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VwGH 12.05.2022, Ra 2021/13/0042

VwGH 12.05.2022, Ra 2021/13/0042

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
DBAbk Schweiz 1975
VwRallg
RS 1
Doppelbesteuerungsabkommen entfalten bloß eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0217).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie 2010/15/0021 E VwSlg 8574 F/2010 RS 2
Normen
DBAbk Schweiz 1975 Art15
DBAbk Schweiz 1975 Art19
RS 2
Art. 19 DBAbk Schweiz 1975 geht als lex specialis insbesondere der Bestimmung des Art. 15 DBAbk Schweiz 1975 vor.
Normen
DBAbk Schweiz 1975 Art19 Abs1 idF 1975/064
VwRallg
RS 3
Nach der Stammfassung des Art. 19 Abs. 1 DBAbk Schweiz 1975 durften Vergütungen, die ein Vertragstaat oder ein Kanton für ihm erbrachte Arbeitsleistungen auszahlt, "nur" in diesem Staat besteuert werden (vgl. in diesem Sinne auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1094 BlgNR 13. GP 13: "Aktivbezüge und Ruhegenüsse, die aus öffentlichen Kassen an Staatsbeamte geleistet werden (Art. 19) dürfen wie nach dem bisherigen Abkommen nur im Quellenstaat besteuert werden.") Damit waren derartige Leistungen nur im "Kassenstaat" zu besteuern, unabhängig davon, wo diese Leistungen erbracht wurden.
Normen
DBAbk Schweiz 1975 Art19 idF 1995/161
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs1
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 1975/064
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 1995/161
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 2007/III/022
OECD-MusterAbk Art23A
OECD-MusterAbk Art23B
RS 4
Art. 23 Abs. 2 zweiter Satz DBAbk Schweiz 1975 (idF BGBl. Nr. 161/1995) setzt voraus, dass es sich um Einkünfte handelt, die "nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich" besteuert werden dürfen. Damit weicht diese Bestimmung von Art. 23 Abs. 2 DBAbk Schweiz 1975 in der Stammfassung und auch von Art. 23 Abs. 1 DBAbk Schweiz 1975 ab, wo jeweils nur verlangt wird, dass diese Einkünfte nach diesem Abkommen im anderen Vertragstaat (bzw. nach näher genannten Artikeln des DBAbk Schweiz 1975 in der Schweiz) besteuert werden dürfen. Auch das OECD-Musterabkommen sieht insoweit in den Methodenartikeln (Art. 23A und Art. 23B) jeweils nur vor, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte bezieht und diese Einkünfte nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden können. Damit ist aber davon auszugehen, dass Art. 23 Abs. 2 zweiter Satz sich nur auf jene Einkünfte bezieht, die nach dem Abkommen in beiden Vertragstaaten (und nicht bloß im anderen Vertragstaat) besteuert werden dürfen. Art. 19 DBAbk Schweiz 1975 sah aber (auch in der Fassung BGBl. Nr. 161/1995) lediglich eine Besteuerung durch den Kassenstaat (wenn auch in der geänderten Fassung nicht mehr ausschließlich) vor. Damit liegen aber insoweit (nach dem Text nur des Art. 19 DBAbk Schweiz 1975) keine Einkünfte vor, die "nach dem Abkommen" sowohl in der Schweiz als auch in Österreich besteuert werden dürfen. Betreffend diese Einkünfte normiert aber der erste Satz des Art. 23 Abs. 2 DBAbk Schweiz 1975, dass diese Einkünfte (auch) in Österreich besteuert werden dürfen, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass es sich um eine in der Schweiz ausgeübte Arbeit handelt. Nur in diesem Fall handelt es sich damit um unter Art. 19 DBAbk Schweiz 1975 fallende Einkünfte, die iSd Art. 23 Abs. 2 zweiter Satz DBAbk Schweiz 1975 "nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen". Nach Art. 19 iVm Art. 23 Abs. 2 DBAbk Schweiz 1975 darf Österreich somit Vergütungen, die von der Schweiz (oder von einem Kanton) für der Schweiz (oder dem Kanton) erbrachte Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen an eine in Österreich ansässige Person ausgezahlt werden, nur dann nach der Anrechnungsmethode (Art. 23 Abs. 2 DBAbk Schweiz 1975) behandeln, wenn die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Wird die Arbeit für den öffentlich-rechtlichen Dienstgeber nicht in der Schweiz, sondern in Österreich ausgeübt, sind die daraus resultierenden Einkünfte hingegen nach der Befreiungsmethode (Art. 23 Abs. 1 DBAbk Schweiz 1975) zu behandeln. Entscheidend ist damit, unter welchen Voraussetzungen Einkünfte aus einer "in der Schweiz ausgeübten Arbeit" anzunehmen sind.
