VwGH 12.10.2021, Ra 2021/11/0033
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | LSD-BG 2016 §26 idF 2021/I/174 LSD-BG 2016 §27 idF 2021/I/174 LSD-BG 2016 §28 idF 2021/I/174 LSD-BG 2016 §29 Abs1 idF 2021/I/174 |
RS 1 | Die Strafbestimmungen der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG 2016 in der Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 sahen einheitlich vor, dass bei einer Verwaltungsübertretung für jeden einzelnen Arbeitnehmer jeweils eine Geldstrafe nach demselben Strafrahmen zu verhängen war. Hingegen wird nach der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nur eine einzige Verwaltungsübertretung begangen, die mit einer (einzigen) Geldstrafe zu bestrafen ist, wodurch - unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer - in jedem Fall eine Höchstgrenze der zu verhängenden Geldstrafe sichergestellt ist. Mindeststrafen sehen die Straftatbestände der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG 2016 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 - im Unterschied zur früheren Gesetzeslage - nicht mehr vor. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/11/0015 E RS 6 |
Normen | AVRAG 1993 §19 Abs1 Z38 LSD-BG 2016 §26 LSD-BG 2016 §27 LSD-BG 2016 §28 LSD-BG 2016 §29 Abs1 LSD-BG 2016 §72 Abs10 VwRallg 62018CJ0064 Maksimovic VORAB |
RS 2 | Die durch die LSD-BG Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 geänderten Strafbestimmungen der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG 2016 treten mit in Kraft und sind gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 72 Abs. 10 letzter Satz LSD-BG 2016 auf alle in diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem VwGH und dem VfGH anzuwenden. Der Gesetzgeber hat mit dieser Übergangsbestimmung erkennbar das Ziel verfolgt, in allen im Zeitpunkt des Inkrafttretens (am ) dieser Bestimmungen anhängigen Strafverfahren wegen Lohn- und Sozialdumpings, unabhängig davon, vor welcher Behörde oder welchem Gericht ein solches Verfahren gerade anhängig war, die Anwendung derselben Gesetzeslage sicherzustellen. Für den VwGH folgt aus dieser Anordnung, dass er in bei ihm anhängigen Revisionsverfahren sämtliche angefochtenen Entscheidungen der VwG in Verwaltungsstrafsaschen nach dem LSD-BG 2016, also unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erlassung, am Maßstab der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG 2016 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 zu prüfen hat. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2019/11/0015 E RS 7 |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/11/0034
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revisionen der Ö in W, jeweils vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 30, gegen die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zlen. 1. VGW-041/025/12153/2019-20 (zu Zl. Ra 2021/11/0033) und 2. VGW-041/025/12152/2019-30 (zu Zl. Ra 2021/11/0034), jeweils betreffend Übertretungen des LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. Ing. I V (zu Zl. Ra 2021/11/0033) und 2. Ing. G M (zu Zl. Ra 2021/11/0034), beide in N, beide vertreten durch Mag. Zuzana Nötstaller, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schottengasse 10), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Der Bund hat den mitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Erstmitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer Gesellschaft mit Sitz in der Slowakei zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin sechs namentlich genannte Arbeitnehmer in einem näher genannten Zeitraum im Jahr 2017 nach Österreich entsendet und dort beschäftigt habe, ohne ihnen zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zu leisten. Dadurch habe der Erstmitbeteiligte gegen § 29 Abs. 1 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016, verstoßen, weswegen über ihn jeweils - also pro Arbeitnehmer - eine Geldstrafe (und jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt wurden. Unter einem sprach die belangte Behörde aus, dass die vom Erstmitbeteiligten vertretene Gesellschaft über die verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde ebenfalls vom wurde der Zweitmitbeteiligte, ebenfalls als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der zuvor genannten Gesellschaft, der genannten Verwaltungsübertretungen schuldig erkannt und über ihn jeweils - also pro Arbeitnehmer - eine Geldstrafe (und jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe) sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens verhängt. Unter einem sprach die belangte Behörde aus, dass die vom Zweitmitbeteiligten vertretene Gesellschaft über die verhängten Geldstrafen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte.
