fehlzitate und Schreibfehler, die offenkundig eine Abweichung vom Bescheidwillen darstellen, als unbeachtlich, d.h. als dem richtigen Verständnis des Bescheids selbst dann nicht im Wege stehend anzusehen, wenn noch kein Berichtigungsbescheid erlassen wurde (vgl. VwGH [verstärkter Senat] , 91/15/0085; , 2003/13/0042). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/15/0131 B RS 1 (hier: Dies gilt auch für Erkenntnisse des BFG.) |
Normen | |
RS 2 | Gemäß § 6 Abs. 2 StabAbgG 2011 idF BGBl. I Nr. 13/2014 entsteht die Abgabenschuld mit 1. Jänner des Kalenderjahres, für das die Stabilitätsabgabe zu entrichten ist. Auf den Sonderbeitrag ist § 6 sinngemäß anzuwenden. Es handelt sich daher bei den einzelnen Quartalszahlungen nicht um verschiedene Abgabenansprüche, sondern um Teilzahlungen (§ 7 Abs. 2 StabAbgG 2011) bzw. Vorauszahlungen für eine Abgabenschuld bzw. einen Abgabenanspruch. |
Norm | |
RS 3 | Die Einrichtung des § 293 BAO dient nicht dazu, Irrtümer der Behörde bei der Auslegung des Gesetzes zu berichtigen, sondern nur zur Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens. Dabei trägt die Bestimmung ua dem Umstand Rechnung, dass auch bei der Unterstützung durch eine automatisierte Datenverarbeitungsanlage Fehler unterlaufen können, durch die bewirkt wird, dass der Bescheid anders lautet als es die Abgabenbehörde beabsichtigt hat (Hinweis E , 85/13/0076). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2002/14/0015 E VwSlg 7932 F/2004 RS 1 |
Norm | |
RS 4 | Alle Fehler, die bei händischen Ausfertigungen zu solchen führen, die als offenkundige Unrichtigkeiten zu bezeichnen sind, sind auch dann Unrichtigkeiten iSd § 293 BAO, wenn sich die Behörde beim technischen Vorgang der Erstellung und Ausfertigung der Bescheide einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage bedient hat. Darüber hinaus erfasst die Bestimmung auch solche Mängel, die ihre Wurzel in der Unkenntnis über den Programmablauf haben, der durch Eintragungen im Eingabebogen in Gang gesetzt wird (Hinweis Stoll, BAO-Kommentar, 2823). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2002/14/0015 E VwSlg 7932 F/2004 RS 2 |
Norm | |
RS 5 | Der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe stellt einen Zuschlag zur Abgabenschuld der Stabilitätsabgabe dar und ist damit von der Höhe der Stabilitätsabgabe abhängig. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision der R O AG in L, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- u. Steuerberatungsgesellschaft in 4020 Linz, Kudlichstrasse 41, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/5100503/2021, betreffend Berichtigung gemäß § 293 BAO hinsichtlich Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin berechnete den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe für das Jahr 2014 mit 10.866.906,64 € und entrichtete diesen Betrag. Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe für 2014 in Höhe von 10.396.435,14 € fest, woraus sich eine Abgabengutschrift in Höhe von 470.471,50 € ergab.
2 Mit Berichtigungsbescheid nach § 293 BAO vom wurde der Sonderbeitrag mit 10.866.906,40 € festgesetzt. Das Finanzamt begründete dies damit, dass im Bescheid vom der Sonderbeitrag 2014 mit einem Durchschnittssatz von 48,75 % berechnet worden sei und diese Art der Berechnung durch die gesetzliche Bestimmung nicht gedeckt sei. Gemäß § 7a Abs. 1 lit. c Stabilitätsabgabegesetz betrage der Sonderbeitrag für das Jahr 2014 25 % der am , 55 % der am und sowie 60 % der am zu entrichtenden Stabilitätsabgabe.