Normen
DBAbk Schweiz 1975 Art19 idF idf 1995/161
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 1995/161
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 2007/III/022
OECD-MusterAbk Art23A
OECD-MusterAbk Art23B
VwRallg
RS 5
Die Regelung des Art. 23 Abs. 2 erster Satz DBAbk Schweiz 1975 weicht in Bezug auf Einkünfte im Sinne des Art. 19 DBAbk Schweiz 1975 von Formulierungen im OECD-Musterabkommen erheblich ab; sie ist unabhängig von hiezu vertretenen Ansichten vor allem nach dem Zweck dieser (offenbar auch kein sonstiges Vorbild aufweisenden) Regelung auszulegen. Zweck der Abänderung des DBAbk Schweiz 1975 mit dem Protokoll aus dem Jahr 1994 war (wie aus den Materialien beider Vertragstaaten hervorgeht - 1680 BlgNR 18. GP 2 f und BBl 1994 II 429 ff), der Abwanderung von Arbeitskräften aus Österreich, die zu einer dramatischen Verschärfung der Arbeitsmarktsituation (vor allem in Vorarlberg) geführt hatte, entgegenzutreten. Die in der Regel niedrigere schweizerische Besteuerung in Verbindung mit dem höheren Lohnniveau hatte eine starke Sogwirkung auf österreichische Arbeitnehmer ausgelöst. Vor dem Hintergrund dieses Zweckes ist die Bestimmung, wonach Österreich (nach dem DBAbk Schweiz 1975) ein Besteuerungsrecht für Einkünfte zusteht, die Personen aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit beziehen, dahin zu verstehen, dass damit jene Tätigkeiten gemeint sind, die in Österreich ansässige Personen für Schweizer Einrichtungen im Sinne des Art. 19 DBAbk Schweiz 1975 erbringen, die in der Schweiz gelegen sind. Betreffend Tätigkeiten für derartige Einrichtungen der Schweiz, die sich nicht in der Schweiz (insbesondere in Österreich, etwa die Schweizer Botschaft in Österreich) befinden, besteht (und bestand) schon im Hinblick auf die von vornherein verhältnismäßig kleine Zahl derartiger Arbeitsplätze keine Gefahr von maßgeblichen Verwerfungen am österreichischen Arbeitsmarkt.
Normen
DBAbk Schweiz 1975 Art19
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2
RS 6
Erfolgten die Tätigkeiten des Steuerpflichtigen für Einrichtungen der Schweiz, die sich in der Schweiz befinden (Gerichte und Staatsanwaltschaften in der Schweiz), liegt insoweit unabhängig von der jeweiligen physischen Anwesenheit bei Erbringung dieser Tätigkeiten zur Gänze eine iSd Art. 23 Abs. 2 erster Satz DBAbk Schweiz 1975 in der Schweiz ausgeübte Arbeit vor. Die daraus erzielten Einkünfte sind daher in Österreich unter Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Steuer zu besteuern.
Normen
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2
OECD-MusterAbk Art23B
VwRallg
RS 7
Es entspricht der herrschenden Ansicht, dass die ausländische Steuer nur bis zu dem Betrag angerechnet werden kann, der im Ausland bezahlt werden musste; der Abgabepflichtige muss die aufgrund des DBA oder aufgrund des innerstaatlichen Rechts des anderen Staates bestehenden Steuervorteile ausnützen. Kann eine Herabsetzung einer von Bruttobeträgen vorgenommenen Abzugsteuer im Wege einer Antragsveranlagung herbeigeführt werden, darf darauf im Allgemeinen nicht verzichtet werden (vgl. Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, IntStR, 37. Lfg, Z 23 Rz 85 und 87; Englmair in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar², Art 23B, Tz 12; Bendlinger in Bendlinger u.a., Internationales Steuerrecht², Rz XIV/39). Der VwGH schließt sich dieser Ansicht an.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Mag. H in S, vertreten durch Dr. Christoph Gottesmann, Rechtsanwalt in 1230 Wien, Lehmanngasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102480/2014, betreffend Einkommensteuer 2007 bis 2011, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2011 fest. Ausgewiesen wurden darin jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ohne inländischen Steuerabzug.

