VwGH 06.09.2021, Ra 2021/10/0123
Entscheidungsart: Beschluss
Rechtssätze
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Normen | SchPflG 1985 §1 SchPflG 1985 §11 SchPflG 1985 §11 Abs4 SchPflG 1985 §12 SchPflG 1985 §2 SchPflG 1985 §3 SchPflG 1985 §4 SchPflG 1985 §5 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 1 | Für den Fall, dass schulpflichtige Kinder ihre Schulpflicht in keiner der nach §§ 5, 11 und 12 SchPflG 1985 möglichen Form erfüllen, ist die Schulbehörde im Grunde der §§ 1 bis 3 sowie § 5 SchPflG 1985 ermächtigt, die Anordnung zu treffen, dass das Kind seine Schulpflicht nach Maßgabe des § 5 legcit, also durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule iSd § 4 SchPflG 1985, zu erfüllen hat (vgl. ; ; , 2008/10/0332; ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/10/0040 E RS 1 |
Normen | SchPflG 1985 §1 SchPflG 1985 §11 SchPflG 1985 §12 SchPflG 1985 §24 Abs1 SchPflG 1985 §5 SchulsprengelV öff allgemeinbildenden Pflichtschulen Wr 1977 §6 Abs2 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 2 | Zunächst kommt den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten die Pflicht - und auch das Recht - zu, eine für die Erfüllung der Schulpflicht geeignete Schule (im Rahmen schulorganisationsrechtlicher Möglichkeiten) zu bestimmen. Das Gesetz verpflichtet nämlich die Eltern und Erziehungsberechtigten, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln "für die Erfüllung der Schulpflicht" durch ihre Kinder zu sorgen (vgl. ). In den Fällen der Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht haben die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten daher eine nach § 5 legcit in Betracht kommende Schule zu bestimmen. Für den Fall, dass die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten dem nicht entsprechen, erfordert die rechtlich gebotene Einschulung der Kinder jedoch - unbeschadet eines allenfalls anhängigen zivilgerichtlichen Verfahrens zur Entziehung des Obsorgerechts - die Bestimmung einer geeigneten Schule im Verwaltungsweg. Die zuständige Behörde hat dabei den Besuch an einer nach der Sprengeleinteilung in Betracht kommenden zuständigen öffentlichen Pflichtschule (Sprengelschule) vorzusehen (vgl. ). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie Ra 2018/10/0040 E RS 2 (hier ohne den zweiten Satz) |
Normen | Bildungsdirektionen-EinrichtungsG 2019 §33 Z2 B-VG Art113 Abs2 B-VG Art14 SchPflG 1985 §5 Abs1 SchulG Wr 1976 §46 Abs2 idF 2019/018 |
RS 3 | Dem Kind wurde gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG 1985 iVm § 46 Abs. 2 Wr SchulG 1976 einen Schulplatz an einer näher bezeichneten Schule zugewiesen. Es wurde auf der Grundlage von § 46 Abs. 2 Wr SchulG 1976 die Zuweisung eines Schulplatzes an einer konkreten, zu besuchenden Schule vorgenommen. Daher war Beschwerdegegenstand die Entscheidung über die Schulplatzzuweisung an einer konkreten Schule. Gemäß § 46 Abs. 2 Wr SchulG 1976 hat die Bildungsdirektion im Einvernehmen mit der Gemeinde Wien die im Schulsprengel wohnhaften Schulpflichtigen auf die einzelnen Schulen aufzuteilen. Bei der Vollziehung dieser Bestimmung wird die Bildungsdirektion im Vollzugsbereich des Landes tätig, sodass gemäß § 33 Z 2 Bildungsdirektionen-EinrichtungsG 2017 die Zuständigkeit des LVwG zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Zuweisung eines konkreten Schulplatzes zu bejahen ist. |
Normen | B-VG Art14 Abs6 idF 2005/I/031 PrivSchG 1962 §2 Abs1 idF 1994/448 PrivSchG 1962 §2 Abs2 idF 1994/448 PrivSchG 1962 §2 Abs3 idF 1994/448 SchPflG 1985 §13 Abs2 StGG Art17 Abs3 VwGG §42 Abs2 Z1 VwRallg |
RS 4 | Bei der Frage, ob die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch einer im Ausland gelegenen Schule gemäß § 13 Abs. 2 SchPflG 1985 erfüllt ist, kommt es darauf an, ob die (ausschließliche) Teilnahme via Fernunterricht tatsächlich als "Besuch einer im Ausland gelegenen Schule" einzuordnen ist. Zwar enthält das SchPflG 1985 keine eigene Definition des Begriffs "Schule", doch kann diesbezüglich auf die Schuldefinition des PrivSchG 1962 zurückgegriffen werden, zumal Privatschulen gemäß § 2 Abs. 3 PrivSchG 1962 Schulen sind, die von anderen als den gesetzlichen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden. Gemäß § 2 Abs. 1 PrivSchG 1962 sind Schulen iSd. PrivSchG 1962 Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird. Eine Schule iSd. PrivSchG 1962 ist jedenfalls dann gegeben, wenn eine anstaltliche Organisationsform vorliegt, somit ein Schulgebäude (Schulräume), ein Organisationsplan sowie Lehrer als Angestellte vorhanden sind. Nicht unter den Begriff der "Schule" iSd. PrivSchG 1962 fallen hingegen beispielsweise der häusliche Unterricht gem. Art. 17 Abs. 3 StGG sowie Fernlehrinstitute, "da bei ihnen das Merkmal des gemeinsamen Unterrichts, das heißt die gleichzeitige Anwesenheit von Lehrern und Schülern, nicht gegeben ist" (vgl. ErläutRV 735 BlgNR 9. GP 9). Dieses Begriffsverständnis liegt auch dem Erkenntnis des , zur Frage der Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Fernstudium als Werbungskosten zugrunde, wonach die Tätigkeit eines Fernlehrinstitutes mit der Unterrichtstätigkeit einer öffentlichen Schule schon deshalb nicht verglichen werden kann, weil weder das Merkmal des gemeinsamen Unterrichts einer Mehrzahl von Schülern, noch auch die für die Durchführung eines normalen Schulbetriebes erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen (Schulräume etc.) gegeben sind. Im Einklang damit definiert Art. 14 Abs. 6 B-VG mit der Novelle BGBl. I Nr. 31/2005 den Begriff "Schule" wie folgt:"Schulen sind Einrichtungen, in denen Schüler gemeinsam nach einem umfassenden, festen Lehrplan unterrichtet werden und im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinen oder allgemeinen und beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten ein umfassendes erzieherisches Ziel angestrebt wird". Diese Definition basiert auf der Judikatur zum Schulbegriff und entspricht im Wesentlichen der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 und 2 PrivSchG 1962. |
