VwGH 27.03.2024, Ra 2021/13/0093
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | BAO §293 VwGG §41 |
RS 1 | Wird ein vor dem VwGH angefochtenes Erkenntnis nach Erhebung der Revision berichtigt, so hat der VwGH seiner Überprüfung das angefochtene Erkenntnis in der Fassung zu Grunde zu legen, die es durch die Berichtigung erhalten hat (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2021/02/0083 B RS 1 |
Normen | |
RS 2 | Auf dem Gebiet der Umsatzsteuer ist Leistender hinsichtlich der Lieferungen und sonstigen Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, wer die Leistungen im eigenen Namen erbringt (vgl. etwa , mwN). Entscheidend ist im Allgemeinen, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist. Darauf, ob es sich beim Leistenden um eine "Domizilgesellschaft" handelt oder ob dem Leistenden die aus der betreffenden Tätigkeit erzielten Einnahmen aus ertragsteuerlicher Sicht (als Einkünfte) zuzurechnen sind, kommt es daher nicht an. |
Normen | |
RS 3 | Tritt der Leistende im eigenen Namen auf, ist er auch bei Vorliegen eines Treuhandverhältnisses - somit, wenn er für Rechnung eines Treugebers tätig wird - als Unternehmer, dem die betreffenden Leistungen zuzurechnen sind, anzusehen (vgl. ). |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes Österreich (Dienststelle Baden Mödling) in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7101732/2014, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , betreffend Wiederaufnahme (Einkommen- und Umsatzsteuer 2002) sowie Einkommen- und Umsatzsteuer 2002 bis 2005 (mitbeteiligte Partei: K G in M, vertreten durch die Müller & Schellmann Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1010 Wien, Wollzeile 18/10),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird insoweit, als es die Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 2002 sowie gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2005 Folge und hob diese Bescheide ersatzlos auf. Die Beschwerde gegen den Umsatzsteuerbescheid 2002 wies das Bundesfinanzgericht als unzulässig geworden zurück. Die Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2002 wies das Bundesfinanzgericht als unbegründet ab und gab der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 teilweise Folge, indem es die Einkommensteuer - mit einem (erheblich) geringeren Betrag - neu festsetzte. Es sprach weiters aus, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
2 Das Bundesfinanzgericht führte nach ausführlicher Wiedergabe des Verfahrensgangs im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum gemeinsam mit einer anderen Person einen Internethandel mit Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteln betrieben. Die Handelstätigkeit sei über die vom Mitbeteiligten im Jahr 2000 auf der Isle of Man gegründete SL Ltd., die kein steuerliches Zurechnungssubjekt darstelle, abgewickelt worden. Die aus dieser Handelstätigkeit resultierenden Einkünfte seien dem Mitbeteiligten zugeflossen.
3 Die SL Ltd. sei gegründet worden, um den gesetzlichen Verboten und Beschränkungen im Versandhandel - im Zusammenhang mit den vom Mitbeteiligten vertriebenen Produkten - in Österreich zu entgehen. Vor Gründung der SL Ltd. habe der Mitbeteiligte den Handel mit diesen Produkten über die (österreichische) SL GmbH - die im Jahr 2000 liquidiert worden sei - betrieben. Die Handelstätigkeit sei in der Folge fließend auf die SL Ltd. übergegangen. Die Vorgangsweise betreffend Überleitung der Handelstätigkeit auf die SL Ltd. sei - im Hinblick auf eine Steuerfreiheit in Österreich - vorab mit einem Bediensteten des (damals) zuständigen Finanzamtes besprochen worden. Das Personal der SL Ltd. sei in keiner Weise in die Betriebsführung der Gesellschaft eingebunden gewesen, habe lediglich untergeordnete Tätigkeiten ausgeübt und habe als Treuhänder für den Mitbeteiligten - und seine Geschäftspartnerin - fungiert.