3 1.2. Mit den angefochtenen Erkenntnissen vom gab das Verwaltungsgericht Wien jeweils den gegen diese Bescheide erhobenen (jeweils auf die Strafhöhe eingeschränkten) Beschwerden der Mitbeteiligten insoweit Folge, als anstelle von sechs Geldstrafen und sechs Ersatzfreiheitsstrafen über jeden Mitbeteiligten eine Gesamtstrafe in Höhe von € 3.000,-- und eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von drei Tagen verhängt wurden. Unter einem reduzierte das Verwaltungsgericht jeweils den Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde und sprach jeweils aus, dass die Mitbeteiligten keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten hätten, dass die von ihnen vertretene Gesellschaft für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand hafte und dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht jeweils aus, es komme der dritte Strafsatz des § 29 Abs. 1 LSD-BG (€ 2.000,-- bis € 20.000,--) zur Anwendung, da mehr als drei Arbeitnehmer betroffen seien, aber kein Wiederholungsfall vorliege. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (Hinweis auf das Urteil vom , C-64/18 ua., Maksimovic ua.) und des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , Ra 2019/11/0033 und 0034) sei anstelle von sechs Einzelstrafen eine Gesamtstrafe zu verhängen gewesen. Die in diesen Entscheidungen zur Strafbestimmung hinsichtlich der Nichtbereithaltung von Unterlagen vorgenommenen Erwägungen träfen auch auf die Strafbestimmung hinsichtlich der Unterentlohnung zu, da auch hier die Strafsätze „für jeden Arbeitnehmer“ vorgesehen seien und es keine Höchstgrenze für die Summe der Strafen gäbe. Daran vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass es sich bei der Unterentlohnung um das „zentrale Delikt“ des LSD-BG handle.
5 In den vorliegenden Fällen könne die Intensität der Beeinträchtigung des geschützten Rechtsgutes nicht als gering gewertet werden. Bei einer Unterschreitung des kollektivvertraglichen Lohnes von sechs bis zwanzig Prozent könne insgesamt nicht von bloß geringer Unterentlohnung gesprochen werden. Bei einer Unterentlohnung von mehreren Arbeitnehmern sei das Verschulden nicht als geringfügig anzusehen. Zur Strafbemessung führte das Verwaltungsgericht jeweils aus, als mildernd seien die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit und die erfolgte Nachzahlung zu berücksichtigen, als erschwerend der Umstand, dass sechs Arbeitnehmer betroffen gewesen seien. Eine außerordentliche Strafmilderung komme nicht in Betracht, da von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe nicht auszugehen sei. Unter Berücksichtigung der ungünstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und der Sorgepflichten für ein Kind bzw. zwei Kinder sei die nunmehr verhängte Geldstrafe angemessen.
6 1.3. Gegen diese Erkenntnisse richten sich die vorliegenden (außerordentlichen) Revisionen, die wegen ihres sachlichen und rechtlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbunden wurden. Die Mitbeteiligten erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung, die belangte Behörde sah davon jeweils ab.
7 2.1. Der im Tatzeitpunkt geltende § 29 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016, lautete (auszugsweise):
„Unterentlohnung
§ 29. (1) Wer als Arbeitgeber einen Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für dem ASVG unterliegende Arbeitnehmer liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Sind von der Unterentlohnung höchstens drei Arbeitnehmer betroffen, beträgt die Geldstrafe für jeden Arbeitnehmer 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall 4 000 Euro bis 50 000 Euro. Ebenso ist zu bestrafen, wer als Auftraggeber im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 3 einen Heimarbeiter beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz oder Verordnung gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten.