Normen | Bildungsdirektionen-EinrichtungsG 2019 §33 Z2 B-VG Art14 Abs5a B-VG Art14 Abs6 COVID-19-SchulV 2020/21 §13 Abs6 COVID-19-SchulV 2020/21 §34 PrivSchG 1962 §2 idF 1994/448 SchPflG 1985 §13 SchPflG 1985 §5 SchUG 1986 §82m SchulG Wr 1976 §46 Abs2 idF 2019/018 VwGG §42 Abs2 Z1 |
RS 5 | Der österreichische Gesetzgeber musste für das sogenannte "Homeschooling" erst eine gesetzliche Grundlage schaffen (§ 82m SchUG 1986), weil der "ortsungebundene Unterricht" dem Schulbegriff gerade nicht innewohnt. Diese Sonderform des Unterrichts wurde zeitlich befristet als Maßnahme zur Bekämpfung von COVID-19 in Form einer Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung eingeführt. In seiner Entscheidung vom , V 574/2020, sprach der VfGH im Zusammenhang mit einem Antrag auf Normenkontrolle betreffend die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht gem. § 13 Abs. 6 iVm § 34 COVID-19-Schulverordnung 2020/21 aus, dass eine solche Form des Unterrichts den verfassungsgesetzlich verankerten Bildungsauftrag der Schule gemäß Art. 14 Abs. 5a B-VG, wonach Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen ist, auf Dauer nicht verwirklichen kann. Das Recht auf Bildung der Antragsteller ist jedoch nicht verletzt worden, weil die Organisation des Unterrichts in ortsungebundener Form (lediglich) für einen bestimmten Zeitraum aufgrund der Covid-19-Pandemie erfolgt ist. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Besuch einer Schule im Ausland im Fernstudium (Homeschooling) nicht den Voraussetzungen des § 13 SchPflG 1985 entspricht, weil bei dieser Form der Unterrichtsteilnahme kein Besuch einer "Schule" iSd. § 2 PrivSchG 1962 iVm. Art. 14 Abs. 6 B-VG vorliegt. Das Kind hat demnach durch die Teilnahme an dem Fernstudium die in Österreich bestehende Schulpflicht nicht erfüllt. Da das VwG dies verkannt und deshalb den Bescheid der Bildungsdirektion über die konkrete Schulplatzzuweisung an einer öffentlichen Schule aufgehoben hat, belastete es sein Erkenntnis insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. |
Normen | Bildungsdirektionen-EinrichtungsG 2019 §33 Z1 B-VG Art113 Abs1 B-VG Art14 SchPflG 1985 §24 Abs1 SchPflG 1985 §24 Abs2 SchPflG 1985 §31 Abs2 SchPflG 1985 §5 SchulG Wr 1976 §46 Abs2 idF 2019/018 VwGG §42 Abs2 Z2 |
RS 6 | Die in § 24 Abs. 1 und 2 SchPflG 1985 normierten Verpflichtungen der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten ergeben sich zwar unmittelbar aus dem Gesetz, dies schließt jedoch nicht aus, dass die Behörde diese Verpflichtungen bescheidmäßig konkretisiert (vgl. und 0041). Eine solche Konkretisierung liegt vor, wenn angeordnet wird, dass die Eltern für den Schulbesuch des Kindes ab einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Schule zu sorgen haben. Bei § 24 Abs. 1 SchPflG 1985 handelt es sich um eine Norm, mit deren Vollziehung gemäß der Generalklausel des § 31 Abs. 2 SchPflG 1985 der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betraut ist; es liegt eine Angelegenheit des Vollzugsbereiches des Bundes vor (vgl. auch Art 14 und Art. 113 Abs. 1 B-VG). Gemäß § 33 Z 1 Bildungsdirektionen-EinrichtungsG 2017 entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der Bildungsdirektion, die in den Angelegenheiten des Vollziehungsbereiches des Bundes liegen, das BVwG, weshalb das VwG Wien das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf den § 24 SchPflG 1985 betreffenden Spruchpunkt mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet hat. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Bildungsdirektion für Wien, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-101/092/2798/2021-8, betreffend Angelegenheiten nach dem Schulpflichtgesetz und dem Wiener Schulgesetz (mitbeteiligte Partei: M, vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7), erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom , mit dem dem schulpflichtigen Mitbeteiligten gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG iVm § 46 Abs. 2 WrSchG ein Schulplatz an einer bestimmten Schule zugewiesen worden war, die Erziehungsberechtigten des Mitbeteiligten verpflichtet worden waren, für den regelmäßigen Schulbesuch iSd § 9 SchPflG an dieser Schule und für die Mitnahme der erforderlichen Unterrichts-, Lern- und Arbeitsmittel durch den Mitbeteiligten zu sorgen, sowie gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG einer dagegen eingebrachten und zulässigen Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war, gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG statt und behob den bekämpften Bescheid ersatzlos.
