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VwGH 08.09.2022, Ra 2021/08/0124

VwGH 08.09.2022, Ra 2021/08/0124

Entscheidungsart: Beschluss

Rechtssatz


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Normen
EStG 1988 §24
NVG 1972 §10 Abs1 Z2
NVG 1972 §14 Abs2
NVG 1972 §2 Z16 idF 2000/I/139
NVG 1972 §2 Z16 idF 2009/I/083
VwRallg
2. SRÄG 2009
RS 1
Wie sich aus dem Wortlaut ergibt, wurde die Definition der Kanzleiablöse (§ 2 Z 16 NVG 1972) mit dem 2. SRÄG 2009 nicht eingeschränkt (so auch die Gesetzesmaterialien, AB 242 BlgNR 24. GP 4). Die bisherige Rechtsprechung (vgl. ) ist auf § 2 Z 16 NVG 1972 idF des 2. SRÄG 2009, BGBl. I Nr. 83/2009, daher jedenfalls insoweit zu übertragen, als mit dem Begriff der Kanzleiablöse nach § 2 Z 16 NVG 1972 weiterhin der Gewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 nach § 10 Abs. 1 Z 2 iVm. § 14 Abs. 2 NVG 1972 in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge zur Pensionsversicherung nach dem NVG 1972 einbezogen wird.

Entscheidungstext

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der Dr. I M in E, vertreten durch Mag. Christoph Mohr, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Huemerstraße 1/Kaplanhofstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W201 2217408-1/2E, betreffend Beiträge nach dem NVG 1972 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versorgungsanstalt des österreichischen Notariates), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom stellte die Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats (nunmehr: Versorgungsanstalt des österreichischen Notariates) für das Jahr 2016 gemäß § 14 Abs. 2 Notarversicherungsgesetz 1972 (NVG 1972) die Beitragsgrundlage der Revisionswerberin mit insgesamt € 570.322,05 fest und verpflichtete die Revisionswerberin zur Nachzahlung von Beiträgen von € 70.510,93.

2 Hinsichtlich der Beitragsgrundlage berücksichtigte der Versicherungsträger eine Kanzleiablöse von € 521.909,03. Das Amt der Revisionswerberin als öffentliche Notarin sei mit erloschen. Ihre Anteile an der zuvor als Personengesellschaft geführten Notariatskanzlei habe die Revisionswerberin mit Abtretungsvereinbarung an ihren Kanzleipartner veräußert. Der aus der Veräußerung des Betriebes erzielte Gewinn im Sinn des § 24 EStG 1988 sei als Kanzleiablöse nach § 2 Z 16 NVG 1972 in die Beitragsgrundlage für das Jahr 2016 miteinzubeziehen.

3 In ihrer Beschwerde brachte die Revisionswerberin vor, der Versicherungsträger habe zu Unrecht auch die Abgeltung, die die Revisionswerberin für die Gewinne aus den „schwebenden Geschäften“ zum Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Amt erhalten habe, bei Berechnung der Beitragsgrundlage berücksichtigt. Dabei handle es sich um einen Anspruch im Sinn des § 138 UGB, aber nicht um eine Kanzleiablöse im Sinn des § 2 Z 16 NVG 1972.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

5 Dem Einwand der Revisionswerberin gegen die Berechnung der Kanzleiablöse hielt das Bundesverwaltungsgericht entgegen, nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis auf VfSlg. 18.786/2009) und des Verwaltungsgerichtshofs (Hinweis auf ) sei zum Verständnis des Begriffs der Kanzleiablöse nach § 2 Z 16 NVG 1972 auf den Veräußerungsgewinn nach § 24 EStG 1988 abzustellen. Ein Veräußerungsgewinn im Sinn dieser Rechtsprechung liege auch im vorliegenden Fall vor. Eine maßgebliche Änderung der Rechtslage sei insoweit auch durch die Novellierung des § 2 Z 16 NVG 1972 mit BGBl. Nr. 83/2009 nicht eingetreten.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob ein „Gewinn aus schwebenden Geschäften“ unter die Definition der Kanzleiablöse nach § 2 Z 16 NVG 1972 falle. Die vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Entscheidungen seien nicht einschlägig. Das NVG 1972 stelle auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ab. Aus den Wertungen des § 138 UGB sei abzuleiten, dass es sich dabei um keine Abgeltung für den Gesellschaftsanteil, sondern einen eigenständigen Anspruch „sui generis“ handle.