3 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin vor, es liege kein Rechenfehler im Sinne eines „Zahlendrehers“ oder eines „Versehens“ vor, sondern die Behörde habe den Durchschnittsprozentsatz offenbar bewusst so angewendet, weil sie diese Berechnungsweise zu diesem Zeitpunkt offensichtlich als die gesetzlich gebotene erachtet habe. Sohin liege ein reiner EDV-Programmierfehler aufgrund einer falschen Rechtsanwendung respektive Gesetzesinterpretation vor, nicht aber im Sinne eines Rechenfehlers oder Versehens. Im Spruch des Bescheides vom sei als einzig erkennbarer Wille jener zur Ermittlung mit dem Prozentsatz von 48,75 % erkennbar. Eine darüberhinausgehende Begründung fehle. Ob es eine davon abweichende Willensentscheidung der Behörde gebe, lasse sich durch nichts erschließen, auch nicht, ob dies „wissentlich“ erfolgt wäre oder nicht.
4 In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung führte das Finanzamt aus, dass die EDV-Anlage falsch programmiert worden sei, weshalb ein nicht gesetzeskonformer Durchschnittsprozentsatz zur Anwendung gekommen sei. Der Betrag weiche im Spruch vom selbst berechneten und entrichteten Abgabenbetrag der Abgabepflichtigen - ohne Angabe einer Begründung für die Anwendung eines offensichtlich falschen Prozentsatzes von 48,75 % - ab. Als Folge sei der Bescheid vom nicht konform mit der Willensentscheidung der Behörde. Es handle sich um einen berichtigbaren Fehler, der ausschließlich auf den Einsatz automationsunterstützter Datenverarbeitungssysteme zurückzuführen sei. Das Finanzamt habe weder infolge einer unrichtigen Annahme des Sachverhalts noch infolge eines Rechtsirrtums beabsichtigt, der Revisionswerberin einen gesetzlich nicht zu rechtfertigenden Betrag des Sonderbeitrags zur Stabilitätsabgabe vorzuschreiben. Nachdem eine derartige Steuerberechnung gesetzlich nicht vorgesehen gewesen sei, bleibe auch nicht im Ungewissen, ob tatsächlich eine Willensentscheidung der Behörde zur falschen Berechnung geführt habe.
5 Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab und setzte die „Stabilitätsabgabe 2014“ mit 10.866.906,40 € fest.
6 Das Bundesfinanzgericht stellte fest, dass von der Finanzverwaltung die über Finanz-Online eingereichte Steuererklärung ohne weitere Bearbeitung zur Eingabe freigegeben worden sei. Im Computersystem sei im strittigen Zeitraum ein Steuersatz von 48,75 % implementiert gewesen. Die Finanzämter seien darüber nicht informiert worden. In der Beweiswürdigung führte es aus, dass die Willensentscheidung des Finanzamtes auf Festsetzung des selbstberechneten und entrichteten Betrages gerichtet gewesen sei. Die Berechnungsformel sei dem Finanzamt nicht bekannt gewesen, dieses habe nur die Steuererklärung zur Eingabe freigegeben. Die berechnete Steuer von 10.396.435,14 € führe zu einer Diskrepanz zwischen Bescheidwillen und Ergebnis laut Datenverarbeitungsanlage. Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, vom Gesetzgeber seien vier Quartalssätze (25 %, 55 %, 55 % und 60 %) für 2014 festgesetzt worden. Die Implementierung dieser Regelung sei durch die EDV-Abteilung des BMF mit einem Durchschnittsprozentsatz von 48,75 % erfolgt. Eine Information der Finanzämter über den Durchschnittsprozentsatz bzw. eine Weisung des BMF, bei bestimmten Festsetzungen mit händischen Bescheiden vorzugehen, sei nicht erfolgt. Auch interne Erlässe seien dazu nicht erstellt worden.