2 Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Berufungen. Der Revisionswerber machte darin - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen geltend, er sei für die schweizerische Justiz tätig. Er erbringe aber einen Großteil dieser Arbeit in eigens dafür ausgestatteten (EDV, Drucker, Fachbibliothek usw.) Büroräumlichkeiten in Österreich. In der Schweiz werde lediglich Arbeit verrichtet, wenn dies aus „formellen Gründen“ notwendig sei. Dieser Teil werde in der Schweiz besteuert; diese Steuer sei in Österreich anzurechnen. Die auf Grund von in Österreich geleisteter Arbeit erzielten Einkünfte seien jedoch in Österreich - unter Progressionsvorbehalt - freizustellen. Weiters rügte er, den Bescheiden sei nicht entnehmbar, welcher Umrechnungskurs (CHF - EUR) angewandt worden sei.

3 Mit Beschwerdevorentscheidungen vom änderte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide ab; insbesondere wurde ein Teil der Bezüge als sonstige Bezüge besteuert. Zum Umrechnungskurs wurde ausgeführt, es sei ein Jahresmittelwert herangezogen worden, wobei eine näher genannte Internetseite (einer US-amerikanischen Gesellschaft) als Quelle diene. Das Finanzamt ging mit näherer Begründung davon aus, dass die Einkünfte des Revisionswerbers, die er aus öffentlichen Kassen der Schweiz erhält, in Österreich zu besteuern sind (unabhängig vom Ort der Arbeitsausübung); soweit diese Einkünfte aus einer Tätigkeit in der Schweiz resultierten, sei die in der Schweiz gezahlte Steuer anzurechnen. Die anzurechnende Steuer sei jedoch zu kürzen. Dazu seien zunächst die vom Revisionswerber bekannt gegebenen Werbungskosten im Verhältnis der Einnahmen mit (auch) Schweizer Besteuerungsrecht (Einnahmen aus der in der Schweiz ausgeübten Tätigkeit) zu den Einnahmen mit ausschließlich österreichischem Besteuerungsrecht (Einnahmen aus der in Österreich ausgeübten Tätigkeit) diesen Einnahmen zuzuordnen. Bei Berücksichtigung dieser anteiligen Werbungskosten im Rahmen der Besteuerung in der Schweiz hätte sich dort eine niedrigere Steuer ergeben. Die anrechenbare Steuer sei daher entsprechend dem Verhältnis dieser anteiligen Werbungskosten zu den auch in der Schweiz zu besteuernden (Brutto-)Einnahmen reduziert worden.

4 Der Revisionswerber beantragte, die (nunmehrigen) Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen. Ergänzend wurde geltend gemacht, bei den in den Berufungsvorentscheidungen ebenfalls ausgewiesenen Einkünften aus der Überlassung von Kapital seien Beträge angeführt worden, bei denen es sich um CHF-Beträge handle; diese seien in Euro-Beträge umzurechnen.

5 Im Vorlagebericht teilte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht u.a. mit, es werde dem Vorlageantrag insoweit Folge zu leisten sein, als dort begehrt werde, dass die Zinserträge in Euro umzurechnen seien.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden teilweise Folge und änderte die Bescheide ab. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der in Österreich ansässige Revisionswerber sei für zwei Kantone in der Schweiz als Richter tätig. Der Großteil dieser Tätigkeit werde in Österreich ausgeübt, lediglich in geringem Ausmaß erfolge eine Ausübung in der Schweiz. Die Schweiz besteuere das Entgelt nur für jenen Teil der Tätigkeit, der dort ausgeübt worden sei.

8 Zunächst werde auf die rechtlichen Ausführungen der belangten Behörde in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen.

9 Der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Revisionswerbers liege in Österreich; Österreich sei daher als Ansässigkeitsstaat im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz (DBA) zu betrachten.

10 Bei den Einkünften des Revisionswerbers aus nichtselbständiger Arbeit handle es sich um solche aus öffentlichen Kassen. Hinsichtlich der - laut Angaben des Revisionswerbers - zeitlich überwiegend in Österreich ausgeübten Tätigkeit als außerordentlicher Richter stehe Österreich gemäß Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 23 Abs. 2 DBA das Besteuerungsrecht zu.

11 Österreich besteuere als Ansässigkeitsstaat das Welteinkommen des Revisionswerbers; bezüglich der Einkünfte des Revisionswerbers aus nichtselbständiger Tätigkeit, die er als Arbeitnehmer unter physischer Anwesenheit in der Schweiz erzielt habe, sei die in der Schweiz gezahlte Steuer anzurechnen.

12 Art. 23 Abs. 2 erster Satz DBA sei nicht als einschränkend (also auf Einkünfte für in der Schweiz ausgeübte Arbeit aus öffentlichen Kassen in der Schweiz), sondern als erweiternd (neben der Einkünftebesteuerungsberechtigung für die im Ansässigkeitsstaat ausgeübte Tätigkeit) zu verstehen:

13 Die Grundregel in Doppelbesteuerungsabkommen betreffend Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gehe dahin, dass dem Ansässigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zustehe. Eine Ausnahme bestehe dann, wenn die Tätigkeit im anderen Staat ausgeübt werde. Eigene weitere Ausnahmebestimmungen bestünden für Ruhegehälter und für den öffentlichen Dienst. Demnach bestünde hier nur ein Besteuerungsrecht der Schweiz. Trotz dieser Regelung sehe der Methodenartikel des Art. 23 DBA in seinem Absatz 2 eine Ausnahme (also eine Ausnahme von der Ausnahme) vor, indem er auch Österreich das volle Besteuerungsrecht für diese Einkünfte gewähre. Eine in der Schweiz entrichtete Steuer sei anzurechnen. Dabei gehe diese Ausnahmeregelung so weit, dass sie auch diejenigen Einkünfte erfasse, welche für die im Quellenstaat ausgeübte Tätigkeit erzielt würden. Sie gehe somit weiter als die eigentliche Grundregel für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Es liege hier also eine Erweiterung der Grundregel vor. Es müsse daher umso mehr ein Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates im Fall der Ausübung der Tätigkeit in diesem gegeben sein.

14 Durch den Steueranspruch Österreichs auf das Welteinkommen bei gleichzeitigem Ausschluss der Steuerbarkeit in der Schweiz der von der Schweiz bzw. deren Kantonen bezahlten Einkünfte, welche auf die in Österreich ausgeübte Tätigkeit entfallen, sei keine Möglichkeit einer allfälligen Doppelbesteuerung gegeben.

