VwGH 20.12.2022, Ra 2021/12/0023
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | DVG 1984 §2 Abs6 idF 2020/I/153 GehG 1956 §23 Abs3 idF 2018/I/060 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 1 | § 2 Abs. 6 erster Satz DVG 1984 bringt zum Ausdruck, dass für Dienstrechtsverfahren, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand herrühren, die Aktivdienstbehörde (und nicht etwa die Pensionsbehörde) zuständig ist (Hinweis B vom , 2005/12/0118). Demgegenüber richtet sich die Abgrenzung zwischen den Zuständigkeiten der obersten Dienstbehörde bzw. der nachgeordneten Dienstbehörde zur Entscheidung einer Dienstrechtssache in erster Instanz nach den jeweils (im Entscheidungszeitpunkt) geltenden Vorschriften. Nichts anderes gilt für die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen verschiedenen nachgeordneten Dienstbehörden, wie sie die DPÜ-VO 2005 in ihren §§ 1 und 2 vornimmt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2012/12/0130 E RS 4 (hier nur der erste Satz) |
Normen | |
RS 2 | Die Offizialmaxime verlangt nicht, Anbringen, die nach ihrem objektiven Erklärungswert eindeutig sind, einen anderen - wenngleich zweckmäßigen - Inhalt zu geben. Dies liefe auf eine Umdeutung eines Anbringens hinaus und widerspräche der hg. Judikatur zur Auslegung von Anbringen. Danach kommt es auf den Inhalt der Eingabe an und sind Parteienerklärungen ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2020/10/0123 B RS 2 |
Normen | AVG §13 AVG §13a AVG §39 AVG §56 GehG 1956 §23 Abs3 idF 2018/I/060 GehG 1956 §23 idF 2018/I/060 PG 1965 §29 Abs3 idF 2002/I/119 PTSG 1996 §17 Abs8 Z2 idF 2020/I/153 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwRallg |
RS 3 | Der auf § 23 Abs. 3 GehG 1956 gestützte Antrag wäre vom VwG auf Grundlage der vom Beamten erhobenen Säumnisbeschwerde schon deshalb abzuweisen gewesen, weil ein Anspruch des Beamten gegenüber der Dienstbehörde auf Geldaushilfe wegen eines behauptetermaßen zu niedrigen Ruhegenusses, der ihn in eine finanzielle Notlage bringt, bereits im Zeitpunkt der Antragstellung nicht bestand. Im Zeitpunkt der Entscheidung des VwG über die Säumnisbeschwerde gemäß § 17 Abs. 8 Z 2 PTSG 1996 wäre die BVAEB zur Entscheidung über einen Antrag auf Geldaushilfe gemäß PG 1965 zuständig gewesen. Einen derartigen Antrag hat der Beamte aber im vorliegenden Verfahren niemals gestellt. Eine Weiterleitung des Antrags auf Geldaushilfe durch das VwG an die BVAEB wäre nicht in Betracht gekommen, weil der - vor dem VwG anwaltlich vertretene - Beamte seinen Antrag ausdrücklich auf § 23 GehG 1956 und niemals auf § 29 Abs. 3 PG 1965 gestützt hat. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist dementsprechend ausschließlich dieser auf § 23 GehG 1956 gestützte Antrag. Da das VwG in Verkennung der Rechtslage den auf § 23 Abs. 3 GehG 1956 gestützten Antrag auf Geldaushilfe nicht abgewiesen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie Hofrätin Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und Hofrat Mag. Cede, als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Binder, über die Revision des Personalamts Salzburg der Österreichischen Post AG, vertreten durch die CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W257 2228819-1/5E, betreffend Antrag auf Geldaushilfe gemäß § 23 Abs. 3 GehG (mitbeteiligte Partei: G G in G, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in 5400 Hallein, Davisstraße 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte stellte unvertreten einen mit datierten Antrag auf Geldaushilfe an das Personalamt Salzburg der Österreichischen Post AG. Er brachte vor, auf Grund seiner schwierigen gesundheitlichen Situation werde er mit Ablauf des gemäß den Bestimmungen des § 14 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Dadurch ergäben sich für ihn schwerwiegende finanzielle Einbußen und wesentliche finanzielle Einschränkungen in seiner weiteren Lebensgestaltung bzw. wäre es schwierig, die finanziellen Lasten in seiner gesundheitlichen Situation bewältigen zu können. Nach Darstellung seiner finanziellen Lage ersuchte der Mitbeteiligte um Zuerkennung einer freiwilligen Einmalzahlung - im Sinne einer einmaligen Geldaushilfe von maximal vier Monatsgehältern „gemäß § 23 GehG für Mitarbeiterinnen, nach Pkt. XII abs. 2 der Vereinbarungen-Sozialplan-BV 2011/2012“.