7 Die Finanzämter hätten bei der „Freigabe“ von Steuererklärungen (zur Eingabe in die EDV) davon ausgehen können, dass die EDV-Programmierung zu einer dem Gesetz entsprechenden Steuervorschreibung (bzw. einer Vorschreibung in Höhe des selbstberechneten Betrages) führe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes diene § 293 BAO der Beseitigung von gegen den Willen der Behörde entstandenen Fehlern durch Auseinanderklaffen von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens. Das betreffe auch Fälle, bei denen sich die Behörde beim technischen Vorgang der Erstellung und Ausfertigung der Bescheide einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage bedient habe. Die Bestimmung erfasse auch solche Mängel, die ihre Wurzel in der Unkenntnis über den Programmablauf hätten. Der Bescheidwille weiche von der im Programmablauf ermittelten Steuer - von dem die Behörde nichts gewusst habe - ab. Die Behörde habe nämlich nicht - wie von der Revisionswerberin unterstellt - eine ungeeignete mathematische Methode „gewählt“, sondern nur der Steuererklärung (so wie sie abgegeben worden sei) die Freigabe erteilt, ohne Einfluss auf Codes, Bemessungsgrundlagen oder Berechnung der Steuer. Damit sei aber ein Auseinanderklaffen von Bescheidwillen und formeller Ausfertigung gegeben. Das Finanzamt habe gesetzmäßig berechnete Festsetzungen der Stabilitätsabgabe (in Höhe der selbst bemessenen Abgabe) erlassen wollen; die ihr unbekannte Berechnung der EDV habe dies infolge des implementierten Mischsatzes von 48,75 % verhindert. Damit liege ein Fall des § 293 BAO vor, nämlich die Unkenntnis der durch den Programmablauf festgesetzten Steuerberechnung.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zunächst vorbringt, das Bundesfinanzgericht habe rechtswidrigerweise eine andere Steuer festgesetzt, weil im Spruch nicht der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe, sondern die Stabilitätsabgabe 2014 festgesetzt worden sei. Zudem habe es erstmals eine quartalsweise Festsetzung der Abgabenansprüche vorgenommen, was unzulässig sei. Das Bundesfinanzgericht weiche zudem von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 293 BAO ab. Das Gericht habe keine Feststellungen zur Willensbildung des Organwalters getroffen, sondern lediglich Mutmaßungen angestellt. Es gebe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 293 BAO im Falle von Programmierungsfehlern, wenn die Programmierung von unrichtigen rechtlichen Beurteilungen ausgehe. Das Bundesfinanzgericht habe gegen das Überraschungsverbot verstoßen, weil es der Revisionswerberin nicht vorgehalten habe, dass es davon ausgehe, dass die Finanzämter nicht über die konkrete Berechnung der EDV-Anlage Bescheid gewusst hätten.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens erwogen:
10 Die Revision ist zulässig. Sie ist aber nicht begründet.
11 § 293 BAO lautet:
„Die Abgabenbehörde kann auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.“
12 § 7a Stabilitätsabgabegesetz in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2014, BGBl. I Nr. 13/2014 lautet:
„§ 7a. (1) Zusätzlich zur Abgabenschuld der Stabilitätsabgabe wird für die Kalenderjahre 2012 bis 2017 ein Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe erhoben. Der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe beträgt
a) 50% des jeweils am bzw. am zu entrichtenden Betrages im Sinne des § 7 Abs. 2;
b) 25% der im Kalenderjahr 2013 zu entrichtenden Beträge im Sinne des § 7 Abs. 2.
c) 25% des am , 55 % des jeweils am und am , sowie 60 % des am zu entrichtenden Betrages im Sinne des § 7 Abs. 2.
d) 45 % der in den Kalenderjahren 2015 bis 2017 zu entrichtenden Beträge im Sinne des § 7 Abs. 2.
Auf den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe sind die §§ 6, 7 und 8 sinngemäß anzuwenden.
(2) Der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe ist eine ausschließliche Bundesabgabe.
