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VwGH 02.11.2022, Ra 2021/11/0188

VwGH 02.11.2022, Ra 2021/11/0188

Entscheidungsart: Erkenntnis

Rechtssätze


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Normen
LSD-BG 2016 §14 Abs2
LSD-BG 2016 §27 Abs1
RS 1
Eine Übertretung gemäß § 14 Abs. 2 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-BG 2016 wegen Nichtübermittlung abverlangter Unterlagen kann nur dann vorliegen, wenn eine Aufforderung zur Übermittlung ergangen ist ().
Normen
AVG §47
VStG §24
ZPO §292 Abs2
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3
ZustG §22
RS 2
Die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) ist unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame (fristauslösende) Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein (vgl. , Rn. 14, mwN). Der Beweis, wonach eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, wird durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den jedoch gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtsmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. etwa , mwN).
Hinweis auf Stammrechtssatz
GRS wie Ra 2020/04/0099 B RS 1
Normen
ZustG §17
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3
ZustG §19 Abs1
RS 3
Die bloße Behauptung, von der Post keine Verständigung von der Hinterlegung erhalten zu haben, ist nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung betreffend die vorschriftsgemäße Zustellung (also im Revisionsfall insbesondere, dass die Hinterlegungsverständigung tatsächlich in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde) zu widerlegen (). Selbiges gilt für das Vorbringen, das Schreiben nicht behoben zu haben, sodass, da die Sendung auch nicht retourniert worden sei, anzunehmen sei, dass "etwas schiefgegangen" sei.
Normen
ZustG §17
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3
RS 4
Für die Wirksamkeit der Zustellung ist es ohne Belang, ob der Partei die Verständigung von der Hinterlegung tatsächlich zugekommen ist oder nicht (vgl. ). Der Zustellvorgang war mit der Hinterlegung abgeschlossen. Da die Abholung nicht mehr zur Zustellung zählt, war die Frage, durch wen, wann bzw. ob die hinterlegte Sendung behoben wurde, für den Zustellvorgang nicht von Bedeutung, (vgl. ; , 2004/05/0078, mwN).

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse als Kompetenzzentrum LSDB, vertreten durch die Fischer & Walla Rechtsanwälte OG in 6850 Dornbirn, Marktstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom , Zl. LVwG-1-568/2020-R10, betreffend Übertretung des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Dornbirn; mitbeteiligte Partei: I B in L, vertreten durch die Advokaten Keckeis Fiel Scheidbach OG in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der belangten Behörde vom , mit dem dieser als handelsrechtlicher Geschäftsführerin eines näher genannten Unternehmens wegen des Unterbleibens der fristgerechten Übermittlung von Lohnunterlagen bezüglich fünf namentlich bezeichneter Arbeitnehmer (laut Straferkenntnis: Zustellung der Aufforderung der revisionswerbenden Partei durch Hinterlegung am ) eine Übertretung des § 27 Abs. 1 iVm. § 14 Abs. 2 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) zur Last gelegt worden war, gemäß § 50 VwGVG statt und hob das Straferkenntnis auf. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Das Verwaltungsgericht führte aus, die revisionswerbende Partei habe mit Schreiben vom (RSb-Brief) die Mitbeteiligte aufgefordert, relevante Lohnunterlagen für namentlich genannte Arbeitnehmer zu übermitteln. Das Schreiben sei laut Zustellnachweis am hinterlegt worden, indem eine Verständigung über die Hinterlegung angeblich in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei. Da bis zum keine Antwort von der Mitbeteiligten erfolgt und das Schreiben auch nicht an die revisionswerbende Partei retourniert worden sei, sei Letztere von der Zustellung des Schreibens ausgegangen und habe am eine Anzeige wegen Übertretung der in Rede stehenden Bestimmungen des LSD-BG erstattet. Aufgrund des Beschwerdevorbringens der Mitbeteiligten, demzufolge sie die Hinterlegungsanzeige nicht erhalten habe, habe das Verwaltungsgericht der revisionswerbenden Partei den Auftrag erteilt, den Rückschein des gegenständlichen Schreibens an das Gericht zu übermitteln. Diesem Ersuchen sei entsprochen worden. Weiters habe die revisionswerbende Partei bei der Österreichischen Post AG Recherchen zur Übernahme des Schreibens durch die Mitbeteiligte betrieben und per E-Mail vom die Antwort erhalten, dass die tatsächliche Übernahme des Schreibens nicht habe festgestellt werden können und RSa- sowie RSb-Briefe nichtbescheinigte, in den Systemen der Österreichischen Post AG nicht erfasste Sendungen seien. Ob der Mitbeteiligten die Hinterlegungsanzeige und somit das Schreiben der revisionswerbenden Partei zur Kenntnis gelangt sei, habe daher nicht festgestellt werden können.