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Bildungsdirektion für Wien, mit welcher ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurde. Zur unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der von ihr zu vertretenden öffentlichen Interessen verweist die Behörde unter Hinweis auf hg. Judikatur zum bestehenden großen öffentlichen Interesse an einer ausreichenden, dem Schulpflichtgesetz entsprechenden Beschulung von Kindern mit dauerndem Aufenthalt in Österreich auf die mit dem angefochtenen Erkenntnis einhergehende Beeinträchtigung dieses Interesses der Sicherstellung einer ausreichenden Beschulung des in Österreich aufhältigen Mitbeteiligten.
3 Gemäß § 30 Abs. 1 erster Satz VwGG hat die Revision keine aufschiebende Wirkung. Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch gemäß § 30 Abs. 2 VwGG auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
4 Als „unverhältnismäßiger Nachteil für die revisionswerbende Partei“ ist im Fall einer Amtsrevision auch eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der von der Amtspartei zu vertretenden öffentlichen Interessen als Folge einer Umsetzung der angefochtenen Entscheidung in die Wirklichkeit zu verstehen. Insoweit treten diese öffentlichen Interessen im Falle einer Amtsrevision bei der vorzunehmenden Interessenabwägung an die Stelle jener Interessenlage, die sonst bei einem „privaten“ Revisionswerber als Interesse an dem Aufschub des sofortigen Vollzugs der angefochtenen Entscheidung in die Abwägung einfließt (vgl. , mwN).
5 Der Mitbeteiligte hat sich zum Antrag, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht geäußert.
6 Es ist nicht zu sehen, dass zwingende öffentliche Interessen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Es gibt auch keinen Hinweis dafür, dass im Rahmen der nach § 30 Abs. 2 VwGG vorzunehmenden Interessenabwägung von der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung Abstand zu nehmen wäre, weshalb dem Antrag der revisionswerbenden Behörde stattzugeben war.
Wien, am
Entscheidungstext
Entscheidungsart: Erkenntnis
Entscheidungsdatum:
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl und die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Derfler, über die Revision der Bildungsdirektion Wien gegen das am mündlich verkündete und am schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-101/092/2798/2021-8, betreffend Angelegenheiten nach dem Schulpflichtgesetz und dem Wiener Schulgesetz (mitbeteiligte Partei: mj. M R in X, dieser vertreten durch die Erziehungsberechtigte O R, diese vertreten durch Dr. Christian Widl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tegetthoffstraße 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit damit über die Verpflichtung der Erziehungsberechtigten gemäß § 24 Abs. 1 Schulpflichtgesetz abgesprochen wurde, wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom wies die belangte Behörde (gleichzeitig nunmehrige Revisionswerberin) dem Mitbeteiligten gemäß „§ 5 Abs. 1 Schulpflichtgesetz (SchPflG) iVm § 46 Abs. 2 Wiener Schulgesetz (WrSchG)“ einen Schulplatz an einer näher bezeichneten Volksschule in Wien zu (Spruchpunkt I.), sprach gemäß § 24 Abs. 1 SchPflG u.a. die Verpflichtung der Erziehungsberechtigen aus, für den regelmäßigen Schulbesuch an dieser Schule spätestens ab zu sorgen (Spruchpunkt II.), und schloss gem. § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde aus (Spruchpunkt III.).
2 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien mit dem angefochtenen Erkenntnis vom statt, indem es den bekämpften Bescheid ersatzlos behob. Weiters wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision gem. Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht führte in der Begründung einleitend aus, seine Zuständigkeit ergebe sich daraus, dass die Vollziehung des § 56 Abs. 2 WrSchG (gemeint wohl: § 46 Abs. 2 WrSchG) als landesgesetzliche Bestimmung dem Vollziehungsbereich des Landes zuzurechnen sei. Da Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides lediglich die in § 24 Abs. 1 SchPflG enthaltenen, die Eltern und sonstige Erziehungsberechtigte treffenden Verpflichtungen wiederhole, komme dieser Anordnung keine selbstständige normative Wirkung zu. Aus diesem Grund fehle der Bestimmung die Eignung, in subjektiv-öffentliche Rechte einzugreifen, weshalb dieser Spruchpunkt für die Beurteilung der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes außer Betracht bleiben könne.