(3) Beim Bundesministerium für Finanzen wird für den Zeitraum 2012 bis 2017 ein Verwaltungsfonds ‚Fonds für Maßnahmen gemäß FinStaG‘ eingerichtet. Dieser wird vom Bundesminister für Finanzen verwaltet. Das Aufkommen aus dem Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe fließt in den ‚Fonds für Maßnahmen gemäß FinStaG‘ und ist im Rahmen dieses Fonds zweckgebunden für Maßnahmen, die im Bundesgesetz über Maßnahmen zur Sicherung der Stabilität des Finanzmarktes, BGBl. I Nr. 136/2008, vorgesehen sind, zu verwenden.“
13 Die Erläuterungen zum Abgabenänderungsgesetz 2014 lauten auszugsweise (24 BlgNR 25. GP 15, 16):
„Zu Z 1, Z 2, Z 5 und Z 6 (§ 3 Z 1 und 2, § 4 und § 7b sowie § 9 Abs. 3 StabAbgG):
Die Bemessungsgrundlage für die Stabilitätsabgabe soll ab dem Jahr 2014 umgestellt werden. Da das Derivategeschäft der Banken innerhalb eines Konzerns leicht ins Ausland verlegt werden und damit das Aufkommen aus der Stabilitätsabgabe stärkeren Schwankungen unterliegen kann, soll das Derivatevolumen in Zukunft nicht mehr der Stabilitätsabgabe unterliegen. Im Gegenzug dazu wird die Stabilitätsabgabe auf die Bilanzsumme erhöht, um das Aufkommen aus der Stabilitätsabgabe nicht zu verringern. Mit dieser Abgabe wird ein wichtiger Beitrag für das Budget geleistet, aus dem Maßnahmen zur Finanzmarktstabilisierung finanziert werden. Um keine rückwirkende Gesetzesänderung zu bewirken, sieht § 7b vor, dass für das erste Quartal 2014 noch die alte Rechtslage anwendbar ist. Daher unterliegt ein Viertel der Bemessungsgrundlage für die Stabilitätsabgabe aus der Bilanzsumme noch den Steuersätzen vor der Gesetzesänderung. Auf die Quartale zwei bis vier sind schon die neue Bemessungsgrundlage und der neue Steuersatz anwendbar. Zudem unterliegen im ersten Quartal 2014 noch die Derivate mit einem Viertel der Bemessungsgrundlage der Stabilitätsabgabe. Da aufgrund der Anwendbarkeit der alten Rechtslage für das 1. Quartal das prognostizierte Aufkommen aus der Stabilitätsabgabe nicht erreicht werden kann, muss der Sonderbeitrag auf 48,75 % angehoben werden, um das angestrebte Mehraufkommen von 90 Mio Euro zu erzielen. Ab 2015 bis 2017 beträgt der Sonderbeitrag einheitlich 45 % pro Jahr.
[...]
Zu Z 4 und Z 6 (§ 7a und § 9 Abs. 3 StabAbgG):
Der Sonderbeitrag für die Stabilitätsabgabe soll von 25 % auf 45 % erhöht werden. Um keine rückwirkende Gesetzesänderung zu bewirken, ist auch hier vorgesehen, dass das erste Quartal noch einem Sonderbeitrag von 25 % unterliegt. Die anderen Quartalsbeiträge werden dementsprechend erhöht. Ab 2015 beträgt der Sonderbeitrag für jede Quartalszahlung einheitlich 45 %.“
14 Die Revision macht geltend, dass das Bundesfinanzgericht mit dem Erkenntnis unzulässigerweise eine andere Abgabe festgesetzt habe, nämlich die Stabilitätsabgabe 2014. Es ist zutreffend, dass das Bundesfinanzgericht, neben der Abweisung der Beschwerde als unbegründet, eine Festsetzung der Abgabe vorgenommen hat und diese Abgabe als „Stabilitätsabgabe 2014“ bezeichnet hat.
15 Der Revision ist zwar zuzustimmen, dass das Bundesfinanzgericht überhaupt keine Festsetzung hätte vornehmen sollen, weil Sache des vorliegenden Verfahrens lediglich die Frage ist, ob eine Berichtigung eines Bescheides gemäß § 293 BAO erfolgen durfte (vgl. etwa Ritz/Koran, BAO7, § 293 Tz 20). Die (überflüssige) Festsetzung verletzt die Revisionswerberin aber nicht in ihren Rechten.
16 § 293 BAO schafft die Möglichkeit, Fehler zu berichtigen, die in einem Auseinanderklaffen von tatsächlichem Bescheidwillen und formeller Erklärung des Bescheidwillens bestehen (vgl. ). Demnach sind Fehlzitate und Schreibfehler, die offenkundig eine Abweichung vom Bescheidwillen darstellen, als unbeachtlich, d.h. als dem richtigen Verständnis des Bescheids selbst dann nicht im Wege stehend anzusehen, wenn noch kein Berichtigungsbescheid erlassen wurde (vgl. , mwN). Dies gilt auch für Erkenntnisse des Bundesfinanzgerichts.
17 Aus der Sache des Beschwerdeverfahrens (Beschwerde gegen einen Bescheid über die Berichtigung der Festsetzung des Sonderbeitrages zur Stabilitätsabgabe 2014) und der Wiedergabe der Beschwerde und der Beschwerdevorentscheidung im Verfahrensgang, in denen es um den Sonderbeitrag ging, sowie der Begründung des Bundesfinanzgerichts, welche Quartalsprozentsätze betraf, die ausschließlich beim Sonderbeitrag 2014 bestanden, ist offenkundig, dass das Bundesfinanzgericht sich lediglich in der Bezeichnung vergriffen hat und den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 gemeint hat. Es liegt daher bloß eine unbeachtliche Unrichtigkeit vor, auch wenn sie das Bundesfinanzgericht (noch) nicht gemäß § 293 BAO berichtigt hat (vgl. etwa zur Anführung des falschen Abgabenzeitraums ).