4 Ende des Jahres 2006 habe das (damals) zuständige Finanzamt eine Anzeige nach § 82 Abs. 2 FinStrG wegen des Verdachts der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 FinStrG eingebracht und zugleich einen Prüfungs- und Nachschauauftrag betreffend u.a. Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2000 bis 2005 erlassen. In der Folge habe die Steuerfahndung in den Jahren 2007 bis 2012 - zumindest jährlich, teilweise mehrmals im Jahr - Zwischenberichte an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Mit Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt vom sei der Mitbeteiligte - ebenso seine Geschäftspartnerin - wegen mangelnden Verschuldens vom Vorwurf der Abgabenhinterziehung freigesprochen worden.
5 Die (Erst-)Bescheide betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer für das Jahr 2002 seien im Jahr 2006 erlassen worden. Nach Abschluss der Außenprüfung seien diese Verfahren im Jahr 2012 wiederaufgenommen und neue Sachbescheide erlassen worden.
6 Die Wiederaufnahme des Einkommensteuerverfahrens 2002 sei zu Recht erfolgt, weil erst aufgrund der Ermittlungen der Steuerfahndung und Ergebnisse der Außenprüfung neu hervorgekommen sei, dass der Mitbeteiligte - die ihm aus der Handelstätigkeit der SL Ltd. zuzurechnenden - Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt habe. Dies sei im Zeitpunkt der Erlassung des Erstbescheides im Jahr 2006 der Abgabenbehörde nicht bekannt gewesen. Der Abgabenanspruch betreffend das Jahr 2002 sei auch nicht verjährt. Da der Mitbeteiligte bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen nicht mitgewirkt habe und auch keine Aufzeichnungen (Buchhaltung oder Einnahmen-Ausgabenrechnung) vorhanden seien, seien die Einkünfte - unter Heranziehung der im gegen den Mitbeteiligten geführten Strafverfahren gewonnenen Erkenntnisse (etwa eines vom Landesgericht in Auftrag gegebenen Gutachtens aus dem Bereich des Rechnungswesens) - zu schätzen. Dabei sei - abweichend von der Berechnung der Abgabenbehörde - der im Strafverfahren angenommene strafbestimmende Wertbetrag als tarifarische Einkommensteuer anzusetzen, aus dem die zugrundeliegenden Einkünfte errechnet werden könnten.
7 Die Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens 2002 sei hingegen zu Unrecht erfolgt, weil die betreffenden Umsätze - aus der Handelstätigkeit - nicht dem Mitbeteiligten, sondern der SL Ltd. zuzurechnen seien. Auch wenn das Personal dieser Gesellschaft als Treuhänder für den Mitbeteiligten und für seine Geschäftspartnerin tätig gewesen sei, sei dieses als Unternehmer iSd § 2 UStG 1994 anzusehen. Nach außen sei nicht der Mitbeteiligte, sondern nur das Personal der SL Ltd. aufgetreten, womit die von dieser Gesellschaft erbrachten Lieferungen nicht dem Mitbeteiligten zuzurechnen seien.
8 Hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 nahm das Bundesfinanzgericht Verjährung an. Die erste Amtshandlung, die seitens des Finanzamtes gegenüber dem Mitbeteiligten hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuer für diese Jahre gesetzt worden sei, sei die Erlassung der (Erst-)Bescheide am gewesen. Da die fünfjährige Verjährungsfrist hinsichtlich dieser Jahre zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen sei (etwa hinsichtlich des „jüngsten“ Jahres 2005 bereits mit Ablauf des Jahres 2010), sei eine Festsetzung nicht mehr zulässig. Die zehnjährige Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO komme nicht zur Anwendung, weil es sich nicht um hinterzogene Abgaben gemäß § 33 FinStrG handle, was das Bundesfinanzgericht - unter Verneinung einer Bindung an das freisprechende Urteil im Finanzstrafverfahren des Landesgerichtes Wiener Neustadt - aufgrund des fehlenden Verschuldens des Mitbeteiligten annahm.
9 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung des Vorverfahrens (§ 36 VwGG) und Erstattung einer Revisionsbeantwortung - ohne Kostenantrag - durch den Mitbeteiligten erwogen hat:
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Soweit trennbare Absprüche - wie im vorliegenden Fall betreffend die Wiederaufnahme der Einkommen- und Umsatzsteuerverfahren sowie die Einkommen- und Umsatzsteuer für verschiedene Jahre - vorliegen, ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Dabei kommt auch eine teilweise Zurückweisung der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof in Betracht (vgl. , mwN).
