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VwGH 06.10.2023, Ra 2021/13/0079

VwGH 06.10.2023, Ra 2021/13/0079

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
BAO §115 Abs1
BAO §167 Abs2
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1
RS 1
Ob ein Raum nahezu ausschließlich beruflich (betrieblich) genutzt wird, ist eine auf der Tatsachenebene zu lösende Sachverhaltsfrage.
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2000/13/0145 E VwSlg 7669 F/2001 RS 7

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und die Hofräte MMag. Maislinger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes Österreich in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7104382/2017, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 bis 2012 (mitbeteiligte Partei: S in W, vertreten durch die Astoria, Steuerberatungs GmbH in 1080 Wien, Lederergasse 35/5/11), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte machte im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2010 bis 2012 - wie bereits in den Jahren davor - u.a. verschiedene Aufwendungen für ein im Wohnungsverband gelegenes Arbeitszimmer geltend. Aufgrund seiner 90%igen (Geh-)Behinderung sei er nichtselbständig als Teleworker von zu Hause aus tätig.

2 Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen - nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens - nicht an und erließ entsprechende Einkommensteuerbescheide. Im September 2017 - nach Erlassung des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2010 - nahm das Finanzamt eine Nachschau in den Wohnräumlichkeiten des Mitbeteiligten vor und führte in einem darüber verfassten Aktenvermerk unter Bezugnahme auf die im Rahmen der Nachschau angefertigten Fotos aus, das verfahrensgegenständliche Arbeitszimmer sei vom Garten aus mit einem Aufzug erreichbar und mit einer Schiebetüre vom Wohnzimmer abgetrennt. Das Arbeitszimmer diene auch als Lagerraum für beruflich nicht benötigte Gegenstände („Flipperapparat, Transportkoffer, Stereoanlage, Wurlitzer“ [Jukebox]), wodurch der Eindruck einer Verwendung als „Wohnzimmererweiterung“ gewonnen worden sei.

3 Die gegen die Einkommensteuerbescheide erhobenen Beschwerden wies das Finanzamt - in diesem Punkt - mit Beschwerdevorentscheidungen ab. Der Grund für die Durchführung der Tätigkeit von zu Hause aus sei nicht die Art der Tätigkeit, sondern die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Mitbeteiligten. In der konkreten Art der vom Mitbeteiligten durchgeführten nichtselbständigen Tätigkeit - klassische höhere Bürotätigkeit - liege keine Notwendigkeit zur Anschaffung eines Arbeitszimmers vor. Der Mitbeteiligte stellte daraufhin Vorlageanträge.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden Folge und änderte die angefochtenen Bescheide zugunsten des Mitbeteiligten ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der materielle Schwerpunkt der Tätigkeit des Mitbeteiligten sei in seinem Arbeitszimmer gelegen. Aufgrund der im Jahr 2017 durchgeführten Nachschau könne nicht auf die Verhältnisse - im Hinblick auf die Art der Nutzung des Arbeitszimmers - in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen geschlossen werden. Die Schlussfolgerung des Finanzamtes, wonach keine ausschließliche berufliche Verwendung vorliege, sei somit nicht stichhaltig. Selbst unter der Annahme, die aktuellen Verhältnisse seien schon in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen vorgelegen (insbesondere die Lagerung privater Gegenstände), könne die Anerkennung als Arbeitszimmer nicht versagt werden. Das betreffende, rund 23 m2 große Arbeitszimmer werde zwar nicht ausschließlich, jedoch nahezu ausschließlich beruflich verwendet, auch wenn entlang einer Zimmerwand einige Gegenstände gelagert seien.

6 Der Mitbeteiligte habe zudem reichlich privaten Zwecken dienenden Wohnraum, weil es sich um eine Wohnung von rund 118 m2 handle. Der Umstand, dass die Terrasse nur über das Arbeitszimmer erreichbar sei und die Terrasse auch nur vom Mitbeteiligten, der ledig sei, benutzt werde, stehe der Beurteilung des Raumes als Arbeitszimmer nicht entgegen.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, zu der vom Mitbeteiligten - nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof - eine Revisionsbeantwortung eingebracht wurde.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Zur Zulässigkeit der Revision wird ausschließlich geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Bundesfinanzgericht eine nahezu ausschließliche berufliche Verwendung des Arbeitszimmers angenommen habe, obwohl darin in einem nicht unerheblichen Ausmaß private Gegenstände gelagert gewesen seien. Das Bundesfinanzgericht habe zudem nicht berücksichtigt, dass es sich beim Arbeitszimmer des Mitbeteiligten - aufgrund der Lage des Außenliftes - tatsächlich um das „Vorzimmer“ der von ihm bewohnten Räumlichkeiten handle.

12 Ob ein Raum tatsächlich nahezu ausschließlich beruflich (betrieblich) genutzt wird, ist eine auf der Tatsachenebene zu lösende Sachverhaltsfrage (vgl. ).

13 Soweit sich die Revision insoweit gegen die Beweiswürdigung wendet, ist diese einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich, als es um die ordnungsgemäße Ermittlung der Beweisergebnisse und die Kontrolle der Schlüssigkeit der angestellten Erwägungen geht. Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft - so etwa, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre - erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (vgl. etwa , mwN). Der - an sich nur zur Rechtskontrolle berufene - Verwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. , mwN).

14 Dass die vorliegende Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes - wonach angesichts der Wohnverhältnisse des Mitbeteiligten sowie seiner Lebensumstände trotz der Lagerung der genannten privaten Gegenstände im Arbeitszimmer sowie des Umstands, dass die Terrasse der Wohnung nur über dieses Arbeitszimmer betreten werden könne, eine nahezu ausschließliche berufliche Nutzung gegeben sei - unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht auf.

15 Betreffend die sonstige - abgesehen von der Lagerung privater Gegenstände - Nutzung des Arbeitszimmers für nichtberufliche Zwecke hat das Bundesfinanzgericht festgestellt, die Terrasse sei der einzige privat genutzte Teil der Wohnung, der nur über das Arbeitszimmer erreichbar sei. Wenn in der Revision die unberücksichtigt gebliebene Nutzung des Arbeitszimmers als „Vorzimmer“ der vom Mitbeteiligten bewohnten Räumlichkeiten bemängelt wird, wobei das Finanzamt diese Sichtweise insbesondere auf die Lage des Außenliftes stützt, ist zu bemerken, dass der Außenlift - wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt - erst im Jahr 2016 und somit nach den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen errichtet worden ist.

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

17 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
BAO §115 Abs1
BAO §167 Abs2
EStG 1988 §16 Abs1
EStG 1988 §20 Abs1
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021130079.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
GAAAF-45623