18 Weiters bringt die Revision vor, dass das Bundesfinanzgericht unzulässigerweise erstmals eine Abgabe festgesetzt habe, weil es eine quartalsweise Festsetzung der einzelnen Abgabenansprüche vorgenommen habe.
19 Gemäß § 6 Abs. 2 Stabilitätsabgabegesetz idF BGBl. I Nr. 13/2014 entsteht die Abgabenschuld mit 1. Jänner des Kalenderjahres, für das die Stabilitätsabgabe zu entrichten ist. Auf den Sonderbeitrag ist § 6 sinngemäß anzuwenden. Es handelt sich daher bei den einzelnen Quartalszahlungen nicht um verschiedene Abgabenansprüche, sondern um Teilzahlungen (§ 7 Abs. 2 Stabilitätsabgabegesetz) bzw. Vorauszahlungen für eine Abgabenschuld bzw. einen Abgabenanspruch. Das Bundesfinanzgericht hat daher nicht vier Abgabenansprüche erstmals festgesetzt, sondern nur die detaillierten Berechnungsgrundlagen dargelegt und damit im Ergebnis die vom Finanzamt vorgenommene Berichtigung lediglich bestätigt.
20 Die Revision bringt zudem vor, der Bescheid vom wäre nicht berichtigbar, weil die falsche Programmierung der EDV-Anlage auf einer falschen rechtlichen Beurteilung basiert habe.
21 Die Einrichtung des § 293 BAO dient der Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens (vgl. ). Die Einrichtung des § 293 BAO dient nicht dazu, Irrtümer der Behörde bei der Auslegung des Gesetzes zu berichtigen (vgl. ; , Ra 2022/13/0105).
22 Die Bestimmung trägt unter anderem dem Umstand Rechnung, dass auch bei der Verwendung einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage Fehler unterlaufen können, durch die bewirkt wird, dass der Bescheid anders lautet, als es die Abgabenbehörde beabsichtigt hat. Alle Fehler, die bei händischen Ausfertigungen zu solchen führen, die als offenkundige Unrichtigkeit zu bezeichnen sind, sind auch dann Unrichtigkeiten im Sinne des § 293 BAO, wenn sich die Behörde beim technischen Vorgang der Erstellung und Ausfertigung der Bescheide einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage bedient hat. Darüber hinaus erfasst die Bestimmung auch solche Mängel, die ihre Wurzel in der Unkenntnis über den Programmablauf haben, der insbesondere durch Eintragungen im Eingabebogen in Gang gesetzt wird (vgl. , mwN).
23 Das Bundesfinanzgericht hat festgestellt, dass der Bescheidwille des Finanzamtes auf Festsetzung des selbstberechneten und entrichteten Betrages gerichtet gewesen sei. Die Berechnungsformel bzw. Fehlprogrammierung sei dem Finanzamt nicht bekannt gewesen, dieses habe nur die Steuererklärung zur Eingabe freigegeben, ohne Einfluss auf Codes, Bemessungsgrundlagen oder Berechnung der Steuer.
24 Der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe stellt einen Zuschlag zur Abgabenschuld der Stabilitätsabgabe dar und ist damit von der Höhe der Stabilitätsabgabe abhängig. Für das Jahr 2014 erfolgte mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 auch eine Änderung betreffend die Stabilitätsabgabe selbst. Diese war nach § 7b Abs. 2 Stabilitätsabgabegesetz für das erste Quartal 2014 noch im Wesentlichen nach der Rechtslage vor dem Abgabenänderungsgesetz 2014 zu ermitteln (Z 1), für das zweite bis vierte Quartal 2014 hingegen nach der neuen Rechtslage (Z 2).