4 In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging das Verwaltungsgericht davon aus, der Mitbeteiligte sei kein österreichischer Staatsbürger, habe seinen Hauptwohnsitz in X und besuche eine internationale Schule mit vertieftem Fremdsprachenunterricht in M im Fernstudium (Homeschooling), wodurch er seine Schulpflicht im Sinne von § 13 Abs. 2 SchPflG ex lege erfülle. Anders als bei österreichischen Kindern bedürfe es in derartigen Fällen keiner behördlichen Bewilligung und es sei auch keine Gleichwertigkeit des Unterrichts der im Ausland gelegenen Schule erforderlich. Somit sei der von der belangten Behörde in Spruchpunkt I. angeordneten Zuweisung zu einer bestimmten Volksschule der Boden entzogen, weshalb sie ersatzlos aufzuheben gewesen sei. Demnach entfalle auch die in Spruchpunkt II. angesprochene Pflicht gemäß § 24 Abs. 1 SchPflG, weshalb auch dieser Spruchpunkt zu beseitigen sei.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
6 Zur Zulässigkeit der Revision wird mit näherer Begründung ein Abgehen von der hg. Rechtsprechung zur Einordnung der Teilnahme am Unterricht an einer ausländischen Schule via Fernlehre (Hinweis auf ) und zur bescheidmäßigen Feststellung von Verpflichtungen nach § 24 SchPflG (Hinweis auf und 0041) vorgebracht.
7 Die Revision erweist sich im Hinblick auf dieses Zulässigkeitsvorbringen als zulässig. Sie ist auch begründet.
8 Sowohl der Mitbeteiligte als auch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung als Oberbehörde in Bezug auf die Angelegenheit nach dem SchPflG erstatteten eine Revisionsbeantwortung.
9 Auf Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2021/10/0123-13, teilte die Revisionswerberin mit Äußerung vom mit, dass die Anmeldung des Mitbeteiligten an der ihm zugewiesenen Schule weiterhin aufrecht sei. Der Mitbeteiligte gab dazu keine Stellungnahme ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10 Die maßgeblichen Bestimmungen des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76 (WV) idF BGBl. I Nr. 20/2021 (SchPflG) lauten auszugsweise:
„ABSCHNITT I
Allgemeine Schulpflicht
A. Personenkreis, Beginn und Dauer
Personenkreis
§ 1. (1) Für alle Kinder, die sich in Österreich dauernd aufhalten, besteht allgemeine Schulpflicht nach Maßgabe dieses Abschnittes.
[...]
B. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch den Besuch von öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen
[...]
Schulbesuch in den einzelnen Schuljahren
§ 5.
(1) Die allgemeine Schulpflicht ist durch den Besuch von allgemein bildenden Pflichtschulen sowie von mittleren oder höheren Schulen (einschließlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der höheren land- und forstwirtschaftlichen Lehranstalten) zu erfüllen.
[...]
C. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht durch Teilnahme an einem gleichwertigen Unterricht
[...]
Besuch von im Ausland gelegenen Schulen
§ 13. (1) Mit Bewilligung des Landesschulrates können schulpflichtige Kinder österreichischer Staatsbürgerschaft die allgemeine Schulpflicht auch durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Das Ansuchen um die Bewilligung ist von den Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes bei der Bildungsdirektion einzubringen. Die Bewilligung ist jeweils für ein Schuljahr zu erteilen, wenn der Unterricht an der ausländischen Schule jenem an einer der im § 5 genannten Schule mindestens gleichwertig und kein erziehungs- und bildungsmäßiger Nachteil für das Kind anzunehmen ist.
(2) Schulpflichtige Kinder, die die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, können die allgemeine Schulpflicht ohne Bewilligung durch den Besuch von im Ausland gelegenen Schulen erfüllen. Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes haben jedoch den beabsichtigten Besuch einer solchen Schule der Bildungsdirektion vor Beginn eines jeden Schuljahres anzuzeigen.
[...]
E. Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht
Feststellung der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht
§ 16.
(1) Zur Überprüfung der Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht haben die Leiterinnen und Leiter von Bildungseinrichtungen gemäß § 2 Z 1 und 2 lit. b des Bildungsdokumentationsgesetzes 2020, zu den mit Verordnung gemäß § 7 Abs. 4 des Bildungsdokumentationsgesetzes 2020 festgelegten Stichtagen der Bundesrechenzentrum GmbH (BRZ) als Auftragsverarbeiter der Bildungsdirektionen im Sinne des Art. 4 Z 8 der Datenschutz-Grundverordnung nachstehend genannte personenbezogene Daten jener Schülerinnen und Schüler, die bis einschließlich der 10. Schulstufe eine zur Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht geeignete Schule besuchen, automationsunterstützt zu übermitteln:
1. Die Namen (Vor- und Familiennamen),
2. das Geburtsdatum,
3. das Geschlecht,
4. die Anschrift am Heimatort und, sofern zusätzlich vorhanden, des der Bildungseinrichtung nächst gelegenen Wohnsitzes (Zustelladresse) entsprechend den Angaben der Erziehungsberechtigten bzw. des Schülers,
5. das erste Jahr der allgemeinen Schulpflicht,
6. das Beginndatum der jeweiligen Ausbildung,
7. die Schulkennzahl und
8. sofern vorhanden, das bereichsspezifische Personenkennzeichen ‚BF‘ - Bildung und Forschung.
Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten haben den Besuch einer Schule gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 der örtlich zuständigen Bildungsdirektion bis spätestens 30. September jedes Jahres unter Angabe der Daten gemäß Z 1 bis 4 bekannt zu geben.
[...]
(7) Hinsichtlich der verbleibenden, nur von den gemäß Abs. 5 übermittelten Datensätzen erfassten Personen haben die Bildungsdirektionen in ihrem örtlichen Wirkungsbereich Vorkehrungen zu treffen, die nach Möglichkeit zur Erfüllung der Schulpflicht durch die betroffenen Personen führen. Ist dies binnen angemessener, höchstens zweiwöchiger Frist nicht möglich, so ist gemäß § 24 Abs. 4 bei der Bezirksverwaltungsbehörde Strafanzeige zu erstatten. Unverzüglich nach Feststellung der Erfüllung der Schulpflicht oder nach Erstattung der Strafanzeige, spätestens mit Ende des Kalenderjahres, sind auch diese Datensätze zu löschen.
[...]
ABSCHNITT III
Gemeinsame Bestimmungen
Verantwortlichkeit für die Erfüllung der Schulpflicht und Strafbestimmungen
§ 24.
(1) Die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten sind verpflichtet, für die Erfüllung der Schulpflicht, insbesondere für den regelmäßigen Schulbesuch und die Einhaltung der Schulordnung durch den Schüler bzw. in den Fällen der §§ 11, 13 und 22 Abs. 4 für die Ablegung der dort vorgesehenen Prüfungen zu sorgen. Minderjährige Schulpflichtige treten, sofern sie das 14. Lebensjahr vollendet haben, hinsichtlich dieser Pflichten neben die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten. Sofern es sich um volljährige Berufsschulpflichtige handelt, treffen sie diese Pflichten selbst.
[...]
§ 31.
[...]
(2) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist, soweit nachstehend nicht anderes angeordnet wird, der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung, hinsichtlich des Abs. 1 zweiter Satz jedoch im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort betraut. Mit der Vollziehung des § 24 Abs. 4 ist der Bundesminister für Finanzen betraut. Mit der Vollziehung des § 16 Abs. 5 ist der Bundesminister für Inneres betraut.
[...]“
11 § 2 Privatschulgesetz BGBl. Nr. 244/1962 idF BGBl. Nr. 448/1994 lautet auszugsweise:
„§ 2. Begriffsbestimmungen.
(1) Schulen im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird.
(2) Ein erzieherisches Ziel ist gegeben, wenn außer den mit der Erwerbung von Kenntnissen und Fertigkeiten an sich verbundenen Erziehungszielen die Festigung der charakterlichen Anlagen der Schüler in sittlicher Hinsicht bezweckt wird.
[...]“
12 § 46 Wiener Schulgesetz (WrSchG), LGBl. Nr. 20/1976 idF LGBl. Nr. 18/2019, lautet auszugsweise:
„III. Abschnitt
Schulsprengel
Festsetzung des Schulsprengels
§ 46.
(1) Die Festsetzung der Schulsprengel für die Pflichtschularten erfolgt durch die Bildungsdirektion, wobei das gesamte Gebiet der Gemeinde Wien für die Pflichtschulen derselben Schulart als gemeinsamer Schulsprengel gilt. Vor Festsetzung der Schulsprengel ist die Zustimmung der gesetzlichen Schulerhalterin einzuholen und bei Berufsschulsprengeln überdies die Wirtschaftskammer Wien und die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien zu hören.
(2) Die Bildungsdirektion hat im Einvernehmen mit der Gemeinde Wien die im Schulsprengel wohnhaften Schulpflichtigen insbesondere unter weitgehender Bedachtnahme auf den Schulweg der Schülerinnen und Schüler, die bereits die Schule besuchenden Geschwister, die räumlichen Kapazitäten und schulorganisatorischen Erfordernisse auf die einzelnen Schulen aufzuteilen.