2 Mit Eingabe vom stellte der Mitbeteiligte - nunmehr durch seinen anwaltlichen Vertreter - einen Antrag, dass festgestellt werden möge, dass ihm gemäß § 23 Abs. 3 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) eine Geldaushilfe von maximal vier Monatsgehältern zu gewähren sei. Für den Fall, dass sein Ansuchen vom als Antrag auf bescheidmäßige Feststellung zu werten sei, stelle der gegenständliche Antrag eine Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 Abs. 3 B-VG und den § 7 ff VwGVG dar. Es wurde vorgebracht, das zuständige Personalamt Salzburg habe sich bislang zu seinem Antrag vom nicht geäußert. Lediglich die Österreichische Post AG habe mit Schreiben vom reagiert und ausgeführt, dass sie derzeit keine Möglichkeit sehe, den gegenständlichen Antrag auf Gewährung einer Geldaushilfe zu behandeln, zumal der Einschreiter gegen das Unternehmen der Österreichischen Post AG ein Amtshaftungsverfahren führe.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis trug das Bundesverwaltungsgericht der revisionswerbenden Partei auf, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung des Bundesverwaltungsgerichts binnen acht Wochen ab Zustellung zu erlassen. Es deutete den verfahrenseinleitenden Antrag als Feststellungsantrag, wogegen sich die Revision nicht wendet. Weiters wurde Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen für die Gebührlichkeit einer Geldaushilfe gemäß § 23 Abs. 3 GehG wiedergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht sprach aus, die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge eine mündliche Verhandlung durchführen und gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache entscheiden, das angefochtene Erkenntnis ersatzlos beheben und dem Verwaltungsgericht den Auftrag erteilen, das bei ihm eingelangte Anbringen der mitbeteiligten Partei unter Anschluss des Verwaltungsaktes an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter weiter zu leiten; in eventu wurde beantragt, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
5 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er beantragte, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.
6 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision vertritt die revisionswerbende Partei unter Zitierung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst den Standpunkt, das Bundesverwaltungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Unzulässigkeit von bedingten Prozesshandlungen abgewichen. Weiters liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, wie zu entscheiden sei, wenn der Antrag auf Geldaushilfe im Aktivdienstverhältnis gestellt worden sei, im Zeitpunkt seiner Entscheidung das Bundesverwaltungsgericht aber gemäß § 2 Abs. 6 DVG nicht zuständig gewesen sei, weil der Antrag auf Tatsachen gestützt worden sei, die nicht vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis eingetreten seien.
7 Mit der zweiten Argumentation wird die Zulässigkeit der Revision hinreichend aufgezeigt (s. im Folgenden). Die Revision ist auch berechtigt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 § 2 Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lautet auszugsweise:
„...
§ 2. ...
(6) Bei Personen, die aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand ausgeschieden sind, und bei versorgungsberechtigten Hinterbliebenen und Angehörigen ist zur Entscheidung in Dienstrechtsangelegenheiten, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand eingetreten sind, die Dienstbehörde berufen, die im Zeitpunkt des Ausscheidens des Bediensteten aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand zuständig gewesen ist. In allen übrigen pensionsrechtlichen Angelegenheiten ist die Dienststelle Dienstbehörde, die über den Pensionsaufwand verfügt.
...“
9 § 23 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018 lautet auszugsweise:
„Vorschuß und Geldaushilfe
§ 23. ...
(3) Ist der Beamte unverschuldet in Notlage geraten oder liegen sonst berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann ihm auch eine Geldaushilfe gewährt werden.
...“
10 § 29 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965), BGBl. Nr. 340/1965, in der Fassung BGBl. I Nr. 119/2002 lautet auszugsweise:
„§ 29. ...
...
(3) Einer Person, die Anspruch auf Ruhe- oder Versorgungsgenuss hat, kann auch eine Geldaushilfe gewährt werden, wenn sie
1. unverschuldet in Notlage geraten ist oder
2. sonst berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen.“
11 § 17 Poststrukturgesetz, BGBl. Nr. 201/1996, in der Fassung BGBl. I Nr. 153/2020 lautet auszugsweise:
„§ 17. ...
(8) Die Bemessung, Berechnung und die Zahlbarstellung der
1. ...