14 I. Das Finanzamt bringt zur Zulässigkeit der Revision hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 2003 bis 2005 vor, entgegen den Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes seien in den Jahren 2006 bis 2011 zahlreiche - näher angeführte - Amtshandlungen gesetzt worden, womit die erstmalige Festsetzung der genannten Abgaben mit Bescheid vom vor Eintritt der Verjährung erfolgt sei. Das angefochtene Erkenntnis weiche daher insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.
15 Die Revision ist insoweit zulässig und auch berechtigt.
16 Das Bundesfinanzgericht hat in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ausgeführt, die erste Amtshandlung, die seitens des Finanzamtes gegenüber dem Mitbeteiligten hinsichtlich der Einkommen- und Umsatzsteuer der Jahre 2003 bis 2005 gesetzt worden sei, habe in der Erlassung der diesbezüglichen Bescheide am bestanden.
17 Ist diese Aussage dahingehend zu verstehen, dass vom Bundesfinanzgericht das Vorliegen jeglicher Amtshandlungen - unabhängig von deren potenzieller Tauglichkeit als Verlängerungshandlungen gemäß § 209 Abs. 1 BAO - verneint wird, erweist sie sich als aktenwidrig.
18 Wie in der Revision dargelegt und sich aus den Verwaltungsakten ergibt, wurden vom Finanzamt in den Jahren 2006 bis 2011 zahlreiche Amtshandlungen gesetzt, beginnend mit dem im Jahr 2006 ergangenen Prüfungs- und Nachschauauftrag, der insbesondere die nämlichen Abgaben zum Gegenstand hatte. In den Folgejahren hat es zahlreiche weitere Amtshandlungen gegeben, wie etwa die laufenden Zwischenberichte der Steuerfahndung (damals im Auftrag des Finanzamtes als Finanzstrafbehörde 1. Instanz) an die zuständige Staatsanwaltschaft, die Einvernahme des Mitbeteiligten im Jahr 2009, die Sichtung von durch das Landeskriminalamt sichergestellten Beweismitteln (im Hinblick auf die Ermittlung der nicht erklärten Einkünfte bzw. Umsätze) durch den zuständigen Betriebsprüfer im Jahr 2010 und die mit dem (damaligen) Rechtsvertreter des Mitbeteiligten geführten Besprechungen im Jahr 2011 (zwecks Vorbereitung des Abschlusses der Außenprüfung).
19 Ist die oben wiedergegebene Aussage hingegen so zu verstehen, dass das Bundesfinanzgericht zwar annimmt, es seien Amtshandlungen gesetzt worden, diese seien jedoch nicht als zur Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO taugliche Amtshandlungen einzustufen, lässt es eine Begründung dafür vermissen. Bei dieser Sichtweise erweist sich das angefochtene Erkenntnis zudem (insoweit) als widersprüchlich, als das Bundesfinanzgericht an anderer Stelle die Zwischenberichte der Steuerfahndung sehr wohl als Amtshandlungen im Sinne des § 209 Abs. 1 BAO eingestuft (daran bestehe „kein Zweifel“), allerdings im Hinblick auf die Verjährung der Einkommen- und Umsatzsteueransprüche für die Jahre 2003 bis 2005 ohne Begründung nicht berücksichtigt hat.
20 Aus diesen Gründen ist das angefochtene Erkenntnis insoweit, als es die Einkommen- und Umsatzsteuer für die Jahre 2003 bis 2005 betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
21 Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesfinanzgericht mit den vom Finanzamt gesetzten Amts- bzw. Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs. 3 FinStrG) - im Hinblick auf ihre Tauglichkeit, die Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 BAO zu bewirken - auseinanderzusetzen haben.
22 II.A. Zur Zulässigkeit hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 2002 wird vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Bundesfinanzgericht das Werbungskostenpauschale gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 sowie den Arbeitnehmer- und Verkehrsabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 5 EStG 1988 berücksichtigt habe, obwohl der Mitbeteiligte keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe.