25 Aus den vorgelegten Verfahrensakten geht hervor, dass mit Bescheid vom die Stabilitätsabgabe für das Jahr 2014 festgesetzt wurde. Die Festsetzung erfolgte dabei im Wesentlichen entsprechend der Selbstberechnung der Revisionswerberin, der Bescheid weist eine Abgabengutschrift von 0,46 € aus. Der Bescheid enthält weder eine Begründung für diese geringfügige Abweichung von der Abgabenerklärung noch für die Übung des Ermessens. Der Bescheid nennt - iSd § 198 Abs. 2 BAO - in seinem Spruch die Bemessungsgrundlage für das erste Quartal 2014 einerseits und für die Quartale 2 bis 4 andererseits. In der Begründung werden auch die Beträge der Stabilitätsabgabe für das erste Quartal (gesondert auch für Derivate) sowie der Stabilitätsabgabe ab dem zweiten Quartal gesondert ausgewiesen.
26 Mit Bescheid vom wurde auch der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe festgesetzt. Diese Festsetzung erfolgte abweichend von der Abgabenerklärung (es ergab sich eine Abgabengutschrift von ca. 470.000 €). Auch dieser Bescheid enthält aber keine Begründung für die Abweichung von der Abgabenerklärung.
27 Hätte das Finanzamt eine von der Abgabenerklärung abweichende Festsetzung der Abgaben vornehmen wollen, wäre eine Begründung der Abweichung von der Abgabenerklärung erforderlich gewesen; eine derartige Begründung wäre jedenfalls bei einer erheblichen Abweichung - wie hier betreffend den Sonderbeitrag - zweifellos auch zu erwarten gewesen. Im Bescheid betreffend die Stabilitätsabgabe erfolgte - entsprechend der mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 für das Jahr 2014 geschaffenen Rechtslage - eine differenzierte Ermittlung der Bemessungsgrundlagen für das erste Quartal einerseits und für die weiteren Quartale andererseits; darauf bezogen wurden auch differenziert ermittelte Teilbeträge der Stabilitätsabgabe ausgewiesen. Dafür, dass das Finanzamt betreffend den Sonderbeitrag - entgegen der insoweit klaren gesetzlichen Regelung - nicht an diese differenziert ermittelten Teilbeträge der Stabilitätsabgabe hätte anknüpfen wollen, bestehen keinerlei Anhaltspunkte. In Zusammenschau der beiden Bescheide vom ist sohin objektiv klar erkennbar, dass (betreffend Sonderbeitrag) der Bescheidwille von der formellen Erklärung des Bescheidwillens abweicht. Diese Abweichung und damit die Unrichtigkeit der Festsetzung des Sonderbeitrags beruht nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts auf einem Mangel, der seine Wurzel in der Unkenntnis der Abgabenbehörde über den Programmablauf hat und der daher nach § 293 BAO berichtigungsfähig ist.
28 Die Revision rügt in dem Zusammenhang einen Verstoß gegen das Überraschungsverbot, weil das Bundesfinanzgericht der Revisionswerberin nicht vorgehalten habe, dass nach seiner Ansicht die Finanzämter über die Berechnungsformel nicht Bescheid gewusst hätten. Zur Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers macht die Revisionswerberin geltend, dass sie bei Einräumung des Parteiengehörs hätte vorbringen können, dass ein einheitlicher Wissensstand der Finanzämter über die Berechnungsformel nicht belegt sei. Im Osten Österreichs seien nämlich bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 Berichtigungen von Bescheiden über den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 erfolgt; im Westen Österreichs erst viel später. Das im Revisionsfall zuständige Finanzamt habe den Bescheid überhaupt erst im Jahr 2020 berichtigt.
29 Mit diesem Vorbringen wird eine Relevanz eines allfälligen Verfahrensfehlers nicht dargelegt, weil sich daraus nicht ergibt, dass dem zuständigen Finanzamt im Jahr 2014 der Programmablauf bekannt gewesen wäre. Gerade die Tatsache, dass einzelne Finanzämter ab 2015 begonnen haben, die Bescheide zu berichtigen, belegt, dass - wie vom Bundesfinanzgericht festgestellt - keine generellen Auskünfte oder Erlässe des BMF erfolgt sind, die die Finanzämter über den Programmablauf informiert hätten, weil sonst kein derart uneinheitliches Vorgehen erfolgt wäre. Eine derartige Information der Finanzämter durch das BMF wird zudem auch von der Revision nicht behauptet.
30 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am
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ECLI | ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021130125.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
DAAAF-45650