15 Abänderungen der Einkommensteuerbescheide hätten zu erfolgen im Hinblick darauf, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen bisher irrtümlich nicht umgerechnet worden seien; hiezu werde ein Jahresmittelwert des Umrechnungskurses herangezogen, wobei als Quelle eine Internetseite (einer US-amerikanischen Gesellschaft) herangezogen werde. Weiters erfolge - wie bereits in den Beschwerdevorentscheidungen - eine Änderung im Hinblick auf die Besteuerung von sonstigen Bezügen.

16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.

17 Zur Zulässigkeit wird insbesondere geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung zur Auslegung von Art. 19 iVm Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 DBA-Schweiz. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich bislang nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Person, die Vergütungen in der Schweiz aufgrund einer für die Schweiz erbrachten Tätigkeit gemäß Art. 19 DBA erhalte, mit ihrer in Österreich ausgeübten Arbeit in Österreich besteuert werden dürfe. Es sei die Frage zu beurteilen, ob Arbeitsleistungen, die aus Schweizer öffentlichen Kassen zu entlohnen seien, aber in Österreich erbracht würden, bei Wohnsitz in Österreich nur der Schweizer Steuer unterliegen. Das Bundesfinanzgericht habe die genannten Bestimmungen in korrekturbedürftiger Weise unrichtig angewendet.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorverfahren eingeleitet. Die belangte Behörde beteiligte sich nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

19 Mit Beschluss vom wurde den Parteien gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG die Möglichkeit eingeräumt, zur Frage Stellung zu nehmen, unter welchen Voraussetzungen Einkünfte aus einer „in der Schweiz ausgeübten Arbeit“ (Art. 23 Abs. 2 erster Satz DBA) anzunehmen seien; sowie allenfalls Bedenken zur Verfassungskonformität der Regelung geltend zu machen. Der Revisionswerber und der Bundesminister für Finanzen erstatteten hiezu Vorbringen.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Die Revision ist aus den in ihr aufgezeigten Gründen zulässig; sie ist auch begründet.

22 Doppelbesteuerungsabkommen entfalten eine Schrankenwirkung insofern, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. z.B. ; , Ra 2020/15/0111).

23 Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

24 Der Revisionswerber hat seinen Wohnsitz in Österreich, er ist - im Verfahren unbestritten - in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig.

25 Das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (in der Folge: DBA) lautete in der Stammfassung, BGBl. Nr. 64/1975, auszugsweise:

„Artikel 19

1. Vergütungen, einschließlich der Ruhegehälter, die ein Vertragstaat für ihm erbrachte, gegenwärtige oder frühere Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen auszahlt, dürfen nur in diesem Staat besteuert werden. Dies gilt auch dann, wenn solche Vergütungen von einem Land, von einem Kanton, von einer Gemeinde, einem Gemeindeverband oder einer anderen juristischen Person des öffentlichen Rechts eines der beiden Staaten gewährt werden. [...]

Artikel 23

1. Bezieht eine in einem Vertragstaat ansässige Person Einkünfte oder hat sie Vermögen und dürfen diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach diesem Abkommen in dem anderen Vertragstaat besteuert werden, so nimmt der erstgenannte Staat, vorbehaltlich der nachfolgenden Absätze, diese Einkünfte oder dieses Vermögen von der Besteuerung aus; dieser Staat darf aber bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder das übrige Vermögen dieser Person den Steuersatz anwenden, der anzuwenden wäre, wenn die betreffenden Einkünfte oder das betreffende Vermögen nicht von der Besteuerung ausgenommen wären.

2. Bezieht eine in Österreich ansässige Person Einkünfte, die nach den Artikeln 10, 11 und 12 in der Schweiz besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt. [...]“

26 Mit Protokoll vom , BGBl. Nr. 161/1995, wurde diese Rechtslage in folgender Weise geändert:

„1. In Artikel 15 Absatz 4 zweiter Satz des Abkommens wird die Wortfolge ‚l vom Hundert‘ aufgehoben und durch die Wortfolge ‚3 vom Hundert‘ ersetzt.

2. In Artikel 19 Absatz l erster Satz des Abkommens wird die Wortfolge ‚dürfen nur in diesem Staat besteuert werden‘ aufgehoben und durch die Wortfolge ‚dürfen in diesem Staat besteuert werden‘ ersetzt.

3. Artikel 23 Absatz 2 des Abkommens wird aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt:

‚2. Ungeachtet des Absatzes l darf Österreich Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 11, 12 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.‘“

27 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1680 BlgNR 18. GP 2 f) wurde dazu u.a. ausgeführt:

„Ein Revisionserfordernis hat sich österreichischerseits dadurch ergeben, daß die Regelung betreffend die Besteuerung öffentlich-rechtlicher Erwerbseinkünfte zu einer Abwanderung von Arbeitskräften im Bereich des Krankenpflegedienstes aus Österreich geführt hat. Der Schweiz lag daran, den Quellensteuersatz für Grenzgänger im Verhältnis zu Österreich an das mit ihren übrigen Nachbarstaaten herrschende (höhere) Niveau heranzuführen.