23 Wird ein vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenes Erkenntnis nach Erhebung der Revision berichtigt, so hat der Verwaltungsgerichtshof seiner Überprüfung das angefochtene Erkenntnis in der Fassung zu Grunde zu legen, die es durch die Berichtigung erhalten hat (vgl. , mwN).
24 Das Bundesfinanzgericht hat mit Berichtigungsbeschluss gemäß § 293 BAO vom die bei der Berechnung der Einkommensteuer für das Jahr 2002 im ursprünglichen Erkenntnis (in einem gesonderten Berechnungsblatt) berücksichtigten und vom Finanzamt in der Revision genannten „Posten“ („Pauschbetrag für Werbungskosten“, „Verkehrsabsetzbetrag“ und „Arbeitnehmerabsetzbetrag“, jeweils in näher angeführter Höhe) „storniert“.
25 Da die in der Zulässigkeitsbegründung vorgebrachte Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes somit nicht (mehr) vorliegt, ist die Revision insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
26 II.B. Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2002 bringt das Finanzamt zur Zulässigkeit im Wesentlichen vor, das Bundesfinanzgericht habe sein Erkenntnis mit einem Begründungsmangel belastet, weil nicht nachvollziehbar sei, auf welche Umstände oder Erwägungen das angenommene Treuhandverhältnis zwischen den für die SL Ltd. tätigen Personen (dem „Personal“) und dem Mitbeteiligten gestützt sei. Zur Ausgestaltung dieses Treuhandverhältnisses habe das Bundesfinanzgericht zudem keine Feststellungen getroffen. Die Revision sei auch deshalb zulässig, weil zur Frage, nach welchen Kriterien bei einer „Domizilgesellschaft“, die kein steuerliches Zurechnungssubjekt sei, die Umsätze zuzurechnen seien, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorhanden sei.
27 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht dargetan.
28 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf dem Gebiet der Umsatzsteuer Leistender hinsichtlich der Lieferungen und sonstigen Leistungen iSd § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, wer die Leistungen im eigenen Namen erbringt (vgl. etwa , mwN). Entscheidend ist im Allgemeinen, wer im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet ist (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Tz 254 und 258). Darauf, ob es sich beim Leistenden um eine „Domizilgesellschaft“ handelt oder ob dem Leistenden die aus der betreffenden Tätigkeit erzielten Einnahmen aus ertragsteuerlicher Sicht (als Einkünfte) zuzurechnen sind, kommt es daher - entgegen dem Revisionsvorbringen - nicht an.
29 Tritt der Leistende im eigenen Namen auf, ist er auch bei Vorliegen eines Treuhandverhältnisses - somit, wenn er für Rechnung eines Treugebers tätig wird - als Unternehmer, dem die betreffenden Leistungen zuzurechnen sind, anzusehen (vgl. ).
30 Ausgehend von der Feststellung, nur das Personal der SL Ltd. sei im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nach außen aufgetreten, hat das Bundesfinanzgericht die Beurteilung getroffen, diesem komme die Unternehmereigenschaft zu und nicht dem Mitbeteiligten. Das Finanzamt wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Annahme eines Treuhandverhältnisses, bestreitet aber nicht substantiiert, dass jedenfalls nicht der Mitbeteiligte im Hinblick auf die „über“ die SL Ltd. abgewickelte Handelstätigkeit nach außen aufgetreten ist. Ist aber der Mitbeteiligte nicht als Leistender gegenüber den Abnehmern der von der SL Ltd. vertriebenen Produkte nach außen aufgetreten, sind ihm die daraus erzielten Umsätze nicht zuzurechnen. Auf die Frage des Vorhandenseins eines - wie auch immer ausgestalteten - Treuhandvertrages, bzw. ob nicht etwa die SL Ltd. selbst und nicht deren „Personal“ im Außenverhältnis zur Leistungserbringung verpflichtet war, kommt es dabei nicht an.
31 Die Revision war daher hinsichtlich der Wiederaufnahme des Umsatzsteuerverfahrens für das Jahr 2002 gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen | |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2024:RA2021130093.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAF-45633