[...]“
13 § 33 Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetz (BD-EG), BGBl. I Nr. 138/2017, lautet:
„Beschwerden gegen Bescheide
§ 33. Über Beschwerden gegen Bescheide der Bildungsdirektion entscheidet
9. in den Angelegenheiten des Vollziehungsbereiches des Bundes das Bundesverwaltungsgericht und
10. in den Angelegenheiten des Vollziehungsbereiches des Landes das Landesverwaltungsgericht.“
14 Zur Aufhebung der Schulplatzzuweisung:
15 Die Revision bringt zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe zwar zutreffend festgehalten, dass seine Zuständigkeit zur Vollziehung des WrSchG aufgrund des gegebenen Vollzugsbereichs des Landes bestehe, mit der Entscheidung, dass der Mitbeteiligte seine Schulpflicht gemäß § 13 Abs. 2 SchPflG erfülle, habe es jedoch seine Zuständigkeit überschritten. Es könne sich dabei allenfalls um eine Vorfrage handeln, die jedoch bereits in dem von der belangten Behörde durchgeführten, vorgelagerten Verfahren nach § 16 SchPflG geprüft worden sei. Im Zuge dieses Verfahrens sei anhand der Stellungnahmen der Erziehungsberechtigten festgestellt worden, dass der Mitbeteiligte am Unterricht einer Schule in M via Homeschooling im Zeitraum vom bis teilgenommen habe. Auch für das Schuljahr 2020/21 sei die alternative Schulpflichterfüllung nach §§ 11 und 13 SchPflG nicht (fristgerecht) angezeigt, sondern nachträglich eine Bestätigung über die Teilnahme am Unterricht für den Zeitraum vom bis vorgelegt worden. Daher sei gemäß § 16 Abs. 7 SchPflG eine Strafanzeige erstattet worden. Ein allenfalls aufgrund dieser Strafanzeige erlassenes Straferkenntnis des Magistrates wäre selbstständig im Rechtsweg bekämpfbar. Aufgrund dieses Verfahrensergebnisses und um die ausreichende Beschulung des Mitbeteiligten sicherzustellen, sei seitens der Revisionswerberin eine Schulplatzzuweisung auf der Grundlage von § 46 Abs. 2 WrSchG erfolgt. Soweit das Verwaltungsgericht das Verfahren nach § 16 SchPflG wieder aufgreife und in der Sache nach § 13 SchPflG feststelle, dass der Mitbeteiligte seine Schulpflicht ex lege erfülle, überschreite es nicht nur seine Zuständigkeit, sondern auch den Verfahrensgegenstand.
16 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/10/0040 und 0041, bereits festgehalten hat, ist für den Fall, dass die gesetzliche Schulpflicht in keiner dem SchPflG entsprechenden Form erfüllt wird, die Schulbehörde im Grunde der §§ 1 bis 3 sowie § 5 SchPflG ermächtigt, die Anordnung zu treffen, dass das Kind seine Schulpflicht nach Maßgabe des § 5 leg. cit., also durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule iSd § 4 SchPflG, zu erfüllen hat. Zunächst kommt den Eltern bzw. Erziehungsberechtigten die Pflicht - und auch das Recht - zu, eine für die Erfüllung der Schulpflicht geeignete Schule (im Rahmen schulorganisationsrechtlicher Möglichkeiten) zu bestimmen. In den Fällen der Anordnung der Erfüllung der Schulpflicht haben die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten daher eine nach § 5 leg. cit. in Betracht kommende Schule zu bestimmen. Für den Fall, dass die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten dem nicht entsprechen, erfordert die rechtlich gebotene Einschulung der Kinder jedoch - unbeschadet eines allenfalls anhängigen zivilgerichtlichen Verfahrens zur Entziehung des Obsorgerechts - die Bestimmung einer geeigneten Schule im Verwaltungsweg. Die zuständige Behörde hat dabei den Besuch an einer nach der Sprengeleinteilung in Betracht kommenden zuständigen öffentlichen Pflichtschule (Sprengelschule) vorzusehen.
17 Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin mit Bescheid vom spruchgemäß dem Mitbeteiligten gemäß § 5 Abs. 1 SchPflG iVm § 46 Abs. 2 WrSchG einen Schulplatz an einer näher bezeichneten Schule zugewiesen. Auch wenn die Bestimmung des § 5 Abs. 1 SchPflG erwähnt ist, ergibt sich aus der eindeutigen Formulierung des Spruchs, dass damit nicht allgemein über die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung, die Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule iSd § 4 SchPflG zu erfüllen, abgesprochen, sondern auf der Grundlage von § 46 Abs. 2 WrSchG die Zuweisung eines Schulplatzes an einer konkreten, zu besuchenden Schule vorgenommen wurde. Daher war Beschwerdegegenstand die Entscheidung über die Schulplatzzuweisung an einer konkreten Schule.
18 Gemäß § 46 Abs. 2 WrSchG hat die Bildungsdirektion im Einvernehmen mit der Gemeinde Wien die im Schulsprengel wohnhaften Schulpflichtigen auf die einzelnen Schulen aufzuteilen. Bei der Vollziehung dieser Bestimmung wird die Bildungsdirektion im Vollzugsbereich des Landes tätig, sodass gemäß § 33 Z 2 BD-EG die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über eine Beschwerde gegen die Zuweisung eines konkreten Schulplatzes zu bejahen ist.
19 Das Verwaltungsgericht hat zutreffend eine Überprüfung dahingehend vorgenommen, ob der Mitbeteiligte nach Maßgabe des § 5 SchPflG überhaupt verpflichtet war, die unstrittig bestehende Schulpflicht durch den Besuch einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule iSd § 4 leg. cit. zu erfüllen. Hätte der Mitbeteiligte - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - seine Schulpflicht bereits durch den Besuch einer im Ausland gelegenen Schule erfüllt, bliebe für die Zuweisung eines konkreten Schulplatzes an einer öffentlichen oder mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule iSd § 4 leg. cit. kein Raum.