3 In seinen der Beweiswürdigung gewidmeten Erwägungen hielt das Verwaltungsgericht fest, die Mitbeteiligte habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, die Aufforderung zur Übermittlung von Lohnunterlagen nie erhalten zu haben. Faktum sei - so die Ausführungen der Mitbeteiligten -, dass der hinterlegte Brief nie zurückgegangen und auch nicht abgeholt worden sei. Es müsse daher „etwas schiefgegangen“ sein. Es habe auch ein Insolvenzverfahren gegeben. Auf der Mitbeteiligten lasteten noch viele Schulden. Derzeit verfüge sie über kein Einkommen. Sie bestreite nicht, dass es Judikatur gebe, der zufolge es bei der Zustellung durch Hinterlegung nicht auf die Abholung ankomme. In diesem Zusammenhang habe die Vertreterin der revisionswerbenden Partei aber auch angegeben, dass der Brief nie zurückgesendet worden sei.

4 In rechtlicher Hinsicht verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass der Zustellnachweis eine öffentliche Urkunde darstelle und die gesetzliche Vermutung begründe, dass eine Zustellung vorschriftsgemäß erfolgt sei. Gegenständlich habe die Mitbeteiligte jedoch vorgebracht, die Hinterlegungsanzeige nie erhalten zu haben. Auf dem Zustellnachweis sei zwar angekreuzt worden, dass die Hinterlegungsanzeige in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei. Es könne jedoch nicht festgestellt werden, ob dies tatsächlich der Fall gewesen sei. Der Brief der revisionswerbenden Partei sei nie zurückgeschickt worden und es gebe keinen Nachweis, dass der Brief übernommen worden sei. Die in § 17 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustG) genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung sei unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG. Eine Hinterlegung ohne schriftliche Verständigung oder aufgrund einer fehlerhaften Verständigung entfalte keine Rechtswirkungen. Entspreche die Form der Zurücklassung nicht dem Gesetz, bleibe die Hinterlegung ohne Wirkung. „Somit“ sei nicht erwiesen, dass die Mitbeteiligte die Hinterlegungsanzeige erhalten und vom Schreiben der revisionswerbenden Partei vom Kenntnis erlangt habe. Da der Brief nicht retourniert worden sei und auch Recherchen der revisionswerbenden Partei von der Österreichischen Post AG dahin beantwortet worden seien, dass eine Übernahme des gegenständlichen Briefes nicht nachgewiesen werden könne, sei im Zweifel das Straferkenntnis der belangten Behörde aufzuheben gewesen.

5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in deren Zulässigkeitsbegründung geltend gemacht wird, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter hg. Rechtsprechung abgewichen: Der Zustellnachweis stelle eine öffentliche Urkunde dar, gegen die nur der Gegenbeweis zulässig sei. Das Verwaltungsgericht habe die Beweiskraft des Rückscheins, ohne dass entsprechende Beweise erbracht worden seien, und gestützt auf das Vorbringen der Mitbeteiligten, die Hinterlegungsanzeige nie erhalten zu haben, in Zweifel gezogen. Die bloße Behauptung, von der Post keine Verständigung erhalten zu haben, sei allerdings nicht geeignet, die durch den Rückschein begründete gesetzliche Vermutung der Vorschriftsmäßigkeit der Zustellung zu widerlegen. Die Wirksamkeit der Zustellung hänge zudem weder davon ab, ob der Mitbeteiligten die Verständigung von der Hinterlegung zugekommen sei, noch davon, ob und wann die rechtswirksam hinterlegte Sendung behoben worden oder ob hierbei Hindernisse aufgetreten seien.