[...]
Die Abkommensrevision ist auf österreichischer Seite durch arbeitsmarktstörende und den Zielsetzungen des Doppelbesteuerungsabkommens nicht entsprechende Steueranreize im Bereich öffentlich-rechtlicher Erwerbseinkünfte, die insbesonders im Land Vorarlberg zu einer dramatischen Verschärfung der Arbeitsmarktsituation im Bereich des Krankenpflegedienstes geführt haben, erforderlich geworden. Aber auch auf schweizerischer Seite sind Revisionswünsche geltend gemacht worden. Die Schweiz hat im Bereich der Grenzgängerbesteuerung mit ihren anderen Nachbarstaaten eine wesentliche Anhebung der Quellenbesteuerung für Grenzgänger erreicht und war daher daran interessiert eine derartige Regelung auch gegenüber Österreich zu erwirken. Demzufolge sollte die Grenzgängerquellenbesteuerung von derzeit 1% auf 4,5% angehoben werden.

[...]

Durch diese Bestimmung wird das Besteuerungsrecht für Erwerbseinkünfte, die in Österreich ansässige Personen aus öffentlichen Kassen der Schweiz beziehen, grundsätzlich Österreich überlassen. Die Schweiz behält jedoch ihren an diesen Einkünften bestehenden Besteuerungsanspruch unverändert bei. Österreich verpflichtet sich gleichzeitig, die solcherart in der Schweiz erhobene Quellensteuer auf die österreichische Einkommensteuer, die auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte der in Österreich ansässigen Steuerpflichtigen entfällt, anzurechnen. Gleichzeitig wird bei Einkünften von Grenzgängern (Art. 15 Abs. 4 des Doppelbesteuerungsabkommens) der Quellensteuersatz von derzeit 1% auf 3% angehoben.“

28 In der Botschaft über dieses Protokoll zur Änderung des DBA des Schweizerischen Bundesrates (BBl 1994 II 429 ff) vom wurde dazu u.a. ausgeführt:

„Nach der geltenden Grenzgängerregelung können Grenzgänger am Wohnsitz besteuert werden. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, die Erwerbseinkünfte von Grenzgängern mit einer Steuer von l Prozent zu belegen. Das Protokoll sieht eine Erhöhung dieser Abzugsteuer von l Prozent auf 3 Prozent vor. Einkünfte von österreichischen Arbeitnehmern, die in der Schweiz eine unselbständige Arbeit für einen öffentlich-rechtlichen schweizerischen Arbeitgeber ausüben, können wie bisher in der Schweiz besteuert werden. Neu ist, dass solche Vergütungen auch in Österreich steuerbar sind. Die Doppelbesteuerung wird dadurch vermieden, dass Österreich die in der Schweiz erhobene Steuer anrechnet. [...]

Die geltende Grenzgängerregelung in Artikel 15 Absatz 4 des schweizerisch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommens vom  (DBAA) sieht vor, dass Grenzgänger am Wohnsitz besteuert werden können. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, die Erwerbseinkünfte von Grenzgängern mit einer Steuer von l Prozent zu belegen. Soweit die Schweiz eine solche Steuer erhebt, wird diese in Österreich angerechnet. Demgegenüber steht das Besteuerungsrecht für Erwerbseinkünfte von Angestellten im öffentlichen Dienst auch im Falle von Grenzgängern dem Kassenstaat zu, d. h. dem Staat, aus dessen öffentlicher Kasse der Lohn bezahlt wird.

Im Sommer 1991 stellte die österreichische Regierung das Begehren, mit einer Abkommensänderung zu erwirken, dass Einkünfte von im öffentlichen Dienst der Schweiz stehenden österreichischen Grenzgängern in Zukunft auch im Wohnsitzstaat besteuert werden können. Zur Begründung wurde namentlich geltend gemacht, dass die bisherige Regelung, wonach solche Arbeitnehmer ausschliesslich im Kassenstaat besteuert werden können, zu einer ständig zunehmenden Abwanderung von österreichischem Krankenhauspersonal in schweizerische Spitäler geführt habe. Die in der Regel tiefere schweizerische Besteuerung in Verbindung mit dem höheren Lohnniveau habe eine derart starke Sogwirkung der Schweiz auf österreichische Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, dass der Arbeitsmarkt im Vorarlberg nachhaltig beeinträchtigt werde. [...]

Als Gegenleistung für die der Schweiz zugestandene Erweiterung des Besteuerungsrechts können Einkünfte von österreichischen Arbeitnehmern, die in der Schweiz eine unselbständige Arbeit für einen öffentlich-rechtlichen schweizerischen Arbeitgeber ausüben, neu nicht nur in der Schweiz, sondern auch in Österreich besteuert werden. Die Doppelbesteuerung wird dadurch vermieden, dass Österreich die in der Schweiz erhobene Steuer anrechnet. Damit wird dem österreichischen Anliegen, den steuerlichen Anreiz für eine Tätigkeit insbesondere als Grenzgänger im öffentlichen Dienst in der Schweiz zu beseitigen, entsprochen. [...]