20 Es kann dahinstehen, ob diese Frage in einem anderen Verfahren als Hauptfrage entschieden werden könnte, weil jedenfalls im vorliegenden Fall keine solche Entscheidung vorlag. Zwar deutet die Revisionswerberin an, die Frage der Schulpflichterfüllung durch den Mitbeteiligten sei bereits in dem von ihr durchgeführten Verfahren nach § 16 SchPflG geklärt und wegen Nichterfüllung der Schulpflicht Strafanzeige erstattet worden, doch kann diesbezüglich nicht von einer rechtlich bindenden Vorfragenentscheidung ausgegangen werden, zumal damit kein rechtlich bindender Abspruch behauptet wird. Das Verwaltungsgericht war daher berechtigt und verpflichtet, die Frage, ob der Mitbeteiligte seine Schulpflicht gemäß § 5 SchPflG anderweitig erfüllte, zu beurteilen und im Rahmen der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses darzulegen.
21 Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht hat das Verwaltungsgericht damit auch nicht seine Zuständigkeit überschritten, weil mit dem Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nicht über die Nichterfüllung der Schulpflicht abgesprochen wurde, sondern diese lediglich im Rahmen der Begründung als Voraussetzung für die Vornahme einer Schulplatzzuweisung abgehandelt wurde.
22 Der Revision ist jedoch dahingehend zuzustimmen, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach die Schulpflicht gem. § 5 SchPflG durch den Mitbeteiligten ex lege erfüllt sei, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit behaftet ist:
23 Bei der Frage, ob die allgemeine Schulpflicht durch den Besuch einer im Ausland gelegenen Schule gemäß § 13 Abs. 2 SchPflG erfüllt ist, kommt es darauf an, ob die (ausschließliche) Teilnahme via Fernunterricht tatsächlich als „Besuch einer im Ausland gelegenen Schule“ einzuordnen ist.
24 Zwar enthält das SchPflG keine eigene Definition des Begriffs „Schule“, doch kann diesbezüglich auf die Schuldefinition des Privatschulgesetzes zurückgegriffen werden, zumal Privatschulen gemäß § 2 Abs. 3 PrivSchG Schulen sind, die von anderen als den gesetzlichen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden.
25 Gemäß § 2 Abs. 1 Privatschulgesetz (PrivSchG) in seiner Stammfassung BGBl. Nr. 244/1962 sind Schulen im Sinne des PrivSchG Einrichtungen, in denen eine Mehrzahl von Schülern gemeinsam nach einem festen Lehrplan unterrichtet wird, wenn im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinbildenden oder berufsbildenden Kenntnissen und Fertigkeiten ein erzieherisches Ziel angestrebt wird.
26 Eine Schule im Sinne des PrivSchG ist jedenfalls dann gegeben, wenn eine anstaltliche Organisationsform vorliegt, somit ein Schulgebäude (Schulräume), ein Organisationsplan sowie Lehrer als Angestellte vorhanden sind (vgl. Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14 [2015], FN 2 zu § 2 Abs. 1 PrivSchG).
27 Nicht unter den Begriff der „Schule“ im Sinne des PrivSchG fallen hingegen beispielsweise der häusliche Unterricht gem. Art. 17 Abs. 3 StGG sowie Fernlehrinstitute, „da bei ihnen das Merkmal des gemeinsamen Unterrichts, das heißt die gleichzeitige Anwesenheit von Lehrern und Schülern, nicht gegeben ist“ (vgl. Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14 [2015], FN 5 zu § 2 Abs. 1 PrivSchG unter Verweis auf ErläutRV 735 BlgNR 9. GP 9). Dieses Begriffsverständnis liegt auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 86/13/0184, zur Frage der Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Fernstudium als Werbungskosten zugrunde, wonach die Tätigkeit eines Fernlehrinstitutes mit der Unterrichtstätigkeit einer öffentlichen Schule schon deshalb nicht verglichen werden kann, weil weder das Merkmal des gemeinsamen Unterrichts einer Mehrzahl von Schülern, noch auch die für die Durchführung eines normalen Schulbetriebes erforderlichen organisatorischen Voraussetzungen (Schulräume etc.) gegeben sind.
28 Im Einklang damit definiert Art. 14 Abs. 6 B-VG mit der Novelle BGBl. I Nr. 31/2005 den Begriff „Schule“ wie folgt (Hervorhebungen hinzugefügt):
„Schulen sind Einrichtungen, in denen Schüler gemeinsam nach einem umfassenden, festen Lehrplan unterrichtet werden und im Zusammenhang mit der Vermittlung von allgemeinen oder allgemeinen und beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten ein umfassendes erzieherisches Ziel angestrebt wird [...]“.
29 Diese Definition basiert auf der Judikatur zum Schulbegriff und entspricht im Wesentlichen der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 und 2 PrivSchG (vgl. Jonak/Kövesi, Das österreichische Schulrecht14 [2015], FN 1 zu Art. 14 Abs. 6 B-VG).