6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

7 Die Revisionslegitimation der revisionswerbenden Partei ergibt sich aus Art. 133 Abs. 8 B-VG iVm. § 32 Abs. 2 LSD-BG.

8 Die Revision erweist sich im Hinblick auf das Zulässigkeitsvorbringen als zulässig und begründet.

9 Das ZustG, BGBl. Nr. 200/1982 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2018, lautete (auszugsweise):

„Hinterlegung

§ 17.

(1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.

(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.

(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

...

Rücksendung, Weitersendung und Vernichtung

§ 19. (1) Dokumente, die weder zugestellt werden können, noch nachzusenden sind oder die zwar durch Hinterlegung zugestellt, aber nicht abgeholt worden sind, sind entweder an den Absender zurückzusenden, an eine vom Absender zu diesem Zweck bekanntgegebene Stelle zu senden oder auf Anordnung des Absenders nachweislich zu vernichten.

...“

10 Die maßgeblichen Bestimmungen des LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016 in der Fassung BGBl. I Nr. 174/2021, lauten auszugsweise:

„Feststellungen von Übertretungen durch den Träger der Krankenversicherung

§ 14. ...

(2) Der zuständige Träger der Krankenversicherung ist berechtigt, in die für die Tätigkeit nach Abs. 1 erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen und Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen. Auf Verlangen haben Arbeitgeber die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen zu übermitteln, wobei die Unterlagen oder Ablichtungen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.

...

Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle

§ 27. (1) Wer als Arbeitgeber, Überlasser oder Beschäftiger die erforderlichen Unterlagen entgegen § 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer eine einzige Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 40 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen den §§ 14 Abs. 2 oder 15 Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.

...

Inkrafttreten

§ 72.

...

(10) Die §§ 1 Abs. 2, 3, 5 bis 9, 2 Abs. 2, 3 und 4, 3 Abs. 5 und 7, 12 Abs. 1 Z 3 bis 6, 14 samt Überschrift, 15 Abs. 2, 19, 21, 22, 24 Abs. 1 erster Satz, 25a, 26 bis 28 samt Überschriften, 29 Abs. 1, 33, 34 samt Überschrift, 35 Abs. 2 und 4 und die Überschrift zu § 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 treten mit in Kraft und sind auf Entsendungen und Überlassungen anzuwenden, die nach dem begonnen haben. Die §§ 2 Abs. 3 und 35 Abs. 6 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 174/2021 treten mit Ablauf des außer Kraft und sind auf Sachverhalte anzuwenden, die sich vor dem ereignet haben. Die §§ 2 Abs. 3 und 3 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 gelten nicht für Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs. 9. Die §§ 11 Abs. 1 Z 3, 20 Abs. 1 und 2 Z 1, 32 Abs. 1 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft. Die §§ 26 bis 29 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 sind auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof anzuwenden.

...“

11 Das Landesverwaltungsgericht beurteilte den gegenständlichen Fall, in dem ein Zustellnachweis mit dem Vermerk über die entsprechend § 17 Abs. 2 ZustG in die Abgabeeinrichtung eingelegte Hinterlegungsanzeige vorlag, zusammengefasst dahin, dass wegen des fehlenden Nachweises der Übernahme der Sendung sowie im Hinblick darauf, dass das Schreiben nicht an die Absenderin retourniert worden sei, „im Zweifel“ das Straferkenntnis vom aufzuheben sei. Dieser Rechtsauffassung tritt die revisionswerbende Partei zu Recht entgegen:

12 Das Verwaltungsgericht legte dem angefochtenen Erkenntnis zunächst und insoweit zutreffend zugrunde, dass eine Übertretung gemäß § 14 Abs. 2 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-BG wegen Nichtübermittlung abverlangter Unterlagen nur dann vorliegen kann, wenn eine Aufforderung zur Übermittlung ergangen ist ().

13 Es trifft auch zu, dass die in § 17 Abs. 2 ZustG genannte Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung (Hinterlegungsanzeige) unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG ist. Unterbleibt die Hinterlegungsanzeige, so tritt eine wirksame (fristauslösende) Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustG nicht ein (vgl. , mwN).