(...)“
8 2.2. Durch die Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 wurden die Strafbestimmungen des § 29 Abs. 1 und der §§ 26 bis 28 LSD-BG neu gefasst (vgl. RV 943 BlgNR XXVII. GP, 1). §§ 29 und 72 LSD-BG in der Fassung dieser Novelle lauten (auszugsweise):
„Unterentlohnung
§ 29. (1) Wer als Arbeitgeber einen oder mehrere Arbeitnehmer beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm oder ihnen zumindest das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten, begeht unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer eine einzige Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 50 000 Euro zu bestrafen. Ist im Erstfall bei Arbeitgebern mit bis zu neun Arbeitnehmern die Summe des vorenthaltenen Entgelts geringer als 20 000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 20 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 50 000 Euro, beträgt die Geldstrafe bis zu 100 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100 000 Euro beträgt die Geldstrafe bis zu 250 000 Euro. Ist die Summe des vorenthaltenen Entgelts höher als 100 000 Euro und wurde das Entgelt in Lohnzahlungszeiträumen der Unterentlohnung vorsätzlich um durchschnittlich mehr als 40 vH des Entgelts vorenthalten, beträgt die Geldstrafe bis zu 400 000 Euro. Wirkt der Arbeitgeber bei der Aufklärung zur Wahrheitsfindung unverzüglich und vollständig mit, ist anstelle des Strafrahmens bis 100 000 Euro oder bis 250 000 Euro der jeweils niedrigere Strafrahmen anzuwenden. Bei Unterentlohnungen, die durchgehend mehrere Lohnzahlungszeiträume umfassen, liegt eine einzige Verwaltungsübertretung vor. Entgeltzahlungen, die das nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag gebührende Entgelt übersteigen, sind auf allfällige Unterentlohnungen im jeweiligen Lohnzahlungszeitraum anzurechnen. Hinsichtlich von Sonderzahlungen für Arbeitnehmer im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 1 und 2 liegt eine Verwaltungsübertretung nach dem ersten Satz nur dann vor, wenn der Arbeitgeber die Sonderzahlungen nicht oder nicht vollständig bis spätestens 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres leistet. Ebenso ist zu bestrafen, wer als Auftraggeber im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 3 einen Heimarbeiter beschäftigt oder beschäftigt hat, ohne ihm zumindest das nach Gesetz oder Verordnung gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien, ausgenommen die in § 49 Abs. 3 ASVG angeführten Entgeltbestandteile, zu leisten.
(...)
Inkrafttreten
§ 72. (...)
(10) Die §§ 1 Abs. 2, 3, 5 bis 9, 2 Abs. 2, 3 und 4, 3 Abs. 5 und 7, 12 Abs. 1 Z 3 bis 6, 14 samt Überschrift, 15 Abs. 2, 19, 21, 22, 24 Abs. 1 erster Satz, 25a, 26 bis 28 samt Überschriften, 29 Abs. 1, 33, 34 samt Überschrift, 35 Abs. 2 und 4 und die Überschrift zu § 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 treten mit in Kraft und sind auf Entsendungen und Überlassungen anzuwenden, die nach dem begonnen haben. Die §§ 2 Abs. 3 und 35 Abs. 6 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 174/2021 treten mit Ablauf des außer Kraft und sind auf Sachverhalte anzuwenden, die sich vor dem ereignet haben. Die §§ 2 Abs. 3 und 3 Abs. 7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 gelten nicht für Arbeitnehmer im Sinne des § 1 Abs. 9. Die §§ 11 Abs. 1 Z 3, 20 Abs. 1 und 2 Z 1, 32 Abs. 1 Z 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 treten mit Ablauf des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes in Kraft. Die §§ 26 bis 29 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 174/2021 sind auf alle zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmungen anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und Verfassungsgerichtshof anzuwenden.“
9 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 Ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Entscheidung des Verwaltungsgerichtes oder selbst nach Einbringung der Revision - bereits geklärt, ist eine Revision wegen fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht (mehr) zulässig (vgl. , mwN).
13 4.1. Die Revisionen bringen zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es nicht einzelne Strafen je Arbeitnehmer verhängt habe, sondern eine Gesamtstrafe. Das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom , C-64/18 ua., Maksimovic ua., sei nicht einschlägig, weil es Bestrafungen wegen sog. Formaldelikte und nicht wie in den Revisionsfällen wegen Unterentlohnung betreffe, bzw. fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage. Die Strafnorm des § 29 LSD-BG in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2016 sei unionsrechtskonform und auch verhältnismäßig.