30 Der in der Revision angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2017/10/0044, die sich mit der Frage des Erlöschens der Schulpflicht wegen einer längeren Abwesenheit der dort mitbeteiligten Partei zwecks Schulbesuchs im Ausland beschäftigt, ist keine Aussage zum Schulbegriff zu entnehmen.
31 Der vom Mitbeteiligten in seiner Revisionsbeantwortung unter Hinweis auf die in den letzten zwei Jahren ausgeübte Durchführung des Unterrichts in Form des „Homeschoolings“ vertretenen Ablehnung der Rechtsansicht der Revisionswerberin, der Besuch einer im Ausland gelegenen Schule knüpfe am physischen Aufenthalt bzw. physischen Schulbesuch an, ist zu entgegnen, dass der österreichische Gesetzgeber für das sogenannte „Homeschooling“ erst eine gesetzliche Grundlage schaffen musste (§ 82m SchUG), weil der „ortsungebundene Unterricht“ dem Schulbegriff gerade nicht innewohnt. Diese Sonderform des Unterrichts wurde zeitlich befristet als Maßnahme zur Bekämpfung von COVID-19 in Form einer Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung eingeführt.
32 In seiner Entscheidung vom , V 574/2020, sprach der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem Antrag auf Normenkontrolle betreffend die Anordnung von ortsungebundenem Unterricht gem. § 13 Abs. 6 iVm § 34 COVID-19-Schulverordnung 2020/21 aus, dass eine solche Form des Unterrichts den verfassungsgesetzlich verankerten Bildungsauftrag der Schule gemäß Art. 14 Abs. 5a B-VG, wonach Kindern und Jugendlichen die bestmögliche geistige, seelische und körperliche Entwicklung zu ermöglichen ist, auf Dauer nicht verwirklichen kann (s. Rz 46). Das Recht auf Bildung der Antragsteller sei jedoch nicht verletzt worden, weil die Organisation des Unterrichts in ortsungebundener Form (lediglich) für einen bestimmten Zeitraum aufgrund der Covid-19-Pandemie erfolgt sei (vgl. Rz 51).
33 Nach alldem ist zusammenfassend festzuhalten, dass der Besuch einer Schule im Ausland - hier einer internationalen Schule in M - im Fernstudium (Homeschooling) nicht den Voraussetzungen des § 13 SchPflG entspricht, weil bei dieser Form der Unterrichtsteilnahme kein Besuch einer „Schule“ im dargelegten Sinn vorliegt. Der Mitbeteiligte hat demnach durch die Teilnahme an dem besagten Fernstudium die in Österreich bestehende Schulpflicht nicht erfüllt. Da das Verwaltungsgericht dies verkannt und deshalb den Bescheid der Revisionswerberin über die konkrete Schulplatzzuweisung an einer öffentlichen Schule aufgehoben hat, belastete es sein Erkenntnis insoweit mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
34 Zur Verpflichtung der Eltern nach § 24 Abs. 1 SchPflG:
35 Das Verwaltungsgericht behob ebenso den Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides ersatzlos. Damit war auf der Grundlage von § 24 Abs. 1 SchPflG die Verpflichtung der Eltern und sonstigen Erziehungsberechtigten ausgesprochen worden, für den regelmäßigen Schulbesuch des Mitbeteiligten an einer näher bezeichneten Schule ab spätestens zu sorgen. Es trifft jedoch nicht zu, dass - wie das Verwaltungsgericht vermeint - diesem Ausspruch keine selbstständige normative Wirkung zukäme. So hat der Verwaltungsgerichtshof in dem bereits zitierten Erkenntnis vom , Ra 2018/10/0040 und 0041, festgehalten, dass die in § 24 Abs. 1 und 2 SchPflG normierten Verpflichtungen der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten sich zwar unmittelbar aus dem Gesetz ergeben, dass dies jedoch nicht ausschließt, dass die Behörde diese Verpflichtungen bescheidmäßig konkretisiert. Eine solche Konkretisierung lag hier vor, indem angeordnet worden war, dass die Eltern für den Schulbesuch des Mitbeteiligten ab einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Schule zu sorgen hätten.
36 Bei § 24 Abs. 1 SchPflG handelt es sich um eine Norm, mit deren Vollziehung gemäß der Generalklausel des § 31 Abs. 2 SchPflG der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung betraut ist; es liegt eine Angelegenheit des Vollzugsbereiches des Bundes vor (vgl. auch Art 14 und Art. 113 Abs. 1 B-VG).
37 Gemäß § 33 Z 1 BD-EG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der Bildungsdirektion, die in den Angelegenheiten des Vollziehungsbereiches des Bundes liegen, das Bundesverwaltungsgericht, weshalb das Verwaltungsgericht Wien das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf Spruchpunkt II. des bekämpften Bescheides mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet hat.
38 Das angefochtene Erkenntnis war nach dem Gesagten sohin im Hinblick auf die auf der Grundlage des § 24 Abs. 1 SchPflG ergangene Entscheidung wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG, im Übrigen wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | SchPflG 1985 §5 SchulG Wr 1976 §46 Abs2 VwGG §30 Abs2 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021100123.L00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
VAAAF-45576