14 Allerdings wird - und insoweit entspricht die im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Beurteilung nicht den rechtlichen Vorgaben - der Beweis, wonach eine Zustellung vorschriftsmäßig erfolgt ist, durch den eine öffentliche Urkunde darstellenden Zustellnachweis (Rückschein) erbracht, gegen den gemäß § 292 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 24 VStG und § 47 AVG der Gegenbeweis (etwa, dass der in der Urkunde bezeugte Vorgang unrichtig sei) zulässig ist. Behauptet jemand, es liege ein Zustellmangel vor, so hat er diese Behauptung entsprechend zu begründen und Beweise dafür anzuführen, welche die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet sind. Es ist Sache des Empfängers, Umstände vorzubringen, die geeignet sind, Gegenteiliges zu beweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges aufkommen zu lassen (vgl. etwa , mwN; vgl. auch ).

15 Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts wurde - wie eingangs erwähnt - auf dem Zustellnachweis vom Zustellorgan festgehalten, dass die Benachrichtigung von der Hinterlegung in der Abgabeeinrichtung eingelegt worden sei (vgl. § 17 Abs. 2 ZustG).

16 Konkrete Anhaltspunkte für eine unrichtige Beurkundung des Zustellvorgangs am Zustellnachweis wurden weder von der Mitbeteiligten noch im angefochtenen Erkenntnis dargelegt. Ermittlungen hinsichtlich des betreffenden Zustellvorganges (nämlich etwa die zeugenschaftliche Befragung des Zustellorgans), deren Ergebnisse allenfalls berechtigte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Zustellvorganges hätten aufkommen lassen, sind nicht erfolgt. Entsprechende Beweisanträge wurden im Übrigen nicht gestellt.

17 Die revisionswerbende Partei weist auch zutreffend darauf hin, dass die bloße Behauptung, von der Post keine Verständigung von der Hinterlegung erhalten zu haben, nicht geeignet ist, die gesetzliche Vermutung betreffend die vorschriftsgemäße Zustellung (also im Revisionsfall insbesondere, dass die Hinterlegungsverständigung tatsächlich in die Abgabeeinrichtung eingelegt wurde) zu widerlegen (). Selbiges gilt für das Vorbringen der Mitbeteiligten, das Schreiben nicht behoben zu haben, sodass, da die Sendung auch nicht retourniert worden sei, anzunehmen sei, dass „etwas schiefgegangen“ sei.

18 Für die Wirksamkeit der Zustellung ist es auch ohne Belang, ob der Mitbeteiligten die Verständigung von der Hinterlegung tatsächlich zugekommen ist oder nicht (vgl. neuerlich ). Der Zustellvorgang war mit der Hinterlegung abgeschlossen. Da die Abholung nicht mehr zur Zustellung zählt, war die Frage, durch wen, wann bzw. ob die hinterlegte Sendung behoben wurde, für den Zustellvorgang nicht von Bedeutung, (vgl. ; , 2004/05/0078, mwN).

19 Die Auffassung, in der gegenständlichen Konstellation sei, weil eine Übernahme des Briefes nicht habe nachgewiesen werden können und nicht erwiesen sei, dass die Mitbeteiligte die Hinterlegungsanzeige erhalten und somit Kenntnis von dem Schreiben erlangt habe, „im Zweifel“ (von der Unwirksamkeit der Zustellung der Aufforderung zur Übermittlung von Lohnunterlagen bzw. von der Nichtverwirklichung des objektiven Tatbilds des § 14 Abs. 2 iVm. § 27 Abs. 1 LSD-BG auszugehen und) das Straferkenntnis aufzuheben, erweist sich somit als rechtlich nicht tragfähig.

20 Abgesehen davon, dass gemäß § 50 VwGVG eine bloße Behebung des Straferkenntnisses von Vornherein nicht in Betracht kam (vgl. , mwN) und das angefochtene Erkenntnis schon insofern rechtswidrig ist, belastete das Verwaltungsgericht auch aus den dargelegten Gründen das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

21 Die Abweisung des Antrags der revisionswerbenden Partei auf Aufwandersatz beruht auf § 47 Abs. 4 VwGG (vgl. z.B. ).

Wien, am 

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LSD-BG 2016 §14 Abs2
LSD-BG 2016 §27 Abs1
VStG §24
ZPO §292 Abs2
ZustG §17
ZustG §17 Abs2
ZustG §17 Abs3
ZustG §19 Abs1
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ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021110188.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAF-45590