Die vom Arbeitsortsstaat einzubehaltende Quellensteuer wird nach Artikel 15 Absatz 4 zweiter Satz von l Prozent auf 3 Prozent angehoben. Der Arbeitsortsstaat hat nach der Neufassung von Artikel 19 Absatz l erster Satz kein ausschliessliches Besteuerungsrecht mehr für das Erwerbseinkommen von im öffentlichen Dienst stehenden Personen. Solche Einkünfte, die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten unselbständigen Arbeit aus öffentlichen schweizerischen Kassen bezieht, können künftig nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Wohnsitzstaat besteuert werden. Die in der Schweiz gezahlte Steuer wird an die österreichische Steuer angerechnet (Art. 23 Abs. 2). [...]“

29 Mit Protokoll vom , BGBl. III Nr. 22/2007, wurde das DBA neuerlich abgeändert. Insbesondere wurde damit Art. 15 Abs. 4 DBA (Regelung betreffend „Grenzgänger“) aufgehoben und Art. 23 Abs. 2 DBA neu gefasst. Artikel 23 Abs. 2 DBA lautet nunmehr:

„2. Ungeachtet des Absatzes 1 darf Österreich Einkünfte im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.“

30 In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1388 BlgNR 22. GP 2 f) wurde hiezu insbesondere ausgeführt:

„Die Grenzgängerregelung des Artikels 15 Abs. 4 ist durch das Freizügigkeitsabkommen der Schweiz mit der EU überholt und wird auf österreichischer Seite durch Einführung des Anrechnungsverfahrens für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ersetzt. Hierdurch ist sichergestellt, dass bei den in Österreich ansässigen Personen mit schweizerischem Arbeitsort das österreichische Besteuerungsrecht nicht mehr davon abhängt, dass die betreffenden Arbeitnehmer den Grenzgängerstatus besitzen. [...]

Im Rahmen der Neuordnung der Grenzgängerbesteuerung wurden nunmehr alle Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die in Österreich ansässige Arbeitnehmer auf schweizerischem Staatsgebiet erbringen, in das Anrechnungsverfahren einbezogen [...]“

31 In der Botschaft über dieses Protokoll zur Änderung des DBA des Schweizerischen Bundesrates (BBl 2006 5155 ff) wurde u.a. ausgeführt:

„Die geltende Grenzgängerregelung im schweizerisch-österreichischen Doppelbesteuerungsabkommen vom (AS 1974 2105, nachfolgend als Abkommen bezeichnet) sieht vor, dass Grenzgänger am Ort ihrer Ansässigkeit besteuert werden können. Der Arbeitsortsstaat kann auf solchen Löhnen eine Steuer von 3 Prozent erheben, die im Ansässigkeitsstaat angerechnet wird. Als Grenzgänger im Sinne des Abkommens gelten Personen, die in der Regel täglich von ihrem grenznahen Arbeitsort an ihren ebenfalls in der Nähe der Grenze liegenden Wohnort zurückkehren. Entfällt die Grenzgängereigenschaft, so können die Löhne nur im Arbeitsortsstaat besteuert werden und der Ansässigkeitsstaat muss eine Befreiung gewähren. Keine besondere Regelung für Grenzgänger besteht demgegenüber bei Erwerbseinkünften von Angestellten im öffentlichen Dienst. Solche Löhne können in beiden Staaten besteuert werden, wobei Österreich die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der schweizerischen Steuer beseitigt. [...]“

32 Unbestritten ist, dass der Revisionswerber in Österreich (auch im Sinne des DBA) ansässig ist und er hier den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat (Artikel 4 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a DBA).

33 Art. 19 DBA geht als lex specialis insbesondere der Bestimmung des Art. 15 DBA vor (vgl. - mit weiteren Nachweisen - Schmidjell-Dommes in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar², Art. 19 Tz 8). Da es sich bei den Bezügen des Revisionswerbers unstrittig um solche nach Art. 19 DBA handelt, kann die Besteuerung dieser Bezüge in Österreich - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts - schon aus diesem Grund nicht auf Art. 15 Abs. 1 (iVm Art. 23 Abs. 2) DBA gestützt werden.

34 Nach der - im vorliegenden Verfahren nicht mehr anwendbaren - Stammfassung des Art. 19 Abs. 1 DBA durften Vergütungen, die ein Vertragstaat oder - wie hier - ein Kanton für ihm erbrachte Arbeitsleistungen auszahlt, „nur“ in diesem Staat besteuert werden (vgl. in diesem Sinne auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage, 1094 BlgNR 13. GP 13: „Aktivbezüge und Ruhegenüsse, die aus öffentlichen Kassen an Staatsbeamte geleistet werden (Art. 19) dürfen wie nach dem bisherigen Abkommen nur im Quellenstaat besteuert werden.“) Damit waren derartige Leistungen nur im „Kassenstaat“ (hier also der Schweiz) zu besteuern, unabhängig davon, wo diese Leistungen erbracht wurden.