2. im Pensionsrecht vorgesehenen Geldleistungen für die in Abs. 7 genannten Ruhegenussempfänger und -empfängerinnen und deren Angehörige und Hinterbliebene obliegt der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) im übertragenen Wirkungsbereich. ...“
12 § 2 Abs. 6 erster Satz DVG bringt zum Ausdruck, dass für Dienstrechtsverfahren, die aus Tatsachen herrühren, die vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder aus dem Dienststand herrühren, die Aktivdienstbehörde (und nicht die Pensionsbehörde) zuständig ist (vgl. , mwN). Im vorliegenden Revisionsfall beantragte der Mitbeteiligte eine Geldaushilfe im Hinblick darauf, dass er auf Grund seines niedrigen Ruhegenusses in eine finanzielle Notlage geraten werde. Ein Ruhegenuss gebührt jedoch erst nach Ruhestandsversetzung, sodass fallbezogen die beantragte Geldaushilfe aus einer nach dem Ausscheiden aus dem Dienststand entstandenen Tatsache herrührt.
13 Der Mitbeteiligte hat seinen Antrag auf Geldaushilfe allerdings (zunächst unvertreten und dann anwaltlich vertreten) ausdrücklich auf § 23 Abs. 3 GehG gestützt, worüber die revisionswerbende Partei zu entscheiden gehabt hätte.
14 Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verlangt keine Beratung der Verfahrensparteien in materiell-rechtlicher Hinsicht. Auch unvertretenen Personen sind nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, sie sind aber nicht in materieller Hinsicht zu beraten und nicht anzuleiten, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw. mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben (vgl. etwa ). Eine Manuduktionspflicht der Behörde dahin, Antragsteller auf eine zweckmäßige Antragstellung hinzuweisen, besteht nicht (vgl. etwa ). Auch die Offizialmaxime verlangt nicht, Anbringen, die nach ihrem objektiven Erklärungswert eindeutig sind, einen anderen - wenngleich zweckmäßigen - Inhalt zu geben. Dies liefe auf eine Umdeutung eines Anbringens hinaus und widerspräche der hg. Judikatur zur Auslegung von Anbringen, wonach es auf den Inhalt der Eingabe ankommt und Parteienerklärungen ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen sind (vgl. , mwN).
15 Der auf § 23 Abs. 3 GehG gestützte Antrag wäre daher vom Bundesverwaltungsgericht auf Grundlage der vom Mitbeteiligten erhobenen Säumnisbeschwerde schon deshalb abzuweisen gewesen, weil ein Anspruch des Mitbeteiligten gegenüber der revisionswerbenden Partei (Dienstbehörde) auf Geldaushilfe wegen eines behauptetermaßen zu niedrigen Ruhegenusses, der ihn in eine finanzielle Notlage bringt, bereits im Zeitpunkt der Antragstellung nicht bestand.
16 Im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Säumnisbeschwerde gemäß § 17 Abs. 8 Z 2 Poststrukturgesetz (PTSG) wäre die BVAEB zur Entscheidung über einen Antrag auf Geldaushilfe gemäß § 29 Abs. 3 Pensionsgesetz 1965 (PG 1965) zuständig gewesen, worauf in der Revision zutreffend hingewiesen wurde. Einen derartigen Antrag hat der Mitbeteiligte aber im vorliegenden Verfahren niemals gestellt. Eine Weiterleitung des Antrags auf Geldaushilfe durch das Bundesverwaltungsgericht an die BVAEB wäre nicht in Betracht gekommen, weil der - vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertretene - Mitbeteiligte seinen Antrag ausdrücklich auf § 23 GehG und niemals auf § 29 Abs. 3 PG 1965 gestützt hat. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist dementsprechend ausschließlich dieser auf § 23 GehG gestützte Antrag.
17 Es ist dem Mitbeteiligten freilich unbenommen, einen Antrag gemäß § 29 Abs. 3 PG 1965 zu stellen.
18 Da das Bundesverwaltungsgericht in Verkennung der Rechtslage den auf § 23 Abs. 3 GehG gestützten Antrag auf Geldaushilfe nicht abgewiesen hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und nach § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG unter Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufzuheben.
Wien, am
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Normen | AVG §13 AVG §13a AVG §39 AVG §56 DVG 1984 §2 Abs6 idF 2020/I/153 GehG 1956 §17 GehG 1956 §23 GehG 1956 §23 Abs3 GehG 1956 §23 Abs3 idF 2018/I/060 GehG 1956 §23 idF 2018/I/060 GehG 1956 §29 PG 1965 §29 Abs3 idF 2002/I/119 PTSG 1996 §17 Abs8 Z2 idF 2020/I/153 VwGG §39 Abs2 Z4 VwGG §42 Abs2 Z1 VwGVG 2014 §17 VwRallg |
Schlagworte | Allgemein Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021120023.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAF-45593