10 Nach § 2 Z 16 NVG 1972 in der Fassung der 9. Novelle zum NVG 1972, BGBl. I Nr. 139/2000, war eine Kanzleiablöse die Leistung, die von einem Amts- oder Kanzleinachfolger für die Überlassung der Notariatskanzlei, wie zB deren Räumlichkeiten, Einrichtung - auch technische Einrichtung -, der verwahrten Urkunden, des Mandantenstockes sowie Handakten, erbracht wird.

11 Hinsichtlich dieser Rechtslage schloss sich der Verwaltungsgerichtshof mit dem vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis vom , 2009/08/0157, der Ansicht des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg. 18.786/2009) an, dass mit dieser Definition des Begriffs der Kanzleiablöse der aus der Veräußerung des Betriebes des Notariates erzielte Gewinn im Sinn des § 24 EStG 1988 nach § 10 Abs. 1 Z 2 iVm. § 14 Abs. 2 NVG 1972 in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge zur Pensionsversicherung nach dem NVG 1972 einbezogen werden solle. Vor dem Hintergrund dieses Begriffsverständnisses sei unter einer Kanzleiablöse auch eine Leistung zu verstehen, die der Veräußerer für die Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer Notar-Partnerschaft erhalte. Es komme dabei gemäß der Definition des § 2 Z 16 NVG 1972 (in der genannten Fassung) nur darauf an, ob dem Amts- oder Kanzleinachfolger durch diesen Gesellschaftsanteil das Betriebsvermögen der Notariatskanzlei, zB deren Räumlichkeiten, Einrichtung, Urkunden, Mandantenstock, etc., überlassen würden. Würden somit von einem Notar mittels Veräußerung seines Gesellschaftsanteils an einer Personengesellschaft insbesondere der Klientenstock, das Anlagevermögen sowie offene Honorarforderungen für erbrachte - jedoch noch nicht fakturierte - Leistungen der Notariatskanzlei übertragen, werde eine „Überlassung der Notariatskanzlei“ nach § 2 Z 16 NVG 1972 begründet und seien, wenn für diese Überlassung vom Amtsnachfolger eine Leistung erbracht werde, die Voraussetzungen einer Kanzleiablöse im Sinn dieser Bestimmung erfüllt.

12 Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, denen die Revision nicht entgegentritt, wurde an die Revisionswerberin für die Übertragung ihres Gesellschaftsanteils an der Notar-Partnerschaft eine Leistung erbracht, die unter diese Definition der Kanzleiablöse nach § 2 Z 16 NVG 1972 in der Fassung der 9. Novelle zum NVG 1972, BGBl. I Nr. 139/2000, fällt. Dass mit der Ablöse auch offene Honorarforderungen für erbrachte, jedoch noch nicht fakturierte Leistungen der Notariatskanzlei abgegolten wurden, steht dem - anders als die Revision meint - nach der zitierten Rechtsprechung nicht entgegen.

13 Nach der vorliegend zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung des 2. Sozialrechts-Änderungsgesetz 2009 (2. SRÄG 2009), BGBl. I Nr. 83/2009, sind nach § 2 Z 16 NVG 1972 als Kanzleiablöse Leistungen jedweder Art zu verstehen, die für die Übertragung der Notariatskanzlei, wie zB deren Räumlichkeiten, Einrichtung - auch technische Einrichtung -, der verwahrten Urkunden, des Mandant/inn/enstockes sowie Handakten, oder die für die Aufgabe/Abtretung einer Beteiligung an einer Notar-Partnerschaft im Sinne der §§ 22 und 29 der Notariatsordnung erbracht werden. Dazu zählen auch Leib-/Zeitrenten.

14 Dem Bundesverwaltungsgericht ist zuzustimmen, dass, wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, die Definition der Kanzleiablöse mit dem 2. SRÄG 2009 nicht eingeschränkt wurde (so auch die Gesetzesmaterialien, AB 242 BlgNR 24. GP 4). Die bisherige Rechtsprechung ist auf die anzuwendende Rechtslage daher jedenfalls insoweit zu übertragen, als mit dem Begriff der Kanzleiablöse nach § 2 Z 16 NVG 1972 weiterhin der Gewinn im Sinne des § 24 EStG 1988 nach § 10 Abs. 1 Z 2 iVm. § 14 Abs. 2 NVG 1972 in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Beiträge zur Pensionsversicherung nach dem NVG 1972 einbezogen wird.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am

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Normen
EStG 1988 §24
NVG 1972 §10 Abs1 Z2
NVG 1972 §14 Abs2
NVG 1972 §2 Z16 idF 2000/I/139
NVG 1972 §2 Z16 idF 2009/I/083
VwRallg
2. SRÄG 2009
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2
ECLI
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021080124.L00
Datenquelle

Fundstelle(n):
VAAAF-45550