35 Mit dem Protokoll vom wurde diese Rechtslage geändert. Insbesondere sollte damit - wie aus den Erläuterungen sowohl der österreichischen also auch der schweizerischen Seite hervorgeht - erreicht werden, dass Einkünfte von österreichischen „Grenzgängern“ (also Personen, bei denen sich insbesondere der Arbeitsort nicht im Ansässigkeitsstaat befindet) mit einem öffentlich-rechtlichen schweizerischen Arbeitgeber (insbesondere im Bereich des Krankenpflegedienstes) (auch) in Österreich besteuert werden dürfen. In diesem Sinne entfiel in Art. 19 Abs. 1 DBA das Wort „nur“; Art. 23 Abs. 2 DBA wurde neu gefasst und sah insoweit - in Abgrenzung zu dessen Abs. 1, der unverändert grundsätzlich die Befreiungsmethode normierte - zum einen vor, dass Österreich Einkünfte iSd Art. 19, die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern darf; zum anderen wurde normiert, dass Österreich in dem Fall, dass eine in Österreich ansässige Person, die unter (u.a.) Art. 19 DBA fallende Einkünfte bezieht, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag anrechnet, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht.

36 Art. 23 Abs. 2 zweiter Satz DBA (idF BGBl. Nr. 161/1995) setzt damit voraus, dass es sich um Einkünfte handelt, die „nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich“ besteuert werden dürfen. Damit weicht diese Bestimmung von Art. 23 Abs. 2 DBA in der Stammfassung und auch von Art. 23 Abs. 1 DBA ab, wo jeweils nur verlangt wird, dass diese Einkünfte nach diesem Abkommen im anderen Vertragstaat (bzw. nach näher genannten Artikeln des DBA in der Schweiz) besteuert werden dürfen. Auch das OECD-Musterabkommen sieht insoweit in den Methodenartikeln (Art. 23A und Art. 23B) jeweils nur vor, dass eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Einkünfte bezieht und diese Einkünfte nach diesem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden können. Damit ist aber davon auszugehen, dass Art. 23 Abs. 2 zweiter Satz sich nur auf jene Einkünfte bezieht, die nach dem Abkommen in beiden Vertragstaaten (und nicht bloß im anderen Vertragstaat) besteuert werden dürfen. Art. 19 DBA sah aber (auch in der Fassung BGBl. Nr. 161/1995) lediglich eine Besteuerung durch den Kassenstaat (wenn auch in der geänderten Fassung nicht mehr ausschließlich) vor. Damit liegen aber insoweit (nach dem Text nur des Art. 19 DBA) keine Einkünfte vor, die „nach dem Abkommen“ sowohl in der Schweiz als auch in Österreich besteuert werden dürfen. Betreffend diese Einkünfte normiert aber der erste Satz des Art. 23 Abs. 2 DBA, dass diese Einkünfte (auch) in Österreich besteuert werden dürfen, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass es sich um eine in der Schweiz ausgeübte Arbeit handelt. Nur in diesem Fall handelt es sich damit um unter Art. 19 DBA fallende Einkünfte, die iSd Art. 23 Abs. 2 zweiter Satz DBA „nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen“.

37 Nach Art. 19 iVm Art. 23 Abs. 2 DBA darf Österreich somit Vergütungen, die von der Schweiz (oder von einem Kanton) für der Schweiz (oder dem Kanton) erbrachte Dienstleistungen oder Arbeitsleistungen an eine in Österreich ansässige Person ausgezahlt werden, nur dann nach der Anrechnungsmethode (Art. 23 Abs. 2 DBA) behandeln, wenn die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Wird die Arbeit für den öffentlich-rechtlichen Dienstgeber nicht in der Schweiz, sondern in Österreich ausgeübt, sind die daraus resultierenden Einkünfte hingegen nach der Befreiungsmethode (Art. 23 Abs. 1 DBA) zu behandeln.

38 Entscheidend ist damit, unter welchen Voraussetzungen Einkünfte aus einer „in der Schweiz ausgeübten Arbeit“ anzunehmen sind.

39 Der Revisionswerber bringt hiezu in seiner Stellungnahme vor, der Ort der Arbeitsausübung sei dort, wo sich der Arbeitnehmer zur Ausführung der Arbeit persönlich aufhalte. Halte sich der Dienstnehmer bei der Ausführung seiner Tätigkeit teilweise in der Schweiz und teilweise in Österreich auf, sei entsprechend der Arbeitszeit aufzuteilen. Nur der auf die während des Aufenthalts in der Schweiz ausgeführte Tätigkeit entfallende Anteil der Einkünfte falle unter Art. 23 Abs. 2 Satz 1 DBA. Die Einkünfte aus den während des Aufenthalts in Österreich angeführten Tätigkeiten seien nach Art. 23 Abs. 1 DBA in Österreich freizustellen.

40 Der Bundesminister führt hingegen in seiner Stellungnahme aus, Sinn und Zweck der Implementierung des Anrechnungsregimes sei es gewesen, Verwerfungen auf dem österreichischen Arbeitsmarkt durch Abwandern von Arbeitskräften in die Schweiz zu vermeiden. Es seien daher auch die Einkünfte aus einer in Österreich ausgeübten Tätigkeit eines grundsätzlich in der Schweiz tätigen öffentlich Bediensteten, die nach dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden dürften, im Anrechnungsregime zu erfassen. Eine anderweitige Interpretation die zu einer wettbewerbsverzerrenden Keinmalbesteuerung der Bezüge führen würde, könne nicht als im Sinn des Gesetzgebers gelegen angesehen werden. Die Ausübung der Tätigkeit erfolge dort, wo sie primär ihre Wirkung entfalte. Die Nutzung eines Homeoffice könne nicht dazu führen, dass die Tätigkeit ihren engen Konnex zur Schweiz verliere und eine Ausübung iSd Wirksamwerdens in Abrede zu stellen wäre.