14 4.2. Damit wird eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt:
15 4.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2019/11/0015 und 0016, auf dessen Begründung gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird, zur Rechtslage vor und nach der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 ausgeführt, dass die Strafbestimmungen der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG in der Fassung vor dieser Novelle einheitlich vorsahen, dass bei einer Verwaltungsübertretung für jeden einzelnen Arbeitnehmer jeweils eine Geldstrafe nach demselben Strafrahmen zu verhängen war. Hingegen wird nach der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nur eine einzige Verwaltungsübertretung begangen, die mit einer (einzigen) Geldstrafe zu bestrafen ist, wodurch - unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer - in jedem Fall eine Höchstgrenze der zu verhängenden Geldstrafe sichergestellt ist. Mindeststrafen sehen die Straftatbestände der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 - im Unterschied zur früheren Gesetzeslage - nicht mehr vor.
16 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem genannten Erkenntnis auch ausgeführt, dass die durch die Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 geänderten Strafbestimmungen der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG mit in Kraft treten und gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 72 Abs. 10 letzter Satz LSD-BG auf alle in diesem Zeitpunkt anhängigen Verfahren einschließlich von Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof anzuwenden sind. Der Gesetzgeber hat mit dieser Übergangsbestimmung erkennbar das Ziel verfolgt, in allen im Zeitpunkt des Inkrafttretens (am ) dieser Bestimmungen anhängigen Strafverfahren wegen Lohn- und Sozialdumpings, unabhängig davon, vor welcher Behörde oder welchem Gericht ein solches Verfahren gerade anhängig war, die Anwendung derselben Gesetzeslage sicherzustellen. Für den Verwaltungsgerichtshof folgt aus dieser Anordnung, dass er in bei ihm anhängigen Revisionsverfahren sämtliche angefochtenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte in Verwaltungsstrafsachen nach dem LSD-BG, also unabhängig vom Zeitpunkt ihrer Erlassung, am Maßstab der §§ 26 bis 28 und § 29 Abs. 1 LSD-BG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 zu prüfen hat.
17 4.2.2. In den Revisionsfällen, in denen die Beschwerde an das Verwaltungsgericht jeweils auf die Strafhöhe eingeschränkt war, hat der Verwaltungsgerichtshof daher die Strafaussprüche der angefochtenen Erkenntnisse nicht anhand des vom Verwaltungsgericht jeweils noch angewendeten § 29 Abs. 1 LSD-BG in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2016, sondern anhand dieser Bestimmung in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 174/2021 zu überprüfen.
18 Nach dieser Bestimmung wird bei Unterentlohnung unabhängig von der Anzahl der von der Verwaltungsübertretung betroffenen Arbeitnehmer eine einzige Verwaltungsübertretung begangen, und es ist dafür nur eine (einzige) Strafe zu verhängen. Das Verwaltungsgericht hat in den angefochtenen Erkenntnissen jeweils auch nur eine Strafe verhängt.
19 Vor diesem Hintergrund kommt es auf die in den Revisionen zu ihrer Zulässigkeit aufgeworfene Frage, ob das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union in den Rechtssachen C-64/18 ua., Maksimovic ua., auch für das Delikt der Unterentlohnung einschlägig ist, bzw. auf die Frage der Unionsrechtskonformität der Strafnorm des § 29 Abs. 1 LSD-BG in der Fassung BGBl. I Nr. 44/2016 nicht an. Ebenso wenig wird mit dem Vorbringen, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht eine einzige Strafe verhängt, ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt.
20 4.3. In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher - in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
21 4.4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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Normen | AVRAG 1993 §19 Abs1 Z38 LSD-BG 2016 §26 LSD-BG 2016 §26 idF 2021/I/174 LSD-BG 2016 §27 LSD-BG 2016 §27 idF 2021/I/174 LSD-BG 2016 §28 LSD-BG 2016 §28 idF 2021/I/174 LSD-BG 2016 §29 Abs1 LSD-BG 2016 §29 Abs1 idF 2021/I/174 LSD-BG 2016 §72 Abs10 VwRallg 62018CJ0064 Maksimovic VORAB |
Schlagworte | Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021110033.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
ZAAAF-45579