41 Die Regelung des Art. 23 Abs. 2 erster Satz DBA weicht - wie bereits ausgeführt - in Bezug auf Einkünfte im Sinne des Art. 19 DBA von Formulierungen im OECD-Musterabkommen erheblich ab; sie ist unabhängig von hiezu vertretenen Ansichten vor allem nach dem Zweck dieser (offenbar auch kein sonstiges Vorbild aufweisenden) Regelung auszulegen.

42 Zweck der Abänderung des DBA mit dem Protokoll aus dem Jahr 1994 war (wie aus den Materialien beider Vertragstaaten hervorgeht), der Abwanderung von Arbeitskräften aus Österreich, die zu einer dramatischen Verschärfung der Arbeitsmarktsituation (vor allem in Vorarlberg) geführt hatte, entgegenzutreten. Die in der Regel niedrigere schweizerische Besteuerung in Verbindung mit dem höheren Lohnniveau hatte eine starke Sogwirkung auf österreichische Arbeitnehmer ausgelöst. Vor dem Hintergrund dieses Zweckes ist die Bestimmung, wonach Österreich (nach dem DBA) ein Besteuerungsrecht für Einkünfte zusteht, die Personen aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit beziehen, dahin zu verstehen, dass damit jene Tätigkeiten gemeint sind, die in Österreich ansässige Personen für Schweizer Einrichtungen im Sinne des Art. 19 DBA erbringen, die in der Schweiz gelegen sind. Betreffend Tätigkeiten für derartige Einrichtungen der Schweiz, die sich nicht in der Schweiz (insbesondere in Österreich, etwa die Schweizer Botschaft in Österreich) befinden, besteht (und bestand) schon im Hinblick auf die von vornherein verhältnismäßig kleine Zahl derartiger Arbeitsplätze keine Gefahr von maßgeblichen Verwerfungen am österreichischen Arbeitsmarkt.

43 Da die Tätigkeiten des Revisionswerbers aber für Einrichtungen der Schweiz, die sich in der Schweiz befinden (Gerichte und Staatsanwaltschaften in der Schweiz), erfolgten, liegt insoweit unabhängig von der jeweiligen physischen Anwesenheit bei Erbringung dieser Tätigkeiten zur Gänze eine iSd Art. 23 Abs. 2 erster Satz DBA in der Schweiz ausgeübte Arbeit vor. Die daraus erzielten Einkünfte sind daher in Österreich unter Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Steuer zu besteuern.

44 Im Hinblick auf dieses Auslegungsergebnis bestehen auch keine Bedenken an der Verfassungskonformität dieser Regelung.

45 Als rechtswidrig erweist sich das angefochtene Erkenntnis aber im Hinblick auf die - durch Übernahme der Vorgangsweise in der Beschwerdevorentscheidung - vorgenommene Anrechnung der ausländischen Steuer.

46 Es entspricht der herrschenden Ansicht, dass die ausländische Steuer nur bis zu dem Betrag angerechnet werden kann, der im Ausland bezahlt werden musste; der Abgabepflichtige muss die aufgrund des DBA oder aufgrund des innerstaatlichen Rechts des anderen Staates bestehenden Steuervorteile ausnützen. Kann eine Herabsetzung einer von Bruttobeträgen vorgenommenen Abzugsteuer im Wege einer Antragsveranlagung herbeigeführt werden, darf darauf im Allgemeinen nicht verzichtet werden (vgl. Loukota/Jirousek/Schmidjell-Dommes, IntStR, 37. Lfg, Z 23 Rz 85 und 87; Englmair in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA-Kommentar², Art 23B, Tz 12; Bendlinger in Bendlinger u.a., Internationales Steuerrecht², Rz XIV/39).

47 Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Ansicht an.

48 Es wird aber weder im angefochtenen Erkenntnis noch in der Beschwerdevorentscheidung dargelegt, dass eine Berücksichtigung von Werbungskosten im Rahmen einer möglichen Veranlagung in der Schweiz zu einer entsprechenden Reduktion der Steuer in der Schweiz geführt hätte.

49 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das weitere Revisionsvorbringen einzugehen war.

50 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Normen
DBAbk Schweiz 1975
DBAbk Schweiz 1975 Art15
DBAbk Schweiz 1975 Art19
DBAbk Schweiz 1975 Art19 Abs1 idF 1975/064
DBAbk Schweiz 1975 Art19 idF idf 1995/161
DBAbk Schweiz 1975 Art19 idF 1995/161
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs1
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 1975/064
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 1995/161
DBAbk Schweiz 1975 Art23 Abs2 idF 2007/III/022
OECD-MusterAbk Art23A
OECD-MusterAbk Art23B
VwRallg
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130042.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
DAAAF-45611